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  • 01.04.2015 · IWW-Abrufnummer 144154

    Oberlandesgericht München: Urteil vom 03.12.2014 – 7 U 2705/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht München

    v. 03.12.2014

    Az.: 7 U 2705/14

    In dem Rechtsstreit...
    - Klägerin und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    gegen
    ... - Beklagter und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    wegen Forderung -
    erlässt das Oberlandesgericht München - 7. Zivilsenat -
    durch
    den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...
    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2014
    folgendes Endurteil:
    Tenor:

    1.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.06.2014, Az. 14 O 14858/13, wird zurückgewiesen.
    2.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    3.

    Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.
    4.

    Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten über Zahlungen eines Gesamtschuldnerausgleichs nach Auflösung einer Praxisgemeinschaft.

    Die Parteien führten ab dem Jahr 1995 eine gemeinsame Arztpraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sie schlossen am 01.01.1995 den als Anlage B 1 vorgelegten Gesellschaftsvertrag.

    Ebenfalls im Jahr 1995 stellte die Gesellschaft Frau O. als Arzthelferin ein. Im Jahr 2005 zogen die Parteien mit der Praxisgemeinschaft in den F.Weg 5 in München. Die Gesellschaft schloss mit der DB R.E. I. GmbH am 09.12.2004 einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 10 Jahren beginnend ab 01.04.2005, zu einer monatlichen Miete von 2.999,51 Euro brutto.

    Der Beklagte kündigte am 10.11.2008 den Gesellschaftsvertrag (vgl. Anlage B 2). Mit der Kündigung stellte der Beklagte sämtliche Zahlungen an die Gesellschaft ein. Die Klägerin wechselte die Schlüssel für die Praxisräume aus und nutzte in der Folgezeit die Praxisräume allein. In einem Rechtsstreit vor dem Landgericht München I, Aktenzeichen 29 O 411/13, wurden die Parteien gesamtschuldnerisch verurteilt, an die C. O. T. GmbH, die Rechtsnachfolgerin der DB R. E. I. GmbH, Nebenkosten und Mietrückstände in Höhe von 21.324,96 Euro nebst Zinsen zu zahlen (vgl. Anlage B 6). Das Mietverhältnis über die Praxisräume ist inzwischen gekündigt, die Nutzung wird durch die Klägerin noch fortgeführt.

    Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits mit Frau O. einigten sich die Parteien dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Gesellschaft und Frau O. mit Ablauf des 30.04.2014 endet.

    Mit Endurteil vom 13.01.2010 stellte das Landgericht München I (Az: 23 O 2690/09) rechtskräftig fest, dass in die Auseinandersetzungbilanz zu Lasten des Beklagten Verbindlichkeiten betreffend das Mietverhältnis und den Arbeitsvertrag mit Frau O. in Höhe von 19.600,00 Euro aufzunehmen sind. Ferner wurde rechtskräftig festgestellt, dass Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis und dem Arbeitsverhältnis, die ab dem 11.11.2008 entstanden sind, in die Auseinandersetzungsbilanz im Verhältnis 50:50 aufzunehmen sind (vgl. Anlage K 1).

    Der Steuerberater Dipl. Kfm. W. erstellte am 16.08.2010 eine Auseinandersetzungsbilanz für die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Kündigung, d.h. zum 11.11.2008 (vgl. Anlage K 3). Die Auseinandersetzungsbilanz stellt einen Ausgleichsbetrag zu Gunsten der Klägerin in Höhe von 20.211,67 Euro fest. In der Auseinandersetzungsbilanz sind berücksichtigt die rechtskräftig festgestellten Verbindlichkeiten in Höhe von 19.600,00 Euro, nicht berücksichtigt sind die seit November 2008 angefallenen bzw. anfallenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis und dem Arbeitsverhältnis. Die Auseinandersetzungsbilanz ist von keiner der Streitparteien unterzeichnet.

    Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage unterschiedliche Beträge. Sie macht zum einen den sich aus der Auseinandersetzungsbilanz ergebenden Ausgleichsbetrag in Höhe von 20.211,67 Euro geltend, daneben die Hälfte der Miet- und Lohnkosten für die Monate November/Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 5.284,12 Euro (vgl. Anlagen K 4, K 5) und beansprucht darüber hinaus für die Jahre 2009 bis 2011 jeweils die Hälfte der Personalkosten und Mieten sowie sonstiger Kosten (vgl. Anlagen K 6 bis K 8, Aufstellung in der Klageschrift Bl. 11, 12 d.A.) in Höhe von 19.666,95 Euro, 32.278,54 Euro und 23.883,08 Euro und die Hälfte der Kosten für die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz in Höhe von 896,07 Euro (vgl. Anlage K 9). Insgesamt ergibt sich ein Forderungsbetrag in Höhe 102.220,43 Euro.

    Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr aufgrund der Auseinandersetzungsbilanz und der rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts die geltend gemachten Ansprüche nebst Zinsen zustünden.

    Demgegenüber meinte der Beklagte, der die Klageabweisung beantragte, der Klägerin stünden die Ansprüche nicht zu. Die Forderungen seien zum Teil verjährt. Der Beklagte bestreitet auch die Höhe der Ansprüche und beruft sich darauf, dass ihm eine Nutzung der Räume und auch eine Inanspruchnahme der Leistungen von Frau O. nicht mehr möglich gewesen sei, da er die Praxisräume nicht mehr habe nutzen können.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es feststellte, dass ein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich - wie er von der Klägerin geltend gemacht werde - derzeit nicht bestehe. Mit der Kündigung habe sich die Gesellschaft in eine Abwicklungsgesellschaft i.S.e. Liquidationsgesellschaft umgewandelt. Ein endgültiger Abschluss der Auseinandersetzungsbilanz läge noch nicht vor, eine Schlussrechnung habe noch nicht erfolgen können, da in die Auseinandersetzungsbilanz Forderungen ab dem Jahr 2012 noch nicht aufgenommen werden konnten. Wegen der nicht vollständigen Auseinandersetzung liege eine Durchsetzungssperre vor, die dazu führe, dass isolierte Zahlungsansprüche nicht geltend gemacht werden könnten. Ein Ausnahmefall eines einseitigen Leistungsanspruchs läge nicht vor. Auch eine Umdeutung des Leistungsantrags in einen Feststellungsantrag gem. § 140 BGB in Bezug auf den eingeklagten Aufwendungsersatzanspruch verneinte das Erstgericht im Hinblick auf die bereits rechtskräftig ergangenen Vorentscheidungen.

    Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die mit ihrem Rechtsmittel ihr erstinstanzliches Begehren der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 102.220,33 Euro nebst Zinsen weiterverfolgt.

    Die Klägerin meint, das Landgericht habe verkannt, dass es bereits eine Auseinandersetzungsbilanz gebe, so dass kein Raum mehr für weitere Auseinandersetzungsbilanzen bestehe. In diese Auseinandersetzungsbilanz seien zum maßgeblichen Stichtag die relevanten Positionen aufgenommen worden. Die beiden Dauerschuldverhältnisse, die zum Zeitpunkt der Beendigung der Gesellschaft noch bestanden, seien rechtskräftig festgeschrieben. Künftig fällig werdende Forderungen, würden als laufenden Verbindlichkeiten des Geschäftsinhabers über den Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe hinaus als persönliche Forderungen weiterbestehen, wenn - wie vorliegend - kein freies Vermögen mehr vorhanden sei. Dies führe dazu, dass diese Beträge aufgrund der Mithaftung vom ehemaligen Mitgesellschafter direkt gefordert werden könnten.

    Demgegenüber hält der Beklagte das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er meint, dass bis zum vollständigen Abschluss der Auseinandersetzung ein Abwicklungsverhältnis, das eine Durchsetzungssperre nach sich zieht, besteht. Eine Auseinandersetzung habe es bisher nicht gegeben. Es seien weiter Gegenstände, die im Gemeinschaftseigentum stünden und Betriebsvermögen darstellten, bislang nicht auseinander gesetzt oder aufgeteilt. Die vorgelegte Auseinandersetzungsbilanz genüge nicht den Anforderungen an eine ordentliche Bilanz, da nicht alle Ansprüche der Parteien berücksichtigt seien. Bislang sei eine Auseinandersetzungsbilanz von den Parteien nicht erstellt worden. Die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen wären in eine solche einzustellen. In diese seien dann auch die Gegenansprüche des Beklagten einzustellen. Eine gesonderte Geltendmachung von Einzelansprüchen verbiete die Durchsetzungssperre.

    Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen erster und zweiter Instanz verwiesen.

    II.

    Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich in der Sache als nicht erfolgreich. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage - als derzeit - unbegründet abgewiesen.

    Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, wonach der Klägerin die isolierte Geltendmachung der streitgegenständlichen Zahlungsansprüche verwehrt ist.

    Zunächst ist festzuhalten, dass nach Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Zahlunganspruch grundsätzlich nur hinsichtlich des Saldos der abschließenden Auseinandersetzungsrechnung geltend gemacht werden kann (st. Rspr. BGH ZIP 2006, 2271 [BGH 23.10.2006 - II ZR 192/05]; ZIP 1994, 1846 [BGH 24.10.1994 - II ZR 231/93]; ZIP 1993, 919 [BGH 10.05.1993 - II ZR 111/92]). Nach Beendigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind die früheren Gesellschafter grundsätzlich gehindert, ihre jeweiligen Ansprüche gegen die Gesellschaft oder gegeneinander isoliert geltend zu machen. Diese jeweiligen Forderungen sind vielmehr als unselbständiger Rechnungsposten in eine Auseinandersetzungsbilanz einzustellen, ein Zahlungsanspruch besteht nur hinsichtlich des abschließenden Saldos (st. Rspr. vgl. BGH NJW 1995, 188 [BGH 24.10.1994 - II ZR 231/93] m.w.N.).

    Vorliegend kann von einer abschließenden, durch Gesellschafterbeschluss festgestellten Auseinandersetzungsrechnung/-bilanz nicht die Rede sein. Es liegt bereits keine von den Parteien unterschriebene und damit zwischen den Parteien festgestellte Auseinandersetzungsbilanz vor. Unstreitig haben die als Anlage K 3 vorgelegte Bilanz des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers Winkler weder die Klägerin noch der Beklagte unterzeichnet. Hinzu kommt, dass angesichts der von dem Beklagten gegen die Auseinandersetzungsbilanz vorgebrachten Einwände auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien die dort getroffenen Feststellungen übereinstimmend als maßgebliche Auseinandersetzungsbilanz anerkannt haben. Der Beklagte hat vielmehr eingewandt, dass in der Auseinandersetzungsbilanz nicht alle Ansprüche der Parteien berücksichtigt worden seien und dass insbesondere Gegenstände, die im Gemeinschaftseigentum stünden und daher Betriebsvermögen darstellten, nicht in die Bilanz aufgenommen worden seien. Damit kann derzeit ein Zahlungsanspruch der Klägerin nicht auf die vorgelegte Auseinandersetzungsbilanz gestützt werden. Dies gilt im Hinblick auf die (von der Klägerin auch geltend gemachte) Forderung in Höhe von 20.211,67 Euro, die in der Bilanz des Steuerberaters und Wirschaftsprüfers W. als Ausgleichsbetrag zu Gunsten der Klägerin ausgewiesen ist.

    Da auch kein von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall vorliegt, kann die Klägerin ohne Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz die geltend gemachten Ansprüche nicht durchsetzen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der einzelne Gesellschafter Ansprüche dann isoliert, d.h. ohne abschließende Auseinandersetzungsrechnung geltend machen, wenn die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens, der durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begegnet werden soll, nicht besteht (vgl. BGH, NJW 1995, 188 [BGH 24.10.1994 - II ZR 231/93]). Es bedarf zur Geltendmachung des Auseinandersetzungsguthabens einer von den Gesellschaftern festgestellten Auseinandersetzungsbilanz auch dann nicht, wenn kein zu liquidierendes Gesellschaftervermögen mehr vorhanden ist (vgl. BGH ZIP 2006, 2271 [BGH 23.10.2006 - II ZR 192/05]).

    Keiner dieser beiden Ausnahmefälle liegt vor. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte eingewandt, dass Gesellschaftsvermögen/Praxisausstattung vorhanden ist, das keinen Eingang in die Auseinandersetzungsbilanz gefunden habe. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund dessen noch zu berücksichtigende Verrechnungsposten in die Auseinandersetzungsbilanz aufzunehmen sind. Die Klägerin behauptet zwar pauschal, es gebe kein freies Vermögen der Gesellschaft mehr, konkreten Vortrag hierzu bleibt sie aber schuldig.

    Hinzu kommt, dass in die vorliegende Auseinandersetzungsbilanz zwar die gemäß rechtskräftiger Entscheidung des LG München zu Lasten des Beklagten bestehende Verbindlichkeit in Höhe von 19.600,00 Euro Eingang gefunden hat, allerdings die Haftungsverhältnisse für Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis und dem Arbeitsvertrag ab 11.11.2008 nur in Form einer allgemeinen Anmerkung und Wiedergabe der landgerichtlichen Entscheidung aufgenommen sind. Eine Bewertung oder Bezifferung hierzu ist nicht vorgenommen. Diese nunmehr von der Klägerin geltend gemachten weitergehenden Ansprüche sind jedoch in eine Auseinandersetzungsbilanz aufzunehmen.

    Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, kommt vorliegend eine Umdeutung des Leistungsantrags in einen Feststellungsantrag gem. § 140 BGB in Bezug auf die von der Klägerin geltend gemachten Personal-, Miet- und sonstigen Kosten ab November 2008 nicht in Betracht. Auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im landgerichtlichen Urteil kann verwiesen werden.

    Die Berufung der Klägerin erweist sich daher als nicht erfolgreich.

    Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO.

    Die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat bei seiner Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche maßgeblich die konkreten Umstände desvorliegenden Rechtsverhältnisse/Gesellschaftsverhältnisse unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung beurteilt.

    Verkündet am 03.12.2014

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 705 BGB; § 738 BGB

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