Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Eintrag im Führungszeugnis trotz Verurteilung zu weniger als 90 Tagessätzen

    von RA Philipp Külz, FA StR und RAin Christina Odenthal, LL.M., ROXIN Rechtsanwälte LLP, Düsseldorf

    | Die beratende Tätigkeit in Steuerstrafverfahren setzt auch Kenntnisse über die Regelungen des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) voraus. Wissenslücken in diesem Bereich haben für den Mandanten mitunter gravierende Folgen. |

     

    Frage des Steuerberaters: Mein Mandat ist Ende 2014 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 80 EUR verurteilt worden; die Geldstrafe ist bereits vollstreckt. Er hatte einen Autounfall verursacht, bei dem eine andere Person verletzt wurde. Nun wurde gegen ihn ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 2014 eingeleitet. Obwohl es hierbei „lediglich“ um einen Hinterziehungsbetrag von 5.000 EUR geht, verlangt der zuständige Finanzbeamte bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle für eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO die Zahlung einer Geldauflage von 15.000 EUR. Sofern mein Mandant nicht bereit ist, dieser Verfahrenserledigung zuzustimmen, möchte der Finanzbeamte den Erlass eines Strafbefehls (50 Tagessätze zu je 80 EUR) beantragen.

     

    Da diese Vorgehensweise die mutmaßlich wesentlich „billigere“ Lösung ist, wäre mein Mandant grundsätzlich bereit, einen solchen Strafbefehl zu akzeptieren. Ihm ist allerdings wichtig, dass eine mögliche Verurteilung keinen Eintrag in das Führungszeugnis mit sich bringt. Nach meinem Kenntnisstand dürfte hier aber kein Risiko bestehen, da die drohende Verurteilung unter 90 Tagessätzen liegt. Ist meine Einschätzung richtig oder läuft mein Mandant trotz dieser vermeintlich geringen Geldstrafe Gefahr, einen Eintrag in das Führungszeugnis zu erhalten?

     

    Antwort des Verteidigers: Die Einschätzung des Steuerberaters ist falsch. Mit Blick auf die bereits erfolgte Verurteilung zu 30 Tagessätzen im Jahr 2014 hätte die erneute Verurteilung eine Eintragung im Führungszeugnis zur Konsequenz. Bei dem Führungszeugnis handelt es sich um eine gesetzlich geregelte Form der Auskunft aus dem Bundeszentralregister. Das Bundeszentralregister enthält unter anderem alle strafgerichtlichen Verurteilungen sowie diesen gleichgestellte Strafbefehle, unabhängig von der Strafhöhe. Aber nicht alles, was im Bundeszentralregister eingetragen ist, erscheint auch stets im polizeilichen Führungszeugnis. Sofern im Führungszeugnis kein Eintrag vorhanden ist, gilt der Verurteilte als „nicht vorbestraft“. Unter welchen Voraussetzungen bestimmte Strafen in das Führungszeugnis eingetragen bzw. gegebenenfalls wieder gelöscht werden, bestimmt das Bundeszentralregistergesetz (BZRG); zentrale Norm ist hierbei § 32 BZRG.

     

    Die grundsätzliche Aufnahme von Eintragungen in das Führungszeugnis regelt § 32 Abs. 1 BZRG, während § 32 Abs. 2 BZRG Ausnahmetatbestände aufführt. Nach § 32 Abs. 2 Nr. 5a BZRG werden zunächst Verurteilungen, durch die auf eine Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen erkannt worden ist, nicht im Führungszeugnis aufgenommen. Diese Passage führt in der Praxis vielfach zu der irrigen Annahme, dass der Mandant ohne Auswirkungen auf das Führungszeugnis beliebig häufig zu Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen verurteilt werden könnte. Die Norm enthält jedoch eine wesentliche Einschränkung: Eine Eintragung erfolgt bei einer Verurteilung von nicht mehr als 90 Tagessätzen lediglich dann nicht, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist. Als „weitere Strafe” kommt nicht nur eine solche in Betracht, die allein unabhängig von weiteren Eintragungen ins Führungszeugnis aufzunehmen wäre, sondern vielmehr jede im Bundeszentralregister eingetragene Strafe. Die Höhe der Verurteilung spielt auch an dieser Stelle keine Rolle.

     

    Eine Löschung etwaiger Eintragungen erfolgt erst nach Ablauf der in § 34 BZRG normierten Frist; diese beträgt nach § 34 Abs. 1 Nr. 1a BZRG drei Jahre bei Verurteilungen wie den hier gegenständlichen (von nicht mehr als drei Monaten). Die Frist beginnt nach § 36 BZRG mit dem Tag des ersten Urteils; dies entspricht bei Strafbefehlen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 BZRG dem Tag der Unterzeichnung durch den Richter. Mit Blick auf diese Gesetzeslage droht dem Mandanten hier im Falle einer Verurteilung zu 50 Tagessätzen eine Eintragung in das Führungszeugnis.

     

    Die Möglichkeit, einer solchen Eintragung im Nachhinein zu entgehen, ist gering: Nach § 39 BZRG kann die Registerbehörde unter bestimmten Voraussetzungen anordnen, dass Verurteilungen und Eintragungen nicht in das Führungszeugnis aufgenommen werden. Diese Vorgehensweise kommt jedoch nach § 39 Abs. 1 S. 2 BZRG nur in Betracht (und steht ihm Ermessen der Registerbehörde), wenn das öffentliche Interesse dem nicht entgegensteht; es müssen mithin besondere Umstände vorliegen, die das öffentliche Interesse hinter dem privaten Interesse des Betroffenen zurücktreten lassen. Die Praxis der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die Behörden die Ausnahmeregelung des § 39 BZRG äußerst restriktiv auslegen und ein Antrag grundsätzlich wenig Aussicht auf Erfolg hat.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Fall macht deutlich, dass Berater auch über Kenntnisse des BZRG verfügen müssen. Sofern der Mandant in den letzten Jahren zu einer Geldstrafe von unter 90 Tagessätzen verurteilt worden ist, droht ihm selbst bei einer nur geringen weiteren Geldstrafe die Eintragung in das Führungszeugnis. Eine solche kann gravierende Folgen für den Betroffenen haben. Im Einzelfall kann der Ausweg in der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB liegen, vorausgesetzt, die erste Verurteilung wurde noch nicht vollstreckt. Mit dem Argument, dass eine potenzielle Schlechterstellung gegenüber demjenigen, der zu einer „regulären“ Gesamtstrafe verurteilt wird, zu vermeiden ist, sprechen gute Gründe dafür, die in die nachträgliche Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen nicht als „weitere Strafen“ i. S. des § 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG anzusehen.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Wegner, Risiken und Nebenwirkungen bei Steuerdelikten, PStR 13, 243 f.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 173 | ID 44039112

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents