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  • Der praktische Fall

    Vollstreckung gegen eine GbR setzt grundsätzlich einen Titel gegen die Gesellschaft voraus

    Frage: DerGläubiger ist im Besitz eines – persönlichen –Titels gegen einen Mit- Gesellschafter einer GbR, die insgesamt auszwei Gesellschaftern besteht. Die Gesellschaft erzielt Einnahmen alsVermieterin. Auf Grund des Titels sollen diese Mieteinnahmen nunmehrgepfändet werden. Ist dies möglich?

    Antwort: Nein. Miteinem Titel gegen einen Gesellschafter einer GbR allein kann nichtgegendie Gesellschaft als Ganzes als Schuldnerin in dasGesellschaftsvermögen vollstreckt werden. Insoweit verlangt §736 ZPO einen Titel gegen alle Gesellschafter.An diesen Voraussetzungen ändert auch die Entscheidung des BGH vom29.1.01 Goebel, VE 3/01, 29 nichts. Nachdem der BGH hierin diePartei- und Rechtsfähigkeit der GbR anerkannt hat, ist § 736ZPO allein dahin zu verstehen, dass in das Gesellschaftsvermögennur vollstreckt werden kann, wenn entweder

    • ein Titel gegen alle Gesellschafter vorliegt oder
    • verschiedeneTitel hinsichtlich der gleichen Forderung existieren, die in der Summealle Gesellschafter umfassen Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl.,§ 736 Rn. 1 oder
    • ein Titel gegen die GbR als juristische Person existiert.

    Praxishinweis: Zubeachten ist, dass die GbR so bezeichnet sein muss, dass dasVollstreckungsorgan diese als Schuldnerin und somit dasGesellschaftsvermögen eindeutig bestimmen kann. Dies kann in derPraxis zu Schwierigkeiten führen, da es an einerRegistereintragung wie zum Beispiel bei einer GmbH fehlt. Insoweit mussdarauf geachtet werden, Briefpapier und ähnlicheaussagekräftige Unterlagen über den Namen und den Sitz derGesellschaft zu sichern.

    Übersicht: Fallkonstellationen bei der Vollstreckung gegen die GbR

    Angenommen die „A-B-C-D GbR“ bestehtaus den Gesellschaftern A., B., C. und D. Somit ergeben sich folgendeVollstreckungsvarianten:

    Fazit: Ein Titel gegeneinen Gesellschafter allein berechtigt einen Gläubiger also nurzur Vollstreckung in das Privatvermögen dieses Gesellschafters.Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der zugrunde liegendenForderung um eine Privatverbindlichkeit des Gesellschafters oder umeine Gesellschaftsschuld handelt.

    Versuchen Sie eine Titelumschreibung nach § 727 ZPO herbeizuführen

    Ungeklärt ist die Frage, ob das BGH-Urteilauf bereits vorhandene Titel gegen einzelne GbR-Gesellschafter soanzuwenden ist, dass auch auf das Gesellschaftsvermögenzugegriffen werden kann. Dies könnte bei den Fällen gegebensein, in denen es sich bei dem, dem Titel gegen den einzelnenGesellschafter zugrunde liegenden materiellen Anspruch, um eine Schuldder Gesellschaft handelt.

    Allerdings darf nicht verkannt werden, dass sichdamit für den für die Umschreibung zuständigenRechtspfleger Beweis- und Prüfungsprobleme ergeben. Er mussnämlich die Frage beantworten, ob es sich vorliegend um eineGesellschaftsschuld handelt. Rechtsprechung ist hierzu bislang nochnicht ersichtlich.

    Praxishinweis:Können Sie mittels öffentlicher Urkunden, zum Beispiel einemGrundbuchauszug nachweisen, dass die Wohnungen der GbR gehören undzugleich mittels notariellem Gesellschaftsvertrag belegen, dass etwader A. die Geschäfte der GbR führt, dürften dieBeweisprobleme entfallen. Die Form des § 727 ZPO wäregewahrt. Der analogen Anwendung dieser Vorschrift stehen daher keineBedenken entgegen.

    Liegt eine Gesellschaftsschuld vor, aus der dieGesellschafter persönlich in Anspruch genommen wurden, kommt eineTitelumschreibung unmittelbar nach § 727 ZPO nicht in Betracht, dadie GbR nicht Rechtsnachfolger der Gesellschafter ist. Ausprozessökonomischer Sicht kann § 727 ZPO jedoch ebenfallsanalog herangezogen werden. Denn durch das Urteil gegen einen odermehrere GbR-Gesellschafter wegen einer Gesellschaftsschuld hat sichderen akzessorische Haftung dem Grunde nach realisiert. Eine neue Klagegegen die GbR würde also zu keinem anderen Ergebnis führen. Achtung:Eine Umschreibung kommt nicht in Betracht, wenn ein Gesellschafter zumBeispiel zur Zahlung des Kaufpreises für einen privaten Pkwverurteilt wurde. Dann kann die GbR nur als Drittschuldnerin im Rahmeneiner Anteilspfändung in Anspruch genommen werden.

    Praxishinweis: Miteinem Antrag auf Titelumschreibung gegen die GbR betritt einGläubiger nach dem Wandel der BGH-Rechtsprechung juristischesNeuland. Weisen Sie daher in Ihrem Antrag von vornherein darauf hin,dass bei einer Antragsabweisung nur eine neue – für Gerichtund Gläubiger – zeit- und kostenintensive Klage gegen dieGbR in Betracht kommt. Wird der Antrag dennoch zurückgewiesen,legen Sie hiergegen Beschwerde ein. Nur so kann eine einheitlicheRechtsfortbildung geschaffen werden.

    Nutzen Sie die Anteilspfändung als parallele Vollstreckungsmöglichkeit

    Parallel zum Versuch, den Titel gegen dieGesellschaft umzuschreiben, sollte der Gläubiger in denGesellschaftsanteil des persönlichen Schuldners an derGesellschaft vollstrecken: Pfänden Sie daher auf Grund des gegenden einzelnen Gesellschafter gerichteten Titels sowohl denGewinnauszahlungsanspruch des Schuldners gegen die GbR als auch denGesellschaftsanteil als Ganzes. Führt derGewinnauszahlungsanspruch nicht schon zur vollständigenBefriedigung, sollten auf Grund des gepfändetenGesellschaftsanteils die Gesellschaft gekündigt und die hiergebundenen Vermögenswerte des Schuldners realisiert werden. Willder Schuldner dies verhindern, wird er gezwungen sein, die Forderungdes Gläubigers schnellstmöglich auszugleichen.

    Praxishinweis: Diedrohende Auseinandersetzung eignet sich auch als Druckmittel. Denn dieanderen – nicht schuldnerischen – Gesellschafter werdenversuchen, das Eindringen Dritter, das heißt des Gläubigersabzuwenden. Daher dürfte zwecks Erhaltung der Gesellschaft oftmalsdie Bereitschaft zur Zahlung gegeben sein.

    Pfändungsgläubiger hat grundsätzlich das Recht die Gesellschaft zu kündigen

    Hat der Gläubiger den Gesellschaftsanteil desGesellschafters an der GbR gepfändet, kann er diesengrundsätzlich nach § 725 BGB kündigen. Hat derGläubiger allerdings zugleich auch einen Titel gegen dieGesellschaft selbst, wird ihm von einem Teil der Literatur dasKündigungsrecht abgesprochen. Insoweit fehle es an einemRechtsschutzbedürfnis, weil der Gläubiger unmittelbar in dasGesellschaftsvermögen vollstrecken könne vgl. Stöber,Forderungspfändung, 12. Aufl., Rn. 1565.

    Erhebt der Rechtspfleger beim Antrag auf Erlassdes Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insofernEinwendungen, weisen Sie ihn darauf hin, dass die Frage einesmöglichen Kündigungsrechts in der Zwangsvollstreckung nichtzu prüfen ist Stein/Jonas/ Münzberg, ZPO, 20. Aufl., §859 Rn. 4; Behr, InVo 01, 357. Weisen Sie zusätzlich darauf hin,dass im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren kein Grundbesteht, den Gesellschaftsgläubiger schlechter zu stellen als denPrivatgläubiger eines Gesellschafters.

    Praxishinweis: Es istin Rechtsprechung und Literatur nicht geklärt, inwieweit dieübrigen Gesellschafter nach einer Kündigung der Gesellschaftals notwendig Mitwirkende betroffen sind. Um hier allen Streitfragenaus dem Weg zu gehen, sollte der Gläubiger denPfändungsbeschluss sowohl gegen die Gesellschaft selbst als auchdie übrigen Gesellschafter – soweit möglich –beantragen und allen als Drittschuldner zustellen lassen. Um wertvolleZeit zu sparen, sollten Sie die Zustellung selbst durch Beauftragungdes Gerichtsvollziehers vornehmen. Beantragen Sie hierzu von vornhereinsoviel Ausfertigungen des Beschlusses, wie Drittschuldnern zugestelltwerden muss. Wenn also zum Beispiel die GbR sowie vier persönlicheGesellschafter benannt werden, benötigen Sie fünfAusfertigungen. Diese überreichen Sie dem jeweils zuständigen– maßgebend ist das Wohnsitzgericht des jeweiligenDrittschuldners – Gerichtsvollzieher mit einem Zustellungsauftrag.

    Leserservice: Diesen Musterantrag können Sie unter www.iww.de mit der Abruf-Nr. 020085 herunterladen.

    Praxishinweis: Hat derSchuldner die Zwischenzeit bis zum Erlass eines Pfändungs- undÜberweisungsbeschlusses „genutzt“, um seinenGesellschaftsanteil zu übertragen oder seine Ansprücheanderweitig „abzutreten“, prüfen Sie, ob eineAnfechtung dieser Verfügung nach dem AnfG in Betracht kommtGoebel, VE 2/01, 23; 3/01, 37; 4/01, 52.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 02/2002, Seite 20

    Quelle: Ausgabe 02 / 2002 | Seite 20 | ID 107537