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  • · Fachbeitrag · FG-Rechtsprechung kompakt

    Die wichtigsten anhängigen Verfahren für Freiberufler

    von Prof. Dr. Volker Kreft, RiFG, Bielefeld

    | Auch im ersten Quartal 2013 hat die FG-Rechtsprechung wieder mit einer Vielzahl interessanter Entscheidungen neue Rechtsentwicklungen eingeleitet. Damit steuerliche Berater und ihre Mandanten nichts verpassen, wurden die wichtigsten Entscheidungen für die Freiberuflerberatung ausgewählt und mit kurzen weiterführenden Hinweisen versehen. |

    1. Umfang der Umsatzsteuerfreiheit von ärztlichen Leistungen im Bereich der plastischen Chirurgie

    Wird eine ärztliche Leistung erbracht, deren Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist, findet die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie auf diese Leistung keine Anwendung. Für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen reicht es nicht aus, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden können. Sie müssen vielmehr dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen (FG Köln 28.2.13, 15 K 4521/07, BB 13, 982, NZB BFH V B 38/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Zur Steuerfreiheit von Dienstleistungen auf dem Gebiet der ästhetisch-plastischen Chirurgie und ästhetischen Behandlungen sei auf ein aktuelles Urteil des EuGH (21.3.13, C-91/12, DStR 13, 757) verwiesen. Im Hinblick auf diese - soweit ersichtlich dem Urteil des FG Köln entgegenstehende - Rechtsprechung des EuGH darf man gespannt sein, ob der BFH über die NZB in einem Revisionsverfahren zu der Streitfrage Stellung nimmt. Immerhin hatte der BFH wegen der EuGH-Rechtssache zuvor eine Aussetzung der Vollziehung mit erheblichen Zweifeln an der Rechtsmäßigkeit der Versagung der Steuerfreiheit gerechtfertigt (vgl. BFH 19.12.12, V S 30/12, BFH/NV 13, 779).

     

    2. Verfassungswidrigkeit des Abzugsverbots für Werbungskosten bei Einkünften aus Kapitalvermögen

    Die Regelung in § 32d Abs. 6 S. 1 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten dann abziehbar sind, wenn der individuelle Steuersatz unter Berücksichtigung nur des Sparer-Pauschbetrags unter 25 % liegt. Ein absolutes und unumkehrbares Abzugsverbot von Werbungskosten wäre in diesen Fällen verfassungswidrig (FG Baden-Württemberg 17.12.12, 9 K 1637/10, Rev. BFH VIII R 13/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Betroffen sind insbesondere Freiberufler, die nach Aufgabe der aktiven Tätigkeit ihren Ruhestand aus im Erwerbsleben angesammelten Kapitalvermögen bestreiten, das von einer Bank aktiv verwaltet wird. Hier fallen i.d.R. höhere Management- und Depotgebühren an, die sich seit Einführung der Abgeltungsteuer bei optionaler Veranlagung nicht auswirken (§ 20 Abs. 9 S. 1 EStG). Hier sollten die tatsächlichen Werbungskosten geltend gemacht und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.

     

    3. Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkung für bestimmte Versicherungsbeiträge

    Bei den Beiträgen zu privaten Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen oder Kapitallebensversicherungen handelt es sich nicht um existenziell notwendige Aufwendungen der Daseinsfürsorge, die im Rahmen 
des subjektiven Nettoprinzips steuermindernd zu berücksichtigen wären 
(FG Baden-Württemberg 31.1.13, 9 K 242/12, Rev. BFH X R 5/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Entscheidung liegt auf der Linie der bisher zu vergleichbaren Sonderausgabenabzugsbeschränkungen ergangenen FG-Urteilen, die ebenfalls von einer Verfassungskonformität ausgegangen sind: FG Münster 20.2.13, 7 K 2814/11 E; FG Hamburg, 21.9.12, 3 K 144/11, EFG 13, 26; FG Nürnberg 16.1.13, 3 K 974/11. Danach begegnet der Ausschluss anderer Vorsorgeaufwendungen (wie Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosenversicherung, Haftpflichtversicherung, Unfallversicherung) vom Sonderausgabenabzug, wenn die Aufwendungen für die Krankenversicherung der Basisversorgung den Höchstbetrag bereits ausschöpfen (§ 10 Abs. 4 S. 4), keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zudem soll die Verminderung des Sonderausgabenabzugs für die private Krankenversicherung der Basisversorgung um die Arbeitgeberzuschüsse auch insoweit ver­fassungsgemäß sein, als diese auf die Komfortversorgung entfallen (§ 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HS. 2 EStG). Das anhängige Revisionsverfahren bietet nun Gelegenheit, die Problematiken höchstrichterlich - ggf. durch das BVerfG - zu klären. Bis dahin sollten betroffene Einkommensteuerbescheide offengehalten werden.

     

    4. Aufwendungen eines StB für Mandantenbesuche

    Fahrten, die ein Steuerberater im Anschluss oder vor einem Mandantenbesuch zwischen Wohnung und Betriebsstätte durchführt, können begrenzt auf die Höhe der sich nach Anwendung der Entfernungspauschale ergebenden Fahrtkosten als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ein vorheriger oder nachgelagerter Mandantenbesuch hebt die Eigenschaft einer Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht automatisch auf (FG Münster 19.12.12, 11 K 1785/11 F, EFG 13, 419, Rev. BFH VIII R 12/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Problematik ist auf alle Gruppen von Freiberuflern übertragbar, die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte durchführen und dabei am selben Tag ein Mandanten- oder Kundenbesuch o.Ä. vor- oder nachgeschaltet wurde. Im Revisionsverfahren wird geklärt werden, ob der Ansatz der ganzen (FG Münster) oder halben Entfernungspauschale (Finanzverwaltung) den Kostenansatz begrenzt oder ob für diese Dreiecksfahrten die tatsächlichen Kosten laut Fahrtenbuch angesetzt werden können.

     

    5. Verfassungsmäßigkeit der „Reichensteuer“

    Das FG Düsseldorf hat in einem Vorlagebeschluss eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 EStG i. V. m. § 32c EStG - in der Fassung des StÄG 2007 und des JStG 2007 - mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit vereinbar ist, als der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 % auf 45 % (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 EStG) gleichzeitig eine auf Gewinneinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG beschränkte Tarifbegrenzung (Entlastungsbetrag nach § 32c EStG) eingeführt hat (FG Düsseldorf 14.12.12, 1 K 2309/09 E, DStZ 13, 215, BVerfG 2 BvL 1/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Grund für den Vorlagebeschluss war die im Jahr 2007 bestehende Ausnahme für Bezieher von Gewinneinkünften von der Reichensteuer. Dieses hat für spätere Jahre zwar unmittelbar keine Bedeutung, da infolge der Unternehmenssteuerreform nunmehr alle Einkünfte bei entsprechendem Einkommen dem Steuersatz von 45 % unterfallen (vgl. Hilbertz, NWB 13, 897). Gleichwohl könnten sich aus der Entscheidung des BVerfG möglicherweise Anhaltspunkte dafür ergeben, welche Grenzen der Gesetzgeber ggf. bei einer aktuell von der Politik angedachten Neuausgestaltung der Reichensteuer einhalten muss.

     

    6. Gewerbesteuerbefreiung für teilstationäre Rehabilita­tionszentren

    Die Erträge aus der ambulanten Rehabilitation können gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit sein, auch wenn kein Versorgungsvertrag nach §§ 107, 111 SGB V abgeschlossen wurde (FG Niedersachsen 12.11.12, 7 K 10204/09, BB 13, 1045, Rev. BFH X R 2/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Abgrenzung zwischen ambulanter und teilstationärer Rehabilitationseinrichtung ist entscheidend, denn ambulante Rehabilitationsleistungen sind nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nicht nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG befreit (BFH 22.10.03, I R 65/02, BStBl. II 04, 300), teilstationäre Rehabilitationseinrichtungen dagegen unterliegen nicht der Gewerbesteuer (so die Finanzverwaltung in R 3.20 Abs. 4 S. 1 GewStR). Eine teilstationäre Behandlung erfordert nach Auffassung des FG, dass sich der Lebensmittelpunkt des Kranken für die Dauer der Behandlung in das Krankenhaus verlagert, wo seine gewohnten Aktivitäten weitestgehend zum Stillstand kommen. Siehe aber aktuell zur Versagung der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG bei einem ambulanten Pflegedienstes für Gewinne aus der Gestellung von Pflegepersonal an andere Einrichtungen: FG Schleswig-Holstein 18.6.12, 5 K 40111/10, DStRE 13, 291. Bis zur höchstrichterlichen Klärung der Abgrenzungsproblematik sollten Gewerbesteuermessbescheide offengehalten werden.

     

    7. Spenden an Stiftungen im EU-Ausland

    Eine Spende zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S.v. §§ 52 bis 54 AO an eine im EU-Ausland ansässige Körperschaft ist nicht nach § 10b EStG abziehbar, wenn der Nachweis nicht erbracht ist, dass die Stiftung die deutschen gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen erfüllt, weil die Satzung keine konkreten Bestimmungen zur Selbstlosigkeit der Stiftung gemäß § 55 AO aufweist, der Spender keine detaillierten Unterlagen eingereicht hat, die eine Überprüfung der tatsächlichen Geschäftsführung der Stiftung ermöglichen und darüber hinaus die von der Stiftung ausgestellte Spendenbescheinigung nicht den notwendigen Passus enthält, dass die Zuwendungsemp­fängerin die Spende nur für ihre satzungsmäßigen Zwecke verwendet 
(FG Düsseldorf 14.1.13, 11 K 2439/10 E, Rev. BFH X R 7/13).

     

    PRAXISHINWEISW | Das FG-Urteil macht wieder einmal deutlich, dass die verfahrensrechtlichen Hürden und die Anforderungen an die Gleichwertigkeitsprüfung sehr hoch sind. Den Steuerpflichtigen treffen erhöhte Mitwirkungspflichten bei der Geltendmachung von Auslandsspenden (hierzu Fischer, jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 1). Ob der BFH die Anforderungen im Revisionsverfahren neu definiert, bleibt abzuwarten. Wer sein Geld im Ausland gemeinnützig verwendet wissen will, kann dies jedenfalls als Alternative gegenüber der direkten Spende ins Ausland über eine weltweit vernetzte inländische Förderkörperschaft tun (so der Vorschlag von Fischer, jurisPR-SteuerR 18/2013 Anm. 1).

     

    8. Aufstockung eines Investitionsabzugsbetrags

    Der für ein Wirtschaftsgut gebildete Investitionsabzugsbetrag kann in einem nachfolgenden Wirtschaftsjahr erhöht werden (entgegen BMF 8.5.09, IV C 6 - S 2139-b/07/10002 - 2009/0294464, BStBl I 09, 633, Tz. 6). Der Umstand, dass bereits im Vorjahr für ein WG ein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen wurde, steht der Aufstockung dieses Betrages auf den 40 % der geplanten Investitionskosten noch unterschreitenden absoluten Höchstbetrag von 200.000 EUR nicht entgegen (FG Niedersachsen 19.12.12, 2 K 189/12, BB 13, 750, Rev. BFH X R 4/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Setzt sich die Auffassung des FG durch, kann der steuerliche Berater den Einsatz des Investitionsabzugsbetrags zur Steueroptimierung weiter verfeinern. Ob die Erhöhung aber auch noch im dritten Wirtschaftsjahr nach der erstmaligen Bildung zulässig ist, ist zweifelhaft. Nach Auffassung des FG Düsseldorf (2.5.12, 15 K 453/10 E, EFG 12, 1335) ist ebenso die Aufstockung einer Ansparrücklage gemäß § 7g EStG a.F. in VZ ab 2007 zulässig. Zu weiteren praxisbezogenen Handlungsempfehlungen siehe Heß, BB 13, 752.

     

    9. Investitionsabzugsbetrag für verschiedene Praxen

    Unterhält ein selbstständiger Steuerberater in drei verschiedenen Städten Praxen, sind diese nicht als selbstständige Betriebe i.S.d. § 7g EStG anzusehen, wenn es sich im Wesentlichen um eine gleichartige selbstständige Tätigkeit an allen drei Standorten handelt, die durch das eigenverantwortliche Handeln des Steuerberaters geprägt ist (FG Hessen 31.1.13, 4 K 985/11, Rev. BFH VIII R 16/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Zulassung der Revision erfolgte mit Blick auf die Auslegung des auch für § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG (neue Fassung) noch bedeutsamen Betriebsbegriffs des § 7g Abs. 3 S. 5 EStG (alte Fassung) bei freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen. Es bleibt also abzuwarten, ob die Umstände, dass die einzelnen Büros über einen eigenen Mandantenstamm, eigene Kontoverbindungen, eigene Mietverträge, eigene Angestellte, eigene Versorgungsverträge und eigene weitere standortbedingte Leistungsbeziehungen mit Dritten verfügen, tatsächlich nicht - so wie das FG meint - auf das Vorliegen eigenständiger „Betriebe“ i.S. des § 7g Abs. 3 S. 5 EStG hindeuten.

     

    10. Vorfälligkeitsentschädigung als nachträgliche Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

    Eine Vorfälligkeitsentschädigung kann nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, wenn sie nicht mit der Erzielung von Einkünften, sondern mit dem Verkauf von Immobilien im Zusammenhang steht (FG Düsseldorf 16.1.13, 
7 K 3506/12 F, Rev. zugelassen).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Problematik steht in Zusammenhang mit der Rechtsprechungsänderung des BFH zur Abzugsfähigkeit von nachträglichen Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (BFH 20.6.12, IX R 67/10, DStR 12, 1801). Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in einem Revisionsverfahren Gelegenheit erhält, die Grenzen der neuen Rechtsprechungsgrundsätze am Beispiel der Vorfälligkeitsentschädigung zu spezifizieren (siehe auch FG Düsseldorf 20.1.11, 14 K 2239/09 E,AO, EFG 12, 227, Rev. BFH IX R 35/11 betr. Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen für eine nur mittelbar der Tilgung eines einkunftsrelevanten Darlehens dienenden Darlehens). Zweifel sind aber angebracht, weil der BFH in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren angedeutet hat, dass er zu einer Versagung eines Abzugs der Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten tendiert (BFH 9.8.12, IX B 57/12, BFH/NV 12, 2014). Bis zur höchstrichterlichen Klärung sollten gleichwohl betroffene Steuerbescheide offengehalten werden.

     

    11. Aufgabefreibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG für Erben

    Der BFH (21.9.95, IV R 1/95, BStBl II 95, 893) hat zu § 16 Abs. 4 EStG in der Fassung vor der Änderung durch das JStG 1996 entschieden, dass die Erben den erhöhten Freibetrag nach § 18 Abs. 3 S. 2 i.V. mit § 16 Abs. 4 S. 3 EStG beanspruchen können, wenn noch der Praxisinhaber (Erblasser) seine freiberufliche Praxis wegen dauernder Berufsunfähigkeit verkauft hat, die Praxis aber erst nach seinem Tode übertragen wird. Diese Rechtsprechungsgrundsätze gelten auch nach der Neufassung des § 16 Abs. 4 EStG (FG Baden-Württemberg 15.1.13, 4 K 3278/10, Rev. BFH X R 6/13).

     

    PRAXISHINWEIS | Danach ist hinsichtlich der Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des § 16 Abs. 4 EStG auch nach der Neufassung auf den Erblasser abzustellen und nicht die Erben (so auch die einhellige Auffassung in der steuerrechtlichen Literatur, z.B. Schmidt/Wacker EStG § 16 
Rz. 579; a.A. Finanzverwaltung). Die höchstrichterliche Klärung steht noch aus.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 182 | ID 39691950

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