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  • · Fachbeitrag · Deutsch-Französischer Erbfall

    Erwerb und Internationales Erbrecht ab Geltung der EU-ErbVO (Teil 1)

    von RA FA StR Dr. Marc Jülicher, Bonn

    | Deutsch-französische Erbfälle sind deshalb immer schwierig zu handhaben, weil beide nationalen Erbrechte völlig unterschiedlich sind. Das französische Erbrecht ist deutlich strenger und lässt den Beteiligten weniger Spielraum für Regelungen, ob nun einseitig als Erblasser oder durch einen Vertrag mit wenigstens einem Rechtsnachfolger. Für Sterbefälle ab 17.8.15 gilt künftig die EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO), die von beiden Staaten vorbehaltlos akzeptiert worden ist. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse gegenüber den bisherigen Anknüpfungen im deutschen oder französischen Internationalen Privatrecht. |

    1. EU-ErbVO in Frankreich und Deutschland: Einheitliches europäisches Internationales Erbrecht

    Durch die Erbrechtsverordnung der Europäischen Union ist ab dem 17.8.15 das Internationale Erbrecht in der EU vereinheitlicht worden (ausführlich s. Jülicher, PIStB 14, 167). Sie kommt in allen EU-Staaten außer Dänemark, Irland und Großbritannien zur Anwendung und gilt auch im Verhältnis zu Staatsangehörigen oder Ansässigen außerhalb der teilnehmenden Staaten (Art. 20 EuErbVO, EG 82 und 83). |

     

    Zusammengefasst gilt: Anstelle der in der EU nicht gewünschten Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit kommt es nur auf den letzten „gewöhnlichen Aufenthalt“ des Erblassers an, so dass die Regelung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB nicht aufrechterhalten werden kann. Zulässig ist es jedoch für den Erblasser, der nicht die Nationalität seines aktuellen Aufenthaltsstaates hat, sein Heimatrecht zu wählen. Zugleich ist die Nachlassspaltung aufgegeben worden: Dies betrifft z.B. bisherige Regelungen etwa von Frankreich und Belgien, für auf eigenem Hoheitsgebiet gelegenes unbewegliches Vermögen, also Grundbesitz, stets das Lagerecht anzuwenden. Betroffen ist aber z.B. auch die in Art. 25 Abs. 2 EGBGB vorgesehene Rechtswahlmöglichkeit eines Erblassers mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, für deutschen Grundbesitz deutsches Recht zu wählen. Zu Gunsten der Nachlasseinheit sollen alle gegenständlich begrenzten Anknüpfungen entfallen.

     

    Für gemeinsame Testamente, in Frankreich selbst unzulässig, ist die Anerkennung erleichtert worden, noch stärker für Erbverträge. Ihre Anerkennung wird jetzt fingiert (Art. 2 EU-ErbVO). Jedoch muss die Verfügung nach jedem der auf einen Erblasser anzuwendenden Rechte zulässig sein. Dabei können gerade bei mehrseitigen letztwilligen Verfügungen auch aufgrund unterschiedlicher Nationalitäten oder gewöhnlicher Aufenthalte, verschiedene Rechte anwendbar sein. Auch Erbverträge unterliegen diesen Anerkennungskriterien. Hilfreich ist hier auch die nur für die Anerkennung des Erbvertrages geltende, erleichterte Rechtswahl zu einem der Nationalitätsrechte der Vertragsschließenden (Art. 22 EU-ErbVO; ausführlich Jülicher PIStB 14, 167).

     

    Die Gesamtverweisung auch auf das ausländische Kollisionsrecht und ggf. der Rückverweis von dort auf die eigene Rechtsordnung ist entfallen, aber nur innerhalb der EU: Denn jeder EU-Staat ist gehalten, Gesamtverweisung und etwaigen Rückverweis im Verhältnis zu (Dritt-)Staaten außerhalb der EU weiter anzuwenden, wenn dadurch EU-Recht wieder anwendbar wird. Sogenannte Drittstaatensachverhalte, d.h. Sachverhalte mit Berührungspunkten zu einem Recht aller Staaten außerhalb der EU oder zu einem Recht derjenigen Staaten der EU, die die EU-ErbVO nicht akzeptiert haben (Großbritannien, Irland, Dänemark), sind jedoch im deutsch-französischen Erbfall nicht relevant.

     

    PRAXISHINWEIS | Für deutsche Staatsangehörige mit „Umzugsfantasien“ nach Frankreich sollte rein vorsorglich für den Fall, dass dies künftig Bedeutung erlangen könnte, eine ausdrückliche Rechtswahl zum deutschen Recht dann vorgenommen werden, wenn dies erwünscht ist. Dadurch kann ein wesentlich strengeres Wohnsitzerbrecht, etwa nach einer romanischen Rechtsordnung (z.B. Frankreich, aber auch Italien oder Spanien) abgewählt werden (vgl. Steinmetz/Löber/Alcazar, ZEV 2010, 234, 236). Die Rechtswahl sollte unbedingt in Form der letztwilligen Verfügung getroffen werden. Eine konkludente Rechtswahl kann auch im Einzelfall anerkannt werden, sollte aber wegen ihrer Streitanfälligkeit vermieden werden.

     

    2. Systemunterschiede im Erbrecht Frankreichs gegenüber Deutschland

    2.1 Einschränkungen bei der Testamentsvollstreckung

    Hinsichtlich der Testamentsvollstreckung, insbesondere der Zulässigkeit über eine längere Dauer, bestehen erhebliche Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland. Das deutsche Recht ist hier ausgeprägt großzügig und lässt z.B. auch die 30-jährige oder auf die Lebenszeit einer Person angeordnete Testamentsvollstreckung zu (§§ 2209, 2210 BGB). Die meisten romanischen Rechte, z.B. das italienische oder gerade auch das französische Erbrecht kennen dagegen nur die kurze Abwicklungsvollstreckung (§ 1025 ff. cc, Frist im Regelfall bis 2 Jahre) zur Auseinandersetzung des Nachlasses, nicht aber die längere Verwaltung des Vermögenserwerbs eines geschäftsfähigen Rechtsnachfolgers (vgl. Haas/Sieghörter, in: Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2010, 515 [Frankreich IX Rz. 160]). Zusätzlich ist teilweise die Amtszeit des Testamentsvollstreckers zeitlich beschränkt, so etwa in Frankreich auf ein Jahr, oder ihm steht normalerweise nicht einmal das Recht zur Veräußerung von Nachlassgegenständen zu (außer bei vom Erblasser eingeräumter sog. „saisine“ (vgl. näher Döbereiner, in: Süß, Erbrecht in Europa, 2. Aufl. 2008, 650, Art. 1030 CC).

     

    In Frankreich existiert kein Testamentsvollstreckerzeugnis nach deutscher Prägung (vgl. Döbereiner, in Süß, 650); stattdessen genügt der Testamentsinhalt mit zusätzlich einem durch einen Notar ausgestellten „Acte de notoriété“. Soweit in Deutschland bislang ein Erbschein nach ausländischem Recht ausgestellt wurde, konnte das Nachlassgericht einen entsprechenden Vermerk über die beschränkte Reichweite der Testamentsvollstreckung anbringen (vgl. dazu MünchKomm/Birk, Art. 25 EGBGB Rz. 358).

     

    PRAXISHINWEIS | Dem Testamentsvollstrecker sollte im Testament eine weitreichende Vollmacht gewährt werden, um Einschränkungen seiner Handlungsbefugnis zu vermeiden. Da in vielen Staaten, so im Regelfall auch in Frankreich (Art. 2003 CC), das automatische Erlöschen jeder Vollmacht gerade mit dem Tod des Vollmachtgebers, also hier des Erblassers, fingiert wird und Vollmachten über den Tod hinaus nicht bekannt sind, sollte für die Vollmacht deutsches Recht unabhängig vom Wirkungsort gewählt werden, sofern diese schuldrechtliche Rechtswahl auch im ausländischen Wirkungsstaat anerkannt wird. Alternativ kann erstmals seit 1.1.07 eine Vollmacht über den Tod auch in Frankreich erteilt werden (Art. 812 ff. CC, „mandat à effet posthume“), ohne Verfügungsmöglichkeit und nur bei besonderem Interesse (näher Döbereiner, in Süß, 672).

     

    2.2 Teilweises Verbot von Vor- und Nacherbschaft

    Im internationalen Vergleich sind Vor- und Nacherbschaft recht umstritten, die in Deutschland auch nach Abschaffung der sog. „Fideikommisse“ in weitem Rahmen zulässig sind. Gestattet ist es in Deutschland insbesondere, Vor- und Nacherbschaften innerhalb der 30-jährigen Frist nach dem Tod des Erblassers anzuordnen (§ 2109 Abs. 1 S. 1 BGB), daneben auch auf die Lebensdauer einer Person, wobei der Betroffene beim Tod des Erblassers bereits leben muss (§ 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB; vgl. krit. zu den „lebenslangen Bindungen“ im Erbrecht z.B. Edenfeld, DNotZ 03, 4). Insbesondere können Vor- und Nacherben frei ausgewählt werden.

     

    Im französischen Recht war lange bis zur Änderung zum 1.1.07 (dazu Klima, ZEV 06, 440) eine Vor- und Nacherbschaft („substitution fidéicommissaire“) nur in den Personenkonstellationen zulässig, bei der der Erblasser als Vorerbe seine Kinder und als Nacherbe alle seine Enkelkinder, ggf. auch ungeborene, oder ein kinderloser Erblasser seine Geschwister als Vorerben und alle Geschwisterkinder als Nacherben eingesetzt hatte (libéralité graduelleI (Art. 896 CC, vgl. dazu auch Cornelius, in: Flick/Piltz, Der Int. Erbfall, 2. Aufl. 2008, 167 ff.; zum deutsch-französischen Erbfall auch Jülicher, PIStB 02, 272). Einzige Ausnahme war eine völlig befreite Vorerbschaft, wie sie in Deutschland über den Rahmen des § 2136 BGB hinaus nicht möglich wäre. Sie vermittelt aber dem Nacherben nur den vom Vorerben gezielt, auch durch Schenkung beliebig reduzierbaren Überrest („libéralité résiduelle“, Art. 1057 ff. CC; vgl. zur früheren Rechtslage Cornelius, in: Flick/Piltz, 189 f.).

     

    Seit 1.1.07 sind nunmehr die Vor- und Nacherbschaft sowie (Nach-)Vermächtnisse und Weiterleitungsauflagen in Schenkungsverträgen erstmals in weiterem Umfang zulässig. Konstruktiv setzt die Reform bei der Vor- und Nacherbschaft unter bestimmten Voraussetzungen („libéralité graduelle“) durch Ausweitung der Ausnahmen an:

     

    Die Bestimmung - mit Erhaltungspflicht in Abgrenzung von der „libéralité residuélle“ (s.o.) - muss sich auf Gegenstände beziehen, die im Zeitpunkt der Anordnung bestimmt oder bestimmbar sind und im Zeitpunkt des Todes noch in Natur vorhanden sind; lediglich bei Wertpapieren reichen ausnahmsweise auch Surrogate (Döbereiner, in: Süß, 643). Sicherheiten zu Gunsten des Enderwerbers muss der Verfügende anordnen, wenn dies erstrebt ist. Sie sind nicht systemimmanent. Für die Drittwirkung einer Sicherung bei Immobilien ist die Veröffentlichung im „Bureau de Hypothèques“ erforderlich.

     

    Erstmals können also - wie es in Deutschland nicht selten ist - Eltern ein Kind zum Vorerben und ein anderes zum Nacherben einsetzen, etwa auch wechselseitig, wenn eines der Geschwister abkömmlingslos verstirbt. Die Nacherbschaft darf nicht zulasten der Pflichtteilsquote gehen, es sei denn, sie wäre durch ggf. entsprechenden begrenzten Verzicht unter Einverständnis mit der Belastung durch die Nacherbschaft ermöglicht worden (Art. 1054 Abs. 2 CC).

     

    Der Letzterwerber, der die bis dahin widerrufliche Auflage der Weiterleitung zu seinen Gunsten (Art. 1055 CC) annehmen muss, leitet seinen Erwerb vom Verfügenden ab. Dies ist wichtig im internationalen Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht, wenn der Erblasser etwa in Deutschland lebt, ebenso wie der Zweitbegünstigte, und nur der Erstbegünstigte in Frankreich lebt. Ein beim Tod des Erstbegünstigten insoweit steuerpflichtiger Nachlass in Frankreich kann durch die Vor- und Nacherbschaft aus französischer Sicht vermieden werden, wenn der Zweitbegünstigte seinen Erwerb vom Erblasser ableiten darf, der keinen Wohnsitz in Frankreich hat.

     

    • Beispiel

    Eine Mutter, deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland, möchte ihrem Sohn, französischer Staatsangehöriger und wohnhaft in Nizza, Vermögen zukommen lassen. Dabei möchte sie aber verhindern, dass nach seinem (nachfolgenden) Ableben seine nicht eheliche Tochter, zu der er von Geburt an keinen Kontakt hat, an dem von ihr erworbenen Vermögen als dann freier Nachlass ihres Vaters partizipiert.

     

    Lösungshinweis: Regelt die Mutter ein Vorvermächtnis (ggf. auch eine Vorerbschaft) zu Gunsten des Sohnes mit Nachvermächtnis zu Gunsten eines ihr genehmeren Erwerbers unter Ausschluss der anderen, führt das - nach dem auf ihren Nachlass anwendbaren deutschen Erbrecht - zu einem zulässigen Vor- und Nachvermächtnis (§ 2191 BGB). Im Ergebnis haben die Nachvermächtnisnehmer beim Tod des Sohnes zumindest einen schuldrechtlichen Anspruch gegen seinen Nachlass. Dieser entwertet letztlich die Erbansprüche der Erwerberin, die ausgeschlossen werden soll. Der Nachlass des Sohnes bleibt französischem Recht unterworfen, aber der Anspruch der von der Großmutter Begünstigten wirkt wie der eines Nachlassgläubigers.

     

    Neben der nicht befreiten Vor- und Nacherbschaft ist weiterhin die befreite Vorerbschaft („libéralité residuélle“) möglich, die auch lebzeitige unentgeltliche Verlängerungen (anders als § 2113 Abs. 2 BGB in Deutschland) und entgeltliche Verfügungen ermöglicht. Im letzteren Fall greift keine Surrogation an einem Ersatzgegenstand (Art. 1058 Abs. 2 CC).

     

    Beachten Sie | Frankreich unterwirft die Vor- und Nacherbschaft, weil sie die Unveräußerlichkeit der von ihr erfassten Vermögensgegenstände erzwingt, im Internationalen Privatrecht einer Sonderanknüpfung: Für bewegliches und unbewegliches Vermögen sollte bislang das Recht des Belegenheitsortes maßgeblich sein (vgl. Sieghörtner, in: Bengel/Reimann, Testament und Erbvertrag, 4. Aufl. 2003, 112). Bei Anwendung der EU-ErbVO wird diese Unterscheidung voraussichtlich entfallen.

     

    2.3 Das Universal- bzw. Erbvermächtnis

    Anders als im deutschen Recht kennt das französische Recht keine klassische Erbeinsetzung, sondern eine Art Universalvermächtnis (Art. 1003 CC) - im Gegensatz zu Einzelvermächtnissen (Art. 1010 Abs. 2 CC). Das entspricht der deutschen Erbeinsetzung und lässt wohl einen deutschen Erbschein als Allein- oder Miterbe erwarten (näher Döbereiner, in Süß, 641 ff.).

     

    2.4Verbot bindender Verträge, gemeinsamer Testamente etc. mit Ausnahmen

    Im romanischen Rechtskreis sind Erbverträge und gemeinsame Testamente zumeist verboten. In manchen Rechtsordnungen bestehen Ausnahmen. So ist z.B. in Frankreich und Belgien die sog. „Institution contractuelle“ u.a. unter Ehegatten als Ehevertrag mit erbrechtlichen Wirkungen zulässig, im Übrigen nach Art. 25 EGBGB zu qualifizieren (Sieghörtner, in: Bengel/Reimann, 106, 118; zu Frankreich auch Edenfeld, ZEV 2001, 457, 461). In dieser Variante vereinbaren künftige Eheleute in ihrem Ehevertrag oder Eheleute nach Eheschließung außerhalb eines Ehevertrages Regelungen für ihr Vermögen, z.B. eine Zuwendung an den anderen Ehepartner in größtmöglichem Umfang ohne Verletzung der Noterbrechte (vgl. im Einzelnen Döbereiner, in Süß, 651 ff. (655 f.)). Daneben können sich in einer anderen Variante der „Institution contractuelle“ auch Dritte zu Gunsten der Eheleute oder ggf. ihrer Kinder binden.

     

    Diese „Institution contractuelle“ kann das gesamte Vermögen des Verfügenden zum Zeitpunkt seines Todes erfassen und somit wirtschaftlich einer Alleinerbeneinsetzung entsprechen (so Hustedt, für Belgien, MittRhNotK 1996, 337, 348). Im Übrigen verbietet Frankreich Erbverträge und gemeinsame Testamente.

    3. Gesetzliche Erbfolge ohne Testament

    In Frankreich sind nacheinander vier Erbordnungen relevant (Art. 734 ff. CC). Die Erbfolge beginnt mit den Abkömmlingen, dann den Eltern und ihren Abkömmlingen schließlich Großeltern und Urgroßeltern in der 3. Erbordnung und äußerstenfalls in der 4. Erbordnung den gewöhnlichen Seitenverwandten (Onkeln, Tanten, Cousinen, Cousins etc.). Bei Abkömmlingen findet eine Repräsentation zu Gunsten der Enkel etc. statt. Ab der 3. Ordnung wird der Nachlass in eine väterliche und eine mütterliche Linie gespalten (zu Details Döbereiner, in Süß, 632 ff.). Der überlebende Ehepartner hat bis zu einer rechtskräftigen Scheidung (Art. 732 CC) ein Erbrecht (Art. 756 ff. CC), das variiert, je nach dem mit wem er zusammentrifft. Den Nachlass erhält er allein, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge oder Eltern hinterlässt; Geschwister und Geschwisterkinder sind also - anders als in Deutschland - irrelevant. Geschwister können in diesen Fällen aber ggf. Rückforderungsansprüche betreffend Schenkungen ihrer Eltern machen (vgl. Döbereiner, in Süß, 635).

     

    Neben Abkömmlingen hat der überlebende Ehepartner die Wahl zwischen einem Nießbrauch am gesamten Nachlass oder der Substanz von einem Viertel des Nachlasses (Art. 757 CC), außer der Nießbrauch würde auch seine Stiefkinder betreffen. Neben zwei Elternteilen des Erblassers erhält der überlebende Ehepartner die Hälfte des Nachlasses, neben einem Elternteil drei Viertel. Durch ein „Umsetzungsrecht“ (näher Döbereiner, in Süß, 636) können sowohl die Erben als auch der überlebende Ehepartner bis zur Teilung des Nachlasses den Nießbrauch des überlebenden Ehepartners in eine Leibrente umwandeln lassen, die zu indexieren ist (Art. 759 CC). An der ehelichen Wohnung samt Mobiliar kann der Ehepartner ein lebenslanges Wohnungs- und Nutzungsrecht geltend machen, das der Erblasser allerdings ausschließen kann. Letzteres wiederum gilt nicht für das erste Jahr nach dem Tod, weil insoweit das Recht als güterrechtlicher Anspruch angesehen wird (Art. 763 f. CC).

    4. Pflichtteilsrecht und -verzicht

    Das Pflichtteilsrecht ist in Frankreich (Art. 912 - 930 CC), einem Staat des romanischen Rechtskreises, ausgeprägt geschützt. Neu ist seit einer Reform zum 1.1.07, dass die Aszendenten (Eltern) kein Pflichtteilsrecht bzw. Noterbrecht mehr haben, sondern ggf. nur ein Rückforderungsrecht (ersatzweise einen Wertersatzanspruch) an eigenem, zuvor dem - notwendig abkömmlingslos - verstorbenen Kind geschenkten Vermögen (Art. 738-2 CC). Ob auf das Rückforderungsrecht zu Lebzeiten verzichtet werden kann, scheint in Frankreich streitig zu sein (näher Döbereiner, in: Süß, S. 647 in Fn. 82 dort).

     

    Unverändert bleibt, dass der Ehepartner sein Pflichtteilsrecht in Höhe eines Viertels des Nachlasses nur bei Fehlen von Abkömmlingen hat. Pflichtteilsberechtigt sind immer die Abkömmlinge des Erblassers, und zwar

    • bei einem Kind zu ein Halb,
    • bei zwei Kindern zu zwei Dritteln und
    • bei drei oder mehr Kindern zu drei Vierteln (Art. 913 CC; vgl. Cornelius, in Flick/Piltz, Rz. 534).

     

    Mit der Reform 2007 hat sich die Art des Pflichtteilsrechts geändert. Zumindest teilweise ist nämlich ein früheres Noterbrecht mit einem dinglichen Anspruch, ggf. in die Erbengemeinschaft einzutreten, durch einen schuldrechtlichen Geldauszahlungsanspruch ersetzt worden (vgl. zum „Systemwechsel“ Döbereiner, in: Süß, 646 Rz. 98). Allerdings findet ein Ausgleich in Natur nach Wahl des Anspruchsberechtigten dann noch statt, wenn der Gegenstand noch in Natur und unbelastet vorhanden ist (vgl. dazu Döbereiner, in: Süß, 649 Rz. 105).

     

    Das Pflichtteilsrecht führt im Übrigen auch dazu, dass u.U. lebzeitige Zuwendungen, die die Rechte der Noterbberechtigten durch Schmälerung des Nachlasses beeinträchtigen, rückgängig gemacht werden müssen (Art. 922 Abs. 2 CC), und zwar in Frankreich ohne Höchstfrist und im Zustand bei Schenkung, aber mit dem Wert zum Erbfall (Döbereiner, in Süß, 648). Die zeitlich letzten Schenkungen sind zuerst herabzusetzen.

     

    Zu Lebzeiten des Erblassers darf erst seit 1.1.07 durch den „Pacte de famille“ (Art. 929 ff. CC) auf das Noterbrecht verzichtet werden (dazu Gresser, ZErb 07, 407, 412; Klima, ZEV 06, 440), allerdings nur durch Beurkundung vor zwei Notaren, von denen nur einer frei wählbar ist, der andere durch den Präsidenten der zuständigen Notarkammer bestimmt werden muss. Bei der Unterschriftsleistung darf außer den Notaren niemand anwesend sein; präzise Belehrungen in der Urkunde sind zwingend notwendig. Der Verzicht kann insgesamt, in Bruchteilen oder betreffend Einzelgegenstände stattfinden. Der Verzicht ist u.U. widerruflich, wenn der Erblasser gegenüber einem unterhaltsberechtigten Verzichtenden seinen Unterhaltspflichten nicht nachgekommen ist oder wenn der Verzichtende im Zeitpunkt des Erbfalls bedürftig ist und dem durch Geltendmachung des Pflichtteils abgeholfen werden könnte (näher Döbereiner, in: Süß, 649).

     

    Achtung | Zugleich ist auch die bisher extrem lange Frist für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen von 30 Jahren ab dem Tod herabgesetzt worden (Art. 921 CC), nämlich auf fünf Jahre ab Nachlasseröffnung oder zwei Jahre ab Kenntnis der Pflichtteilsverletzung, äußerstenfalls zehn Jahre nach dem Erbfall.

    5. Güterrecht

    5.1 Französisches internationales Güterrecht

    International gilt aus französischer Sicht für nach dem 1.9.92 geschlossene Ehen gemäß dem Haager Übereinkommen vom 14.3.78 als Ehegüterstatut das von den Eheleuten gewählte Statut, mangels Rechtswahl das Recht am ersten gemeinsamen Aufenthaltsort der Eheleute nach der Eheschließung, ohne Spaltung des Güterrechts. Hilfsweise gilt das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit, äußerst hilfsweise das Recht des Staates, zu dem die engste Verbindung besteht. Das Statut ist durch einen späteren Umzug veränderbar (vgl. dazu näher Döbereiner, in Süß/Ring, Eherecht in Europa, 2. Aufl. 2012, 519, Rz. 132).

     

    5.2 Französisches und nationales Güterrecht

    Regelgüterstand ist in Frankreich die sog. Errungenschaftsgemeinschaft („Communauté réduite aux acquêts, Art. 1387, 1400 ff. cc)), bei der voreheliches Vermögen der Eheleute getrennt bleibt, während für ab der Eheschließung erworbenes Vermögen, insbesondere aus Erwerbstätigkeit, Gesamtgut, also dingliches Miteigentum begründet wird (vgl. dazu Döbereiner, in Süß/Ring, 501 ff.).

     

    5.3 Deutsch-französisches Wahlgüterstandsabkommen

    Am 1.5.13 ist ein deutsch-französisches Abkommen über den Güterstand der „Wahlzugewinngemeinschaft“ in Kraft getreten (15.3.12, BStBl II 12, 178). Das Abkommen gibt insbesondere in deutsch-französischen Ehen, aber auch in anderen Konstellationen, die Möglichkeit einen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zu wählen, der die Gesamtgutsbildung des französischen Rechts vermeidet. Lediglich einige „zufällige“ Wertsteigerungen (z.B. Baulandentwicklung) sind gegenüber den §§ 1373 ff. BGB aus dem Zugewinn ausgenommen. In Art. 5 des Zustimmungsgesetzes zum Abkommen wurde nach § 5 Abs. 3 ErbStG (neu), seit 1.5.13 in Kraft, die Ausgleichsforderung der Wahlzugewinngemeinschaft steuerfrei gestellt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Der zweite Teil dieses Beitrags behandelt die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Chancen und Risiken im deutsch-französischen Erbfall.
    • Zum Handlungsbedarf aufgrund der neuen EU-Erbrechtsverordnung in der Praxis, s. Jülicher, PIStB 14, 167
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 228 | ID 42743386

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