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  • · Fachbeitrag · Mindestlohngesetz

    Der Mindestlohn in der (zahn-)ärztlichen Praxis

    von RA Dr. Till Thomas, Berlin, ETL Medizinrecht

    | Der Mindestlohn zum 1.1.15 sorgt branchenübergreifend für Unruhe. (Zahn-)ärzte fühlen sich mit Blick auf das „gefühlt“ hohe Lohnniveau häufig nicht betroffen. Der Eindruck täuscht jedoch. Das Mindestlohngesetz enthält nicht nur die Pflicht, den Mindestlohn zu zahlen, sondern u.a. auch die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten von geringfügig Beschäftigten („Minijobbern“), also z.B. des Ehepartners des Praxisinhabers oder sonstiger Familienangehöriger. Das Mindestlohngesetz bietet zudem Anlass genug, die Gestaltung der Arbeitsverträge zu überdenken |

    1. Geltungsbereich des MiLoG

    Das MiLoG gilt für alle Arbeitnehmer, unabhängig von deren Arbeitszeit, Qualifikation und Funktion. Demzufolge können auch Teilzeitbeschäftigte, Aushilfen ohne spezielle Berufsausbildung und fachfremdes Personal, wie z.B. Reinigungskräfte, den Mindestlohn beanspruchen. Gleiches gilt für Ehepartner oder sonstige Familienmitglieder, soweit sie arbeitsvertraglich gebunden sind.

     

    Hiervon abzugrenzen ist eine sogenannte familienhafte Mithilfe, durch die kein Arbeitsverhältnis begründet und folglich kein Arbeitsentgelt geschuldet wird. Sie liegt vor, wenn der Ehepartner oder nahe Familienangehörige auf der Basis der bestehenden Familienbeziehung für die Praxis (unentgeltlich oder für ein Taschengeld) Arbeiten verrichtet. Ob ein Fall der familienhaften Mithilfe vorliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab.

    2. Dokumentationspflicht bei geringfügig Beschäftigten

    Sind in der Praxis Minijobber tätig, sind innerhalb von sieben Tagen jeweils Beginn, Ende und Dauer deren täglicher Arbeitszeit zu dokumentieren (§ 17 Abs. 1 MiLoG). So soll die Einhaltung der mit Blick auf die statusrechtlich relevante Verdienstobergrenze von 450 EUR durch den Mindestlohn faktisch eingeführten Arbeitszeitgrenze von 52,9 Stunden pro Monat kontrolliert werden. Umgekehrt könnte sie den Prüfbehörden die Aufdeckung von Fällen erleichtern, in denen der Arbeitsvertrag nur zum Schein abgeschlossen wurde.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Dokumentationspflicht besteht bereits seit dem 16.8.14. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Zollverwaltung im Fall einer Prüfung schon für den Zeitraum vor Geltung des Mindestlohns Einsicht in die Arbeitszeit-dokumentation verlangt.

     

    Die Aufzeichnung kann sowohl schriftlich als auch digital erfolgen. Einer Gegenzeichnung durch den jeweiligen Praxismitarbeiter bedarf es nicht. Die Dokumentationen sind für mindestens zwei Jahre für den Fall einer Prüfung bereitzuhalten. Die Nichteinhaltung der Dokumentationspflicht kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 EUR geahndet werden.

    3. Abgeltung von Überstunden

    Die oft übliche vertragliche Regelung, wonach z.B. zehn Überstunden in der vereinbarten Vergütung enthalten sind, ist insoweit unwirksam, als dadurch der Anspruch auf den Mindestlohn beeinträchtigt wird. Die pauschale Abgeltung von Überstunden ist nur insoweit zulässig, als das gezahlte Arbeitsentgelt mit Blick auf sämtliche geleisteten Arbeitsstunden den Mindestlohn erreicht, was durch eine Anpassung des Arbeitsvertrags klargestellt werden sollte.

     

    PRAXISHINWEIS | Zur Erkennung etwaiger Risiken ist es ratsam, die Einhaltung der Mindestlohnvorgabe sorgfältig zu überprüfen. Dazu ist bei allen Arbeitnehmern das gezahlte Bruttoentgelt durch die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden zu dividieren. Das Ergebnis sollte in jedem Monat den Mindestlohnbetrag von (derzeit) 8,50 EUR brutto pro Arbeitsstunde einschließlich der Überstunden erreichen.

     

    4. Arbeitszeitkonto

    Arbeitszeitkonten ermöglichen es, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten und Mehr- und Minderarbeit auszugleichen. Dazu bedarf es jedoch unbedingt einer schriftlichen Vereinbarung (§ 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG). Auf einem Arbeitszeitkonto können zudem nicht beliebig viele Überstunden angesammelt werden, sondern monatlich nur bis zu 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Sind z.B. wöchentlich 30 Arbeitsstunden vereinbart, dürfen also in jedem Monat höchstens 60 Überstunden in das Arbeitszeitkonto übertragen werden. Minusstunden können dagegen unbegrenzt angesammelt werden. Der auf die Minusstunden in dem Kalendermonat entfallende Anteil des verstetigten Gehalts kann bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung als Gehaltsvorschuss behandelt werden, der durch eine Verrechnung von Plusstunden oder durch eine entsprechende Mehrarbeit in den Folgemonaten ausgeglichen wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Die auf ein Arbeitszeitkonto übertragenen Arbeitsstunden müssen spätestens innerhalb von zwölf Monaten durch Verrechnung mit Minusstunden, durch bezahlte Freizeit oder durch Auszahlung ausgeglichen werden, sofern der Mindestlohnanspruch nicht bereits durch das Arbeitsentgelt in dem Monat, in dem die Stunden angesammelt worden sind, erfüllt worden ist.

     

    5. Sachbezüge und Altersversorgungsbeiträge

    Sachbezüge können gemäß § 107 GewO als Teil des Arbeitsentgelts vereinbart werden. Dazu gehören alle Leistungen des Arbeitgebers im Austausch mit der Arbeitsleistung, die nicht in Barlohn bestehen (z.B. Firmenfahrzeugen zur privaten Nutzung, Tankgutschein, Essensmarken etc.). Da es sich bei dem Mindestlohn um einen Bruttolohn je Zeitstunde handelt, ist fraglich, ob eine Anrechnung des Werts von als Teil des Arbeitsentgelts vereinbarten Sachbezügen auf den Mindestlohn erfolgt. Die für die Prüfung zuständige Zollverwaltung vertritt die Ansicht, dass die §§ 1 und 20 MiLoG zwingend die Zahlung des Mindestlohns in bar erfordern und daher eine Erfüllung des Mindestlohnanspruchs in Form von Sachbezügen grundsätzlich nicht möglich ist. Es fehlt hierzu jedoch bislang eine einschlägige Rechtsprechung.

     

    PRAXISHINWEIS | Gerade im Niedriglohnbereich ist aber von der Anrechnung von Sachbezügen abzuraten, weil deren Wert gemäß § 107 Abs. 1 GewO ohnehin den pfändbaren Teil des Arbeitsentgelts nicht übersteigen darf.

     

    Eine zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung vertraglich vereinbarte Entgeltumwandlung nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) bleibt dagegen weiterhin möglich. Der in zulässiger Weise umgewandelte Betrag (bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung, derzeit: 242 EUR West, 208 EUR Ost) wird als Teil des mindestlohnrelevanten Arbeitsentgelts anerkannt. Dies gilt jedoch nicht für vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers.

    6. Zulässigkeit einer erfolgsabhängigen Vergütung

    Nach wie vor bleibt es zulässig, eine erfolgsabhängige Vergütung (z.B. Umsatzbeteiligung) zu vereinbaren, sofern gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird. Die Anrechnung von Umsatzbeteiligungen auf den Mindestlohn ist daher möglich, sofern sie für die vertraglich geschuldet Normalleistung des Praxismitarbeiters gezahlt werden. Werden die mit der Umsatzbeteiligung verfolgten Leistungsziele (z.B. Mindestumsatz) nicht erreicht, ist das Arbeitsentgelt allerdings im jeweiligen Monat auf den Mindestlohn aufzustocken.

    7. Vergütung für Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaft

    Da das MiLoG nicht zwischen Vollarbeit und Bereitschaftsdienstzeiten unterscheidet, ist davon auszugehen, dass auch Bereitschaftsdienstzeit als Arbeitszeit mit dem Mindestlohn zu vergüten ist. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen, wonach Bereitschaftsdienstzeiten geringer vergütet werden, sind unwirksam (§ 3 MiLoG). Reine Rufbereitschaftszeit fällt weiterhin nicht unter das MiLoG. In Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst setzt Rufbereitschaft voraus, dass der Praxismitarbeiter nicht gezwungen ist, sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle (z.B. in der Praxis) aufzuhalten, sondern lediglich jederzeit erreichbar sein muss, um auf Abruf des Arbeitgebers die Arbeit alsbald aufnehmen zu können.

    8. Anpassung vertraglicher Ausschlussfristen

    Nach dem Mindestlohngesetz sind Vereinbarungen unwirksam, soweit sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen. In der Praxis häufig anzutreffende vertragliche Ausschlussfristen sehen regelmäßig eine Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monaten vor. Da dies zu einer Beeinträchtigung von Mindestlohnansprüchen führt, ist davon auszugehen, dass diese Regelungen insgesamt unwirksam sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Es ist daher zu empfehlen, zumindest bei Neuverträgen ausdrücklich eine Einschränkung dahingehend vorzunehmen, dass sich die Ausschlussfrist nicht auf etwaige Mindestlohnansprüche bezieht.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2015 | Seite 94 | ID 43225488

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