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  • Klage gegen titulierten Anspruch

    Wie Sie typische Fehler bei einer Vollstreckungsabwehrklage vermeiden können

    von RAin Birgit Brixius, Rhens

    Während Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen zum üblichen Prozessalltag einer Anwaltskanzlei gehören, sind vollstreckungsrechtliche Klagen in der Praxis eher selten. Nicht nur Anwälte, sondern sogar auch Richter, stehen mit dieser Materie auf dem Kriegsfuß, obwohl die Verfahrensvorschriften an leicht überschaubare formelle Gesichtspunkte anknüpfen. Wendet ein Schuldner mit einer Vollstreckungsabwehrklage – auch Vollstreckungsgegenklage – die Erfüllung der titulierten Forderung ein, sollte der Gläubiger-Anwalt genau auf die Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzung achten. Hier wird Vieles falsch gemacht. Anhand des folgendes Falles aus der Praxis werden die wesentlichen Voraussetzungen einer Vollstreckungsabwehrklage erläutert.

    1. Die Zulässigkeit: typische Fehlerquellen

    Im Folgenden werden typische Zulässigkeitsprobleme der Vollstreckungsabwehrklage dargestellt:

    1.1 Die Statthaftigkeit der Klage

    Mit der Vollstreckungsabwehrklage kann der Schuldner Einwendungen geltend machen, die den durch ein Urteil festgestellten Anspruch betreffen (§ 767 Abs. 1 ZPO) und denen keine Präklusionsvorschriften oder die Rechtskraft entgegenstehen (§ 767 Abs. 2, 3 ZPO):

    • Der Schuldner muss Einwendungen gegen den titulierten Anspruch und nicht gegen das Urteil erheben, also: Die Vollstreckbarkeit des Titels soll beseitigt werden.

    Hinweis: Es muss sich um materiellrechtliche Einwendungen handeln. Diese können wegen § 767 Abs. 2 ZPO nur rechtsvernichtend oder rechtshemmend sein, da über rechtshindernde Einwendungen schon vor Erlass des Titels hätte entschieden werden müssen. Ob die Einwendungen tatsächlich greifen, ist dann erst eine Frage der Begründetheit.

    • Da der Bestand und die Rechtskraft des Titels geschützt werden, darf in diese regelmäßig nicht mehr eingegriffen werden.
    • Die Vollstreckungsabwehrklage kann zeitlich nur zwischen Beginn bzw. ernsthaft drohender Zwangsvollstreckung und Beendigung der Vollstreckung erhoben werden.

    Im vorliegenden Fall ist eine Vollstreckungsabwehrklage statthaft. Die Klägerin S. hat mit der Aufrechnung materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch des G. geltend gemacht. Die Zwangsvollstreckung als Ganzes war auch noch nicht beendet, da zwar die Hauptforderung, nicht aber die Gerichts- und die Zwangsvollstreckungskosten bezahlt worden sind. Allerdings war die Bezeichnung der Klage als „Widerspruchsklage gemäß § 771 ZPO“ fehlerhaft. Die Klägerin S. war im arbeitsgerichtlichen Vorprozess Beklagte und Schuldnerin der vollstreckten Forderung, der beklagte G. war Kläger des Vorprozesses und Forderungsgläubiger. Diese Beteiligtenstellung hat sich in der Klage gegen den titulierten Anspruch umgekehrt; die S. ist damit jedoch nicht Dritter im Sinne der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO geworden, weil sie Vollstreckungsschuldnerin ist (allgemein Zöller/Herget, ZPO, 21. Auflage, § 771 Rn 9 ff.). Die falsche Angabe von Klageart und Paragrafen schadet aber nicht, obwohl die Klägerin durch einen Anwalt rechtskundig vertreten war. Die Klage kann in eine Vollstreckungsabwehrklage umgedeutet werden (so neuerdings LG Koblenz 5.2.98, Az: 6 T 5/98, n.v.).

    1.2 Die sachliche Zuständigkeit

    Ein schwerwiegender Fehler ist dem klägerischen Anwalt allerdings in der Wahl der sachlichen Zuständigkeit unterlaufen. Hier gilt: Für die Vollstreckungsabwehrklage ist ausschließlich das Prozessgericht des ersten Rechtszugs zuständig (§ 767 Abs. 1, § 802 ZPO; vergleiche BGH 15.10.80, NJW 81, 346; Musielak/Lackmann, ZPO, 1. Auflage, § 767 Rn 17). Das ist das Gericht, das den Titel geschaffen hat. Hier wurde der Vollstreckungstitel vom ArbG erlassen, das somit an Stelle des angerufenen AG zuständig ist.

    Hinweis: Bei einer Drittwiderspruchsklage begründet sich die ausschließliche örtliche Zuständigkeit nach dem Gericht, in dessen Bezirk die Vollstreckung stattfindet (§ 771 Abs. 1 ZPO, § 802 ZPO). Die sachliche Zuständigkeit ist durch § 23b GVG geregelt. Hiernach ist bei Streitwerten bis 10.000 DM das AG und bei darüber liegenden Werten das LG, niemals aber ein Arbeitsgericht zuständig (vergleiche LAG Berlin LAGE 89, 572). Selbst bei einer Drittwiderspruchsklage wäre das hier angerufene AG also angesichts des Streitwerts von 11.709,89 DM nicht zuständig gewesen.

    Richtigerweise hat das AG hier auf Antrag der Klägerin die Sache an das ArbG verwiesen. Es hat dabei aber übersehen, dass der beklagte G. dazu zwingend hätte angehört werden müssen (siehe § 17a Abs. 2 GVG). Es lag kein Fall des § 281 ZPO vor, wonach bei sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit die Klage nach Rechtshängigkeit auf Antrag ohne Anhörung des Beklagten an das zuständige Gericht verwiesen werden kann. Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen ordentlicher und Arbeitsgerichtsbarkeit ist seit der Novellierung der §§ 48 ArbGG, 17 ff. GVG eine Frage des Rechtswegs und nicht mehr nur der sachlichen Zuständigkeit (OLG Frankfurt 26.9.94, NJW-RR 95, 319; OLG Köln 8.12.92, NJW-RR 93, 639; LAG Frankfurt 6.1.92, NZA 93, 142; ArbG Passau 29.10.91, NZA 92, 428). Somit musste der Beklagte vor der Verweisung zwingend gehört werden.

    Dieser Verfahrensverstoß macht die Verweisung zunächst unstatthaft; die Klage ist nach wie vor beim – unzuständigen – AG anhängig, das den Antrag nach § 769 ZPO nicht – umfassend – bearbeiten darf (dazu Musielak/Lackmann, ZPO, aaO, § 769 Rn 2). Das – noch nicht zuständige – ArbG durfte weder terminieren noch vorläufige Anordnungen nach § 769 ZPO erlassen. Die Anhörung des Beklagten muss nachgeholt werden.

    1.3 Der Klageantrag

    Nach dem in der ZPO geltenden Antragsgrundsatz muss jede Partei konkrete Anträge stellen. Bei der Vollstreckungsabwehrklage lautet der richtige Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem genau bezeichneten Vollstreckungstitel für unzulässig – oder nur Zug um Zug gegen eine Leistung für zulässig – zu erklären. Die Anträge der Klägerin hier sind unstatthaft oder widersprechen sich.

    • Die Vollstreckungsabwehrklage richtet sich nur gegen die Vollstreckbarkeit

      Vorliegend ist der Antrag zu 1) unrichtig: Ziel der Vollstreckungsabwehrklage ist es, die Vollstreckbarkeit aus dem Titel und nicht die Pfändung in das Konto der Klägerin zu beseitigen. Mit der Vollstreckungsgegenklage kann nicht die Vollstreckung in einzelne Gegenstände für unzulässig erklärt werden (Zöller/Herget, ZPO, aaO, § 767 Rn 5 m.w.N.).

      Hinzu kommt, dass dieser Antrag unschlüssig ist. Nach der Klagebegründung war die Zwangsvollstreckung beendet, da die Forderung vermeintlich vollständig durch Aufrechnung mit einer bereits bei Vergleichsabschluss im Vorprozess bestehenden Forderung erloschen war. Einschlägig wäre hier eine Bereicherungsklage.
    • Daneben kann auch kein Leistungsanspruch geltend gemacht werden

      Der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Rückzahlungsanspruch kann nicht mit/neben der Vollstreckungsabwehrklage verfolgt werden. Dem Antrag auf Rückzahlung des zu viel Geleisteten aus Bereicherung steht die Rechtskraft des Titels (= Bestehen des vollstreckbaren Anspruchs) entgegen. Die Vollstreckungsabwehrklage beseitigt nur die Vollstreckbarkeit des Titels; sie führt aber – auch bei Erfolg der Klage – nicht zu einer rechtskraftfähigen Vereinung des titulierten materiellrechtlichen Anspruchs.

      Es ist zwar durchaus möglich, einen zu weit gefassten Klageantrag in eine Bereicherungsklage umzudeuten (Gottwald, Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Auflage, § 767 ZPO Rn 9 m.w.N.). Andere Meinungen nehmen hier eine sogenannte verlängerte Vollstreckungsabwehrklage durch Änderung des Klageantrags oder Hilfsantrag (Thomas/Putzo, ZPO, 22. Auflage, § 767 Rn 7) oder eine objektive Klagehäufung an. Dies hat nach allgemeinen Grundsätzen aber dort seine Grenze, wo – wie hier – nicht für beide Ansprüche derselbe Rechtsweg gegeben ist. Vorliegend resultiert die zu vollstreckende Forderung aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich, so dass für die Vollstreckungsabwehrklage das ArbG als Prozessgericht der ersten Instanz zuständig ist. Der von der Klägerin behauptete Zahlungsanspruch ist jedoch nicht in dem Arbeitsverhältnis, sondern aus dem Gesellschaftsvertrag begründet, so dass vorliegend das LG zuständig wäre.     
    • (Vorläufige) Herausgabe wäre unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache

      Aus den gleichen Gründen ist der Klageantrag zu 3) auf Herausgabe problematisch. Hinzu kommt, dass die vorläufige Anordnung nicht die Hauptsache vorwegnehmen darf. Somit kommt eine Auskehr des infolge der Kontenpfändung gezahlten Betrags – mit oder ohne Sicherheitsleistung – an die Klägerin nicht in Betracht. Statthaft ist – nach dem Wortlaut des § 769 ZPO – nur die Einstellung der Vollstreckung ohne oder gegen Sicherheitsleistung, die Fortsetzung gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers und die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen Sicherheitsleistung des Schuldners oder die Sequestration (Zöller/Herget, ZPO, aaO, § 769 Rn 7).     

    2. Die Begründetheit: Aufrechnungseinwand war nicht präkludiert

    § 767 Abs. 2 ZPO bestimmt, dass die Klage nur dann begründet ist, wenn die Gründe nach dem Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden sind. Insofern wäre hier der Aufrechnungseinwand der S. nach herrschender Rechtsprechung präkludiert (siehe BGH 16.2.61, BGHZ 34, 274; 21.4.80, NJW 80, 2527; a.A. Musielak/Lackmann, ZPO, aaO, § 767 Rn 37 m.w.N.). Die der S. bekannte Forderung aus dem Jahre 1996 hätte spätestens in der Güteverhandlung vor dem ArbG 1997 geltend gemacht werden müssen.

    Vorliegend ist die Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO jedoch ausgeschlossen, weil es um die Vollstreckung aus einem nicht der Rechtskraft fähigen Vergleich geht (BGH 14.5.87, NJW-RR 87, 1022). Die Aufrechnung kann deshalb geltend gemacht werden.

    3. Welche Kosten entstehen bei einer Vollstreckungsabwehrklage?

    Die Anwaltsgebühren betragen „im Vorfeld“ einer Klage bei einer Beratung des Gläubigers nach § 20 BRAGO 1/10 bis 10/10 (Höchstgebühr: 350 DM). Bei einem Tätigwerden nach außen kann der Anwalt nach § 118 BRAGO 5/10 bis 10/10 (Mittelgebühr: 7,5/10) abrechnen. § 57 BRAGO ist nicht anwendbar.

    Im Falle eines Prozesses fallen sowohl für den Gläubiger-als auch für den Schuldneranwalt die vollen 10/10-Gebühren nach § 31 Abs. 1 BRAGO an (Gerold/Schmidt/v. Eicken/ Madert, BRAGO, 14. Auflage, § 57 Rn 23 ff.). Streitwert der Vollstreckungsabwehrklage ist der Wert des Titels, soweit er vom Kläger angegriffen wird (BGH 20.9.95, NJW-RR 96, 443; 23.9.87, NJW-RR 88, 444), das heißt: Wehrt sich der Kläger gegen die Vollstreckbarkeit in vollem Umfang, so bildet die gesamte titulierte Forderung einschließlich der Kosten den Streitwert. Greift der Kläger nur einen Teil an, reduziert sich der Streitwert – ohne die Kosten des ursprünglichen Titels – darauf. § 322 Abs. 2 ZPO (Rechtskraftwirkung der Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung) findet Anwendung.

    An Gerichtskosten entsteht eine dreifache Verfahrensgebühr nach Nr. 1201 KV GKG. Im Falle der Zurücknahme, eines Anerkenntnis- oder Verzichtsurteils oder eines Vergleichs reduziert sich diese Gebühr nachträglich auf 1,0.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 03/2000, Seite 40

    Quelle: Ausgabe 03 / 2000 | Seite 40 | ID 107401