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  • · Fachbeitrag · Indien

    Betriebsstätten deutscher Unternehmen in Indien - Risiken und Praxisempfehlungen

    von RA Tillmann Ruppert, Associate Partner bei Rödl & Partner Nürnberg/Delhi und StB Dennis Kleine-König, Düsseldorf

    | Indien ist ein Land der Widersprüche, nicht nur gesellschaftlich, sondern auch in steuerrechtlicher Sicht. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Ertragsbesteuerung ausländischer Unternehmen in Indien. In einem ersten Schritt wird auf die nationalen Gegebenheiten und in einem zweiten Schritt auf das DBA zwischen Deutschland und Indien eingegangen. Im Fokus steht die steuerliche Betriebsstätte. Sie entsteht in vielen Fällen früher, als es aus deutscher Sicht erwartet werden würde. |

    1. Einleitung

    Für deutsche Unternehmer ist Indien als Absatzmarkt bereits aufgrund seiner Größe interessant, auch wenn das Bruttoinlandsprodukt im abgelaufenen Jahr 2014 mit 1.584 USD pro Kopf nur einen Bruchteil des Wertes von Deutschland mit 38.291 USD erreichte. Indien ist allerdings kein einfacher Markt. Herausforderungen liegen im Umgang mit den Behörden und in der Erfüllung einer Vielzahl gesetzlicher Anforderungen. Das Steuerniveau ist hoch und die Haltung der Finanzverwaltung schwer einzuschätzen und bisweilen aggressiv. Um möglichst keine Angriffspunkte zu bieten, ist sowohl auf die korrekte ertrags- und umsatzsteuerliche Beurteilung, wie auch auf eine vollständige Dokumentation, besonderes Augenmerk zu legen.

    2. Besteuerung ausländischer Unternehmen nach nationalem indischen Recht

    Die Besteuerung ausländischer Unternehmen wird durch das indische Einkommensteuergesetz von 1961 (Income Tax Act, ITA) geregelt. Indien besteuert nach Sect. 5 (2) ITA Einkünfte ausländischer Unternehmen, wenn diese Einkünfte

     

    • a) in Indien empfangen werden (oder als in Indien empfangen gelten), oder
    • b) in Indien entstehen (oder als in Indien entstanden gelten).

     

    In Indien empfangen werden Einkünfte i.S.d. Sect. 5 (2) (a) ITA dann, wenn sie dem Empfänger in Indien zufließen, sie also z.B. einem indischen Konto gutgeschrieben werden (Keshav Mills Ltd. ./. CIT, 1953, 23 ITR 230, SC). Als in Indien empfangen gelten (gesetzliche Fiktion) u.a. Quellensteuern, die von Zahlungen an das ausländische Unternehmen einbehalten werden (s. dazu unten; Sect. 198 ITA).

     

    Einkünfte entstehen i.S.d. Sect. 5 (2) (b) ITA, sobald ein unbedingter Zahlungsanspruch besteht (Supreme Court, CIT ./. Shri Goverdhan Ltd., 1968, 69 ITR 675, SC). Die Frage, an welchem Ort die Einkünfte entstehen, variiert je nach Fallgruppe. Für Einkünfte aus dem Verkauf von Waren in Indien ist auf den Ort abzustellen, an dem das Eigentum an den Waren übergeht (Supreme Court, Seth Pushalal Mansinghka (P.) Ltd. ./. CIT, 1967, 66 ITR 159, SC), für Einkünfte aus der Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen auf den Ort, an dem die Leistungen in Indien erbracht werden (Bombay High Court, Kathiawar Coal Distributing Co. ./. CIT, 1958, 34 ITR 182, BOM).

     

    • Beispiele
    • (1) Ein deutscher Händler verkauft Waren von Deutschland an einen Abnehmer in Indien. Dieser führt die Ware im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ein, das Eigentum geht bereits in Deutschland über. Es kommt zu keiner Erfassung der Transaktion nach indischem Recht. Die Besteuerung des möglichen Gewinns erfolgt nicht in Indien.

     

    • (2) Ein deutscher Anlagenbauer führt Schulungen für ein Bauprojekt in Indien durch. Der Anlagenbauer ist sonst in Indien nicht tätig. Die Verwertung des Schulungsinhalts erfolgt in Indien, somit wird die Dienstleistung vom indischen Recht erfasst. Das berechnete Entgelt unterliegt ggf. einer Quellenbesteuerung in Indien.
     

    Als in Indien entstanden gelten nach Sect. 9 (1) (i) ITA (gesetzliche Fiktion) u.a. Einkünfte, die unmittelbar oder mittelbar einer Geschäftsverbindung nach Indien zuzurechnen sind. Der Begriff der Geschäftsverbindung ist in Erläuterung 2 zu Sect. 9 (1) (i) ITA legal definiert und umfasst die Vertretung eines ausländischen Unternehmens, durch eine Person, die

     

    • für dieses Unternehmen die Vollmacht besitzt, in Indien Verträge abzuschließen (soweit sie sich nicht nur im Einkauf erschöpfen),
    • eine solche Vollmacht nicht besitzt, aber in Indien ein Auslieferungslager für das Unternehmen unterhält, oder
    • in Indien gewöhnlich Aufträge ausschließlich für das Unternehmen einholt (oder für Unternehmen, die unter demselben Management stehen).

     

    Der Oberste Gerichtshof (Supreme Court, CIT ./. R. D. Aggarwal and Co., 1965, 56 ITR 20) schränkt hierzu ein: Eine Geschäftsverbindung „beinhaltet ein Element der Kontinuität in der Beziehung zwischen dem Unternehmen des Steuerausländers und der Aktivität im Steuergebiet [Indien]. Eine vereinzelte oder isolierte Transaktion stellt üblicherweise keine Geschäftsverbindung dar. […] Um eine „Geschäftsverbindung“ darzustellen, muss eine Beziehung echt und vertraut sein und es müssen dem Steuerausländer daraus bzw. dadurch mittelbar oder unmittelbar Einkünfte entstehen bzw. erwachsen ...“.

     

    MERKE | Wie in Deutschland wird somit für die Tätigkeit eines ständigen Vertreters (§ 13 AO) nach nationalem Recht eine Kontinuität der Geschäftstätigkeit vorausgesetzt. Die Sachverhalte, in denen ein Geschäftsführer eine Geschäftsreise in Indien vornimmt und hierbei ein/zwei Geschäfte abschließt, sind somit von der Regelung nicht erfasst.

     

    Die Definition des Begriffs einer Betriebsstätte findet sich im nationalen Recht in Indien lediglich bei den Transferpreisregelungen in Sect. 92F (iia) ITA. Danach ist eine Betriebsstätte eine feste Einrichtung, durch welche Geschäfte ganz oder teilweise betrieben werden. Interessant ist hierbei vor allem, dass eine Dienstleistungsbetriebsstätte wie auch eine Vertreterbetriebsstätte nicht von der Definition umfasst sind. In der Praxis wird hierzu regelmäßig auf die allgemeinen Gesetze verwiesen und darauf, dass die Transferpreisregelungen als Spezialgesetz nicht auf andere Gesetze ausstrahlen. Nimmt man nun die allgemeinen Regelungen zur Hand, kann fast jede Tätigkeit, die in Indien ausgeführt wird, als Betriebsstätte qualifiziert werden, zumindest was die nationale Sichtweise anbelangt.

     

    Sect. 9 (1) ITA unterwirft ferner Zinseinkünfte, Lizenzgebühren und Vergütungen für technische Dienstleistungen (Sect. 115A) sowie Gewinne aus der Veräußerung von in Indien belegenen Wirtschaftsgütern (und Gesellschaftsanteilen) der Besteuerung in Indien (Sect. 115E, 195 ITA). Die Steuerpflicht gilt unabhängig davon, ob der Empfänger in Indien eine Geschäftsverbindung oder eine Geschäftseinrichtung hat oder nicht (Erläuterung zu Sect. 9 (2) ITA).

     

    Grundsätzlich erfolgt die Besteuerung im Wege der Selbstveranlagung durch das ausländische Unternehmen nach Sect. 28 (i) ITA auf Basis des Gewinns, welcher der Tätigkeit in Indien zuzurechnen ist. Der Steuersatz beträgt 40 %. Auf diese Steuer findet ein Aufschlag (Surcharge) von 2 % (Einkünfte über 10 Mio. INR) bzw. 5 % (Einkünfte über 100 Mio. INR) Anwendung. Die gesamte Steuer wird um eine Ausbildungsabgabe von 3 % (Education Cess) erhöht. Insgesamt ergibt sich so ein Steuersatz von ca. 42 - 43 %. Lizenzgebühren und Vergütungen für technische Dienstleistungen, die keiner Geschäftsverbindung oder Geschäftseinrichtung in Indien zuzurechnen sind, werden im Wege des Quellensteuereinbehalts auf Basis der Bruttoeinkünfte besteuert (Sect. 44 DA ITA). Der Steuersatz beträgt 25 % (plus Aufschlag und Ausbildungsabgabe).

     

    • Beispiel

    Der deutsche Unternehmer Paul erbringt isoliert von etwaigen Warenlieferungen Schweißerarbeiten auf einer indischen Baustelle. Das Engagement dauert vier Wochen. Danach kehrt Paul wieder nach Deutschland zurück. Die Tätigkeit wird in Indien als technische Dienstleistung angesehen und unterliegt nach nationalem indischen Recht der Quellenbesteuerung.

     

    3. Vergleich zwischen nationalem Steuerrecht und DBA

    Das nationale indische Steuerrecht unterwirft im Grundsatz fast jede Aktivität eines ausländischen Unternehmens in Indien der Ertragsbesteuerung. Seine Grenzen findet das indische Steuerrecht jedoch in DBA, die Indien mit anderen Staaten geschlossen hat. Nach nationalem indischen Steuerrecht finden Vorschriften der Abkommen vorrangig vor dem nationalen Steuerrecht Anwendung, wenn sie für das ausländische Unternehmen günstiger sind (Sect. 90 (2) ITA). So wird der Steuersatz auf Lizenzgebühren und Vergütungen für technische Dienstleistungen nach Art. 12 DBA Indien-Deutschland auf 10 % reduziert.

     

    Hinweis | Bei der Auslegung von DBA wird auch in Indien der OECD-Kommentar zum Musterabkommen (OECD-MK) herangezogen. Da Indien jedoch kein Mitgliedsstaat der OECD ist, hat der Kommentar nur informativen und unterstützenden Charakter. Er ist für die indischen Steuerbehörden nicht bindend. Zudem hat Indien verschiedene Vorbehalte zum OECD-MK geäußert. Im Einzelnen ergeben sich unter anderem folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Betrachtung der Betriebsstättendefinition.

     

    3.1 Feste Geschäftseinrichtung - Allgemein

    Art. 5 (1) DBA Indien-Deutschland beschreibt den Grundtatbestand einer Betriebsstätte als eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäfte eines Unternehmens ganz oder teilweise betrieben werden. Abweichungen zum Text des OECD-MA bestehen nicht.

     

    Da die nationale Definition der Betriebsstätte wesentlich weiter gefasst ist, führt die Abschirmwirkung des DBA dazu, dass die deutlich engere Definition des DBA Indien-Deutschland zur Anwendung kommt, mit der Konsequenz, dass deutlich weniger geschäftliche Tätigkeiten von deutschen Unternehmen in Indien als betriebsstättenbegründend qualifiziert werden.

     

    Art. 5 (2) DBA Indien-Deutschland enthält eine nicht erschöpfende Auflistung von Beispielen, von denen jedes einzelne zunächst als Betriebsstätte anzusehen ist. Mit Ausnahme der Montagebetriebsstätte, begründen sie jedoch nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie die Anforderungen des Art. 5 (1) DBA Indien-Deutschland erfüllen.

     

    3.2 Sonderfall Dienstleistungsbetriebsstätte

    Eine Dienstleistungsbetriebsstätte im eigentlichen Sinne (Steuerpflicht durch die Erbringung von Dienstleistungen im Tätigkeitsstaat) kennt das DBA Indien-Deutschland nicht. Um eine Betriebsstätte zu begründen, muss das deutsche Unternehmen Räumlichkeiten zur Verfügung haben, von denen aus es seine Geschäfte in Indien ausführt. Eine Anmietung von Räumlichkeiten durch deutsche Unternehmen wird bereits aufgrund investitionsrechtlicher Beschränkungen kaum vorkommen. Jedoch beruft sich die indische Finanzverwaltung auf Nr. 4.5 OECD-MK, wonach auch langfristige Tätigkeiten in den Räumlichkeiten eines Kunden zu einer Betriebsstätte führen können („Anstreicher-Fall“). Dies führt in Konsequenz zu einer „unechten Dienstleistungsbetriebsstätte“ und schafft Unsicherheit in Fällen, in denen ausländische Unternehmen in Indien Dienstleistungen ausüben, ohne selbst ein Büro oder ein Geschäft vor Ort zu besitzen. Es besteht aufgrund abweichender Auffassungen mit Deutschland ein besonderes Risiko einer Doppelbesteuerung (Annahme Betriebsstätte in Indien und Nichtannahme Betriebsstätte in Deutschland). Deutschland lehnt beim „Anstreicher-Fall“ die Begründung einer Betriebsstätte ab.

     

    3.3 Betriebsstättengewinnermittlung

    Entsteht eine Betriebsstätte, wendet Indien zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns nach Art. 7 DBA Indien-Deutschland nicht den Authorized OECD Approach (AOA) an (zum AOA s. ausführlich Endres, PIStB 14, 276). D.h. es werden keine fiktiven Innentransaktionen zwischen Betriebsstätte und Stammhaus angesetzt, die Betriebsstätte gilt nicht als ein rechtlich selbstständiges und wirtschaftlich unabhängiges Unternehmen. Der Betriebsstättengewinn ist weiter grundsätzlich nach der direkten Methode zu ermitteln.

     

    PRAXISHINWEIS | In der Praxis wird die Anwendung der indirekten Methode lediglich für die Zurechnung von Overheadkosten anerkannt. Hier muss allerdings eine genaue Dokumentation erstellt werden, aus der sich auch ein geeigneter Schlüssel ergibt. Es kommt an dieser Stelle regelmäßig zu Diskussionen mit der indischen Finanzverwaltung.

     

    Nach deutschem Recht gilt der AOA national bereits für den Veranlagungszeitraum 2013. Da das DBA Indien-Deutschland den Ansatz nicht unterstützt, sollte geprüft werden, ob eine separate Betriebsstättenbuchhaltung aus deutscher Sicht notwendig ist. In diesem Zusammenhang wird auf § 1 Abs. 5 S. 8 AStG verwiesen, wonach der Steuerpflichtige angehalten ist nachzuweisen, dass die Gewinne im Betriebsstättenstaat auch tatsächlich der Besteuerung unterliegen (z.B. durch eine Steuererklärung). Wenn dies nicht der Fall ist, so ist aus Gesetzessicht eine Betriebsstättenbuchhaltung auf Basis des AOA-Grundsatzes für deutsche Besteuerungszwecke vorzunehmen.

     

    3.4 Sonderfall Liaison Offices

    Viele deutsche Unternehmen gründen zu Beginn ihres Engagements in Indien ein sog. Liaison Office. Es handelt sich hierbei nicht um eine rechtlich selbstständige Einheit oder ein eigenes Steuersubjekt, sondern um die Bezeichnung für eine formelle investitionsrechtliche Registrierung des Büros eines ausländischen Unternehmens in Indien. Die Tätigkeiten des Liaison Offices müssen bereits aufsichtsrechtlich im Wesentlichen auf Informationsbeschaffung und Kommunikation beschränkt werden. Liaison Offices sind steuerbefreit - solange sie sich im Rahmen der typischen freigestellten Tätigkeiten bewegen, sie also nur Hilfstätigkeiten i.S.d Art. 5 (4) (d), (e) DBA Indien-Deutschland ausüben.

     

    Entscheidend ist jeweils, ob die Tätigkeit sich noch in einer Unterstützung des Stammhauses erschöpft oder bereits in den Kernbereich übergeht. Bejaht wurde eine Betriebsstätte u.a. im Falle der Teilnahme an Vertragsverhandlungen (High Court Karnataka, CIT ./. Jebon Corporation, 2011, 245 CTR, Kar, 300) und im Falle der regelmäßigen Einholung von Aufträgen (Delhi High Court, Rolls Royce Singapore ./. ADIT, 2012, 347, ITR 192, DEL). Unkritisch ist z.B. die Koordinierung des eigenen Einkaufs des Stammhauses vor Ort. Kritisch ist dagegen die Koordinierung/Vermittlung des Einkaufes der Unternehmensgruppe vor Ort für das Stammhaus in seiner Funktion als zentraler Einkaufsgesellschaft. Hier liegt keine Unterstützung des Stammhauses mehr vor, sondern die Ausführung der geschäftlichen Kerntätigkeit des Stammhauses selbst, in seiner Funktion als Einkaufsgesellschaft für die Gruppe. Allerdings hat die indische Finanzverwaltung solche Fälle bislang wohl noch nicht aufgegriffen.

     

    3.5 Montagebetriebsstätte

    Eine Bau- bzw. Montagebetriebsstätte entsteht abweichend von Art. 5 (3) OECD-MA bereits bei Überschreiten einer Frist von sechs Monaten (Art. 5 (2) (i) DBA Indien-Deutschland). Auch reine Aufsichts- bzw. Überwachungstätigkeiten lösen eine Betriebsstätte aus, selbst wenn das beaufsichtigende Unternehmen die Montage bzw. den Bau nicht selbst ausführt.

     

    Achtung | Nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang eine an sich für deutsche Unternehmen günstige Entscheidung des Income Tax Appellate Tribunal (ITAT) Hyderabad in Sachen GFA Anlagenbau (GFA Anlagenbau GmbH ./. DCIT, TS 383 ITAT 14, HYD). Das ITAT entschied, dass isolierte Aufsichtstätigkeiten nicht zu einer Betriebsstätte führen und bezog sich dabei auf einen nicht weiter präzisierten Kommentar von Klaus Vogel (vermutlich von 1997, A commentary to the OECD-, UN- and US model conventions for the avoidance of double taxation on income and capital), der sich noch auf die alte Fassung des OECD-MK bezog. Die Unterschiede zum DBA Indien-Deutschland wurden durch das ITAT nicht thematisiert, sodass das Urteil nicht als Grundlage für eine steuerliche Planung herangezogen werden sollte.

     

    Im Übrigen folgt Indien hinsichtlich der Frage, wann eine Montagebetriebsstätte entsteht, weitgehend dem OECD-MK. So gilt, dass einzelne Projekte Teile eines Gesamtprojekts sein können, wenn sie wirtschaftlich und geographisch in Zusammenhang stehen. Dies ist z.B. der Fall, wenn in einer Anlage eines Kunden mehrere Maschinen montiert werden, auch wenn hierüber gesonderte Verträge bestehen. Indien ist jedoch zusätzlich der Auffassung, dass auch eine Serie von mehreren (unabhängigen) kurzzeitigen Projekten zusammenzufassen sei (Position zu Art. 5 OECD MK, Tz. 20).

     

    PRAXISHINWEIS | Problematisch ist ferner der Ansatz Indiens, auch den Gewinn aus Warenlieferungen der Montagebetriebsstätte zuzurechnen. Schutz bietet hier jedoch das Protokoll zu Art. 7 DBA Indien-Deutschland. Hiernach ist der Gewinn aus Warenlieferungen bei Montageprojekten nur in Deutschland zu versteuern. Es ist in der Praxis jedoch schwierig, die indische Finanzverwaltung von dieser Position zu überzeugen.

     

    3.6 Vertreterbetriebsstätte

    Als Betriebsstätte gilt auch die Tätigkeit eines abhängigen Vertreters für ein deutsches Unternehmen in Indien (Art. 5 (5) DBA Indien-Deutschland). Im Unterschied zum OECD-MA löst jedoch nicht nur ein abhängiger Vertreter mit Abschlussvollmacht (Art. 5 (5) (a) DBA D-IND) oder ein abhängiger Vertreter mit Auslieferungslager (Art. 5 (5) (b) DBA D-IND) eine Betriebsstätte aus. Auch die Tätigkeit eines abhängigen Vertreters ohne Abschlussvollmacht, der „gewöhnlich“, d.h. nicht nur gelegentlich, für das deutsche Unternehmen oder mit diesem verbundenen Unternehmen Aufträge einholt, führt zu einer Betriebsstätte (Art. 5 (5) (c) DBA D-IND, s. auch den o.g. Fall „Rolls Royce“). Dies ist eine denkbar weite Fassung des Begriffs der Vertreterbetriebsstätte. Sie ist in ähnlicher Fassung in vielen DBA zu finden, die Indien geschlossen hat. Auch mit dem Begriff der Geschäftsverbindung nach Erläuterung 2 zu Sect. 9 (1) (i) ITA (s.o.) läuft die Definition parallel.

     

    Problematisch ist, dass es kaum Möglichkeiten gibt, die Vertreterbetriebsstätte durch eine vertragliche Gestaltung zu vermeiden, die dem Vertreter unternehmerisches Risiko und Freiheit in der Ausführung seiner vertraglichen Pflichten lässt. Denn in Abweichung zum OECD-MK ist Indien der Auffassung, dass ein Vertreter als abhängig anzusehen sei, wenn er ausschließlich oder fast ausschließlich für nur ein ausländisches Unternehmen tätig wird (Position 19.1 zu Artikel 5 OECD-MK).

     

    Fraglich sind allerdings die Folgen einer solchen Vertreterbetriebsstätte. Es ist derzeit in der indischen Rechtsprechung akzeptiert, dass der Betriebsstätte kein Gewinn zuzurechnen ist, wenn die tatsächlich an den Vertreter gezahlte Vergütung fremdüblich bemessen ist. Ertrag (Vergütung, die ein fremder Dritter verlangen würde) und Aufwand (tatsächlich gezahlte Vergütung) heben sich in diesem Fall auf (vgl. auch Supreme Court, DCIT ./. Morgan Stanley, 292 ITR 416, SC und Delhi High Court, DIT ./. E-Funds, 2014, 364 ITR 256, DEL). Problematisch ist allerdings der Nachweis der Fremdüblichkeit, der paradoxerweise gerade dann leichter gelingt, wenn der Vertreter ein Gruppenunternehmen ist und so ohnehin eine Verrechnungspreisdokumentation erstellt werden muss.

     

    3.7 Exkurs - Erbringung technischer Dienstleistungen

    Nach dem DBA Indien-Deutschland unterliegt auch die Erbringung technischer Dienstleistungen der Quellenbesteuerung. Laut Art. 12 Abs. 4 DBA Indien-Deutschland sind dies Zahlungen für die Erbringung von Dienstleistungen auf den Gebieten der Geschäftsleitung, der Technik oder der Beratung, einschließlich der Beschaffung von Dienstleistungen durch technisches oder anderes Personal. Mit Bezug auf das Eingangsbeispiel zum Unternehmer Paul, der Schweißerleistungen erbringt, wird dieser sich auch mit einer möglichen Quellenbesteuerung auseinandersetzen müssen (s. Abschnitt 4.).

    4. Praktische Aspekte

    Das Entstehen einer steuerlichen Betriebsstätte hat in Indien umfangreiche steuerliche Pflichten zur Folge. So ist eine indische Steuernummer zu beantragen (Permanent Account Number, PAN) und eine gesonderte Betriebsstättenbuchführung aufzusetzen. Die allgemeinen indischen Buchungsgrundsätze sind zu beachten. Diese stimmen im Grundsatz mit den deutschen HGB-Regelungen überein. Die Steuerbilanz ist jährlich durch einen Chartered Accountant prüfen zu lassen, Steuererklärung sowie Verrechnungspreisdokumentation sind bis zum 31.11. nach dem Ende des jeweiligen indischen Finanzjahres (1.4. bis 31.3.) zu erstellen bzw. abzugeben. Wird die Steuererklärung verspätet abgegeben, werden Verluste in aller Regel nicht mehr anerkannt.

     

    4.1 Quellensteuer

    Fehlerträchtig ist die Einhaltung der Vorschriften zur Quellensteuer. Zum einen hat der indische Auftraggeber/Zahlende von Vergütungen, die der Betriebsstätte zuzurechnen sind, eine Quellensteuer von 42 - 43 % abzuführen, sofern ihm das ausländische Unternehmen keine Bescheinigung der indischen Finanzverwaltung über einen geringeren Quellensteuereinbehalt vorlegen kann. Zum anderen hat auch das ausländische Unternehmen die Pflicht zur Abführung von Quellensteuer. Betroffen sind Zahlungen an eigene Mitarbeiter (indische Lohnsteuer), Zahlungen an indische Subunternehmer, Zahlungen an z.B. deutsche Subunternehmer (Art. 12 (7) DBA Indien-Deutschland) und ggf. Zahlungen an deutsche und indische selbstständige Personen.

     

    Die Quellensteuer ist abzuführen bei Zahlung, spätestens aber bei Verbuchung der Verbindlichkeit. Dies bedeutet, dass auch bei der Leistung von Anzahlungen oder der Bildung von Rückstellungen Quellensteuer abzuführen ist. Bei zu geringer oder verspäteter Quellensteuerzahlung drohen Strafzinsen, Strafzuschläge (i.d.R. 100 % der fehlenden Quellensteuer) und die Versagung des steuerlichen Abzugs für den zugehörigen betriebswirtschaftlichen Aufwand (z.B. Lohnaufwand/Aufwand für Subunternehmer). Erst wenn die Quellensteuer nachentrichtet wird, kann der Aufwand steuerlich geltend gemacht werden. Entsprechende Periodenverschiebungen können ein großes steuerliches Risiko darstellen.

     

    4.2 Hinweis zur Beantragung einer PAN

    Auch wenn keine Betriebsstätte vorliegt und die Einkünfte des ausländischen Unternehmens als Lizenzgebühren oder Vergütungen für technische Dienstleistungen i.R.d. Art. 12 DBA Indien-Deutschland versteuert werden, bleiben in Indien steuerliche Pflichten zu erfüllen. Zum einen ist eine Ansässigkeitsbescheinigung der deutschen Finanzverwaltung einzuholen und dem indischen Kunden vorzulegen, um den reduzierten Quellensteuersatz des DBA Indien-Deutschland in Anspruch nehmen zu können (Sect. 90, 90 A ITA). Ferner ist eine PAN zu beantragen und auf allen nach Indien gestellten Rechnungen auszuweisen. Andernfalls steigt die Quellensteuer auf 20 % der Bruttovergütung (plus Surcharge und Education Cess; Sect. 206AA ITA). Schließlich ist daran zu denken, nach Sect. 139 ITA trotz (korrektem) Quellensteuereinbehalt eine Steuererklärung über die Einkünfte in Indien abzugeben. Zwar wird in der Regel keine weitere Steuer mehr zu zahlen sein, da sie bereits im Wege der Quellensteuer entrichtet wurde, dies ändert aber nichts an der Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung. Wird ihr nicht entsprochen, ist mit Nachfragen der indischen Finanzverwaltung zu rechnen.

     

    FAZIT | Das indische Steuersystem weicht in seinem Ansatz und in seinen Detailregelungen von dem vertrauten deutschen Recht ab. Zum einen ist der Umfang der Besteuerungstatbestände nach nationalem indischem Recht deutlich größer als in Deutschland. So unterliegen auch technische Dienstleistungen der Quellenbesteuerung. Mithin sollte über eine PAN-Registrierung nachgedacht werden, um den Quellensteuersatz senken und der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nachkommen zu können.

     

    Darüber hinaus stellen Betriebsstätten in der Praxis eine besondere Herausforderung dar. Hier ist zum einen zu beachten, dass in Indien auch eine Dienstleistungsbetriebsstätte entstehen kann, auch wenn das DBA Indien-Deutschland dies nach deutschem Verständnis ausschließt. Ferner entstehen Montagebetriebsstätten und Vertreterbetriebsstätten früher als nach deutscher Sichtweise, sodass durchaus auch die Gefahr einer Doppelbesteuerung in Deutschland wie in Indien besteht. Besonders riskant sind Fehler in Form von nicht korrekt abgeführten Quellensteuern, die gerade bei unerkannten Betriebsstätten die Regel sind.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2015 | Seite 79 | ID 43177040

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