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  • · Fachbeitrag · Reform der Verbraucherinsolvenz

    Beschränkter Zugriff, wenn Schuldner Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft ist

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 18.7.13 (BGBl. I, 2379) ist aufgrund von Änderungen zum GenG für Verfahren, die nach Verkündung des Gesetzes beantragt wurden, bereits in Kraft getreten (vgl. Art 9 S. 2). Durch die Neuerungen ist es für Gläubiger jetzt schwieriger, Ansprüche in Genossenschaftsanteile bei einer Wohnungsgenossenschaft zu pfänden und diese zu verwerten. Der folgende Beitrag erläutert die Einzelheiten. |

    1. Basiswissen kompakt: Genossenschaft

    Eine Genossenschaft ist ein Verein mit freier und wechselnder Mitgliederzahl, dessen Zweck darauf gerichtet ist, Erwerb und Wirtschaft der Mitglieder (= Genossen) zu fördern (§ 1 Abs. 1 GenG). Als juristische Person (§ 17 GenG) steht die Genossenschaft der OHG gleich. Sie wird beim AG im Genossenschaftsregister (im Handelsregister) mit dem Zusatz „eG“ (=eingetragene Genossenschaft; § 3 GenG) eingetragen.

     

    Ebenso wie beim eingetragenen Verein bedarf es einer Satzung (Statut). Es empfiehlt sich, im Hinblick auf die Durchsetzung der Gläubigeransprüche hierin Einsicht zu nehmen.

    2. Bisheriges Praxisproblem

    In der vollstreckungsrechtlichen Praxis konnte bislang ein Gläubiger die Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft entsprechend § 66 Abs. 1 GenG kündigen, um das Auseinandersetzungsguthaben (§ 73 GenG) einzuziehen. Gleiches galt im Fall der Insolvenz.

     

    Da die Mitgliedschaft regelmäßig Voraussetzung für die Überlassung einer Genossenschaftswohnung ist, drohte dem Schuldner somit die Kündigung des Nutzungsverhältnisses durch die Genossenschaft und damit der Wohnungsverlust.

    3. Problemlösung: Änderung des GenG zum 19.7.13

    Um diesen Missstand zu beseitigen, wurde im GenG das Kündigungsrecht bei Wohnungsgenossenschaften beschränkt. Damit wurde auch die Möglichkeit für Gläubiger beschränkt, auf das Auseinandersetzungsguthaben zuzugreifen.

     

    Hierzu regelt nun § 67c GenG, dass eine Kündigung für die Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft durch den Insolvenzverwalter bzw. Gläubiger (§ 66 GenG) ausgeschlossen ist,

    • wenn die Mitgliedschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung des Mitglieds (Schuldners) ist und
    • der Wert des Geschäftsguthabens eine Obergrenze von vier Monatsnettokaltmieten oder den absoluten Betrag von 2.000 EUR nicht übersteigt.

     

    PRAXISHINWEIS | Übersteigt das Geschäftsguthaben des Schuldners den 
Betrag von vier Monatsnettokaltmieten oder den absoluten Betrag von 2.000 EUR, ist die Kündigung der Mitgliedschaft auch ausgeschlossen, wenn das 
Geschäftsguthaben durch Kündigung einzelner Geschäftsanteile auf vier 
Monatsnettokaltmieten oder den absoluten Betrag von 2.000 EUR vermindert werden kann (§ 67c Abs. 2 GenG). Die Praxis lehrt aber, dass die Pflichtanteile bei Wohnungsgenossenschaften in vielen Fällen deutlich höher liegen. Daher wird auch weiterhin vielfach eine Verwertung der Geschäftsanteile und damit ein Verlust des Anspruchs des Schuldners auf Nutzung des Wohnraums eintreten.

     

    Im Rahmen des Ausschlusses dieses Kündigungsrechts kann ein Gläubiger allerdings nicht mehr ohne Weiteres auf die Genossenschaftsanteile und 
damit auf die bestehenden Ansprüche des Schuldners zugreifen. Einer beantragten Pfändung fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. Selbst wenn das Vollstreckungsgericht bei Antragstellung dieses nicht prüft und den beantragten PfÜB erlässt, scheitert der Gläubiger letztlich doch an der Verwertung der gepfändeten Forderung, weil das Gesetz ausdrücklich die Kündigung und damit den Zugriff auf das Auseinandersetzungsguthaben ausschließt. Hierauf müssen Gläubiger künftig achten.

     

    Tipp | Um von vornherein unnötige Rückfragen durch das Vollstreckungsgericht zu vermeiden, sollten Sie direkt mit dem Antrag auf Erlass eines PfÜB darlegen, dass die in § 67c GenG genannten Voraussetzungen gerade nicht vorliegen und somit eine Pfändung und letztlich Verwertung möglich ist.

    4. Durchführung der Pfändung

    In der Regel erfährt ein Gläubiger von etwaigen Genossenchaftsanteilen des Schuldners im Rahmen einer Vermögensauskunft. Im zu erstellenden Vermögensverzeichnis wird ausdrücklich unter Nr. 16 hiernach gefragt.

     

    PRAXISHINWEIS | In diesem Zusammenhang ist § 802f Abs. 1 S. 3 ZPO zu beachten. Hiernach muss der Schuldner zum Termin alle erforderlichen Unterlagen mitbringen, andernfalls wird er so behandelt, als ob er den Termin pflichtwidrig versäumt hätte. Dies hat zur Folge, dass der Gerichtsvollzieher die Verfahrensakte unverzüglich dem Richter zu Entscheidung über einen eventuell gestellten Haftbefehlsantrag vorlegen muss. Nach § 836 Abs. 3 ZPO ist der Schuldner 
gegenüber dem Gläubiger zudem verpflichtet, die zur Durchsetzung der Forderung nötigen Urkunden herauszugeben (Leißing, VE 00, 8). Unabhängig davon empfiehlt es sich generell, auch den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Statuts gegenüber der Genossenschaft mit zu pfänden. Der Gläubiger hat dann nämlich einen eigenen einklagbaren Anspruch gegen den Drittschuldner auf Herausgabe der Urkunde.

     

     

    Checkliste / Pfändbare Ansprüche: richtige Vorgehensweise

    • 1.Auf Seite 4 bzw. 5 des amtlichen Formulars ist zunächst unter G (an Sonstige) ein Kreuz zu setzen.
    • 2.Auf Seite 3 bzw. 5 des amtlichen Formulars ist als Drittschuldner die Wohnungsgenossenschaft zu bezeichnen.
    • 3.Auf Seite 5 bzw. 6 des amtlichen Formulars ist unter Anspruch G (an Sonstige) nachfolgender Text einzutragen:
    •  
    • „Es wird der angebliche Anspruch des Schuldners auf
      • Geschäftsguthaben
      • Beteiligung am Reservefonds (§ 73 Abs. 3 GenG)
      • Gewinnbeteiligung
      • Liquidationsguthaben
    • gepfändet.“
     

    5. Zugriff

    Im Fall der Pfändung und Überweisung des Geschäftsguthabens ist der Gläubiger berechtigt, anstelle des Schuldners die Mitgliedschaft zu kündigen 
(§ 66 Abs. 1 GenG). Hierbei sind allerdings folgende Besonderheiten zwingend zu beachten:

     

    • Der zugrunde liegende Titel darf nicht nur vorläufig vollstreckbar sein (§ 66 Abs. 1 GenG).

     

    • Innerhalb der letzten sechs Monate vor Erlass des PfÜB muss fruchtlos gegen den Schuldner sowohl in das bewegliche als auch in das unbewegliche Vermögen vollstreckt worden sein. Hierbei reicht es aus, dass die Fruchtlosigkeit objektiv feststeht, sodass der Hinweis auf andere schon vollstreckende Gläubiger oder eine bereits abgegebene Vermögensauskunft genügt.

     

    • Die Kündigung muss gegenüber der Genossenschaft in Schriftform erfolgen (§ 66 Abs. 1, § 65 Abs. 2 S. 2 GenG). Der Erklärung muss eine - amtlich - 
beglaubigte Abschrift des Titels sowie der Urkunden über die fruchtlose Vollstreckung beiliegen (§ 66 Abs. 2 GenG). Abschriften durch den Gläubiger-anwalt reichen nicht aus (Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1636). Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob - entgegen des Gesetzeswortlauts - auch der bereits an die Genossenschaft zugestellte PfÜB in beglaubigter Abschrift beizufügen ist. Hier empfiehlt es sich, die Abschrift beizufügen.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine Beschränkung des Kündigungsrechts durch den Gläubiger besteht in den Fällen, in denen er bereits durch einen oder mehrere 
Geschäftsanteile befriedigt wird (§ 67b GenG). Dies ist für den Schuldner dann die weniger einschneidende Maßnahme als das gänzliche Ausscheiden aus der 
Genossenschaft. Die Kündigung durch den Gläubiger findet gemäß § 65 Abs. 2 
S. 1 GenG nur zum Schluss des Geschäftsjahrs (nicht Kalenderjahrs) statt. Sie muss mindestens drei Monate vorher erfolgen, wobei das Statut eine längere, maximal jedoch fünfjährige Frist vorsehen kann (§ 65 Abs. 2 S. 2, 3 GenG).

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 12 | ID 42434460