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  • · Nachricht · Umsatzsteuer

    Praxiserweiterung und Praxisverkauf: Falsche Gestaltung löst teure Umsatzsteuer aus

    von StB Björn Ziegler, Kanzlei LZS Steuerberater, Würzburg

    | Jeder niedergelassene Zahnarzt muss sich irgendwann mit dem Thema Praxisumstrukturierung beschäftigen - sei es zur Übergabe an einen Nachfolger, zur eigenen Entlastung oder zur Expansion. Wenn es um eine Partnerschaft mit Kollegen geht, ist jedoch Vorsicht geboten. Bei falscher Gestaltung schlägt der Fiskus mit Umsatzsteuer zu. Da drängt sich die Frage auf: Wie lässt sich das vermeiden? |

    1. Überblick über die Steuerbefreiungen

    Für Zahnärzte gibt es eine Handvoll wichtiger Vorschriften, die - jedenfalls zum großen Teil - von der Umsatzsteuer befreien:

     

     

    • Werden Praxisgegenstände verkauft, kann § 4 Nr. 28 UStG helfen. Er besagt, dass keine Umsatzsteuer anfällt, wenn mit dem verkauften Gegenstand fast ausschließlich umsatzsteuerfrei gearbeitet wurde. Es liegt dann ein Hilfsgeschäft vor.

     

      • Beispiel

      Dr. Müller ist als Einzelzahnarzt ohne Eigenlabor niedergelassen. Er erzielt nur Einkünfte aus umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen. Dr. Müller verkauft sein Röntgengerät, um es durch ein neueres Modell zu ersetzen. Da er das Röntgengerät nur für seine umsatzsteuerfreie zahnärztliche Tätigkeit eingesetzt hat, ist der Weiterverkauf umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 28 UStG.

       
    • Hier wird deutlich, dass § 4 Nr. 14 UStG nur die tägliche Arbeit des Zahnarztes erfasst. Hilfsgeschäfte und Außergewöhnliches benötigen eine gesonderte gesetzliche Grundlage.

     

    • Kommt es beim Eintritt in den Ruhestand zum Verkauf der Praxis, muss § 1 Abs. 1a UStG geprüft werden. Die Geschäftsveräußerung im Ganzen ist im Umsatzsteuerrecht besonders geregelt, denn sie ist nicht steuerbar, der Verkauf wird also erst gar nicht wie ein Umsatz behandelt.

    • Um einzelne Einnahmen außerhalb der hier aufgezählten Befreiungstatbestände abzufangen, ist schließlich die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG noch ein Mittel, das die Umsatzsteuer fernhält. Die Grenze liegt bei 17.500 EUR umsatzsteuerpflichtiger Umsätze - im Vorjahr.

    2. Eine problematische EuGH-Entscheidung

    Ein Urteil des EuGH (22.10.09, C-242/08 - Swiss Re Germany Holding) führte 2009 zur Verschärfung der Umsatzsteuerproblematik. Die EU-Richter entschieden damals, dass die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 28 UStG (Verkauf von Praxisgegenständen) nur für körperliche Sachen gilt. Werden hingegen Dinge übertragen, die nicht greifbar sind, ist das keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung - und die steht in § 4 Nr. 28 UStG schlicht nicht drin.

     

    Hiervon ist natürlich der größte nicht greifbare Wert betroffen, der immaterielle Praxiswert. Der besteht aus Patientenkartei, gutem Ruf, Lage, Organisation und allem anderen, was eine Praxis ertragsstark macht. Man erkennt auf den ersten Blick, dass das ein Problem ist. Prüfen wir die obigen Befreiungsvorschriften, ist das Ergebnis wie folgt:

    • Befreiungsvorschriften
    Norm
    Thema
    Anwendbar auf Praxiswert?

     § 4 Nr. 14 UStG

    Heilbehandlung

    Nein

     § 4 Nr. 28 UStG

    Hilfsgeschäfte (Verkauf)

    Nein, laut EuGH

     § 1 Abs. 1a UStG

    Geschäftsveräußerung im Ganzen

    Vielleicht, je nach Gestaltung

     § 19 UStG

    Kleinunternehmerregelung

    Vielleicht, im Ausnahmefall

     

    Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist im Gesetz nicht näher beschrieben und daher immer wieder Thema vor den Finanzgerichten. Insgesamt lässt sich die Rechtsprechung dahingehend zusammenfassen, dass ein lebensfähiges Unternehmen vollständig übertragen werden muss und es dem Erwerber möglich ist, es weiter zu betreiben.

    3. Typische Praxisnachfolgefälle oder Praxiserweiterungen

    Mit Blick auf die häufigsten Fälle der Praxisnachfolge oder Praxiserweiterung fällt die Beurteilung für die unterschiedlichen Szenarien sehr verschieden aus, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:

     

    • Beispiel 1: Praxisabgabe an Nachfolger am selben Standort

    Dr. Müller möchte in den Ruhestand gehen und verkauft seine Praxis an Dr. Jung, der den Standort fortführt.

     

    Da die Praxis als funktionierendes Unternehmen insgesamt übertragen wird, handelt es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen. Es fällt keine Umsatzsteuer an.

     

    Hätte Dr. Müller seine Praxis bisher in eigenen Räumen geführt und würde er die Praxis an Dr. Jung ohne Immobilie verkaufen, wäre das unproblematisch. Voraussetzung wäre aber, dass er die Praxisräume an Dr. Jung langfristig vermietet.

     

    • Beispiel 2: Verkauf eines Standorts innerhalb einer überörtlichen GP

    Die überörtliche Gemeinschaftspraxis (GP) hat zwei Standorte. Einen davon verkauft sie an ihren bisher dort angestellten Zahnarzt zur Fortführung als Einzelpraxis.

     

    Auch hier liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, weil der Standort selbstständig lebensfähig ist.

     
    • Beispiel 3: Aufnahme eines Juniorpartners

    Dr. Müller möchte seine Arbeitsbelastung reduzieren und nimmt dafür Dr. Jung als Juniorpartner in seine Praxis mit auf. Aus der Einzelpraxis wird eine Zweier-Gemeinschaftspraxis. Im Einstiegsvertrag wird geregelt, dass Dr. Müller für seine hälftige Praxis von Dr. Jung 120.000 EUR erhält. Da die neue Gesellschaft neue Praxiskonten eröffnet, zahlt Dr. Jung das Geld auf das bisherige Praxiskonto von Dr. Müller.

     

    In dieser Konstellation hat Dr. Müller womöglich ein Problem. Er hat sein hälftiges Inventar und seinen hälftigen Praxiswert an Dr. Jung verkauft. Bezüglich des Inventars greift § 4 Nr. 28 UStG. Der Praxiswert ist als immaterielles Wirtschaftsgut hingegen nicht mit erfasst. Da nur die hälftige Praxis verkauft wurde, ist das keine Geschäftsveräußerung „im Ganzen“. Wenn sich Dr. Müller nicht über die Kleinunternehmerregelung (Details zur Kleinunternehmerregelung siehe unten) retten kann, muss er auf den Kaufpreisanteil des Praxiswerts Umsatzsteuer zahlen. Beispiel: Im Kaufpreis von Dr. Müller sind 80.000 EUR für den Praxiswert enthalten und er kann die Kleinunternehmerregelung nicht geltend machen. Da das erhaltene Geld immer die Umsatzsteuer enthält, muss Dr. Müller 19 % aus den 80.000 EUR herausrechnen. Die zu zahlende Umsatzsteuer beträgt dann 19/119 x 80.000 EUR = rund 12.770 EUR.

     
    • Beispiel 4: Übergangsgemeinschaft - Verkauf nur der Patientenkartei

    Dr. Müller geht in den Ruhestand. Seine Praxis hat er bisher in gemieteten Räumen betrieben. Die Räume sind für die Praxis im Laufe der Zeit zu klein geworden, wären dringend zu sanieren und der Mietvertrag läuft aus. Das Praxisinventar ist veraltet. Dr. Müller verkauft daher zum 2.2.16 nur seine Patientenkartei an Dr. Jung, der sich zwei Straßen weiter in einem neuen Ärztehaus niederlässt. Für eine bestmögliche Überleitung der Patienten arbeitet Dr. Jung bereits im Vorjahr bei Dr. Müller mit. Zum Jahresende schickt Dr. Müller noch ein Abschiedsschreiben mit dem Hinweis auf die neue Praxis an seine Patienten.

     

    Auch in diesem Fall muss Dr. Müller die Kleinunternehmerregelung prüfen, weil er die bisherige Praxis nicht zur Fortführung überträgt. Die Kleinunternehmerregelung setzt voraus, dass

    • die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze im Vorjahr weniger als 17.500 EUR betragen haben und
    • die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze des laufenden Jahres voraussichtlich 50.000 EUR nicht übersteigen.
     

    Die Prognose, ob die 50.000-EUR-Grenze im laufenden Jahr eingehalten wird, muss zum 1. Januar eines Jahres vorgenommen werden. Für Dr. Müller bedeutet das, dass er zwar im Vorjahr 2015 mit seinen umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen unter 17.500 EUR geblieben ist. Er wusste aber schon am 1. Januar, dass er seine Patientenkartei in 2016 verkaufen und hierfür 80.000 EUR einnehmen würde. Zum Glück sind bei der Prüfung der Kleinunternehmergrenze Umsätze aus dem Verkauf von Anlagevermögen ausdrücklich ausgenommen und der Praxiswert zählt ganz sicher hierzu.

     

    • Beispiel 5: Praxisverkauf inklusive Eigenlabor

    Dr. Müller hatte ein größeres Eigenlabor und hat daher schon bisher Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben.

     

    In diesem Fall ist die Kleinunternehmerregelung in der Regel kein Ausweg.

     

    Aufgrund der Höhe der Umsatzsteuer von 12.770 EUR muss Dr. Müller diese nicht erst am Jahresende anmelden und abführen. Er wird zum 1. 1.16 Vollunternehmer und muss spätestens zum 10. Februar eine Umsatzsteuer-Voranmeldung beim Finanzamt einreichen. Im Regelfall wird die Umsatzsteuer auch an diesem Tag schon fällig.

    4. Gestaltungsalternativen: Was ist besser zu lösen?

    Aufgrund der dargestellten Fälle stellt sich die Frage, wie es Dr. Müller hätte besser machen können. Bei Beteiligung eines Juniorpartners hätte er mit Dr. Jung erst eine Gemeinschaftspraxis gründen sollen, an der Dr. Jung nur einen sehr geringen Anteil hält. In einem zweiten Schritt verkauft Dr. Müller an Dr. Jung dann einen GbR-Anteil, also ein Gesellschaftsrecht. Hierfür gibt es wieder eine separate Befreiungsvorschrift im Umsatzsteuergesetz (§ 4 Nr. 8f UStG).

     

    Vorsicht ist auch bei folgender Konstellation geboten: Zum Teil wird bei der Gründung von Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) in einer Übergangsphase das Nutzungsüberlassungsmodell gewählt, bei dem der Seniorpartner seine Praxis erst einmal allein behält und sie der mit dem Juniorpartner gegründeten BAG nur überlässt. Die Praxis wird dann automatisch Sonderbetriebsvermögen (= Vermögen, das einem Zahnarzt alleine gehört, das aber für die BAG genutzt wird, z. B. der Laptop im heimischen Arbeitszimmer). Scheitert die neue Sozietät, wird der Seniorpartner den Junior los, ohne seine Praxis preisgeben zu müssen. In dieser Konstellation ist wichtig zu wissen, dass das Sonderbetriebsvermögen umsatzsteuerlich unverändert dem Seniorpartner zugeordnet wird. Soll die Praxis dann in die neue BAG überführt werden, stellen sich die oben dargestellten Probleme gleichermaßen.

     

    FAZIT | Durch das EuGH-Urteil aus 2009 haben sich die Praxisabgabe und auch die Praxiserweiterung einmal mehr verkompliziert. Bei falscher Vertragsgestaltung werden schnell einige Tausend EUR Umsatzsteuer fällig. Das Urteil hat die Finanzverwaltung bereits seit 2011 übernommen und wird sich gerade im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich in den Betriebsprüfungen bemerkbar machen.

     
    Quelle: ID 43964982

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