Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111368

    Bundesfinanzhof: Beschluss vom 02.03.2011 – III B 106/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe

    1

    I.

    Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist Vater der im Juni 1986 geborenen C, die in N eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin absolvierte. Der theoretische Unterricht fand in zeitlichen Blöcken von mehreren Wochen an der Krankenpflegeschule in L statt. Die Beklagte und Beschwerdeführerin (Familienkasse) setzte zunächst Kindergeld für C fest. Später hob sie durch Bescheid vom 10. Dezember 2008 die Festsetzung ab April 2007 auf und forderte das für den Zeitraum April 2007 bis Dezember 2007 gezahlte Kindergeld zurück. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

    2

    Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage statt. Es hob den Aufhebungsbescheid sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für den Zeitraum April 2007 bis Dezember 2007 zu gewähren. Nach Ansicht des FG waren die Fahrtkosten von C abweichend von der Berechnung der Familienkasse zu berücksichtigen, so dass sich Einkünfte und Bezüge ergaben, die unter dem im Jahr 2007 geltenden Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lagen. C habe allein in N ihre regelmäßige Arbeitsstätte gehabt. Die Krankenpflegeschule in L liege nicht in räumlicher Nähe zur regelmäßigen Arbeitsstätte und sei von C nur zeitweilig aufgesucht worden. Die Fahrten nach L seien keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern Dienstreisen.

    3

    Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Familienkasse die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG widerspreche dem Urteil des BFH vom 18. Dezember 2008 VI R 39/07 (BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475). Das FG habe ausgeführt, dass sich die Schule in L nicht in räumlicher Nähe zum Krankenhaus in N befinde, weshalb die Fahrten zwischen der Wohnung von C und der Schule in L Dienstreisen seien. Das FG habe somit den abstrakten Rechtssatz formuliert, dass es für die Definition zweier Einsatzstätten eines Arbeitnehmers als regelmäßige Arbeitsstätten auf die räumliche Entfernung zueinander ankomme. Dieser Rechtssatz widerspreche der Definition einer Arbeitsstätte in dem zitierten BFH-Urteil, wonach regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 i.V.m. § 52 Abs. 23d Satz 1 EStG jede ortsfeste dauerhafte Einrichtung des Arbeitgebers sei, der der Arbeitnehmer zugeordnet sei und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder, aufsuche. Die Entfernung regelmäßiger Arbeitsstätten zueinander spiele demnach keine Rolle.

    4

    II.

    Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Das FG ist nicht vom Urteil des BFH in BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475 abgewichen.

    5

    1.

    Eine Divergenz, die zur Zulassung der Revision führt, ist anzunehmen, wenn das FG mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene FG-Urteil und die (vorgebliche) Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2010 VIII B 107/09, BFH/NV 2011, 282).

    6

    2.

    Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

    7

    a)

    Im finanzgerichtlichen Verfahren ging es um die Frage, ob die Krankenpflegeschule in L neben dem Krankenhaus in N als weitere regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen war. Das FG hat dies verneint und hierzu ausgeführt, dass die Krankenpflegeschule nicht in räumlicher Nähe zur regelmäßigen Arbeitsstätte (Krankenhaus) liege und dass C die Pflegeschule nur zeitweilig aufgesucht habe.

    8

    b)

    Demgegenüber war in dem BFH-Urteil in BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475, von dem das FG nach Ansicht der Familienkasse abgewichen ist, darüber zu entscheiden, ob bei ständig wechselnden Tätigkeitsstätten im Einzugsbereich eines Arbeitnehmers die Entfernungspauschale oder die tatsächlichen Fahrtkosten als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Die Frage, ob mehrere Tätigkeitsstätten als regelmäßige Arbeitsstätten zu beurteilen sind, war in der Entscheidung des BFH nicht zu prüfen. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Entgegen der Rechtsansicht der Familienkasse lassen sich aus dem BFH-Urteil in BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475 auch keine Folgerungen für die Beantwortung der Frage herleiten, ob für die Beurteilung zweier Tätigkeitsstätten als regelmäßige Arbeitsstätten die Entfernung zueinander von Bedeutung ist.

    9

    c)

    Das Urteil des FG entspricht den Grundsätzen des Senatsurteils vom 22. Oktober 2009 III R 101/07 (BFH/NV 2010, 200), in dem entschieden wurde, dass eine vorübergehend aufgesuchte Ausbildungseinrichtung (Fachhochschule) nicht als zweite regelmäßige Arbeitsstätte eines sich in Ausbildung befindlichen Arbeitnehmers anzusehen ist. Im Übrigen geht auch die Finanzverwaltung seit dem Jahr 2008 davon aus, dass bei einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit an einer anderen betrieblichen Einrichtung diese nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte wird (R 9.4 Abs. 3 Satz 5 der Lohnsteuer-Richtlinien 2008).

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG