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  • · Fachbeitrag · Sozialrecht

    Wirtschaftlichkeitsgebot: Was bedeutet das konkret?

    von Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle, Mannheim/Nothweiler

    | Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen für ihre Versicherten orientieren sich am Wirtschaftlichkeitsgebot, dessen Ziel es ist, den Behandlungserfolg durch den Einsatz geringster Mittel zu erreichen, qualitativ minderwertige Leistungen zu verhindern und ein Ausufern der Kosten zu vermeiden. Was bedeutet dies für die Leistung des Therapeuten? |

     

    Das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sozialgesetzbuch (SGB)

    Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist gesetzlich definiert in § 12 SGB V. Danach müssen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder sogar unwirtschaftlich sind, dürfen die Versicherten nicht beanspruchen, die Leistungserbringer nicht ausführen und die Krankenkassen nicht bewilligen.

    Das Wirtschaftlichkeitsgebot bestimmt darüber hinaus die Beziehungen zwischen den Therapeuten als Leistungserbringern und den Krankenkassen. So bestimmt § 70 Absatz 1 Satz 2 SGB V für alle Leistungserbringer: „Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.“

     

    Es muss vom Versicherten, von jedem Leistungserbringer und von den Krankenkassen beachtet werden. Therapeuten als Heilmittelerbringer sind aufgrund der von den Krankenkassen mit ihnen geschlossenen Verträge nochmals ausdrücklich zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet.

     

    Das verbirgt sich hinter den Begriffen im SGB

    Die gesetzliche Definition des Wirtschaftlichkeitsgebots arbeitet mit allgemeinen Umschreibungen. Diese bedeuten im Einzelnen:

     

    • Ausreichend: Die Leistung muss den Erfordernissen des konkreten Einzelfalls und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Darüber hinaus soll sie den medizinischen Fortschritt berücksichtigen.

     

    • Zweckmäßig: Die zu erbringende Leistung muss im Hinblick auf das konkrete Behandlungsziel geeignet, zweckdienlich und zweckentsprechend sein.

     

    • Wirtschaftlich: Therapeuten müssen mit den geringsten Mitteln den größtmöglichen Behandlungserfolg erzielen.

     

    • Notwendig: Die zu erbringende Leistung muss objektiv erforderlich sein, um das gewünschte Behandlungsziel zu erreichen.

    Fallstricke des Wirtschaftlichkeitsgebots

    Heilmittelerbringer, die gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, setzen sich Regressansprüchen der Krankenkassen aus und/oder riskieren eine Kürzung ihrer Vergütungsansprüche. Die Heilmittelrichtlinien werden hierbei als Grundlage bei einer Prüfung, ob eine Leistung dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht oder nicht, herangezogen und binden auch die Heilmittelerbringer (Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.10.2009, Az: B 1 KR 4/09 R). In der täglichen Praxis bedeutet dies für Sie als Therapeut:

     

    • Die vom behandelten Arzt verordnete therapeutische Leistung muss den Heilmittelrichtlinien entsprechen.

     

    • Der Umfang der vom behandelten Arzt verordneten therapeutischen Leistung muss den nach den Heilmittelrichtlinien zulässigen Verordnungsmengen entsprechen.

     

    • Therapeuten als Heilmittelerbringer sind in Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet, ärztliche Verordnungen aus ihrer professionellen Sicht auf Mängel zu überprüfen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.10.2009, Az: B 1 KR 4/09 R). Sie müssen jede ärztliche Verordnung auf erkennbare Fehler und auf Vollständigkeit überprüfen und gegebenenfalls auch Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten.

     

    • Sie dürfen sich nicht auf den Inhalt der ärztlichen Verordnung berufen, wenn Sie als Therapeut erkannt haben oder hätten erkennen müssen, dass die vertragsärztliche Verordnung nicht mit den Heilmittelrichtlinien übereinstimmt (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 26.10.2010, Az: L 11 KR 1322/09 und L 11 KR 690/10, Revision beim Bundessozialgericht, Az: B 1 KR 23/10 R).

     

    Praxishinweis |

    Überprüfen Sie jede ärztliche Verordnung auf erkennbare Fehler, Vollständigkeit, Plausibilität und Übereinstimmung mit den Heilmittelrichtlinien. Und zwar in Ihrem eigenen (Vergütungs-)Interesse! Denn Ihr Vergütungsanspruch hängt davon ab, dass ein Leistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse nach § 32 SGB V besteht und das Heilmittel vertragsärztlich verordnet worden ist. Sie als Therapeut müssen die ärztliche Verordnung auch prüfen, weil Sie nur auf Basis einer gültigen Verordnung mit den für eine wirksame und wirtschaftliche Heilmitteltherapie notwendigen ärztlichen Angaben leisten dürfen. Nach § 2 Absatz 4 SGB V in Verbindung mit § 12 SGB V haben Sie als Therapeut darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

    Wann müssen Sie mit Regressansprüchen rechnen?

    Stellt die Krankenkasse fest, dass Sie als Therapeut gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen haben und die Unwirtschaftlichkeit von Ihnen zu vertreten ist, kann die Krankenkasse Ihre Vergütung kürzen oder Regress nehmen (zum Beispiel falls eine Vergütungskürzung nicht ausreicht, um den entstandenen Schaden auszugleichen).

     

    Regresspflichtig sind Sie als Therapeut bei einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot dann, wenn Ihnen ein Verschulden vorzuwerfen ist. Therapeuten dürfen nur aufgrund einer ärztlichen Verordnung tätig werden und sind auch an die ärztliche Verordnung gebunden. Ein Verschulden seitens des Therapeuten

     

    • liegt nicht vor, wenn der Therapeut die ärztliche Verordnung auf erkennbare Fehler, Vollständigkeit, Plausibilität und Übereinstimmung mit den Heilmittelrichtlinien geprüft hat und keine Fehler erkennen konnte.

     

    • liegt vor, wenn der Therapeut die notwendige Prüfung der ärztlichen Verordnung unterlassen hat oder der Therapeut die notwendige Prüfung durchgeführt, dabei Mängel festgestellt und gleichwohl gemäß der fehlerhaften ärztlichen Verordnung behandelt hat.

     

    Beachten Sie: Noch nicht höchstrichterlich durch ein Urteil des Bundessozialgerichts geklärt ist die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Umfang ein Therapeut, der alle ärztlich verordneten Leistungen tatsächlich erbracht hat, einen Vergütungsanspruch gegen die gesetzliche Krankenkasse hat, wenn sich erst nach Behandlungsende herausstellt, dass die ärztliche Verordnung fehlerhaft war. Gegen die beiden oben genannten Urteile des LSG Baden-Württemberg wurde daher die Revision zugelassen. Ein Verfahren ist anhängig unter BSG-Aktenzeichen: B 1 KR 23/10 R. Ein Termin für eine Entscheidung steht noch nicht fest, „PP“ hält Sie auf dem Laufenden!

     

    Weiterführender Hinweis

    • BSG-Urteil: Therapeuten müssen Verordnungen der Vertragsärzte überprüfen („Praxisführung professionell“ - PP - Nr. 3/2010, S. 3)
    Quelle: Ausgabe 07 / 2011 | Seite 14 | ID 27448940