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  • Nachlassvollstreckung

    So ermitteln Sie die Erben des Schuldners

    von RiLG Frank-Michael Goebel, Koblenz/Rhens

    Ist der Schuldner verstorben, stellt sich für den Gläubiger die Frage, in welcher Weise er gleichwohl die Befriedigung seiner Forderung erreichen kann. Nicht immer bedarf es hierzu der Ermittlung der Erben, wenn der Nachlass werthaltig ist und in diesen vollstreckt werden soll (Goebel, VE 03, 85). Ist der Nachlass selbst allerdings nicht oder nicht hinreichend werthaltig, bedarf es der Erben-Ermittlung, um zumindest die Möglichkeit der Haftungserweiterung auf deren Vermögen zu erreichen. Der folgende Beitrag erläutert die Einzelheiten.

    I. Ist der Schuldner wirklich verstorben?

    Ist sich ein Gläubiger nicht sicher, ob der Schuldner tatsächlich verstorben ist, hat er unterschiedliche Möglichkeiten dies zu erfahren. Er kann

    • zunächst eine erweiterte Melderegisterauskunft nach § 25 Abs. 2 Nr. 8 Melderechtsrahmengesetz (MRRG) beantragen; hierfür muss er ein berechtigtes Interesse dartun, das mit Übersendung der kopierten Vollstreckungsunterlagen glaubhaft gemacht werden kann;
    • ein Auskunftsverlangen an die Testamentsverwahrungsstelle beim AG nach § 2258a, 2264 BGB richten;
    • eine Anfrage an das Geburtsstandesamt des Erblassers richten, das nach § 43 Abs. 1 der Ausführungsverordnung zum Personenstandsgesetz (PStG) über den Erbfall vom Standesamt des Sterbeorts unterrichtet wird;

    Praxishinweis: Wurde die Geburt nicht im Geltungsbereich des GG beurkundet, übernimmt die Hauptkartei für Testamente beim AG Schöneberg die Funktion des Geburtsstandesamts eines Erblassers. Die Kartei enthält in erster Linie die aus der gesamten Bundesrepublik Deutschland eingegangenen Verwahrungsanzeigen der AG, die ein Testament oder einen Erbvertrag von Personen, deren Geburt nicht im Geltungsbereich des GG beurkundet ist, in amtliche Verwahrung genommen haben. (AG Berlin-Schöneberg, Grunewaldstraße 66-67, 10823 Berlin; Tel.: 030/90159-0; Fax: 030/90159-429; www.berlin.de/SenJust/Gerichte/AG/SCHOEN/index.html).

    • Einsicht in die Nachlassakten nach §§ 34, 78 FGG verlangen (s. u.); zuständig ist das Nachlassgericht beim AG am letzten Wohnort des Schuldners, § 73 FGG;
    • eine Abschrift der Sterbeurkunde als Abschrift aus den Personenstandsbüchern nach § 61 Abs. 1 PStG verlangen (s. u.).

    II. Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben ist möglich

    Hat der Gläubiger Gewissheit, dass der Schuldner verstorben ist, kann der gegen ihn titulierte Anspruch gegen die Erben vollstreckt werden. Da diese Gesamtrechtsnachfolger nach § 1922 BGB sind, vereinigt sich der Nachlass mit der Person und dem Vermögen des Erben, so dass auch die Vollstreckung in dessen Eigenvermögen möglich ist.

    Erben können ihre Haftung auf den Nachlass beschränken. Darauf wird aber häufig aus „moralischen“ Gründen verzichtet. Auch gelingt es nicht jedem Erben, seine Haftung wirksam unter Einhaltung aller Fristen und Formvorschriften zu beschränken.

    Der Gläubiger muss den Vollstreckungstitel gegen den Schuldner und Erblasser nach § 727 ZPO auf den oder die Erben umschreiben lassen, um die Vollstreckung in den Nachlass beginnen oder fortsetzen zu können bzw. in das Eigenvermögen des Erben betreiben zu können. Bei Letzterem muss der Titel und ggf. die Klausel sowie die dieser zu Grunde liegenden öffentlichen bzw. öffentlich beglaubigten Urkunden dem Erben gemäß § 750 Abs. 1 ZPO zugestellt werden.

    III. Möglichkeiten des Erbschaftsanfalls beachten

    Aus Sicht des Gläubigers gilt es zwischen der Erbschaft auf Grund letztwilliger Verfügung und gesetzlicher Erbschaft zu unterscheiden.

    1. Erbschaft auf Grund letztwilliger Verfügung

    Der Schuldner kann als Erblasser seine Erben zunächst auf der Grundlage einer letztwilligen Verfügung, das heißt eines Testaments oder eines Erbvertrags bestimmt haben. Derjenige, der eine solche Verfügung in Besitz hat, ist nach § 2259 BGB verpflichtet, sie an das Nachlassgericht abzuliefern, falls sie nicht schon der Erblasser dort hinterlegt hatte. Für den Gläubiger bedeutet dies, dass er nach dem Tod des Schuldners durch Einsichtnahme in die Nachlassakten (s. u.) feststellen kann, ob eine letztwillige Verfügung vorliegt und wer danach Erbe geworden ist.

    Praxishinweis: Liegt eine letztwillige Verfügung vor, weigert sich der Besitzer aber, diese abzuliefern, kann das Nachlassgericht die Ablieferung nach § 83 FGG unter Fristsetzung anordnen. Kommt der Besitzer dieser Anordnung nicht nach, kann sie mit Zwangsgeld, unmittelbarem Zwang oder der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib der einstweiligen Verfügung nach § 33 FGG durchgesetzt werden.

    Weiss der Gläubiger, dass ein Dritter eine letztwillige Verfügung hat, oder vermutet er dies auf Grund konkreter Anhaltspunkte, kann er ein Vorgehen nach §§ 83, 33 FGG gegenüber dem Nachlassgericht anregen.

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    2. Erbschaft auf Grund gesetzlicher Erbfolge

    Stellt der Gläubiger nach Einsicht in die Nachlassakte fest, dass eine letztwillige Verfügung nicht vorliegt oder nicht abgeliefert wurde bzw. keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Dritter eine letztwillige Verfügung in Besitz (s.o., III. 1.) hat, kann der Gläubiger von der gesetzlichen Erbfolge ausgehen. Diese richtet sich nach §§ 1924 ff. BGB:

    • Danach erben in erster Linie die Abkömmlinge des Erblassers nach § 1924 Abs. 1, 4 zu gleichen Teilen. Ist ein Abkömmling vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge an seine Stelle. Daneben erbt der Ehegatte nach § 1931 BGB ein Viertel. Dieses erhöht sich nach §§ 1931 Abs. 1, 1371 BGB um ein weiteres Viertel, wenn die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben.
    • Sind keine Abkömmlinge vorhanden, erben in zweiter Ordnung nach § 1925 BGB die Eltern des Schuldners. Lebt ein Elternteil oder beide nicht mehr, erben auch die Geschwister des Schuldners. Daneben kommt wieder der Ehegatte nach § 1931 BGB zu einem Erbrecht, jetzt in Höhe der Hälfte des Nachlasses, der wiederum nach § 1371 BGB um ein Viertel zu erhöhen sein kann, um so den Zugewinnausgleich abzufinden.
    • Sind weder Abkömmlinge, Eltern oder Geschwister vorhanden, setzt sich die gesetzliche Erbfolge nach §§ 1926, 1928 BGB mit den Großeltern und Urgroßeltern fort, wenn nicht ein überlebender Ehegatte vorhanden ist, der nach § 1931 Abs. 2 BGB Alleinerbe wird.

    IV. So verschaffen Sie sich Einsichtnahme in die Nachlassakten

    Ist der Schuldner verstorben, kann sich der Gläubiger über §§ 34, 78 FGG Einsicht in die Nachlassakte verschaffen und so feststellen, ob eine letztwillige Verfügung vorliegt und sich hieraus die Erben ergeben. Unter Umständen liegt sogar schon ein Erbscheinsantrag eines Erben oder ein erteilter Erbschein vor. Erforderlich für die Akteneinsicht ist nach § 34 FGG, dass ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Die Glaubhaftmachung erfolgt durch Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels (BayObLG RPfleger 97, 162; 90, 421). Der Bevollmächtigte sollte zur Vermeidung verzögernder Nachfragen unmittelbar eine beglaubigte Vollmacht vorlegen, § 13 FGG.

    Praxishinweis: Die Aufgabe der Nachlassgerichte in Baden-Württemberg wird nach § 147 EGBGB i.V.m. § 1 LFGG BaWü von den staatlichen Notariaten übernommen.

    Leserservice: Sie können diesen Musterantrag unter www.iww.de mit der Abruf-Nr. 031395 herunterladen.

    Praxishinweis: Werden die Akteneinsicht und/oder die Erteilung der Abschriften vom Nachlassgericht verweigert, kann dies mit der unbefristeten Beschwerde zum LG nach § 19 FGG angegriffen werden. Gegen die Entscheidung des LG ist die weitere Beschwerde zum OLG nach §§ 27 ff. FGG gegeben, für die nach § 29 Abs. 1 S. 2 FGG Anwaltszwang besteht.

    Örtlich zuständig ist nach § 73 FGG das Nachlassgericht am letzten Wohnsitz des Schuldners. Dieser lässt sich über eine Anfrage beim Einwohner-Meldeamt des letzten, dem Gläubiger bekannten Wohnsitzes klären (Goebel, Anwaltformulare Zwangsvollstreckung, § 1 Rn. 106). Die Kosten der Akteneinsicht richten sich nach §§ 136, 132 KostO.

    V. So bringen Sie Namen und Anschrift der Erben in Erfahrung

    Oft hat der Gläubiger keine Kenntnis von den Abkömmlingen oder sonstigen als Erben in Betracht kommenden Verwandten des Schuldners. Diese kann er sich durch Einsichtnahme in das Personenstandsbuch des Erblassers verschaffen. Die Führung der Personenstandsbücher obliegt nach § 1 PStG den Standesbeamten. Nach § 51 PStG ist die Aufgabe der Standesbeamten, den Gemeinden zur Erfüllung nach Weisung übertragen. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich damit aus dem jeweiligen Landesrecht.

    Das entsprechende Einsichtsrecht ergibt sich aus § 61 Abs. 1 S. 3 PStG. Voraussetzung ist auch hier, dass ein rechtliches Interesse an der Einsicht glaubhaft gemacht wird. Aufgrund der Vorlage der Vollstreckungsunterlagen ist ein solches rechtliches Interesse grundsätzlich anzunehmen (Krug/Rudolf/Kroiß, Erbrecht, § 11 Rn. 24).

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    Verweigert der Standesbeamte die Akteneinsicht und die Übersendung einer beglaubigten Abschrift aus dem Familienbuch nebst Sterbeurkunde, kann hiergegen gerichtliche Entscheidung nach § 45 PStG beantragt werden. Auf das gerichtliche Verfahren sind die §§ 19 ff. FGG anzuwenden, § 48 Abs. 1 PStG. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich entsprechend § 50 Abs. 2 PStG nach dem Sitz des Standesbeamten.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 07/2003, Seite 99

    Quelle: Ausgabe 07 / 2003 | Seite 99 | ID 107648