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  • 23.04.2009 · IWW-Abrufnummer 091358

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 22.01.2009 – C-377/07

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

    22. Januar 2009(*)

    „Körperschaftsteuer – Übergangsbestimmungen – Abzug des Wertverlusts von Beteiligungen an nicht gebietsansässigen Gesellschaften“

    In der Rechtssache C‑377/07

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 4. April 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 8. August 2007, in dem Verfahren

    Finanzamt Speyer-Germersheim

    gegen

    STEKO Industriemontage GmbH

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Ilešič, A. Tizzano, A. Borg Barthet und E. Levits (Berichterstatter),

    Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

    Kanzler: R. Grass,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    – der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,

    – der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 EG.

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Speyer-Germersheim (im Folgenden: Finanzamt) und der STEKO Industriemontage GmbH (im Folgenden: STEKO) über die Feststellung der Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer und die Körperschaftsteuer von STEKO für die Jahre 2001 und 2002.

    Nationaler rechtlicher Rahmen

    Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1999 in der am 14. September 2000 geänderten Fassung (im Folgenden: KStG a. F.) blieben bei den in dieser Bestimmung genannten unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, die an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt waren, Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außer Ansatz. Voraussetzung dafür war nach dieser Bestimmung in Verbindung mit § 8b Abs. 5 oder § 26 Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes eine Mindestbeteiligungsquote von 10 %.

    Unter den gleichen Voraussetzungen ordnete § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG a. F. ein Abzugsverbot für Verluste aus der Veräußerung solcher Beteiligungen an. Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, dass von diesem Verbot Gewinnminderungen aufgrund eines Ansatzes der Beteiligungen mit ihrem niedrigeren Teilwert (Teilwertabschreibung) nicht erfasst worden seien.

    Sofern eine inländische Gesellschaft Beteiligungen an inländischen Gesellschaften – und zwar unabhängig von deren Höhe – oder Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften von unter 10 % hielt, richtete sich die Gewinnermittlung nach § 8 Abs. 2 KStG a. F. in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes.

    Danach unterlagen Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen durch eine gebietsansässige Kapitalgesellschaft der Steuerpflicht, und Verluste aus der Veräußerung der genannten Beteiligungen und aus Teilwertabschreibungen konnten steuerlich geltend gemacht werden.

    Im Zuge der körperschaftsteuerrechtlichen Systemumstellung vom früher anwendbaren Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren wurde das Körperschaftsteuergesetz durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung 2001/2002 vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I 2000, S. 1433) geändert.

    Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der am 23. Oktober 2000 geänderten Fassung (im Folgenden: Körperschaftsteuergesetz/KStG n. F.) bleiben nunmehr Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an Körperschaften und Personenvereinigungen unabhängig davon außer Ansatz, ob es sich um Beteiligungen an inländischen oder an ausländischen Gesellschaften handelt und in welcher Höhe sie bestehen.

    § 8b Abs. 3 KStG n. F. sieht vor, dass Gewinnminderungen, die durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts der Beteiligungen (Teilwertabschreibung) oder durch deren Veräußerung entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen sind.

    § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG n. F. enthält eine Übergangsregelung für die Anwendung von § 8b Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes.

    Danach ist, wenn die Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft besteht, § 8b Abs. 2 und 3 KStG n. F. regelmäßig erstmals für den Veranlagungszeitraum 2002 anwendbar, während seine Anwendung für den Veranlagungszeitraum 2001 nur dann in Betracht kommt, wenn die Kapitalgesellschaft im Jahr 2001 ihr Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr auf einen davon abweichenden Zeitraum umgestellt hat.

    Dagegen ist nach Angabe des vorlegenden Gerichts bei Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft, wenn das Wirtschaftsjahr der Kapitalgesellschaft mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, § 8b Abs. 2 und 3 KStG n. F. für den Veranlagungszeitraum 2001 anwendbar.

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

    STEKO, eine GmbH mit Sitz in Deutschland, hielt im Jahr 2001 in ihrem Anlagevermögen Aktien ausländischer Gesellschaften. Die Beteiligungen lagen unter 10 %. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass ihm nicht bekannt sei, ob es sich um Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten oder mit Sitz in Drittstaaten handele.

    STEKO setzte die genannten Aktien in der Bilanz ihres am 31. Dezember 2001 abgeschlossenen Wirtschaftsjahrs nicht mehr mit ihrem früheren Buchwert von 220 021,09 DM, sondern wegen eines Kursrückgangs mit einem niedrigeren Teilwert von 139 775,35 DM an. Daraus hätte sich eine Minderung des zu versteuernden Gewinns um 80 245,74 DM ergeben.

    Das Finanzamt erkannte den Ansatz dieses niedrigeren Teilwerts an, da es sich bei den gesunkenen Kurswerten der Aktien um eine dauerhafte Wertminderung handele. Es hielt jedoch die Gewinnminderung für steuerlich nicht berücksichtigungsfähig, weil § 8b Abs. 3 KStG n. F. und das damit aufgestellte Verbot des Abzugs einer solchen Wertminderung auf Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften bereits im Veranlagungszeitraum 2001 anwendbar seien.

    Der Klage von STEKO gegen die vom Finanzamt auf dieser Grundlage erlassenen Steuerbescheide gab das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 29. September 2005 statt; dagegen legte das Finanzamt Revision an den Bundesfinanzhof ein.

    Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts konnte STEKO nach § 8b Abs. 3 KStG n. F. die Gewinnminderung im Zusammenhang mit ihren Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften für das Jahr 2001 nicht in Abzug bringen. Dagegen habe die genannte Bestimmung für Beteiligungen an inländischen Gesellschaften im Grundsatz frühestens ab dem Jahr 2002 gegolten. Die von STEKO vorgenommenen Teilwertabschreibungen hätten steuermindernd berücksichtigt werden können, wenn sie sich auf Beteiligungen an inländischen Gesellschaften bezogen hätten, weil für sie kein Abzugsverbot bestanden habe.

    Der Bundesfinanzhof führt aus, dass die voraussichtlich dauerhaft im Wert geminderten Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften im Jahr 2001 ungünstiger besteuert worden seien als entsprechende Beteiligungen an inländischen Gesellschaften. In Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falls stelle sich jedoch die Frage, ob diese unterschiedliche Behandlung einen Verstoß gegen den freien Kapitalverkehr darstelle.

    Erstens sei zweifelhaft, ob eine vergleichsweise kurzzeitige Ungleichbehandlung Steuerpflichtige daran hindern oder davon abhalten könne, in ausländische Gesellschaften zu investieren.

    Zweitens könnte nach Ansicht des vorlegenden Gerichts eine etwaige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs übergangsweise insoweit in Kauf zu nehmen sein, als der Übergang vom früher anwendbaren Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren für die Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften vorteilhaft sei.

    Drittens wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob eine solche Beschränkung bei Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz in Drittstaaten nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Steueraufsicht sicherzustellen; dabei weist es darauf hin, dass dieser Gesichtspunkt in den Fällen, in denen die in Rede stehende Gewinnminderung auf einer bloßen Wertminderung der Anteile an einer Gesellschaft beruhe, die sich regelmäßig nur aus den Verhältnissen bei der Gesellschaft ergebe, deren Anteile gehalten würden, bedeutsam sein könnte, aber wahrscheinlich keine Rolle spiele, wenn eine solche Wertminderung die Folge eines Rückgangs des Aktienkurses sei.

    Der Bundesfinanzhof hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Steht Art. 56 EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach welcher ein Abzugsverbot von Gewinnminderungen im Zusammenhang mit der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft bezogen auf Auslandsbeteiligungen früher in Kraft tritt als für Inlandsbeteiligungen?

    Zur Vorlagefrage

    Es ist daran zu erinnern, dass zu den Maßnahmen, die durch Art. 56 Abs. 1 EG als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind, solche gehören, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten (vgl. Urteile vom 23. Februar 2006, van Hilten-van der Heijden, C‑513/03, Slg. 2006, I‑1957, Randnr. 44, vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, Slg. 2007, I‑1129, Randnr. 24, und vom 18. Dezember 2007, A, C‑101/05, Slg. 2007, I‑11531, Randnr. 40).

    Die nationalen Maßnahmen, die als „Beschränkungen“ im Sinne des Art. 56 Abs. 1 EG eingestuft werden können, umfassen nicht nur Maßnahmen, die geeignet sind, den Erwerb von Aktien in anderen Mitgliedstaaten niedergelassener Gesellschaften zu verhindern oder zu beschränken (Urteil vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, C‑112/05, Slg. 2007, I‑8995, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung), sondern auch Maßnahmen, die davon abhalten können, solche Beteiligungen an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften zu behalten (vgl. entsprechend Urteile vom 12. Dezember 2002, Lankhorst-Hohorst, C‑324/00, Slg. 2002, I‑11779, Randnr. 32, und vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C‑524/04, Slg. 2007, I‑2107, Randnr. 61).

    Zum Ausgangsverfahren ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass eine inländische Gesellschaft im Jahr 2001 von ihren zu versteuernden Einkünften die Gewinnminderungen, die auf eine Teilwertabschreibung der Anteile an ausländischen Gesellschaften zurückgingen, nicht abziehen konnte. Demgegenüber konnte eine inländische Gesellschaft für dasselbe Jahr und unter sonst gleichen Bedingungen solche Gewinnminderungen von ihren zu versteuernden Einkünften abziehen, wenn sie aus Beteiligungen an inländischen Gesellschaften herrührten.

    Wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, befanden sich im Jahr 2001 inländische Gesellschaften mit im Wert gesunkenen Anteilen an ausländischen Gesellschaften in einer ungünstigeren Lage als diejenigen, die solche Anteile an inländischen Gesellschaften hielten.

    Diese unterschiedliche Behandlung nach Maßgabe des Kapitalanlageorts, die aufgrund des Körperschaftsteuergesetzes n. F. vor dem Veranlagungszeitraum, in dem dieses Gesetz erstmals anzuwenden war, galt, war aber geeignet, einen Aktionär davon abzuhalten, sein Kapital in einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Staat als der Bundesrepublik Deutschland anzulegen, und auch eine beschränkende Wirkung in Bezug auf Gesellschaften mit Sitz in anderen Staaten zu entfalten, da sie für sie ein Hindernis bei der Kapitalbeschaffung in Deutschland darstellte.

    Außerdem war, wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ausgeführt hat, das Wissen, dass die Möglichkeit der Gewinnminderung durch Teilwertabschreibungen für eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft früher als für eine Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft auslaufen wird, geeignet, die betreffende Gesellschaft davon abzuhalten, Anteile an einer ausländischen Gesellschaft zu behalten, und sie dazu zu veranlassen, diese Anteile schneller abzustoßen, als sie es bei Anteilen an inländischen Gesellschaften getan hätte.

    Dabei ist unerheblich, dass die Ungleichbehandlung nur während eines begrenzten Zeitraums bestand (Urteil vom 18. Dezember 2007, Grønfeldt, C‑436/06, Slg. 2007, I‑12357, Randnr. 15). Dieser Umstand allein schließt nämlich nicht aus, dass die Ungleichbehandlung erhebliche Auswirkungen hat – wie im Übrigen der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zeigt – und dass der freie Kapitalverkehr somit tatsächlich beschränkt wird.

    Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass eine nationale Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen danach unterscheidet, wo ihr Kapital angelegt ist, nur dann als mit den Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden kann, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 20. Mai 2008, Orange European Smallcap Fund, C‑194/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Die deutsche Regierung macht geltend, dass im Veranlagungszeitraum 2001 nicht nur eine Steuerregelung, von der die Gesellschaften mit Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften ausgeschlossen gewesen seien, gegolten habe, sondern vielmehr zwei unterschiedliche Steuerentlastungssysteme. Die Gesellschaften mit Beteiligungen an inländischen Gesellschaften hätten nämlich noch dem alten Steuerentlastungssystem unterlegen, während für die Gesellschaften mit Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften mit dem Halbeinkünfteverfahren eine neue Regelung gegolten habe.

    Deshalb ließen sich die Lage einer Gesellschaft mit Beteiligungen an einer inländischen Gesellschaft und die Lage einer Gesellschaft mit Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft nicht objektiv miteinander vergleichen.

    Dem kann nicht gefolgt werden. Die Anwendung unterschiedlicher Steuerregelungen auf eine inländische Gesellschaft je nachdem, ob sie Beteiligungen an inländischen oder an ausländischen Gesellschaften hält, kann kein zulässiges Kriterium für die Beurteilung der objektiven Vergleichbarkeit von Situationen und somit für die Feststellung eines objektiven Unterschieds zwischen den Situationen sein. Die Anwendung unterschiedlicher Steuerregelungen ist nämlich gerade der Grund für die unterschiedliche Behandlung, deren Rechtfertigung zu prüfen ist.

    Außerdem ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in Bezug auf die Verluste in Deutschland ansässiger Muttergesellschaften aus Abschreibungen auf Beteiligungswerte an Tochtergesellschaften bereits festgestellt hat, dass sich die Muttergesellschaften unabhängig davon, ob es sich um Beteiligungen an in Deutschland oder an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften handelt, in einer vergleichbaren Situation befinden. Er hat darauf hingewiesen, dass in beiden Fällen zum einen die Verluste, deren Abzug begehrt wird, solche der Muttergesellschaften sind, und zum anderen die Gewinne der Tochtergesellschaften nicht bei den Muttergesellschaften besteuert werden, gleichviel, ob sie von in Deutschland oder von in anderen Mitgliedstaaten steuerpflichtigen Tochtergesellschaften stammen (Urteil vom 29. März 2007, Rewe Zentralfinanz, C‑347/04, Slg. 2007, I‑2647, Randnr. 34).

    Der für die gebietsansässigen Gesellschaften mit Beteiligungen an gebietsfremden Gesellschaften vollzogene Übergang zum Halbeinkünfteverfahren hat daran nichts geändert. Was die Möglichkeit einer gebietsansässigen Gesellschaft betrifft, von ihren zu versteuernden Einkünften die durch eine Teilwertabschreibung ihrer Beteiligungen bedingten Gewinnminderungen nach Maßgabe dessen abzuziehen, ob die Beteiligungen an einer gebietsansässigen Gesellschaft oder an einer gebietsfremden Gesellschaft bestehen, beruht deshalb die unterschiedliche Behandlung nicht auf objektiv unterschiedlichen Situationen.

    Somit ist zu prüfen, ob eine unterschiedliche Behandlung wie die im Ausgangsverfahren fragliche durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

    Wie das vorlegende Gericht ist die deutsche Regierung erstens der Ansicht, dass diese unterschiedliche Behandlung zulässig sein müsse, da sie zu einer zeitlich begrenzten Übergangsregelung gehöre und das zeitversetzte Inkrafttreten der neuen Regelung mit der schrittweisen Ablösung des Vollanrechnungsverfahrens durch das Halbeinkünfteverfahren zusammenhänge, die vollzogen worden sei, um die Vereinbarkeit der Körperschaftsteuerregelung mit dem Gemeinschaftsrecht sicherzustellen.

    Die deutsche Regierung erläutert, dass eine Kapitalgesellschaft nach dem Vollanrechnungsverfahren grundsätzlich zu einem Satz von 40 % besteuert worden sei. Der Gewinn, den sie an ihre Anteilseigner ausgeschüttet habe, sei nur mit 30 % besteuert worden. Der Anteilseigner habe auf die ausgeschütteten Gewinne noch einmal Einkommensteuer zahlen müssen, und zwar nach Maßgabe seines persönlichen Steuersatzes. Er habe jedoch die von der Kapitalgesellschaft in Deutschland schon entrichtete Körperschaftsteuer voll auf seine persönliche Steuerschuld anrechnen dürfen. Damit sei eine Doppelbesteuerung der Gewinne vermieden worden.

    Demgegenüber würden beim Halbeinkünfteverfahren die Gewinne der Kapitalgesellschaft unabhängig davon, ob sie an die Anteilseigner ausgeschüttet würden oder nicht, nur noch mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 % besteuert. Eine Doppelbelastung der ausgeschütteten Gewinne werde vermieden, indem die Dividenden beim Anteilseigner nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage seiner Einkommensteuer einbezogen würden, während für Gewinnausschüttungen einer Körperschaft an eine andere Körperschaft grundsätzlich eine allgemeine Dividendenfreistellung gelte. Damit werde vermieden, dass die Gewinne, die bei einer Körperschaft bereits einer Körperschaftsteuer von 25 % unterlegen hätten, bei Weiterausschüttung an eine andere Körperschaft noch einmal mit Körperschaftsteuer belastet würden.

    Da die Anteilsveräußerung wirtschaftlich einer Vollausschüttung entspreche, werde sie wie eine Gewinnausschüttung behandelt. Folglich diene auch die Freistellung von Gewinnen aus der Anteilsveräußerung gemäß § 8b Abs. 2 KStG n. F. wie die Dividendenfreistellung nach Abs. 1 dieser Vorschrift der Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung im Fall von Beteiligungsketten. Dafür könnten die Verluste aus der Anteilsveräußerung und die auf einen Wertverlust von Anteilen zurückgehenden Gewinnminderungen nach § 8b Abs. 3 KStG n. F. nicht mehr steuerlich in Ansatz gebracht werden.

    Die deutsche Regierung stellt klar, dass das Halbeinkünfteverfahren bei gewinnausschüttenden Körperschaften grundsätzlich ab dem Jahr 2001 zur Anwendung gekommen sei.

    Um jedoch sicherzustellen, dass Gewinne, die bei einer Kapitalgesellschaft nach dem Anrechnungsverfahren besteuert worden seien, auch beim Anteilseigner noch nach demselben Verfahren besteuert würden, und um dem Anteilseigner zu ermöglichen, die von dieser Gesellschaft entrichtete Steuer letztmalig auf seine persönliche Steuerschuld anzurechnen, sei beschlossen worden, das genannte Verfahren auf der Ebene des Anteilseigners für das Jahr 2001 beizubehalten, wenn die Dividenden auf ordentlichen Gewinnausschüttungen einer inländischen Körperschaft für das Jahr 2000 beruht hätten.

    Da aber das Anrechnungsverfahren bei Dividendenausschüttungen durch ausländische Kapitalgesellschaften nicht anwendbar gewesen sei, habe auf der Ebene des Anteilseigners das neue Halbeinkünftesystem bereits im Jahr 2001 zur Anwendung kommen können.

    Außerdem ist die deutsche Regierung der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat über einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der Errichtung eines mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbaren Steuersystems verfügen müsse, was bedeute, dass es keine Pflicht gegeben habe, die Übergangsregelung anders zu gestalten als geschehen und insbesondere die Regelung für Beteiligungen an inländischen Gesellschaften für das letzte Jahr ihrer Geltung auf die Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften auszuweiten.

    Die deutsche Regierung hält zweitens die für den Veranlagungszeitraum 2001 geltenden Vorschriften aus Gründen der Kohärenz des in seiner Gesamtheit betrachteten Steuersystems für gerechtfertigt. Die nationale Steuerregelung sei so gestaltet, dass sie für die Kapitalgesellschaften absolut spiegelbildliche Vor‑ und Nachteile unabhängig davon habe, ob die Beteiligungen dieser Gesellschaften an ausländischen oder an inländischen Gesellschaften bestünden.

    Wenn nämlich eine Kapitalgesellschaft im Veranlagungszeitraum 2001 eine Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft gewinnbringend veräußert habe, so habe sie diesen Gewinn nach § 8b Abs. 2 KStG n. F. körperschaftsteuerfrei vereinnahmen können, dafür aber in Kauf nehmen müssen, dass ein entsprechender Verlust – ob unmittelbar aus der Veräußerung ihrer Anteile oder aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts der Anteile – für die Zwecke der Körperschaftsteuer ebenfalls unberücksichtigt geblieben sei. Derselben Logik folgend habe eine Kapitalgesellschaft, wenn sie bei der Veräußerung von Beteiligungen an inländischen Gesellschaften einen Gewinn erzielt habe, diesen versteuern müssen, was aber dadurch kompensiert worden sei, dass ein Verlust im Zusammenhang mit solchen Beteiligungen als Minderung der Bemessungsgrundlage habe in Ansatz gebracht werden können. Damit sei dieses Steuersystem kohärent ausgestaltet.

    Die deutsche Regierung ist drittens der Ansicht, dass die unterschiedliche Behandlung bei Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz in Drittstaaten mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden könne, eine effektive Steuerkontrolle sicherzustellen.

    Diesen von der deutschen Regierung angeführten Rechtfertigungen kann nicht zugestimmt werden.

    In Bezug auf das Argument, dass ein Mitgliedstaat, der bezwecke, das nationale Körperschaftsteuersystem gemeinschaftsrechtskonform zu gestalten und etwaige Diskriminierungen abzubauen, bei einer Übergangsregelung über einen gewissen Spielraum verfügen müsse, genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass dieser Spielraum stets seine Grenzen in den Grundfreiheiten und insbesondere der Kapitalverkehrsfreiheit findet (vgl. Urteil Grønfeldt, Randnr. 32).

    Selbst wenn sich aber eine Übergangsregelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche durch das berechtigte Bemühen um einen reibungslosen Übergang vom alten auf das neue System erklären mag und obwohl anhand der Argumente der deutschen Regierung nachvollziehbar ist, warum das neue Halbeinkünfteverfahren für Gesellschaften mit Beteiligungen an inländischen Gesellschaften erst ab dem Jahr 2002 eingeführt wurde, können diese Argumente doch eine unterschiedliche Behandlung zulasten der Gesellschaften mit Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, nicht rechtfertigen.

    Zwar galt nämlich, wie die deutsche Regierung vorträgt, das Vollanrechnungsverfahren nicht für Gesellschaften mit Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften, doch geht aus den Erklärungen dieser Regierung selbst hervor, dass eine inländische Gesellschaft mit einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft von unter 10 % bis zum Veranlagungszeitraum 2001 in Bezug auf die steuerlich in Ansatz zu bringende Abschreibung des Teilwerts der Beteiligung wie eine inländische Gesellschaft mit einer Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft behandelt wurde.

    Zum Argument betreffend die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems insgesamt zu wahren, ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass ein solcher Rechtfertigungsgrund nur Erfolg haben kann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht (vgl. Urteil vom 28. Februar 2008, Deutsche Shell, C‑293/06, Slg. 2008, I‑1129, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Überdies muss die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Steuerregelung verfolgte Ziel auf der Ebene des Steuerpflichtigen durch eine enge Wechselwirkung zwischen dem Kriterium der Abzugsfähigkeit und dem für die Besteuerung hergestellt werden (Urteil Deutsche Shell, Randnr. 39).

    Was die Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens der gebietsansässigen Gesellschaften mit Beteiligungen an gebietsfremden Gesellschaften anbelangt, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Tatsache, dass es später möglich wäre, für die bei einer Veräußerung erzielten Gewinne eine Steuerbefreiung zu erhalten, wenn ein Gewinn in ausreichender Höhe erzielt wird, keine Erwägung der steuerlichen Kohärenz darstellt, mit der die Weigerung gerechtfertigt werden kann, einen sofortigen Ausgleich der Verluste vorzunehmen, die Gesellschaften mit Anteilen an ausländischen Gesellschaften erlitten haben (vgl. entsprechend Urteil Rewe Zentralfinanz, Randnr. 67).

    Zum Argument im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, eine effektive Steuerkontrolle sicherzustellen, ist – unterstellt, dass darin ein zwingender Grund des Allgemeininteresses liegt, mit dem Beschränkungen des freien Verkehrs von Kapital mit Herkunft oder Bestimmungsort in Drittstaaten gerechtfertigt werden können – festzustellen, dass ein solcher zwingender Grund des Allgemeininteresses jedenfalls nicht greift, wenn der Wertverlust von Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften wie im Ausgangsverfahren die Folge eines Börsenkursrückgangs ist.

    Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass bei einer Sachlage wie der des Ausgangsverfahrens, bei der eine inländische Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft mit weniger als 10 % beteiligt ist, Art. 56 EG dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung entgegensteht, wonach ein Verbot des Abzugs von Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer solchen Beteiligung für Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft früher in Kraft tritt als für Beteiligungen an einer inländischen Gesellschaft.

    Kosten

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

    Bei einer Sachlage wie der des Ausgangsverfahrens, bei der eine inländische Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft mit weniger als 10 % beteiligt ist, ist Art. 56 EG dahin auszulegen, dass er einer Regelung entgegensteht, wonach ein Verbot des Abzugs von Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer solchen Beteiligung für Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft früher in Kraft tritt als für Beteiligungen an einer inländischen Gesellschaft.

    Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

    RechtsgebietEGVorschriftenArt. 56 EG