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· Fachbeitrag · Fahrtauglichkeit

Mangelnde Fahreignung wegen nicht mehr ausreichender psychophysischer Leistungsfähigkeit

von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Augsburg/Münster

| Beim 55. VGT 2017 in Goslar hat sich einer der Arbeitskreise mit „Senioren im Straßenverkehr“ befasst. Die Thematik ist auch Gegenstand des VG Augsburg 15.12.16, Au 7 S 16.1493, Abruf-Nr. 192164 ). Dort ging es um die Entziehung der Fahrerlaubnis. Das VG sagt: Scheitert ein Fahrerlaubnisinhaber in einem psychologischen Testverfahren, weil er diesem nicht mehr gewachsen ist und die Testanweisung nicht versteht, führt das nicht dazu, wegen mangelnder gutachterlicher Erkenntnisse vom Vorliegen einer auch nur bedingten Fahreignung auszugehen. Vielmehr kann die Fahrerlaubnis sofort entzogen werden. |

 

Sachverhalt

Der 75 Jahre alte Antragsteller war Anfang 2016 an einem sog. Kleinunfall beteiligt. Nach dem Unfall machte er einen verwirrten und unsicheren Eindruck auf die herbeigerufenen Polizeibeamten. Durch die Polizei wurde eine medizinische Überprüfung der Fahreignung angeregt. Das Landratsamt forderte den Antragsteller unter Hinweis auf diesen Unfall und einen weiteren aus dem Jahr 2011 auf, ein Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation für Neurologie und/oder Psychiatrie zur Frage seiner Fahreignung beizubringen. Es wurde dann das Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Nervenheilkunde vorgelegt, in dem dem Antragsteller Demenz, und zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Alzheimer-Typ, attestiert wurde und Bedenken hinsichtlich der Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 1 geäußert wurden. Zur genaueren Einordnung der Defizite wurde eine neuropsychologische Zusatzuntersuchung mit einem geeigneten objektivierbaren psychologischen Testverfahren empfohlen. Eine solche „Verkehrspsychologische Zusatzuntersuchung“ wurde erstellt. In ihr wurde festgestellt, dass der Antragsteller nicht mehr über ein ausreichendes Leistungsvermögen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, Klasse 1 und 3 verfüge. Von einer Ausgleichbarkeit sei nicht auszugehen.

 

Die Fahrerlaubnisbehörde hat dem Antragsteller daraufhin die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 (Ziffer 1) entzogen. Der Antragsteller hat Widerspruch eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs herzustellen (§ 80 Abs. 5 VwGO). Sein Antrag hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Das VG geht davon aus, dass der Widerspruch des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg hat, sodass eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kam. Der Antragsteller ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen i. S. v. § 2 Abs. 4 S. 1 Alt. 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 FeV und den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV. Das ergibt sich eindeutig aus dem Gutachten „Verkehrspsychologische Zusatzuntersuchung“. Die dortige Untersuchung des Antragstellers erfolgte in Form von Einzeltests an einem computergesteuerten Testgerät mit programmierter Instruktions- und Testvorgabe am Bildschirm, durchgeführt von einer Diplom-Psychologin (Fachpsychologin für Verkehrspsychologie BDP). Dabei handelte es sich um eine Überprüfung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit des Antragstellers durch Leistungstests nach Nr. 2.5 der Begutachtungs-Leitlinien für Kraftfahrereignung. Mit den Testverfahren können die Belastbarkeit, die Orientierungs-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistung sowie die Reaktionsfähigkeit untersucht werden (vgl. Beurteilungskriterien - Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl., Nr. 8.2.1). Die Gutachterin (Fachpsychologin für Verkehrspsychologie BDP) führte im Rahmen der Bewertung der testpsychologischen Befunde u. a. aus, dass beim Antragsteller ausgeprägte verkehrsbedeutsame Beeinträchtigungen offenkundig seien. Insbesondere würden die in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung geforderten Normwerte nicht einmal ansatzweise erreicht. Die gravierenden Leistungsschwächen seien als weitgehend ausfallartig zu sehen. Eine Kompensation derart weitreichender Defizite durch ausreichende Leistungen in anderen Bereichen oder durch Erfahrung sei nicht zu erwarten. Aufgrund der mangelnden Wahrnehmung der Einschränkungen sowie der Leistungsdefizite könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller diesen durch besondere Vorsicht oder Umsicht begegnen könne. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerseite kann das Gutachten („Verkehrspsychologische Zusatzuntersuchung“) zur Beurteilung der Fahreignung des Antragstellers auch herangezogen bzw. verwertet werden.

 

Der fachärztliche Gutachter hat genau die Testverfahren zur Klärung der Fahreignung des Antragstellers für erforderlich erachtet, die dann auch durchgeführt wurden. Auch die Ableistung einer praktischen Fahrverhaltensbeobachtung hat er nur für den Fall (noch) für erforderlich gehalten, sollten nach den psychologischen Testverfahren „dann noch Zweifel bestehen oder keine eindeutige Aussagekraft vorliegen“. Dass der Antragsteller den psychologischen Testverfahren nicht mehr gewachsen war und bei den durchgeführten Tests den Mindestprozentrang nicht einmal annähernd erreichte oder z. B. den „Test zur Messung der Belastbarkeit und des Reaktionsvermögens“ deswegen nicht ableisten konnte, weil er die Testanweisung nicht verstand, kann demnach nicht dazu führen, von noch nicht ausgeräumten Zweifeln an seiner Fahreignung, geschweige denn vom Vorliegen einer auch nur bedingten Fahreignung auszugehen.

 

Relevanz für die Praxis

Aufgrund dieser gutachtlich festgestellten Fahrungeeignetheit des Antragstellers hatte die Fahrerlaubnisbehörde dessen Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen; ein Ermessen stand ihr bei dieser Entscheidung nicht zu. Geholfen haben in dem Zusammenhang auch nicht Ausführungen des Gutachters, wonach aufgrund der langjährigen Fahrpraxis des Antragstellers davon auszugehen sei, dass er in der Lage sei, seine Defizite „zu einem gewissen Teil“ auszugleichen. Denn insoweit hatte der Gutachter keine eindeutige Aussage zum Vorliegen oder Nichtvorliegen der Fahreignung getroffen, sondern die Zusatzuntersuchung angeregt. Die ist aber mit dem für den Antragsteller negativen Ergebnis durchgeführt worden.

Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 38 | ID 44551007