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  • 17.07.2012

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 02.05.2012 – 15 K 453/10 E

    - Eine nach Maßgabe der Altfassung des § 7g EStG gebildete Ansparabschreibung kann trotz der Überschreitung der durch das UntStRefG vom 17.08.2007 eingeführten Gewinngrenze im zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung aufgestockt werden.


    - Die Übergangsregelung des § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG 2007 Gesetzes lässt Raum für eine parallele Anwendung der Altfassung des § 7g EStG. bei unter dessen Geltung gebildeten Ansparabschreibungen.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Versagung der Erhöhung einer Rücklage (Ansparabschreibung) nach § 7g des Einkommensteuergesetzes -EStG- a.F..

    Der Kläger erzielte im Streitjahr als Konstrukteur Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG; seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung i. S. von § 4 Abs. 3 EStG. In der Steuererklärung bezifferte der Kläger seine Einkünfte auf 89.275 EUR. Hierin enthalten waren Betriebsausgaben wegen Erhöhung der bereits in Vorjahren gebildeten Rücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG a.F. um weitere 1.652 EUR (Aufstockung auf den Maximalbetrag von 40 % statt bisher 20 % der Anschaffungskosten) und wegen erstmaliger Bildung einer Rücklage gemäß § 7g EStG n.F. von 10.700 EUR. Daraus ergab sich für den Kläger folgende Berechnung: Betriebseinnahmen von 355.334 EUR abzgl. allgemeiner Betriebsausgaben von 253.707 EUR abzgl. Rücklagen von 1.652 EUR und 10.700 EUR; d.s. 89.275 EUR.

    Der Beklagte versagte mit Einkommensteuerbescheid 2007 vom 5. Dezember 2008 die Anerkennung beider Rücklagenbeträge mit dem Hinweis, dass die Erhöhung der Ansparabschreibung gemäß EStG a.F. für nach dem 17. August 2007 endende Wirtschaftsjahre gesetzlich nicht zulässig sei. Da der Betrag von 1.652 EUR somit unberücksichtigt bleiben müsse, betrage der Gewinn 2007 mehr als 100.000 EUR. Daran scheitere zugleich die Bildung einer Rücklage nach § 7g EStG n.F. (Betriebseinnahmen 355.334 EUR abzgl. Betriebsausgaben von 253.707 EUR). Den hiergegen gerichteten Einspruch der Kläger wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2010 als unbegründet zurück. Gemäß § 52 Abs. 23 EStG 2007 gelte für Wirtschaftsjahre, die nach dem 17. August 2007 endeten, die Vorschrift des § 7g EStG in der n. F. des Unternehmenssteuerreformgesetzes. Folglich sei für das hier mit Ablauf des 31. Dezember 2007 endende Streitjahr die Erhöhung der Rücklage gemäß § 7g EStG a.F. um 1.652 EUR nicht mehr zulässig. Stattdessen seien die alten Rücklagen gemäß § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG bis zu ihrer Auflösung unverändert fortzuführen. Im Hinblick auf diese Kürzung der erklärten Betriebsausgaben um 1.652 EUR übersteige der Gewinn des Streitjahres 100.000 EUR, sodass auch die Rücklagenbildung nach der neuen Gesetzesfassung nicht möglich sei.

    Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. § 52 Abs. 23 EStG schreibe nicht die betragsmäßig unveränderte Fortführung der Rücklage nach § 7g EStG a.F. vor, sondern regele nur eine zeitliche Fortgeltung der alten Gesetzesfassung des § 7g EStG auf sog. Altfälle (statt Zwangsauflösung der Rücklage). Die Übergangsvorschrift ermögliche die parallele Anwendung beider Vorschriften. Eine Aufstockung der bereits gebildeten Rücklage verbiete weder das Gesetz noch das Schreiben des Bundesministers der Finanzen -BMF- vom 25. Februar 2004 (Bundessteuerblatt -BStBl- I 2004, 337), weil dort eine maximale Rücklagenbildung mit 40 % der Anschaffungskosten zugelassen sei. Eine nach altem Recht gebildete Rücklage diene als eine Art Platzhalter und erlaube es, die lediglich dem Grunde, nicht der Höhe nach festgelegte Rücklage bis zum Auslaufen der „Weitergeltung” des alten Rechts noch aufzustocken. Der diesem Ergebnis jedenfalls nicht entgegen stehende Gesetzeswortlaut sei im Wege einer Art Meistbegünstigung zugunsten der Kläger auszulegen; insoweit greife auch der Vertrauensschutz ein, zumal der Gesetzgeber mit der Regelung des § 7g EStG eine Begünstigung der Steuerpflichtigen bzw. Investitionsförderung bezweckt habe.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 5. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2010 dahin zu ändern, dass die Rücklagen nach § 7g EStG a.F. bzw. n.F. von 1.652 EUR und 10.700 EUR anerkannt werden,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-); der Beklagte hat die beantragte Erhöhung der bereits gebildeten Rücklage und die Bildung einer weiteren Rücklage zu Unrecht steuerlich unberücksichtigt gelassen.

    Nach § 7g Abs. 3 EStG in der Fassung vom 13. Dezember 2006 (a.F.) konnten Steuerpflichtige eine Ansparrücklage bis zu 40 % der Anschaffungskosten des begünstigten Wirtschaftsgutes bilden. Die Einschränkung lt. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG der nachfolgenden Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes vom 14. August 2007 (n.F.), dass bei Betrieben mit einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein Gewinn von 100.000 EUR (ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages) nicht überschritten werden dürfe, galt damals noch nicht. Auf der Grundlage der Altfassung des Gesetzes hatte der Kläger in den Vorjahren eine Ansparrücklage auf voraussichtliche Anschaffungskosten von 8.260 EUR gebildet, allerdings nicht in Höhe des Maximalbetrages, sondern nur mit 20 % (1.652 EUR). Die nunmehr im Streitjahr geltend gemachte Aufstockung der Ansparabschreibung um einen weiteren Betrag von 1.652 EUR auf 40 % (d. s. 3.304 EUR, s. Entwicklung der Ansparabschreibung lt. Anlage zur Einnahmen-Überschussrechnung 2007), ist gesetzlich möglich.

    Die streitige Aufstockung von bisher 20 % auf nunmehr 40 % ist zwar - auch nach Ansicht der Kläger - nicht auf der Grundlage der Neufassung des Gesetzes (§ 7g EStG i.d.F. vom 14. August 2007) möglich. Denn die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG n.F. eingeführte Gewinngrenze von 100.000 EUR hatte der Kläger überschritten (Betriebseinnahmen 355.334 EUR abzgl. Betriebsausgaben - ohne Investitionsabzugsbetrag - 253.707 EUR; d. s. 101.627 EUR).

    Die geltend gemachte Aufstockung der Ansparabschreibung kann indes auf die Altfassung des § 7g EStG gestützt werden.

    Zwar ist nach der Regelung des § 52 Abs. 23 EStG die Neufassung, d. h. § 7g Abs. 1 bis 4 und 7 i.d.F. des Gesetzes vom 14. August 2007, erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 17. August 2007 enden (Satz 1); dieser Anwendungsbereich ist hier (Ende des Wirtschaftsjahres mit Ablauf des 31. Dezember 2007, also nach dem Stichtag) eröffnet.

    Die Geltung der Neufassung des Gesetzes lässt jedoch in gewissem Umfang Raum für eine parallele Anwendung auch noch der Altfassung. Die Übergangsregelung des § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG sieht nämlich vor, dass bei Ansparabschreibungen, die in vor dem 18. August 2007 endenden Wirtschaftsjahren gebildet worden sind, (...) § 7g in der bis zum 17. August 2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist.

    Diese gesetzlich bestimmte „Weiter-Anwendung” bedeutet zur Überzeugung des Senates nicht nur, dass - wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist - bereits gebildete (Alt-)Rücklagen nicht mit der Änderung des Gesetzes (zwangs-)aufzulösen sind, sondern darüber hinaus gehend, dass eine derartige (Alt-)Rücklage noch im Streitjahr (2007) nach Maßgabe der Altfassung des § 7g EStG aufgestockt werden kann.

    Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der gesetzlichen Übergangsregelung in § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG.

    Betrachtet man insofern die Formulierung „weiter anzuwenden” am Ende des Satzes 3 der Bestimmung, ist diese Wendung - isoliert betrachtet - eindeutig dahin zu verstehen, dass die alte Rechtslage fortgilt; danach muss eine nachträgliche Erhöhung der bereits gebildeten Rücklage zulässig bleiben (so Kratzsch in Frotscher, EStG, § 7g Rdn.3).

    Allerdings gilt die angeordnete „weitere Anwendung” nicht uneingeschränkt, sondern - so die Gesetzesformulierung zu Beginn des Satz 3 - sie bezieht sich auf (nur solche) Ansparabschreibungen, die nach altem Recht „gebildet worden” sind. Daraus wird von Teilen der Literatur gefolgert, dass die bereits gebildete Ansparabschreibung lediglich unverändert fortgeführt, nicht aber aufgestockt werden darf (Kulosa in Schmidt, EStG, 29. A., § 7g Rdn. 3; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7g Rdn. 2; Roland in Bordewin/Brandt, EStG, § 7g n.F. Rdn. 2; Brandis in Blümich, EStG, § 7g Rdn. 2; so auch Tz. 73 und 75 des BMF-Schreibens vom 8. Mai 2009, Bundessteuerblatt -BStBl- I 2009, 633, 641).

    Der Senat hält demgegenüber auch unter Berücksichtigung des o. a. Gesetzesbezuges auf bereits „gebildete” Rücklagen darüber hinaus gehend die hier geltend gemachte Aufstockung für zulässig.

    Der Gesetzeswortlaut lässt offen, wie der Begriff der erfolgten „Bildung” der Ansparabschreibung („gebildet worden”) zu verstehen ist.

    Er mag dahin aufzufassen sein, dass nur die dem Grunde und auch der Höhe nach konkret gebildete Rücklage, also die Rücklage mit dem im Einzelfall tatsächlich in Anspruch genommenen Betrag, der Altfassung des Gesetzes unterliegt. Nach dieser Auffassung wäre im vorliegenden Fall die „gebildete” Rücklage i. S. der Übergangsregelung diejenige über 1.652 EUR bzw. 20 % der voraussichtlichen Anschaffungskosten. Die - lediglich - hierauf bezogene Weiter-Anwendung des Gesetzes würde nur eine unveränderte Fortführung der Ansparabschreibung mit 20 % erlauben und das Klagebegehren hätte keinen Erfolg.

    Der Gesetzeswortlaut lässt jedoch zugleich Raum für ein Verständnis dahin, dass - wie die Kläger argumentieren - die Bildung einer Rücklage jedweder Höhe (hier zunächst mit 20 %) als eine Art Platzhalter wirkt. Nach dieser Lesart bedeutet bereits die Inanspruchnahme des § 7g EStG a.F. bzw. die Rücklagenbildung als solche - allein dem Grunde nach; unabhängig von ihrer Höhe -, dass eine einmal gebildete Rücklage die Fortgeltung der Altfassung des § 7g EStG bewirkt. Die insoweit verstandene Weiter-Anwendung des Gesetzes würde, da sie nicht beschränkt ist auf die in der Vergangenheit bereits tatsächlich in Anspruch genommene Höhe, auch die Möglichkeit einer Aufstockung auf 40 % eröffnen. Eine - denkbare und sprachlich mögliche - klarstellende Konkretisierung etwa dahin, dass die Weiter-Anwendung nur gelten solle, „soweit” Ansparabschreibungen nach altem Recht gebildet worden seien, hat der Gesetzgeber (gerade) nicht vorgenommen.

    Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Problematik der parallelen Anwendung sowohl der Alt- als auch der Neufassung des § 7g EStG nicht bedacht oder übersehen habe. Denn zur Vermeidung einer auf Parallelanwendung beruhenden Doppelförderung hat er in § 52 Abs. 23 Satz 4 EStG eine Anrechnungsbestimmung getroffen.

    Ist, wie vorliegend, der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig und geben die Gesetzesmaterialien keinen weiteren Aufschluss über die Übergangsregelung, ist - vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 7g EStG bezweckten steuerlichen Förderung - der für den Steuerpflichtigen günstigeren Auslegung zu folgen (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 9. März 2011 IX R 56/05, BFHE 233, 152, BStBl II 2011, 649). In Anwendung des dem Meistbegünstigungsgrundsatzes zugrunde liegenden Gedankens (vgl. etwa Beschluss des BFH vom 24. Januar 2008 XI R 63/06, BFH/NV 2008, 606) ist dem Gesetzesverständnis der Vorzug zu geben, der dem Verfahrensbeteiligten, der sich auf die nicht eindeutige Gesetzesfassung zu seinem Vorteil beruft, zum Erfolg verhilft.

    Da der erfolgreich geltend gemachte Aufstockungsbetrag von 1.652 EUR zu einer Gewinnminderung von bisher 101.627 (Betriebseinnahmen von 355.334 EUR abzgl. Betriebsausgaben von 253.707 EUR) auf nunmehr 99.975 EUR führt und damit die 100.000 EUR-Grenze gemäß § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG n.F. unterschritten ist, kann auch der von den Kläger darüber hinaus beantragte neue Investitionsabzugsbetrag von 10.700 EUR - gegen dessen Ansatz weitere Bedenken weder vom Beklagten vorgebracht noch sonst ersichtlich sind - berücksichtigt werden.

    Die Übertragung der Berechnung der Steuer auf den Beklagten folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war wegen der Schwierigkeit des Falls in rechtlicher Hinsicht notwendig, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    Die Revisionszulassung stützt sich auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

    VorschriftenEStG § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c, EStG § 7g Abs. 3, EStG § 52 Abs. 23 Satz 3, EStG a.F. § 7g Abs. 3

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