16.10.2003 · IWW-Abrufnummer 032278
Bundesfinanzhof: Urteil vom 07.08.2003 – VI R 41/98
Leistet ein EDV-Organisator außerhalb seiner regulären Arbeitszeit vom häuslichen Arbeitszimmer aus per Telefon und Teleservice Bereitschaftsdienst und kann er hierfür seinen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber tatsächlich nicht nutzen, sind die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer grundsätzlich (bis zu einer Höhe von 2 400 DM - jetzt: 1 250 ?) als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, wann einem Steuerpflichtigen ein "anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Folge zur Verfügung steht, dass die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich nicht geltend gemacht werden können.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als EDV-Organisator bei der Zentralverwaltung einer Warenhauskette angestellt. Im Streitjahr 1996 war er an 224 Tagen dort tätig. Außerhalb seiner normalen Arbeitszeit leistete der Kläger von zu Hause aus Bereitschaftsdienst, d.h. ihm oblag die Betreuung der Filialrechner und Kassensysteme bei Soft- und Hardwarestörungen in 74 Filialen per Telefon und Teleservice. Der Bereitschaftsdienst umfasste die folgenden Zeiten:
- Montag bis Mittwoch /von/17.00 bis 20.00 Uhr,
- Donnerstag /von/17.00 bis 22.00 Uhr,
- Freitag/von/13.00 bis 20.00 Uhr,
- Samstag (normal)/von/07.00 bis 16.00 Uhr,
- Samstag (lang)/von/07.00 bis 18.00 Uhr und
- Samstag (Dezember)/von/07.00 bis 20.00 Uhr
Der Zeitaufwand hierfür betrug im Streitjahr 1996 durchschnittlich 30 bis 34 Stunden pro Monat. Der Arbeitgeber übernahm die Gebühren für den Telefonanschluß und stellte dem Kläger einen PC mit Modem zur Verfügung. Die Telefonanlage und der PC befanden sich in einem vom Kläger in seinem Einfamilienhaus eingerichteten, ausschließlich beruflich genutzten Arbeitszimmer.
Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 machte der Kläger die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Kosten des Hauses in Höhe von 1 705 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte den Abzug mit der Begründung, dass die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers nicht mehr als 50 v.H. der gesamten beruflichen Tätigkeit betrage und dass dem Kläger ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe.
Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) erkannte die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer mit der Begründung an, dem Kläger habe für den Bereitschaftsdienst kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 867 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG. Es trägt im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien entgegen der Auffassung des FG im Streitfall nicht erfüllt. Dem Kläger habe für seine Berufstätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden. Dass der Kläger einen Teil seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Dienste, den Bereitschaftsdienst, von zu Hause aus erbracht habe, sei demgegenüber unerheblich; denn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit müsse auf die Gesamttätigkeit im Rahmen des jeweiligen Dienstverhältnisses abgestellt werden, nicht auf einzelne Teiltätigkeiten.
Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil teilweise aufzuheben und die Klage hinsichtlich der in Höhe von 1 705 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer abzuweisen.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
II.
Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers zu Recht als Werbungskosten anerkannt.
a) Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der letztgenannten Vorschrift u.a. dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift (in der hier maßgeblichen Fassung) die Höhe der abziehbaren Aufwendungen regelmäßig auf 2 400 DM begrenzt.
Ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Er steht aber nur dann "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ... zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Übt der Steuerpflichtige nur eine berufliche Tätigkeit aus, muss geprüft werden, ob der --an sich vorhandene-- andere Arbeitsplatz tatsächlich für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Es genügt allerdings nicht, dass nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet werden, die grundsätzlich auch an dem anderen Arbeitsplatz verrichtet werden könnten.
Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf das Urteil des Senats vom 7. August 2003 VI R 17/01 (zur Veröffentlichung bestimmt) Bezug genommen.
b) Die vorinstanzliche Entscheidung ist zutreffend. Der Arbeitsplatz des Klägers in der Zentralverwaltung seines Arbeitgebers ist zwar als Büroarbeitsplatz ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung. Dieser Arbeitsplatz stand dem Kläger jedoch für den außerhalb der Bürozeiten erbrachten Bereitschaftsdienst nicht zur Verfügung.
Den Feststellungen des FG zufolge wurde der Bereitschaftsdienst außerhalb der normalen Arbeitszeiten erbracht. Das Verwaltungsgebäude, in welchem der Kläger seinen normalen Dienst verrichtete, war zu diesen Zeiten verschlossen, so dass der reguläre Arbeitsplatz für diesen Teilbereich der beruflichen Tätigkeit tatsächlich nicht genutzt werden konnte. Das FG hat daraus gefolgert, dass die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers aus objektiv erkennbaren und nachvollziehbaren Gründen erforderlich gewesen sei. Die geltend gemachten Aufwendungen seien anzuerkennen, weil Satz 2 Alternative 2 der Abzugsbeschränkung auch die Fälle erfasse, in denen für bestimmte, abgrenzbare Aufgaben des Arbeitnehmers aus objektiv nachvollziehbaren zwingenden Gründen kein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.
Diese Feststellungen und die daran anknüpfende rechtliche Wertung sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei dem Bereitschaftsdienst handelt es sich insbesondere nicht um eine Tätigkeit, die der Kläger grundsätzlich auch an seinem regulären --anderen-- Arbeitsplatz hätte verrichten können. Auf die vom FA insoweit aufgeworfene Frage, ob sich der Bereitschaftsdienst inhaltlich von der regulären beruflichen Tätigkeit unterscheide, kommt es nicht an.