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  • · Fachbeitrag · Berufspolitik

    Modellvorhaben: Direktzugang senkt Regressgefahr für Ärzte

    von Silke Jäger, Fachjournalistin Gesundheitswesen (www.silke-jaeger.de)

    | Das Modellvorhaben für mehr Autonomie des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) in Zusammenarbeit mit der Krankenkasse BIG direkt gesund ist zurzeit das einzige im Bereich der Physiotherapie. Darin soll erprobt werden, wie sich der Direktzugang zum Physiotherapeuten auf Versorgungsqualität und Kosten auswirkt. Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf, was der Direktzugang für Ärzte bedeuten könnte. Im Dezember 2014 fragte die Ärzte Zeitung: „Modellvorhaben Physiotherapie - Regressgefahr für teilnehmende Ärzte?“ |

    Gespenst Regressgefahr bei Heilmittelverordnungen

    Bei Heilmittelverordnungen ist die Regressgefahr für Ärzte höher als bei Arzneimittelverordnungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenkassen (lesen Sie dazu auch den Beitrag auf Seite 1 dieser Ausgabe). Die Angst, zu viel Heilmittel zu verordnen, scheint tief zu sitzen. Denn eigentlich ist seit der Einführung des Grundsatzes „Beratung vor Regress“ die Gefahr für Ärzte, nach Wirtschaftlichkeitsprüfungen bestraft zu werden, deutlich gesunken (ausgenommen bei wiederholter Überschreitung des Budgets). Wenn Ärzte vom Modellprojekt der Physiotherapeuten hören, bestehen trotzdem immer noch Sorgen, die angestrebten Änderungen könnten zu ihrem (finanziellen) Nachteil sein.

     

    So stellt der eingangs genannte Beitrag in der Ärzte Zeitung vom 9. Dezember 2014 nicht nur die Fakten des Modellvorhabens näher vor, sondern macht außerdem klar: Ärzte behalten auch im Modellprojekt die Verordnungshoheit. Mehr Autonomie für Physiotherapeuten bedeutet nicht, dass Ärzte für „überbordende“ Physiotherapie Verantwortung übernehmen müssten. Im Gegenteil: Die Regressgefahr sinkt sogar. Denn alle im Rahmen der Studie verordneten physiotherapeutischen Leistungen sind von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen. Ziel solcher Modellvorhaben, wie dem in der Physiotherapie ist es, Wege zu finden, wie ärztliche Tätigkeiten sinnvoll auf andere Berufsgruppen übertragen werden können.

     

    MERKE | Bei Modellvorhaben nach § 63 Absatz 3b SGB V können Berufsverbände mit den Krankenkassen vereinbaren, dass sie zur Weiterentwicklung der Versorgung wissenschaftlich begleitete Projekte durchführen, die nicht länger als acht Jahre dauern dürfen. Damit soll herausgefunden werden, welche ärztlichen Aufgaben in welcher Weise neu verteilt werden können, ohne die Patientensicherheit zu gefährden und die Kosten unkontrolliert steigen zu lassen. Modellvorhaben gibt es im Bereich der Kranken- und Altenpflege und der Physiotherapie.

     

    Modellvorhaben läuft gut

    Wie in PP 02/2013, Seite 2 berichtet, zogen die Wissenschaftler der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW), die die Studie begleiten, Anfang 2013 ein positives Zwischenfazit. Schmerzzustände, Beweglichkeit, Selbstständigkeit und Funktionsfähigkeit der Patienten nahmen im Vergleich zur Kontrollgruppe ab. In den teilnehmenden 40 Modellpraxen werden Patienten behandelt, auf deren Heilmittelverordnung lediglich die Indikation eingetragen ist. Über die Art des Heilmittels, die Behandlungsfrequenz und die Dauer der Behandlungsserie entscheiden die Physiotherapeuten selbst.

     

    MERKE | Das Modellvorhaben von IFK und BIG direkt gesund läuft noch bis Ende 2015. 40 Physiotherapiepraxen aus den Regionen Westfalen-Lippe und Berlin nehmen teil. Insgesamt wurden bisher 550 Patienten in die Studie eingeschlossen. Um noch mehr Studienteilnehmer zu bekommen, sind Ärzte aus dem gesamten Bundesgebiet aufgerufen, Versicherte der Kasse BIG direkt gesund auf das Modellvorhaben aufmerksam zu machen. Eingeschlossen werden können Patienten über 18 Jahre mit den Diagnosegruppen WS1, WS2, EX1, EX2 und EX3.

     

    In einigen europäischen und englischsprachigen Ländern gibt es den Direktzugang zu Physiotherapeuten schon länger. Dort macht man positive Erfahrungen, was die Versorgungsqualität und die -kosten angeht. Das macht Hoffnung auf ein positives Endergebnis der Begleitstudie. Ein kleiner Dämpfer ist lediglich, dass in diesen Ländern der Zugang zur Physiotherapie nur über ein Studium möglich ist.

    Teilnehmende Therapeuten ziehen positives Zwischenfazit

    Der an der Studie teilnehmende Dortmunder Physiotherapeut Meinolf Wiese erklärt im Artikel der Ärzte Zeitung auch die Haltung der Physiotherapeuten zu der Sorge, die Therapie könne „aus dem Ruder laufen“. Er hält diese Sorge für unbegründet, denn bei manchen Patienten würde durchaus auch weniger behandelt, als vom Arzt üblicherweise vorgesehen. Das bestätigen Erfahrungen aus den USA. Dort fallen die Kosten für die Behandlung insgesamt geringer aus, wenn Physiotherapeuten mehr Freiheiten haben. Es gibt weniger physiotherapeutische Behandlungen, aber auch weniger bildgebende Verfahren. Außerdem werden weniger Injektionen und Medikamente verabreicht.

     

    In einer deutschlandweiten Befragung wünschen sich laut Ärzte Zeitung vier von fünf Physiotherapeuten die Einführung des Direktzugangs. Inzwischen wird klar: Das hätte nicht nur Vorteile für Physiotherapeuten, sondern auch für Ärzte. Denn sie würden unter anderem dauerhaft vom Budgetdruck im Heilmittelbereich befreit und hätten mehr Zeit, sich statt um das richtige Ausfüllen der Verordnung um andere - wichtigere - Dinge zu kümmern.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 3 | ID 43162334