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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Fahrzeugleasing: Minderwertausgleich für Fahrzeugschäden unterliegt nicht der Umsatzsteuer

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Einen sich bei Rückgabe eines Fahrzeugs nach Ablauf der Leasingdauer ergebenden Minderwert hat der Leasingnehmer dem Leasinggeber regelmäßig auszugleichen. Bislang war umstritten, ob dieser „Minderwertausgleich“ Entgelt für eine erbrachte Leistung darstellt und damit der Umsatzsteuer unterliegt. Dem hat der BFH nun aber - trotz gegenteiliger Weisungslage des BMF - widersprochen (BFH 20.3.13, XI R 6/11, DStR 13, 1706).

     

    Sachverhalt

    Die Leasing-GmbH (LG) schloss als Leasinggeberin mit der Leasingnehmerin LN einen Kfz-Leasingvertrag über 42 Monate ab. Nach den Vertragsbedingungen durfte das Fahrzeug bei Rückgabe am Vertragsende nur nutzungstypische Verschleißspuren aufweisen. Für darüber hinausgehenden Verschleiß oder Schäden hatte LN einen „Minderwertausgleich“ zu entrichten. Als das Fahrzeug bei Rückgabe erhebliche Lackschäden aufwies, leistete LN an LG eine Ausgleichszahlung, die LG jedoch nicht der Umsatzsteuer unterwarf. Das FA forderte die Umsatzsteuer nach. Der einvernehmlichen Sprungklage gab das FG mit der Begründung statt, der Minderwertausgleich werde zum Ausgleich der Fahrzeugschäden gezahlt und ihm stehe daher kein „zusätzlicher Leistungsaustausch“ gegenüber, was der BFH in der Revision bestätigte.

     

    Anmerkungen

    Der BGH hatte seinerzeit entschieden, dass ein Minderwertausgleich, der aufgrund eines Unfallschadens in Höhe der gutachterlich ermittelten Reparaturkosten vom Leasinggeber geltend gemacht wird, als Erfüllungsanspruch aus der Gebrauchsüberlassung - und nicht als Ersatzanspruch wegen Verschlechterung des Leasinggegenstands - zu beurteilen sei (BGH 1.3.00, VIII ZR 177/99, DB 00, 1068). Die Finanzverwaltung hatte aus dieser zivilrechtlichen Einordnung für umsatzsteuerliche Zwecke gefolgert, der Minderwertausgleich stelle ein „Zusatzentgelt“ für die Gebrauchsüberlassung dar und unterliege mithin „als Vergütung für eine über das vertragliche Maß hinausgehende Nutzung“ der Umsatzbesteuerung (BMF 20.2.06, IV A 5 - S 7100/07/0010, BStBl I 06, 241).

     

    In seiner Folgeentscheidung stellte der BGH klar, dass sich seine damaligen Äußerungen ausdrücklich nur auf die zivilrechtliche Wertung bezogen habe, aber der Minderwertausgleich umsatzsteuerlich als nichtsteuerbarer Schadenersatz einzuordnen sei (BGH 14.3.07, VIII ZR 68/06, DB 07, 1023). In seiner daraufhin überarbeiteten Weisung modifizierte das BMF seine Auffassung:

     

    • Soweit der Leasinggeber (LG) bei einer vom Leasingnehmer (LN) zu vertretenden vorzeitigen Beendigung des Leasingverhältnisses (z.B. unfallbedingter Totalschaden) einen Ausgleich in Höhe der für die restliche Vertragslaufzeit noch zu zahlenden Leasingraten fordere, stellten diese Zahlungen „echten“ Schadenersatz dar, da der LG in diesen Fällen für die Zahlungen keine Fahrzeugüberlassungsleistung mehr erbringen könne.

     

    • Hinsichtlich des - wegen übermäßigem Verschleiß“ zu zahlenden Minderwertausgleichs hielt das BMF in Tz. 2 jedoch - entgegen der Klarstellung des BGH - an seiner Auffassung fest, den Minderwertausgleich wende der LN vertragsgemäß für seine „übervertragliche Fahrzeugnutzung“ auf, und unterliege daher der Umsatzsteuer (BMF 22.5.08, IV B 8 - S 7100/07/10007, BStBl I 08, 632).

     

    Nachdem der BGH (18.5.11, VIII ZR 260/10, DB 11, 2084) erneut den Minderwertausgleich als nichtumsatzsteuerbar beurteilt hatte, kommt nun auch der BFH mit systematischen Erwägungen zum gleichen Ergebnis:

     

    Echter - nichtsteuerbarer - Schadenersatz liegt laut BFH vor, wenn die Zahlung nicht im Gegenzug zu einer Leistung erbracht wird, sondern auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage als Ersatz für einen eingetretenen Schaden erfolgt. Dies ist nach BFH-Ansicht beim Minderwertausgleich zu bejahen, da er gerade nicht als Vergütung für eine eingeräumte/geduldete „übervertragliche (Ab-)Nutzung“, sondern zum Ausgleich für entstandene (vertragswidrige) Fahrzeugschäden entrichtet werde. Dem stehe auch der von der Finanzverwaltung ins Feld geführte „Vollamortisationsgedanke“ beim Leasingverhältnis nicht entgegen.

     

    MERKE | Der BFH sieht dieses Ergebnis bestätigt durch eine EuGH-Entscheidung aus 2007, in der der EuGH die für eine Hotelzimmerbuchung für den Stornierungsfall nach französischem Recht vorgesehene „verlorene Anzahlung“ wegen der ausbleibenden Gegenleistung als nichtsteuerbaren Schadensersatz wertete (EuGH 18.7.07, C-277/05). Ergänzend verweist der BFH auf eine Entscheidung, in der der XI. Senat ein „Bereitstellungsentgelt“, das eine Umzugsspedition bei kurzfristiger Absage des Umzugs vom Auftraggeber erhebt, als nichtsteuerbaren Schadenersatz eingestuft hat (BFH 30.6.10, XI R 22/08, BStBl II 10, 1084).

     

    Praxishinweise

    Die Finanzverwaltung wird ihre gegenteilige Weisung in A. 1.3. Abs. 17 UStAE nun überarbeiten müssen. Der Grundsatz der „Nichtsteuerbarkeit“ gilt jedoch - wie der BFH in Rn. 35 der Entscheidung ausdrücklich klarstellt - weiterhin nicht, wenn der Vertrag eine „Entschädigungszahlung“ für ein geduldetes Vorgehen vorsieht, das nach dem typischen Geschehensablauf zwangsläufig zu Schäden führen wird. Räumt in diesem Sinne beispielsweise ein Landwirt einem Stromversorger das Recht auf Erstellung einer Überlandleitung nebst Masten auf seinem Acker ein und sieht der Vertrag insofern „Entschädigungen“ für die entstandenen Flurschäden vor, so sieht auch der XI. Senat hierin eine umsatzsteuerbare Gegenleistung für die Duldung der „zwangsläufig erwartbaren Flurschäden“ (so schon BFH 11.11.04, V R 30/04, BStBl II 05, 802). Die Grenzziehung zwischen „erwartbarer“ und „vertragswidriger“ Schädigung dürfte in der Praxis aber mitunter schwierig sein.

     

    Beachten Sie | In Rn. 42 seiner Entscheidung äußert der XI. Senat „en passant“, mit der vorliegenden Entscheidung „setze der BFH seine Rechtsprechung zur Einordnung von Zahlungen des LN wegen vorzeitiger Leasingvertragsbeendigung als nichtsteuerbaren Schadensersatz fort“ und verweist hierbei auf Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 22.5.08 (s.o.).

     

    Mit diesem Verweis dürfte m.E. jedoch noch kein grundlegender Wandel in der - von der BGH-Rechtsprechung abweichenden (!) p- BFH-Sichtweise verbunden sein. Diese Aussage dürfte sich (vorerst) nur auf solche Entschädigungszahlungen beziehen, die auf Basis der Ausübung eines vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsrechts erfolgten. In diesem Sinne hat auch die Finanzverwaltung - z.B. bei der „Stornoentschädigung im Beherbergungsgewerbe“ - bislang stets unterschieden, ob dem Kunden nach Vertrag (oder Gesetz) ein Rücktrittsrecht zustand: Nur bei Ausübung eines bestehenden Rücktrittsrechts sollten „Stornokosten“ als nichtsteuerbarer Schadenersatz zu beurteilen sein, während sie andernfalls als Entgelt für das Bereithalten des Zimmers qualifiziert werden sollen (so BMF 6.11.97, IV C 3 - S 7100 - 89/97, DStR 98, 35).

     

    FAZIT | M.E. ist diese Differenzierung nach der EuGH-Entscheidung vom 18.7.07 (C-277/05) zwar nicht mehr überzeugend, aber die Finanzverwaltung hält unverändert hieran fest. Auch der BFH scheint weiterhin nur kündigungsbezogene Ausgleichszahlungen als Schadenersatz zu qualifizieren, während er bei den auf Basis einer einvernehmlichen Vereinbarung erfolgten vorzeitigen Vertragsbeendigungen zu leistenden Zahlungen wohl weiterhin vom umsatzsteuerlichen Entgelt (für den Verzicht auf unveränderten Vertragsvollzug) ausgehen will (z.B. BFH 19.10.10, V B 103/09). Das höchste deutsche Steuergericht befände sich damit weiterhin auf Kollisionskurs zum höchsten deutschen Zivilgericht, da der BGH zwischen kündigungsbezogener oder einer auf Vergleichsvereinbarung basierender Ausgleichszahlung nicht unterscheiden will (so z.B. BGH 14.3.07, VIII ZR 68/06 unter II.3.). Damit stünde der Auftragnehmer unverändert vor dem Dilemma, dass der Fiskus (unter Verweis auf die BFH-Rechtsprechung) von ihm Umsatzsteuer auf eine Ausgleichszahlung erhebt, er das Einfordern dieses zusätzlichen Umsatzsteuerbetrags vom Auftraggeber aber vor einem Zivilgericht (wegen der gegenteiligen BGH-Rechtsprechung) nicht wird erfolgreich einklagen können. Für „rettende Klärung“ könnte hier ein zu dieser Frage explizit anhängiges Revisionsverfahren (Az. V R 22/13) sorgen.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 291 | ID 42247236

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