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  • 06.09.2011 · IWW-Abrufnummer 112893

    Kammergericht Berlin: Urteil vom 07.02.2011 – 24 U 156/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Kammergericht
    Im Namen des Volkes
    Geschäftsnummer: 24 U 156/10
    verkündet am : 07.02.2011
    16 O 361/10 Landgericht Berlin
    In dem einstweiligen Verfügungsverfahren XXX
    hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 07. Februar 2011 durch XXX für Recht erkannt:
    1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin – 16 O 361/10 – vom 05. Oktober 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Passivrubrum statt:
    „die XXX“
    richtig heißen muss:
    „die XXX“.
    2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    Gründe:
    A.
    Die Verfügungskläger sind Musikkomponisten und ordentliche Mitglieder der Verfügungsbeklagten, einer in der Rechtsform eines - kraft Verleihung - rechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins organisierten Verwertungsgesellschaft für musikalische Aufführungsrechte und mechanische Vervielfältigungsrechte nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Die Verfügungskläger nehmen die Verfügungsbeklagte im Wege einstweiliger Verfügung auf Unterlassung in Anspruch, das Vergütungsaufkommen des Jahres 2010 nach den geänderten Regeln des Verteilungsplans auszukehren, die auf der Jahreshauptversammlung der Verfügungsbeklagten am 30.06.2010 zu TOP 28 als beschlossen protokolliert worden sind, bis die Rechtswirksamkeit dieses Beschlusses im Hauptsacheverfahren geklärt ist.
    Das Landgericht hat, nachdem es am 05. Oktober 2010 mündlich verhandelt hat, die beantragte einstweilige Verfügung durch Urteil vom gleichen Tage erlassen.
    Gegen dieses Urteil wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung.
    Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß den §§ 540 Abs.2, 313a Abs.1 S.1, 542 Abs.2 S.1 ZPO abgesehen.
    B.
    Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und auch sonst zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 05. Oktober 2010 hat in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der erkennende Senat nach Überprüfung zu eigen macht, einen im Wege einstweiliger Verfügung durchsetzbaren Unterlassungsanspruch der Verfügungskläger gegen die Vollziehung des geänderten Verteilungsplans bejaht.
    1.
    Mängel von Vereinsbeschlüssen sind mit Hilfe der allgemeinen Feststellungsklage zu verfolgen (BGH NJW 2008, 69 Rdn. 36 – zitiert nach juris), wie sie die Verfügungskläger hier im Rahmen des Hauptsacheverfahrens erhoben haben. Die Vorwegnahme dieser Feststellung ist durch einstweilige Verfügung zwar nicht möglich (vgl. nur Zöller / Vollkommer (28. Auflage 2010) § 940 ZPO Rdn. 8 s.v. Gesellschaftsrecht m.w.N.); es kann aber zulässiges Ziel einer einstweiligen Regelungsverfügung sein, dem Verband die Ausführung eines nichtigen Beschlusses zu untersagen, wenn dem Verfügungskläger ein Warten auf den Ausgang des Feststellungsprozesses nicht zugemutet werden kann (vgl. Zöller / Vollkommer aaO.; MüKo-Drescher (3. Auflage 2007) § 935 ZPO Rdn. 69; vgl. auch Buchta DB 2008, 913, 917 zu Ziffer IV.1). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht hier mit Recht als erfüllt angesehen.
    2.
    Den Verfügungsklägern steht ein Verfügungsanspruch zu, weil die von ihnen glaubhaft gemachten und im wesentlichen auch unstreitigen Tatsachen bei summarischer Prüfung den hinreichend sicheren Schluss darauf zulassen, dass der auf der Jahreshauptversammlung der Verfügungsbeklagten am 30.06.2010 zum Antrag 28 der Tagesordnung protokollierte Beschluss nichtig ist und die im Hauptsacheverfahren erhobene Feststellungsklage deshalb Erfolg haben wird.
    a)
    Ausweislich des von der Verfügungsbeklagten als Anlage B 1 eingereichten Protokolls der XXX
    - Hauptversammlung vom 30.06.2010 in Berlin war der Antrag zur Änderung von Abschnitt XIV Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan für das Aufführungs- und Senderecht, zu Abschnitt V Ziffer 6 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan für das mechanische Vervielfältigungsrecht und zu § 5 (1), (2) Absatz 3 und (5) b) der Geschäftsordnung für das Wertungsverfahren in der Unterhaltungs- und Tanzmusik (Antrag 28 der Tagesordnung), nachdem die Versammlungsteilnehmer auf Vorschlag des Versammlungsleiters mit überwiegender Mehrheit beschlossen hatten, diesen und den Antrag 27 vorzuziehen, auch in der vom – wiederholt zusammengetretenen – Vermittlungsausschuss modifizierten Neufassung „abgelehnt“ worden (vgl. S. 8 des Protokolls Anlage B 1). Nachdem anschließend die weiteren Tagesordnungspunkte einschließlich der Abstimmung über den Antrag 26 abgearbeitet waren, beantragte die Berufsgruppe der Textdichter mit 20 Jastimmen von 23 in der Berufsgruppe anwesenden Versammlungsteilnehmern eine nochmalige Abstimmung und Diskussion über den Antrag 28, der schließlich in einer erneut modifizierten Fassung angenommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren aus der Berufsgruppe der Komponisten noch 68 Versammlungsteilnehmer anwesend; zum Zeitpunkt, als die Hauptversammlung zuletzt „zu Antrag 28 beraten und beschlossen“ hatte – wie es auf S. 18 des Protokolls wörtlich heißt - , waren es noch 145 Versammlungsteilnehmer aus der Berufsgruppe der Komponisten gewesen.
    b)
    Damit handelt es sich um die Wiederaufnahme eines bereits erledigten Tagesordnungspunktes in der gleichen Versammlung. Die Auffassung der Verfügungsbeklagten, die Hauptversammlung habe erstmals mit der Annahme des modifizierten Antrags überhaupt einen Beschluss zum Tagesordnungspunkt 28 gefasst, findet in den von ihr selbst – als Anlagen B1 und B2 eingereichten – Beschluss- und Wortprotokollen keine Stütze und erscheint auch sonst nicht überzeugend. Es ist zwar richtig, dass die Mitgliederversammlung der Verfügungsbeklagten nach § 10 Ziffer 8 ihrer Satzung i.V.m. lit. A.I Abs.1 der Versammlungs- und Wahlordnung in der Fassung vom 26./27.06.2007 aus der Hauptversammlung und den Versammlungen der drei Berufsgruppen besteht, die über Änderungen des Verteilungsplanes nach § 11 lit. b) der Satzung i.V.m. lit. A.I Abs.2 der Versammlungs- und Wahlordnung grundsätzlich in einem zweistufigen Verfahren, nämlich erst innerhalb der Berufsgruppen und sodann in der Hauptversammlung abzustimmen haben. Da aber Änderungen des Verteilungsplans nur wirksam sind, wenn Einstimmigkeit der drei Berufsgruppen vorliegt und innerhalb der Berufsgruppen zu jedem Beschluss im Sinne von §§ 11b) der Satzung Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, wäre es – wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat – eine überflüssige Förmelei gewesen, eine gesonderte Abstimmung in der Hauptversammlung herbeizuführen, obwohl bereits durch das – mit Hilfe eines elektronischen Abstimmungssystems ermittelte und für alle Mitglieder der Hauptversammlung erkennbar auf eine Leinwand projizierte – Ergebnis der Abstimmung in der Berufsgruppe der Komponisten die nötige Zweidrittelmehrheit verfehlt worden war, so dass die geforderte Einstimmigkeit nicht mehr zu erzielen war (und auch als nicht erzielt behandelt wurde). Entsprechend geht auch das Protokoll (Anlage B 1) der Jahresversammlung mit den Feststellungen auf S.8 („Damit ist der modifizierte Antrag abgelehnt“) und S. 18 des Protokolls („Die Hauptversammlung hatte bereits zu Antrag 28 beraten und beschlossen“ und „Die Berufsgruppe Textdichter verlangt … eine nochmalige Abstimmung und Diskussion“ - Hervorhebung des Senats) offenkundig von einer bereits erfolgten Beschlussfassung aus und setzt das auf S. 7 des Wortprotokolls (Anlage B 2) als vom Versammlungsleiter geäußert Protokollierte verständig um. Träfe – wie nicht - die Auffassung der Verfügungsbeklagten zu, so würde der geplanten Ausschüttung des Vergütungsaufkommens nach dem geänderten Verteilungsplan von vorneherein die Beschlussgrundlage fehlen; denn auch die (spätere) Annahme der modifizierten Neufassung ist - ausweislich des (als Anlage B 2 vorgelegten) Wortprotokolls – nur nach einhellig zustimmender Abstimmung in den Berufsgruppen und ohne gesonderte Beschlussfassung der Hauptversammlung zustande gekommen. Die von der Verfügungsbeklagten vorgenommene Differenzierung, nach der allein in dem Umstand, dass der Versammlungsleiter „für die Wahl“ dankte (S. 28 des Wortprotokolls), eine Beschlussfassung der Hauptversammlung liegen soll, während die frühere Feststellung des Versammlungsleiters: „Die Änderungen sind hiermit abgelehnt“ (S. 7 des Wortprotokolls) eine solche nicht beinhalten soll, überzeugt den Senat nicht und steht – wie dargelegt – auch mit dem Inhalt des von der Antragsgegnerin eingereichten Beschlussprotokolls (B 1) nicht in Einklang.
    c)
    Es ist in der gesellschaftsrechtlichen Literatur – insbesondere in der aktienrechtlichen Literatur – umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Wiederaufnahme eines bereits erledigten Tagesordnungspunktes zulässig ist. Während ein solches Wiederaufgreifen von einem Teil der Literatur als von der Leitungskompetenz des Vorsitzenden gedeckt angesehen wird (vgl. nur Semler in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts (3. Auflage 2007) § 39 Rdn. 40; Stützle / Walgenbach ZHR 155 (1991) S. 516, 536f.), gehen andere Stimmen in der Literatur davon aus, dass ein Wiederaufgreifen nur beim Vorliegen neuer Tatsachen oder Gesichtspunkte oder eines anderen gewichtigen Grundes in Betracht kommt (vgl. nur Zöllner in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz (1985) § 119 AktG Rdn. 55f. und § 133 AktG Rdn. 110; W. Werner in: Großkommentar zum Aktiengesetz (4. Auflage) § 124 AktG Rdn. 96; Dietrich NZG 1998, 921 m. Fn. 105). In der vereinsrechtlichen Literatur wird – soweit ersichtlich – überwiegend vertreten, dass eine Neuabstimmung nicht mehr mehrheitlich beschlossen und auch nicht durchgeführt werden kann, wenn auch nur ein Mitglied die Versammlung bereits verlassen hat (so Stöber: Handbuch zum Vereinsrecht (9. Auflage 2004) Rdn. 488; Reichert: Handbuch Vereins- und Verbandsrecht (12. Auflage 2010) 1834; LG Berlin JZ 1976, 602, 604 m. zust. Anm. Wesel). Dabei handelt es sich - entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten - nicht nur um die vereinzelt gebliebene Rechtsmeinung zweier vereinsrechtlicher Autoren. Vielmehr ist auch im Wohnungseigentumsrecht, das sich in seinen Regelungen über die Wohnungseigentümerversammlung an die Regelung des Vereinsrechts anlehnt (vgl. nur Merle in: Bärmann (11. Auflage 2010) § 23 WEG Rdn. 2 m. Fn.2), anerkannt, dass die Abstimmung über einen bereits erledigten Tagesordnungspunkt ordnungsgemäßer Versammlungsleitung widerspricht, wenn der die Versammlung vorzeitig verlassende Teilnehmer nicht darüber unterrichtet wird, dass noch eine Abstimmung zu diesem Gegenstand in Betracht kommt (vgl. nur BayOblG NZM 1999, 672 Ls. 1 und 2 und Rdn. 13 – zitiert nach juris; Elzer in: Jennißen (2. Auflage 2010) § 23 WEG Rdn. 62 und § 24 WEG Rdn. 103; Palandt / Bassenge (70. Auflage 2011) § 24 WEG Rdn. 19; Riecke in: Riecke / Schmid: Fachanwaltskommentar (3. Auflage 2010) § 24 WEG Rdn. 37; Staudinger / Bub (13. Bearbeitung 2005) § 24 WEG Rdn. 101). In eine ähnliche Richtung weisen auch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen (vgl. nur den Leitsatz des – die Streitfrage im Ergebnis offen lassenden - Beschlusses des BVerwG vom 05.05.1989 (6 P 13/86), veröffentlicht in BVerwGE 82, 52: „Hat ein Personalrat zu einem Tagesordnungspunkt Beschluss gefasst, so kann er diesen Punkt in derselben Sitzung wiederaufnehmen und darüber anders beschließen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Personalratsmitglieder, die an dem ersten Beschluss mitgewirkt haben, an der Beschlussfassung über das Wiederaufgreifen des Tagesordnungspunktes beteiligt sind.“).
    d)
    Der erkennende Senat braucht die – vom Landgericht bejahte - Frage, ob ein Wiederaufgreifen eines bereits erledigten Tagesordnungspunktes nur bei Vorliegen neuer Tatsachen und Gesichtspunkte in Betracht kommt, ebenso wenig zu entscheiden wie die Frage, ob Voraussetzung für das Wiederaufgreifen die vollständige Präsenz aller derjenigen Versammlungsteilnehmer ist, die an der früheren Diskussion und Abstimmung über den gleichen Tagesordnungspunkt beteiligt waren. Unabdingbar ist jedoch, dass die Entscheidung über die Neuabstimmung die – gesetzlichen und satzungsmäßigen – Verfahrensvorgaben einhält und die Durchführung der Zweitabstimmung die Rechte der Versammlungsmitglieder auf gleichberechtigte Teilhabe an der vereinsinternen Willensbildung wahrt (vgl. zum Gleichbehandlungsgrundsatz nur Palandt / Ellenberger aaO. § 35 BGB Rdn. 3; Reichert aaO. Rdn. 718, 740, 798-801 und 838ff.; zum Grundsatz der Chancengleichheit der Wahl: Waldner in: Beuthien / Gummert: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 5 (Verein – Stiftung bürgerlichen Rechts) § 31 Rdn. 23 – jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Fall sind beide Voraussetzungen nicht erfüllt.
    aa)
    Nach § 32 Abs.1 S.2 BGB ist es zur Gültigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Diese Bestimmung bezweckt, die Vereinsmitglieder vor Überraschungen in der Mitgliederversammlung zu schützen und ihnen Gelegenheit zu geben, über die Notwendigkeit einer Teilnahme zu entscheiden und sich auf die zur Beratung anstehenden Themen vorzubereiten (BGH NJW 1987, 1811 Rdn. 16 und NJW 2008, 69 Rdn. 38 – jeweils zitiert nach juris). Diesem gesetzgeberischen Schutzgedanken trägt auch die Regelung in § 10 Ziffer 5 der Satzung der Verfügungsbeklagten Rechnung, in der bestimmt ist, dass die Einladung schriftlich drei Wochen vor dem Versammlungstermin unter Bekanntgabe der Tagesordnung und eines Auszugs aus dem Geschäftsbericht erfolgen muss; über Gegenstände, die nicht in der Tagesordnung aufgeführt sind, können Beschlüsse nicht gefasst werden. Diese Voraussetzungen waren bei der hier streitigen Versammlung vom 30.06.2010 eingehalten. Auf die Beschlussfassung der Versammlungsteilnehmer kann jedoch auch die Reihenfolge der Beratungen Einfluss nehmen (vgl. nur KG NJW 1957, 1680, 1681). Hier ist durch die vereinsinternen Regelungen der Verfügungsbeklagten eine bestimmende Einflussnahme des Versammlungsleiters strikt ausgeschlossen; denn Ziffer II.1 (2) der Versammlungs- und Wahlordnung sieht vor, dass nach Eintritt in die Tagesordnung die Anträge in der Reihenfolge der Einladung behandelt werden (müssen); Abweichungen von dieser Reihenfolge können (nur) von der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Ersichtlich dient auch diese Regelung dem Zweck, die Vereinsmitglieder vor Überraschungen in der Mitgliederversammlung zu schützen. Es mag als Unsitte anzusehen sei, dass Mitglieder an Versammlungen nicht bis zum Versammlungsende teilnehmen, sondern nur anwesend sind, solange über in ihrem Interesse liegende Tagesordnungspunkte abgestimmt wird. Der vereinsinterne Ausschluss jeglichen - über ein Vorschlagsrecht hinausgehenden – gestaltenden Einflusses des Versammlungsleiters auf die Reihenfolge der Beratungen nimmt jedoch offensichtlich auf diese - verbreitete - Sitte Rücksicht, indem sie die begründete Erwartung schafft, dass von der bei der Einladung mitgeteilten Tagesordnung nur im Falle eines formellen Mehrheitsbeschlusses abgewichen werden darf. Dass für die Regelung andere Zwecke maßgeblich wären, wird jedenfalls auch von der Verfügungsbeklagten nicht geltend gemacht.
    Im vorliegenden Fall hatte die Mitgliederversammlung am 30.06.2010 ausweislich des Beschlussprotokolls (Anlage B 1: dort S.4 oben) nach Erledigung der Tagesordnungspunkte 1 und 2 mit überwiegender Mehrheit beschlossen, die Anträge 27 und 28 vorzuziehen. Entsprechend ist verfahren worden. Ein weiterer Beschluss, die Tagesordnung erneut zu ändern, ist nicht ergangen. Insbesondere ist die Entscheidung, nach Abarbeitung des Tagesordnungspunkts 26 den Antrag 28 erneut zur Abstimmung und Diskussion aufzurufen, nur mit 20 Jastimmen der – damals – anwesenden 23 Teilnehmer aus der Berufsgruppe der Textdichter gefasst worden (vgl. S. 18 des Beschlussprotokolls und S.9 des Wortprotokolls). Ein neuer Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung, der - nach den Zahlenverhältnissen zum Zeitpunkt der Sachabstimmung - mindestens 86 Jastimmen erfordert hätte, ist nicht ergangen. Ein solcher kann auch nicht
    - konkludent – in der inhaltlichen Zustimmung eines dieses Quorum übersteigenden Anteils an Stimmen zu dem Beschluss gesehen werden, mit dem der geänderte Antrag schließlich angenommen worden ist. Denn ausweislich des Wortprotokolls (B 2 – dort S. 8f.) ist die Verfahrensfrage weit im Vorfeld der inhaltlichen Abstimmung mit dem mehrheitlichen Votum der Textdichter - unter notarieller Bestätigung - als geklärt angesehen worden, so dass für die Annahme eines über die inhaltliche Abstimmung hinausgehenden Willens der Versammlungsteilnehmer zur Beschlussfassung über Verfahrensfragen kein Raum ist.
    Damit liegt ein Verstoß gegen die Bestimmung in Ziffer II.1 (2) der Versammlungs- und Wahlordnung vor (zu der Sonderregelung in Ziffer II.2 (9) siehe unten). Das gilt zumal, wenn – wie nicht - die Auffassung der Verfügungsbeklagten zuträfe, dass über den Antrag 28 im früheren Verlauf der Mitgliederversammlung noch überhaupt kein Beschluss gefasst worden wäre. Denn dann wäre die Abstimmung und Diskussion über den Antrag 28 entgegen der Tagesordnung und dem dazu gefassten Geschäftsordnungsbeschluss unzulässig in zwei Teile – nämlich eine vorgezogene Diskussion und eine nach dem Tagesordnungspunkt 26 erfolgte weitere Diskussion und Abstimmung - aufgespalten worden.
    bb)
    Im vorliegenden Fall sind auch die schutzwürdigen – und unter anderem durch Ziffer II.1 (2) der Versammlungs- und Wahlordnung geschützten - Rechte der Versammlungsmitglieder auf gleichberechtigte Teilhabe an der vereinsinternen Willensbildung verletzt worden.
    Jedenfalls durch die protokollierte Aussage des Versammlungsleiters („Das ist knapp am Ziel vorbei. Knapp vorbei ist auch vorbei. – Gut. Die Änderungen sind hiermit abgelehnt. Ich halte mich jetzt nicht länger damit auf. Ich glaube, wir haben uns lange genug damit aufgehalten.“ - Wortprotokoll S.7) ist – wie das Landgericht mit Recht festgestellt hat - die Erwartung insbesondere der teilnehmenden Komponisten begründet worden, der Tagesordnungspunkt sei abschließend abgearbeitet. Diese Erwartung war auch schutzwürdig. Insbesondere kann die Schutzwürdigkeit dieser Erwartung - entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten - nicht durch den Hinweis auf die Bestimmung in Ziffer II.2 (9) der Versammlungs- und Wahlordnung entkräftet werden, die lautet:
    „Wird in der Hauptversammlung über einen in den Berufsgruppenversammlungen bereits verabschiedeten Antrag eine nochmalige Diskussion und Abstimmung verlangt, so ist diesem Verlangen zu entsprechen, wenn dieser Antrag von der Hälfte der anwesenden Mitglieder oder von drei Vierteln der anwesenden Mitglieder einer Berufsgruppe unterstützt wird.
    Ausgenommen hiervon ist die in § 11a) der Satzung geregelte Wahl des Aufsichtsrats.“
    Mit dieser Bestimmung wird der Hauptversammlung – wie das Landgericht zu Recht angenommen hat – ermöglicht, eine in den Berufsgruppen bereits erfolgte Abstimmung erneut zur Diskussion und Abstimmung im Plenum zu stellen, um so einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Berufsgruppen zu ermöglichen. Dagegen widerspricht bereits der Wortlaut der Bestimmung der von der Verfügungsbeklagten vertretenen Auffassung, die Regelung betreffe allein die Beschlussfassung in der Hauptversammlung. Wäre dem so, müsste die Bestimmung – wie die Verfügungskläger mit Recht hervorheben - lauten: „Wird in der Hauptversammlung über einen in der Hauptversammlung bereits verabschiedeten Antrag eine nochmalige Diskussion und Abstimmung verlangt, …“. Diesen Wortlaut hat die Regelung aber nicht. Gerade die Beschränkung des Wiederaufgreifens auf die „in den Berufsgruppenversammlungen bereits verabschiedeten Anträg(e)“ legt nahe, dass im Übrigen ein Wiederaufgreifen bereits in der Hauptversammlung erledigter Tagesordnungspunkte gerade nicht zulässig sein sollte. Für eine wortlautgemäß beschränkte Auslegung sprechen auch die für ein Wiederaufgreifen bestimmten Stimmquoren (Hälfte der anwesenden Mitglieder oder drei Vierteln der anwesenden Mitglieder einer Berufsgruppe), die – wäre die Auslegung der Verfügungsbeklagten richtig – eine Änderung der Tagesordnung abweichend von dem in Ziffer II.1 (2) bestimmten Geschäftsordnungsquorum (einfache Mehrheit der Hauptversammlung) ermöglichen würde. Dies gilt zumal, wenn die Regelung – wie die Verfügungsbeklagte meint – „erst recht“ eine Behandlung noch nicht erledigter Tagesordnungspunkte zulassen würde. Es ist auch nicht richtig, dass Anträge in den Berufsgruppenversammlungen nicht verabschiedet werden könnten; Ziffer III. der Versammlungs- und Wahlordnung besagt das Gegenteil. Dass diese „Verabschiedung“ – gegebenenfalls außer in den Einstimmigkeit der Berufsgruppen voraussetzenden Fällen – bis zur Abstimmung der Hauptversammlung keine endgültige ist, steht dem nicht entgegen. Ob die Regelung in Ziffer II.2 (9) bei wortlautgetreuer Auslegung überflüssig ist und die Hauptversammlung auch ohne diese Regelung das Recht hätte, über die in den Berufsgruppenversammlungen verabschiedeten Anträge nochmals zu diskutieren und abzustimmen, ist nicht ausschlaggebend. Denn jedenfalls die Ausnahmeregelung in Abs.2 der Bestimmung unterstreicht klar, dass die wortlautgetreue Auslegung auch die gemeinte ist: denn die in § 11a) der Satzung geregelte Wahl des Aufsichtsrats findet ausschließlich in den drei Berufsgruppen und getrennt nach diesen statt (vgl. auch § 13 Ziffer 1 der Satzung: „Der Aufsichtsrat besteht aus 15 Mitgliedern, von denen sechs Komponisten, fünf Verleger und vier Textdichter sein müssen.“). Dagegen findet die von der Verfügungsbeklagten vertretene Auslegung weder im Wortlaut noch im systematischen Zusammenhang der Regelung eine Stütze; sie ist auch nach dem erkennbaren Zweck der Regelung nicht gerechtfertigt.
    e)
    Nach alledem ist das Wiederaufgreifen des bereits durch Abstimmung erledigten Tagesordnungspunkts im Widerspruch zu den Vorgaben der Tagesordnung (Ziffer II.1 (2) der Versammlungs- und Wahlordnung) und ohne Rechtfertigung durch die Sonderregelung in Ziffer II.2 (9) der Versammlungs- und Wahlordnung unter Verletzung der Rechte der Versammlungsmitglieder auf gleichberechtigte Teilhabe an der vereinsinternen Willensbildung erfolgt.
    3.
    Zum Verfügungsgrund kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, die durch die Berufungsangriffe nicht entkräftet werden, verwiesen werden. Da im vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung die für eine Nichtigkeit des zu Antrag 28 protokollierten Beschlusses der Mitgliederversammlung vom 30.06.2010 sprechenden Gründe die für eine Rechtswirksamkeit des Beschlusses sprechenden Gründe auch nach Auffassung des Senats deutlich überwiegen, können die Verfügungskläger im Interesse effektiven Rechtsschutzes nicht auf eine Berichtigung der Verteilung nach erfolgreicher Nichtigkeitsfeststellung im Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten kann bei der Abwägung der beiderseits betroffenen Interessen auch nicht das Interesse einer Vielzahl von ordentlichen und angeschlossenen Mitgliedern an einer Aufrechterhaltung der beschlossenen Regelung der geringen Zahl der Verfügungskläger im hiesigen Verfahren und ihrem Interesse an einer Nichtigerklärung der Regelung gegenübergestellt werden; denn die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung eines eingetragenen Vereins wirkt nicht nur inter partes, sondern entfaltet aus Gründen der Rechtssicherheit eine über die Prozessparteien hinausreichende Rechtskraftwirkung (BGH NJW-RR 1992, 1209; Palandt / Ellenberger aaO. § 32 BGB Rdn. 11; Waldner aaO. § 31 Rdn. 61).
    C.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da die Sache kraft Gesetzes nicht revisibel ist (§ 542 Abs. 2 S.1 ZPO).