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    Ratenzahlungsvereinbarungen nach RVG: Fehler vermeiden und richtig abrechnen
    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
    Ratenzahlungsvereinbarungen nach Erstreiten eines rechtskräftigen Titels spielen im Bereich der anwaltlichen Tätigkeit eine große Rolle. Der folgende Beitrag fasst die Grundlagen zusammen und erläutert, wie Sie vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen nach neuem Recht richtig abrechnen. In einer der nächsten Ausgaben von VE berichten wir darüber, wie Sie während laufender Vollstreckungsmaßnahmen vorgehen müssen.
    Die gesetzliche Regelung
    Bereits zur BRAGO-Rechtslage herrschte große Uneinigkeit darüber, ob beim Abschluss solcher Vereinbarungen dem daran mitwirkenden Rechtsanwalt eine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO erwachsen konnte. Seit dem In-Kraft-Treten des RVG zum 1.7.04 haben sich in diesem Bereich wesentliche Änderungen ergeben.
    Ausgangspunkt bei der Betrachtung, ob dem Anwalt im Vollstreckungsverfahren beim Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung nach dem RVG eine Einigungsgebühr entsteht, ist Nr. 1000 Abs. 1 S. 2 RVG-VV. Der Wortlaut dieser Bestimmungen unterscheidet sich in Bezug auf die alte Rechtslage nach § 23 BRAGO in erster Linie dadurch, dass nun nicht mehr auf § 779 BGB verwiesen wird.
    Praxishinweis: Nach Nr. 1000 Abs. 1 RVG-VV ist es erforderlich, dass ein gegenseitiger Vertrag geschlossen wird. Dies muss nicht notwendigerweise zwischen den Parteien geschehen. Der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung kann auch mit einem Dritten erfolgen (AnwaltKommentar-RVG/N. Schneider, 2. Aufl., VV 1000 Rn. 31).
    Hierbei spielt es auch keine Rolle, ob der Schuldner bzw. der Dritte die vereinbarten Raten ganz oder nur teilweise erbringt oder ob die Einigung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist (a.A. LG Itzehoe SchlHA 97, 192), was der Gläubiger letztlich auch gar nicht wissen kann. Maßgebliches Kriterium bildet nur der Vertragsabschluss. Der Vertrag ist nach allgemeinem Vertragsrecht zu Stande gekommen, wenn sich die beiden Willenserklärungen decken.
    Kein gegenseitiges Nachgeben mehr erforderlich
    Entgegen der alten Rechtslage nach § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO verzichtet der Gesetzgeber nun bewusst auf das Tatbestandsmerkmal des "gegenseitigen Nachgebens", wie dies durch den Verweis in § 23 BRAGO auf § 779 BGB ersichtlich war. Zielrichtung dieser Neugestaltung ist es, die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken (BT-Drucksache 15/1971 S. 204).
    Praxishinweis: Der bislang im Anwendungsbereich der BRAGO bestehende Streit, ob auf Seiten des Schuldners bzw. Gläubigers ein Nachgeben im Fall einer Ratenzahlungsvereinbarung vorliegt, ist damit erledigt. Insofern dürften die in Rechtsprechung und Literatur auftretenden Fälle, in denen nach BRAGO-Rechtslage kein Nachgeben gesehen wurde, nun zum Entstehen einer Einigungsgebühr führen. Dies gilt insbesondere bei
  • bloßer Verpflichtung zur Ratenzahlung,
  • Übernahme der Kosten einer Ratenzahlungsvereinbarung durch den Schuldner,
  • Inaussichtstellen neuer Geschäftsbeziehungen sowie
  • Vereinbarung eines Zinsaufschlags.
    Insbesondere kommt es nicht mehr darauf an, dass der Schuldner dem Gläubiger einen konkreten Vorteil verschafft, den sich dieser auch nicht im Rahmen einer Vollstreckung beschaffen kann. Es ist daher nicht mehr erforderlich, dass der Schuldner Forderungen, wie z.B. Lohn, abtritt, Sicherungsübereignungen vornimmt, Bürgschaften stellt oder gar auf Vollstreckungsschutz verzichtet.
    Streit bzw. Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis muss beseitigt werden
    Das Merkmal der Streitbeseitigung wird regelmäßig nicht vorliegen, wenn der Anspruch bereits rechtskräftig tituliert ist und die Zwangsvollstreckung kurz bevorsteht oder gar stattfindet. Denn durch den rechtskräftig titulierten Anspruch ist klargestellt, dass eben kein Streit mehr über das Rechtsverhältnis besteht.
    Vielmehr greift in diesem Stadium der Ratenzahlungsvereinbarung das Tatbestandsmerkmal der Beseitigung der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis. Denn nach dem Motto: "Recht haben und Recht bekommen sind Zweierlei", setzt sich die Unsicherheit des Gläubigers im Vollstreckungsverfahren selbst bei Vorliegen eines Titels fort. Dieser kann nämlich nicht sicher sein, ob er im Rahmen von Vollstreckungsmaßnahmen zur Erfüllung seines titulierten Anspruchs kommt.
    Zwar wird man auch hier nicht verneinen können, dass durch die Vereinbarung von Ratenzahlungen die Realisierung der Forderung nach wie vor zweifelhaft bleibt, so dass letztlich doch ein gewisser Grad von Ungewissheit verbleibt (N. Schneider, a.a.O., VV 1000 Rn. 96). Dies dürfte jedoch im Hinblick auf das Entstehen der Einigungsgebühr unbeachtlich sein, da das gesetzgeberische Ziel der Gerichtsentlastung letztlich erreicht ist.
    Es darf kein Anerkenntnis oder Verzicht vorliegen
    Nach dem Wortlaut des Gesetzes entsteht eine Einigungsgebühr nicht, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis bzw. einen Verzicht beschränkt. Diese Einschränkung ist nach Ansicht des Gesetzgebers notwendig, damit nicht bereits die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder gar der Verzicht auf Weiterverfolgung eines Anspruchs die Gebühr auslöst.
    Beispiel: Anerkenntnis
    Gläubiger G. pfändet einen Gegenstand des Schuldners S. durch den Gerichtsvollzieher X. Daraufhin zahlt S. den geforderten Betrag und G. gibt den Gegenstand wieder frei.
    Beispiel: Verzicht
    Gläubiger G. pfändet wegen einer Forderung in Höhe von 1.000 EUR den PKW des Schuldners S. Dieser erhebt Vollstreckungsgegenklage und rechnet mit einer Forderung in gleicher Höhe auf. In der mündlichen Verhandlung einigen sich die Parteien darauf, dass G. auf die Geltendmachung des titulierten Anspruchs verzichtet.
    Vereinbarungen vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen
    Sind noch keine Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden, ist Folgendes zu beachten: Erforderlich für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung gegeben ist, ist der dem Anwalt erteilte Auftrag.
    Unter dem Begriff der Zwangsvollstreckung versteht man die in einem formalisierten Verfahren geregelte Durchsetzung von titulierten Ansprüchen durch staatliche Vollstreckungsorgane. Geht der Auftrag also dahin, nach Titulierung des Anspruchs diesen im Rahmen der Zwangsvollstreckung beizutreiben, wird der Anwalt in Bezug auf die Zwangsvollstreckung tätig. Hierzu reicht es bereits aus, dass der Rechtsanwalt vom Mandanten Information zur Vollstreckung erhält bzw. irgendwelche Vollstreckungshandlungen zur eigentlich beabsichtigten Vollstreckungsmaßnahme vorbereitet (Enders, JurBüro 02, 617), wie z.B. die Ermittlung der neuen Schuldneranschrift. Nicht notwendig ist es, dass eine konkrete Zwangsvollstreckungsmaßnahme beantragt oder bereits eingeleitet wurde, etwa die Beauftragung des Gerichtsvollziehers oder der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
    Gebühren richtig abrechnen
    Für die Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Zwangsvollstreckung entsteht diesem nach Nr. 3309 RVG-VV eine 0,3 Verfahrensgebühr. Diese fällt als allgemeine Betriebsgebühr bereits mit der Informationserteilung an. Zusätzlich zur Verfahrensgebühr erhält der Rechtsanwalt nach Nr. 3310 RVG-VV eine Terminsgebühr von 0,3, wenn er an einem gerichtlichen Termin oder an einem Termin vor dem Gerichtsvollzieher zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung teilnimmt.
    Im Vergleich zur Terminsgebühr des Erkenntnisverfahrens nach Nr. 3104 RVG-VV findet somit eine Beschränkung statt (Mock, AGS 04, 45). Denn während die Gebühr nach Nr. 3104 RVG-VV bereits für Besprechungen entsteht, die auf Erledigung zielen (Vorb. 3 Abs. 3, 3. Alt. RVG-VV), ist dies nach Nr. 3310 RVG-VV nicht der Fall, was sich aus der Anmerkung zu Nr. 3310 RVG-VV ergibt ("nur"). Im Stadium der Ratenzahlungsvereinbarung vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen kann also für Besprechungen bzw. Verhandlungen mit dem Schuldner keine Terminsgebühr erwachsen.
    In dieser Stufe anwaltlicher Tätigkeit stellt sich die für das Entstehen der Einigungsgebühr alles entscheidende Frage, ob die Ungewissheit der Parteien durch die Ratenzahlungsvereinbarung beseitigt wird. Allein das Bekunden der Zahlungsbereitschaft des Schuldners verschafft dem Gläubiger diese Gewissheit. Ob dann tatsächlich eine Zahlung seitens des Schuldners erfolgt, ist unbeachtlich, da die Erfüllung des Vertrags für das Entstehen der Einigungsgebühr unerheblich ist (Enders, a.a.O.).
    Praxishinweis: Aus der Gesetzesbegründung zu Nr. 3310 RVG-VV lässt sich zudem eindeutig ablesen, dass der Gesetzgeber stets eine Einigungsgebühr beim Abschluss einer Ratenzahlung entstehen lassen will (BT-Drucksache 15/1971, S. 215).
    Hinsichtlich der Höhe der Einigungsgebühr gilt es zu unterscheiden:
  • Die Einigungsgebühr beträgt nach Nr. 1000 RVG-VV 1,5, wenn der Gegenstand der Einigung gerichtlich nicht anhängig, d.h. solange noch kein staatlicher Zwang beantragt ist (AG Hersbruck, AGS 03, 387).
  • Ist der Gegenstand der Einigung gerichtlich anhängig, also z.B. ein Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gestellt, beträgt die Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG-VV 1,0.
    Dies gilt allerdings nach einer Auffassung nicht bei Tätigkeiten des Gerichtsvollziehers. Dies ergebe sich aus § 753 Abs. 1 ZPO, der zwischen Tätigkeiten des Gerichtsvollziehers und der Gerichte unterscheidet (Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 23 Rn. 15; AG Hamburg DGVZ 00, 120; LG Bremen InVo 01, 142; AnwaltKommentar-RVG/Wolf, a.a.O., Rn. 90). Ist somit der Gerichtsvollzieher das zuständige Vollstreckungsorgan, betrüge beim Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung die Einigungsgebühr stets 1,5.
    Praxishinweis: Diese Ansicht ist jedoch inkonsequent. Denn streng genommen kann hiernach niemals eine Einigungsgebühr zur Entstehung gelangen: Nach der oben zitierten Gesetzesbegründung zur Einigungsgebühr soll in erster Linie ein gerichtliches Verfahren vermieden werden. Wenn also der Gerichtsvollzieher in diesem Sinne kein "Gericht" darstellt, er also im Rahmen einer Einigung nicht tätig werden soll, ist es nur folgerichtig auch keine Einigungsgebühr anfallen zu lassen, da ja letztlich kein gerichtliches Verfahren vermieden wird.
    Zu Recht wird daher die Ansicht vertreten, dass der Sinn und Zweck der höheren Einigungsgebühr darin liegt, einen Anreiz zu schaffen, die Anrufung der für den Streit der Parteien zuständigen staatlichen Organe zu vermeiden. Dies trifft zwar in erster Linie auf das Gericht des Erkenntnisverfahrens zu, weil dieses als erstes angegangen werden muss. Im Rahmen der Vollstreckung treten aber die gerichtlichen Vollstreckungsorgane selbstständig daneben. Auch insofern muss dieses Vollstreckungsorgan - gerade angesichts der permanent zunehmenden Mehrbelastung - hierunter fallen. Wenn also durch die Einigung die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers vermieden wird, kann daher nur eine 1,0-Einigungsgebühr anfallen (AnwK-RVG/Wolf, a.a.O., Rn. 91).
    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 11/2004, Seite 189
    Quelle: Ausgabe 11 / 2004 | Seite 189 | ID 107754