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  • 01.05.2006 | Schuldnerstrategien durchkreuzen

    Vollstreckungsvereitelung: Das müssen Sie wissen

    von Rechtsfachwirt Martin Winarzki, Siegburg

    Das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen oder Vereiteln der Vollstreckung durch den Schuldner ist strafbar, § 288 StGB. Das Strafverfahren gegen den Schuldner kann dem Gläubiger dazu dienen, sonst kaum zu ermittelnde Tatsachen zu klären, um so die weitere Vollstreckung oder eine privilegierte Pfändung zu betreiben, bzw. eine Anfechtungsklage gegen einen Dritten vorzubereiten. Die folgende Checkliste grenzt daher Tatbestandsmerkmale und Anwendungsbereich des § 288 StGB näher ein:  

     

    Checkliste: Tatbestandsmerkmale und Anwendungsbereich der Vollstreckungsvereitelung
    1. Wer handelt strafbar?
    Täter des § 288 StGB ist allein der Schuldner. Für den Gläubiger ist aber auch höchst bedeutsam, weitere Beteilige der Tat in Erfahrung zu bringen, um evtl. gegen diese ebenfalls Ansprüche realisieren zu können. Begeht ein Außenstehender auf Drängen des Schuldners die vollstreckungsvereitelnde Tat, ist dieser als Tatgehilfe anzusehen und nach § 27i.V.m. § 288 StGB strafrechtlich zu belangen. Er kann sich durch sein Handeln auch ohne eigene Vereitelungsabsicht der Beihilfe schuldig machen, wenn ihm die Absicht des Täters bekannt und ihm gleichzeitig bewusst ist, durch sein eigenes Verhalten die Tat zu fördern.
    Praxishinweis: Der Nachweis dieser „Bösgläubigkeit“ kann sich im Einzelfall problematisch gestalten. Hier ist danach zu differenzieren, in welchem Verhältnis der Tatgehilfe zum Schuldner steht. So wird sich der Ehepartner oder ein naher Angehöriger kaum auf eine Unkenntnis der näheren Begleitumstände der Vermögensverschiebung berufen können. Hinsichtlich des für eine Strafbarkeit des Tatgehilfen erforderlichen Grades an Mitwirkung bei der Tat ging die h.M. (RGSt 27, 10) bislang sogar soweit, auch in einem neutralem Verhalten des Gehilfen (z. B. als Empfänger eines vom Schuldner veräußerten/beiseite geschafften Vermögenswertes) ohne eigenes Handeln Beihilfe zu sehen. Gegenwärtig findet insoweit jedoch, mit Blick auf die im Bereich der Insolvenzstraftaten einschlägigen Regelungen der §§ 283 ff. StGB, die eine Strafbarkeit nur bei aktivem Handeln des Dritten (§ 283d StGB) und nicht bereits beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit dem Schuldner vorsehen, eine rechtliche Neubewertung in der einschlägigen Literatur statt (LK/Schünemann, 11. Aufl., § 288 Rn. 40).

     

    2. Wann „droht“ die Zwangsvollstreckung?
    Die Vollstreckung „droht“ nach höchstrichterlicher Rechtsprechung von dem Zeitpunkt an, in dem der Gläubiger zu erkennen gibt, seine ihm gegen den Schuldner zustehenden Ansprüche realisieren und nötigenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung verwirklichen zu wollen (RGSt 24, 239; GA 35, 201; HRR 34 Nr. 532). Wichtig: Zu prüfen ist hier allein die Situation zum Zeitpunkt der Tat. Es ist insoweit auf die objektive Sachlage unter Berücksichtigung aller Anzeichen eines Beitreibungswillens seitens des Gläubigers abzustellen. Sollte der Gläubiger bereits Klage erhoben oder einen Vollstreckungstitel erwirkt haben, „droht“ die Zwangsvollstreckung ganz unzweifelhaft. Für die Anwendbarkeit von § 288 StGB bedarf es jedoch nicht einmal der Einleitung von Schritten des Gläubigers zur prozessualen Durchsetzung der Forderung (BGH NJW-RR 91, 467). Einzelne Gerichte haben den Anwendungsbereich des § 288 StGB sogar so extensiv ausgelegt, dass ein „Drohen“ der Zwangsvollstreckung bereits zu bejahen sei, wenn eine Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner besteht. Es ist insoweit nicht erforderlich, dass der Gläubiger dem Schuldner gegenüber seine Absicht kundgetan hat, sein Recht durchzusetzen (RG GA 35, 201).

     

    Ferner wäre nicht erforderlich, dass die Forderung durch Kündigung fällig gemacht, der Schuldner zur Zahlung gedrängt oder sonstige schlüssige Handlungen durch den Gläubiger vorgenommen wurden, aus denen die Absicht einer Geltendmachung der Forderung hervorgeht (KG 21.2.05, 8 U 160/04, n.v.; RGSt 63, 342). Es genüge insoweit, dass das „Drohen“ der Zwangsvollstreckung aus der Natur der Forderung oder den besonderen Umständen des Falles hervorgehe und dem Schuldner bewusst sei, dass eine Geltendmachung des Gläubigeranspruchs erfolgen werde.

     

    Praxishinweis: Sicherlich kann es als streitig angesehen werden, ob eine derart weitgehende Auslegung tatsächlich dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Auch wenn im Regelfall zumindest auf ein schlüssiges Handeln des Gläubigers abzustellen sein wird, sollte man jedoch nicht davor zurückscheuen, sich in Zweifelsfällen auf die vorstehende Rechtsprechung zu berufen, um ein möglichst positives Ergebnis für den Gläubiger zu erreichen.

     

    In jedem Fall erforderlich ist das Bestehen eines durchsetzbaren materiellen Anspruchs, da § 288 StGB – entgegen dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut – nicht die Zwangsvollstreckung als solche, sondern nur das materiell-rechtliche Befriedigungsrecht als Vermögensposition des Gläubigers schützt. Nicht anwendbar ist § 288 StGB somit, wenn dem Schuldner eine Geldstrafe oder sonstige Vermögenssanktion (Einziehung oder Verfall) droht, da der Staat hier regelmäßig in Ausübung der Strafrechtspflege und nicht als Gläubiger eines materiellen Befriedigungsrechts handelt. Das Gleiche gilt sinngemäß bei Vermögensverschiebungen eines Dritten, dem die Anordnung des Verfalls oder der Einziehung droht.

     

    Praxishinweis: Eine für Gläubiger interessante Ausnahme ist jedoch darin zu sehen, wenn Sicherstellungsmaßnahmen erfolgen, um einen späteren Vollstreckungszugriff der Verletzten zu ermöglichen: In diesen Fällen kann, da letztlich die materiell-rechtlichen Ansprüche der Verletzten geschützt werden sollen, das Vorliegen eines durchsetzbaren Anspruchs bejaht werden. Ein Verletzter könnte also unter Berufung auf die drohenden oder bereits erfolgten Sicherstellungsmaßnahmen Ansprüche gegen den Schuldner oder beteiligte Dritte herleiten (vgl. zur Wahrnehmung der zivilrechtlichen Ansprüche Verletzter im Strafverfahren PA 05, 155).

     

    3. Was sind Bestandteile des Vermögens?
    Als Bestandteile des Vermögens des Schuldners sind alle werthaltigen Gegenstände, Forderungen und Rechte anzusehen, die der Vollstreckung unterliegen, also auch die Besitz- und Nutzungsrechte an schuldnerfremden Sachen (KG, a.a.O.). Unpfändbare Gegenstände und Rechte, bloße Beweisurkunden sowie wirtschaftlich einem anderen gehörendes Treugut sind danach von der Anwendung des § 288 StGB nicht umfasst.

     

    4. Was versteht man unter „Veräußern“ von Vermögen?
    Dies beinhaltet alle Vermögensverschiebungen (z.B. Abtretung, Übereignung, Belastung, Dereliktion etc.), in denen der Schuldner nicht den vollen Gegenwert für das Geleistete erlangt – und die somit das Schuldnervermögen mindern – oder durch die er nicht bloß den fälligen Anspruch eines anderen Gläubigers erfüllt.

     

    5. Was versteht man unter „Beiseiteschaffen“ von Vermögen?
    Hierunter versteht man alle Handlungen wie das räumliche Verschieben (z. B. Verstecken, nicht jedoch Zerstören und Beschädigen), oder Verändern der rechtlichen Lage (z.B. bei Scheingeschäften) von Vermögenswerten, die den Gläubigerzugriff tatsächlich (wenn auch nur vorübergehend) vereiteln oder erschweren.

     

    Praxishinweis: Auch in der Erwirkung eines nicht durch eine Forderung gegen den Schuldner gedeckten Vollstreckungstitels i.V.m. dessen Ausnutzung durch einen Dritten ist ein „Beiseiteschaffen“ von Vermögenswerten sowie eine Beihilfe zur Vollstreckungsvereitelung zu sehen. Dies gilt hingegen nicht bei einem allein passiven Verhalten des Schuldners (z. B. Auskunftsverweigerung oder andere Verheimlichungsmaßnahmen über den Verbleib oder die Besitz-/Eigentumsverhältnisse hinsichtlich Bestandteilen des Vermögens des Schuldners). Hier können jedoch unter Umständen andere Tatbestände, z.B. der des Betrugs (OLG Hamm NJW 56, 194), erfüllt sein.

     

    6. Muss der Schuldner mit Vorsatz gehandelt haben?
    Ja. Der (bedingte) Vorsatz des Schuldners muss darauf abzielen, der ihm drohenden Zwangsvollstreckung einen Befriedigungsgegenstand zu entziehen. Hieran fehlt es, wenn der Schuldner bei der Vermögensveräußerung davon ausgeht, dass der Gläubiger, von dem die Zwangsvollstreckung droht, auch ohne die Veräußerung eine Befriedigung nicht erlangen werde oder der Schuldner davon ausging, sein Vorgehen könnte zur Folge haben, dass diesem Gläubiger später bessere Vollstreckungsmöglichkeiten geboten werden (BGH, a.a.O.). Ebenfalls ist ein Vorsatz des Schuldners zu verneinen, wenn er der Meinung ist, zu seinem Handeln rechtlich verpflichtet zu sein (Tatbestandsirrtum).

     

    Zum Vorsatz des Schuldners muss weiterhin die Absicht hinzutreten, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln. Dies ist nicht so zu verstehen, dass der Beweggrund des Schuldners für sein Handeln gerade die Vollstreckungsvereitelung sein muss, zumal diese häufig nur eine (möglicherweise sogar unerwünschte) Nebenfolge darstellt. Insoweit genügt es, dass der Schuldner die Benachteiligung des Gläubigers als sichere Folge seines Verhaltens voraussieht und in seinen Willen aufnimmt. Zur Vollendung der Tat genügt also die Absicht des Schuldners, eine Gläubigerbefriedigung zu vereiteln, gleichgültig, ob dieses Ziel letztlich erreicht wird. An einer Vereitelungsabsicht fehlt es, wenn der Schuldner zwar bestimmte Vermögenswerte dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen beabsichtigt, zum Zeitpunkt der Vermögensverschiebung durch den Schuldner aber noch andere Vermögensgegenstände vorhanden sind, die für eine Befriedigung des Gläubigers ausreichen (BGH BB 59, 361; RGSt 71, 230). Dies gilt nicht, wenn die Vollstreckung gerade auf die Herausgabe des beiseite geschafften Gegenstands gerichtet ist.
     

    Leserservice: In einer der nächsten Ausgaben von „Vollstreckung effektiv“ stellen wir dar, wie Gläubiger weiter straf- und zivilrechtlich gegen den Schuldner und eventuell vorhandene Tatgehilfen vorgehen können.  

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2006 | Seite 86 | ID 91421