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  • · Fachbeitrag · Rechtsprechung

    Sektorale Heilpraktikererlaubnis jetzt auch für Ergotherapeuten möglich

    von Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler

    | Ein ganz aktuelles, wenn auch noch nicht rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Karlsruhe eröffnet Ergotherapeuten die Möglichkeit, eine sektorale Heilpraktikererlaubnis zu erhalten (Urteil vom 19.3.2015, Az. 9 K 1519/13, veröffentlicht am 9.5.2015). Bislang gab es diese Möglichkeit nur für Physiotherapeuten. |

    Antrag auf (sektorale) Heilpraktikererlaubnis als Auslöser

    Die Klägerin hatte zunächst als Beschäftigungs- und Arbeitstherapeutin gearbeitet. 2009 schloss sie ihr Fachhochschulstudium als Diplom-Ergotherapeutin ab und eröffnete eine eigene Praxis. Im Jahr 2011 beantragte sie beim zuständigen Gesundheitsamt die Zulassung zur Heilpraktikerprüfung im Bereich Ergotherapie.

     

    Ihr Antrag wurde vom Gesundheitsamt und im anschließenden Widerspruchsverfahren vom Regierungspräsidium Karlsruhe abgelehnt mit der Begründung, die Bundesländer hätten einvernehmlich entschieden, keine sektorale Heilpraktikererlaubnis für Ergotherapeuten auszustellen. Die Ergotherapie sei kein Heilberuf, sondern ein Gesundheitsfachberuf. Die Ergotherapie werde bei Krankheiten in fast allen medizinischen Fachrichtungen zur Wiederherstellung und Förderung eingeschränkter körperlicher und geistiger Fähigkeiten eingesetzt, sei deswegen nicht ausreichend auf bestimmte Fachbereiche ein-/abgrenzbar, was wiederum auch eine auf die Ergotherapie eingeschränkte Sachkundeprüfung nicht zulasse. Außerdem drohten bei einer ergotherapeutischen Behandlung keine besonderen gesundheitlichen Gefahren. Heilkundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten gesundheitlichen Folgen haben können, fielen aber nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes. Damit sei die Ergotherapie keine Ausübung der Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes (HeilprG).

    Sektorale Heilpraktikererlaubnis statt ärztlicher Verordnung

    Die Richter des VG sahen die Sache anders als das Regierungspräsidium: Zwar werden Ergotherapeuten üblicherweise nur auf ärztliche Verordnung tätig. Rein rechtlich bedeutet dies nach Ansicht der Richter aber keine Sperre für ein eigenverantwortliches Handeln im Bereich der Ergotherapie auf der Grundlage einer - insoweit begrenzten - Heilpraktikererlaubnis.

     

    Auch dem Ergotherapeutengesetz konnten die Richter keine Regelung entnehmen, die eine sektorale Heilpraktikererlaubnis im Bereich der Ergotherapie verbietet: „Die eigenverantwortliche Behandlung von Patienten mit den Methoden der Ergotherapie bleibt unter den Voraussetzungen des Heilpraktikergesetzes weiter möglich“.

     

    Die Richter sehen die ergotherapeutischen Behandlungsmethoden auch als abgrenzbar an. Die zugrunde liegenden Krankheitsbilder können sehr vielseitig sein, dies spiele aber keine Rolle für die Abgrenzbarkeit.

     

    Schließlich sei die Situation der Ergotherapeuten ähnlich der Situation der Physiotherapeuten. Für diese Berufsgruppe hat das Bundesverwaltungsgericht bereits am 26. August 2009 entschieden, dass sie eine auf die Physiotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis beantragen können (Az. 3 C 19.08). Lesen Sie dazu die weiterführenden Hinweise.

     

    Im Ergebnis kamen die Richter zu der Ansicht, dass die von der Klägerin beabsichtigte Anwendung ergotherapeutischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung als erlaubnispflichtige heilkundliche Tätigkeit im Sinne des HeilprG anzusehen ist. Denn die Ausübung der Heilkunde umfasst jede berufsmäßig oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Erfasst werden allerdings nur solche Heilbehandlungen, die nach allgemeiner Auffassung ärztliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können. Eine solche Gefährdung besteht dann, wenn die in Rede stehende Heilbehandlung als eine die ärztliche Berufsausübung ersetzende Tätigkeit erscheint.

    Ausbildung zur Ergotherapeutin noch kein Indiz für ärztliche Fachkenntnisse

    In einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung zur Ergotherapeutin werden in erheblichem Umfang auch spezifisch heilkundliche Kenntnisse vermittelt. Eine beabsichtigte Anwendung ergotherapeutischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung ist wegen der damit verbundenen Möglichkeit einer (mittelbaren) Gesundheitsgefährdung eine erlaubnispflichtige heilkundliche Tätigkeit. Die Erlaubnispflicht nach dem HeilprG entfällt nicht wegen einer abgeschlossenen ergotherapeutischen Ausbildung. Denn die nach dem Ergotherapeutengesetz erteilte Erlaubnis berechtigt nicht (ausdrücklich) zur Ausübung von Heilkunde. Auch die Ausbildungs- und Prüfungsordnung gibt keine Hinweise, dass Kenntnisse und Fähigkeiten in der Befunderhebung vermittelt werden. Es darf daher nicht davon ausgegangen werden, dass Ergotherapeuten bereits aufgrund ihrer Ausbildung zur eigenverantwortlichen Behandlung körperlicher oder seelischer Leiden befähigt sind. Ausbildung und Prüfung der Ergotherapeuten deuten darauf hin, dass der Beruf des Ergotherapeuten als Heilhilfsberuf/Gesundheitsfachberuf ausgelegt ist und damit grundsätzlich auf die Behandlung auf der Basis einer ärztlichen Verordnung. Wer ohne ärztliche Verordnung ergotherapeutische Behandlungen durchführen will, bedarf daher einer (sektoralen) Heilpraktikererlaubnis.

     

    Eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisprüfung ist zum Schutz der Volksgesundheit nicht erforderlich, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet oder nur eine eindeutig umrissene Therapieform ausüben möchte. Der Bereich der Ergotherapie ist - nach Auffassung der Karlsruher Richter - hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar, weil der Tätigkeitsumfang des Ergotherapeuten durch die Benennung der für ihn maßgeblichen Behandlungsverfahren in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung und die in der Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Ausbildungsinhalte präzise genug definiert ist. Eine Abgrenzung der Tätigkeiten, die ein nur für die Ergotherapie zugelassener Heilpraktiker durchführen darf, von denen, die ihm verboten sind, erscheint möglich.

    Kenntnisprüfung darf verlangt werden

    Die Gesundheitsämter dürfen die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für Ergotherapie an das erfolgreiche Ablegen einer Kenntnisprüfung knüpfen. Die Kenntnisprüfung sei auch wichtig, weil eine Tätigkeit, die unabhängig von ärztlichen Verordnungen erfolgen soll, diagnostische Kenntnisse voraussetzt, die aber - wenigstens bisher - nicht Gegenstand der üblichen Ausbildung von Ergotherapeuten ist. Die Richter meinten aber, es sei nicht ersichtlich, dass eine einigermaßen klar umrissene Kenntnisüberprüfung bei Ergotherapeuten nicht möglich ist. Da die Klägerin bereit ist, sich einer Kenntnisüberprüfung zu unterziehen, ist ihr diese Möglichkeit zu geben und ihrem Antrag auf Zulassung zur sektoralen Heilpraktikerprüfung stattzugeben. Ohnehin hat - so der Hinweis der Richter - eine derartige Kenntnisprüfung nicht formalisiert, sondern unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls zu erfolgen. Mit diesen Hinweisen wurden die Behörden verurteilt, einen neuen Bewilligungsbescheid für die Zulassung zur Heilpraktikerprüfung zu erlassen. Denn auf die Erteilung besteht ein Rechtsanspruch.

     

    FAZIT | Für die Richter war weder die Einigung der Bundesländer auf Nichterteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis noch das Nichtvorhandensein von (Prüfungs-)Materialien für eine Kenntnisprüfung ein Grund, den von der Klägerin gestellten Antrag auf Zulassung zur sektoralen Heilpraktikerprüfung abzulehnen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wurde die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof (VGH) zugelassen. Obwohl das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinen Entscheidungsgründen sehr stark Bezug nahm auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für Physiotherapeuten, ist davon auszugehen, dass auch für die sektorale Heilpraktikererlaubnis für Ergotherapeuten erst das BVerwG das letzte Wort sprechen wird. Bis dahin gilt zunächst weiterhin: Der Arzt stellt die Diagnose und verordnet die ergotherapeutische Behandlung. Ergotherapeutische Behandlungen werden auf ärztliche Verordnungen abgegeben.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Direct Access für Masseure, Heilpraktikererlaubnis für Physiotherapeuten (PP 12/2009, Seite 3)
    • Sektoraler Heilpraktiker für ausgebildete Physiotherapeuten auch ohne schriftliche Prüfung (PP 03/2014, Seite 14)
    • Neue Erkenntnisse zur Umsetzung der sektoralen Heilpraktikerüberprüfung in den einzelnen Bundesländern (PP 05/2011, Seite 1)
    Quelle: Ausgabe 06 / 2015 | Seite 13 | ID 43394258