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  • Lohnpfändung

    Durch Zusammenrechnung mehrerer Einkommen können Sie den pfändbaren Betrag erhöhen

    von Rechtsanwalt Günter Leißing, Münster

    Ein Schuldner, der mehrere Arbeitseinkommen, Sozial- oder Naturalleistungen von verschiedenen Drittschuldnern bezieht, wird ungerechtfertigt geschützt, wenn man die unterschiedlichen Einkommen gesondert den Pfändungsfreigrenzen gemäß § 850c ZPO unterwirft. Daher kann auf Antrag des Gläubigers eine Addition aller Einkünfte des Schuldners durch das Gericht angeordnet werden (§ 850e Nr. 2 ZPO). Die Zusammenrechnung bewirkt, dass der Schuldner für seine gesamten Bezüge nur einen einzigen Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO in Anspruch nehmen kann. Dieser Freibetrag wird in erster Linie dem Einkommen entnommen, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet (§ 850e Nr. 2 Satz 2 ZPO). Der folgende Beitrag zeigt effektive Zusammenrechnungsmöglichkeiten beim Bezug von Einkommen und/oder Sozialleistungen auf. In der nächsten Ausgabe folgt die Zusammenrechnung mit Naturalleistungen.

    Zusammenrechnung gilt nur für den antragstellenden Gläubiger

    Ein vom Gläubiger beantragter und vom Gericht erlassener Zusammenrechnungsbeschluss wirkt nur für den antragstellenden Gläubiger. Gläubiger, die keine Zusammenrechnung beantragt haben, können nur auf dem von ihnen konkret gepfändeten Lohn(-Anteil) zugreifen. Dies gilt auch für vorrangige Gläubiger (so BAG 23.4.96, NJW 97, 479).

    Deshalb kann die Zusammenrechnung mehrerer Einkommen gerade für einen nachrangig pfändenden Gläubiger vorteilhaft sein. Zwar kann der rangschlechtere Gläubiger das bessere Pfandrecht des vorrangigen Gläubigers nicht zerstören. Der nachrangige Gläubiger kann aber seine Rangposition dadurch verbessern, dass er noch auf den erhöhten Betrag zugreifen kann, der sich durch eine Zusammenrechnung ergibt und der von der Pfändung des vorrangigen Gläubigers nicht betroffen ist.

    Hinweis: Erwirkt hingegen jeder von mehreren Gläubigern einen Zusammenrechnungsbeschluss, so gebührt dem Gläubiger mit dem besten Pfandrecht nach Zusammenrechnung der komplette pfändbare Betrag bis zur Höhe seiner Forderung (Stöber, Forderungspfändung, 12. Auflage, Rn 1140a). Die anderen Gläubiger gehen leer aus.

    Zusammenrechnung kann auch noch nachträglich beantragt werden

    Der Antrag auf Zusammenrechnung verschiedener Einkommensarten kann sowohl sofort mit der Pfändung als auch noch nachträglich gestellt werden:

    • Weiß der Gläubiger bereits bei einer Pfändung des schuldnerischen Einkommens von Nebeneinkünften des Schuldners, sollte er zugleich den Antrag auf gerichtliche Zusammenrechnung stellen. Im Pfändungsantrag müssen die entsprechenden Drittschuldner benannt werden.
    • Erfährt der Gläubiger erst nachträglich – also z.B. nachdem er bereits Ersteinkommen des Schuldners gepfändet hat – von weiteren Einkommen, so kann er trotzdem noch beantragen, dass dieses mit dem zuvor gepfändeten Einkommen zusammengerechnet wird. Eine zusätzliche Pfändung ist hier an sich nicht erforderlich; die Pfändung des Haupteinkommen sowie der Antrag auf Addition genügen (aber s.u.). Der Gläubiger muss lediglich die erforderlichen Angaben wie ungefähre Höhe des Einkommens, genaue Drittschuldnerangabe sowie die Zahl unterhaltsberechtigter Personen belegen (siehe dazu Behr, JurBüro 6, 234 m.w.N.). Bei fehlenden Angaben ist der Antrag wegen des in der Vollstreckung geltenden Beibringungsgrundsatzes abzulehnen. Dem Schuldner ist vor der Anordnung einer nachträglichen Zusammenrechnung rechtliches Gehör zu gewähren.

    Hinweis: Die notwendigen Nachweise über zusätzliches Einkommen des Schuldners kann sich der Gläubiger eventuell durch Informations- und Herausgabeansprüche nach § 840, § 836 Abs. 3 ZPO (Drittschuldnerauskunft, Herausgabe von Lohnsteuerkarte/Lohnbescheinigung etc.) von Drittschuldner und Schuldner beschaffen.

    Gläubiger sollte Nebeneinkommen trotzdem unbedingt pfänden

    In der Praxis sollte der Gläubiger dennoch mit seinem nachträglich gestellten Antrag auf Zusammenrechnung das weitere Einkommen pfänden lassen. Solange er dies nämlich nicht pfändet, kann ein anderer Gläubiger die Zusammenrechnung verlangen und damit selbst im Rahmen einer Pfändung allein darauf zugreifen.

    Arbeitseinkommen ist auch mit Sozialleistungen zusammenrechenbar

    § 850e Nr. 2a ZPO bestimmt, dass auch Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach §§ 18 bis 29 SGB AT mit Arbeitseinkommen oder mit anderen Sozialleistungen zusammengerechnet werden können. Zu letzteren gehören z.B. Arbeitslosengeld, -hilfe, Krankengeld, Verletzten- bzw. Hinterbliebenenrente und Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen. Vorteilhaft für den Gläubiger ist, dass er keine Angaben zur Billigkeit der Pfändbarkeit mehr machen muss, da laufende Sozialleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können.

    Besonders interessant ist die Zusammenrechnungsmöglichkeit, wenn der Schuldner Wohngeld bezieht. Da weder das Wohngeldgesetz noch die Regelungen des SGB eine Pfändbarkeit ausschließen, kann diese Sozialleistung durch jeden Gläubiger gepfändet werden (ausführlich Mock VE 6/2000, 72 m.w.N). Ein Gläubiger kann so angesichts der ständig zunehmenden Wohngeldbewilligungen seine Befriedigungschancen erhöhen.

    Was passiert, wenn mehrere Drittschuldner zusammentreffen?

    Sollen die mehreren Einkommen des Schuldners addiert werden, die dieser von verschiedenen Drittschuldnern bezieht, so gilt:

    • Bei der Addition mehrerer schuldnerischer Einkommen bestimmt zunächst das Vollstreckungsgericht, welcher Drittschuldner die pfändbaren Beträge an den Gläubiger zu überweisen hat. Dies ist regelmäßig der Drittschuldner, bei dem der Schuldner sein höchstes Einkommen erzielt (= sogenanntes „sicheres Einkommen“, das nach § 850e Nr. 2 Satz 2 ZPO die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet).
    • Der/die anderen Drittschuldner müssen dann ihre Leistungen an den Schuldner diesem Drittschuldner mitteilen. Daraufhin kann der vom Gericht benannte Drittschuldner mit dem schuldnerischen Haupteinkommen den insgesamt pfändbaren Betrag ermitteln und diesen an den Gläubiger abführen.

    Zusammenrechnungsantrag und Entscheidung des Gerichts

    Ein Zusammenrechnungsantrag kann z.B. wie folgt lauten:

    Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts kann folgendermaßen ergehen:

    Fazit: Die Zusammenrechnung und Pfändung mehrerer Arbeitseinkommen kann sich durchaus mehrere Wochen oder Monate lang lohnen. Doch diese Möglichkeit ist in der Praxis oft schnell vorbei: Viele Drittschuldner entlassen den Schuldner, bei dem gepfändet wird, oder der Schuldner gibt den Job auf, aus dem er das weniger sichere Einkommen erzielt. Denn von diesem bleibt ihm nach Zusammenrechnung und Pfändung meistens gar nichts übrig, so dass er umsonst arbeitet.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 07/2000, Seite 89

    Quelle: Ausgabe 07 / 2000 | Seite 89 | ID 107420