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  • 14.02.2013

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 28.11.2012 – 8 K 2285/09 F

    In Fällen des fiktiven Erwerbs nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist § 6 Abs. 3 GrEStG nicht anwendbar, wenn unmittelbar Beteiligte eine Kapitalgesellschaft ist.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 8. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtliche Richterin … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28.11.2012 für Recht erkannt:

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten darüber, ob § 6 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Anwendung findet.

    Die Klägerin, deren Geschäftsleitung sich im Bezirk des Beklagten befand, besaß mehrere Grundstücke, die in den Bezirken anderer Finanzämter lagen. Kommanditistin der Klägerin und zu 100 % an ihrem Vermögen beteiligt war die H P Q GmbH, Komplementärin die Q Verwaltungs GmbH, deren Stammkapital zu 100 % von der H P Q GmbH gehalten wurde. Alleiniger Gesellschafter der H P Q GmbH war Herr X Q. Diese Beteiligungsverhältnisse bestanden seit Beginn der Klägerin am 31.12.1998.

    Im Jahr 2005 übertrug die H P Q GmbH einen Teilbetrieb als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Abspaltung auf die dadurch neu entstandene Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG; übertragen wurden insbesondere der Kommanditanteil an der Klägerin sowie der Anteil am Stammkapital der Q Verwaltungs GmbH. Kommanditist der Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG sowie zu 100 % an deren Vermögen beteiligt war Herr X Q. Komplementärin war die Q Verwaltungs GmbH. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten im Verlauf des Klageverfahrens vorgelegten notariellen Urkunden (Urkundenrollen Nr. …/2005 und …/2005 des Notars A, R) verwiesen. Die Abspaltung wurde am 15.12.2005 in das Handelsregister eingetragen. Ein Grunderwerbsteuerbescheid erging zunächst nicht.

    Im Jahr 2007 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Der Prüfer gelangte zu dem Ergebnis, dass der Abspaltungsvorgang die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 a GrEStG erfülle (Tz. 2.2.2 des Betriebsprüfungsberichts vom 08.02.2008). Der Beklagte folgte dieser Einschätzung. Er erließ am 21.04.2008 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer, den er der Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG bekannt gab. Nachdem diese Einspruch eingelegt und der Beklagte den Feststellungsbescheid aufgehoben hatte, erließ er am 08.10.2008 gegenüber der Klägerin einen entsprechenden Feststellungsbescheid. In den Erläuterungen dieses Bescheids heißt es, dass der unmittelbare Übergang sämtlicher Geschäftsanteile der Klägerin von der H P Q GmbH auf die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG unterfalle. Die Personenidentität des jeweiligen Alleingesellschafters, Herrn X Q, bei der übertragenden H P Q GmbH und der übernehmenden Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG sei unerheblich.

    Die Klägerin legte Einspruch ein und vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 a GrEStG seien nicht erfüllt. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28.05.2009 als unbegründet zurück.

    Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie vertritt nunmehr die Ansicht, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG erfüllt sei. Allerdings sei § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG anzuwenden, mit der Folge, dass keine Grunderwerbsteuer zu erheben sei. Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 a GrEStG würden Kapitalgesellschaften im Hinblick auf mittelbare Änderungen im Gesellschafterbereich als transparent angesehen. Dies müsse denknotwendig auch im Rahmen des § 6 Abs. 3 GrEStG gelten. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob sich der Gesellschafterbestand der Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar ändere. Beide Fälle würden von § 1 Abs. 2 a GrEStG erfasst und unterfielen daher auch dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 GrEStG. An der 100% igen mittelbaren Beteiligung des Herrn Q an der Klägerin habe sich durch den Abspaltungsvorgang nichts geändert. Sie sei vor der Abspaltung durch die H P Q GmbH und nach der Abspaltung durch die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG vermittelt worden. Der grunderwerbsteuerliche Zurechnungsträger habe nicht gewechselt. In Fällen wie dem vorliegenden keine Steuer zu erheben, entspreche im Übrigen dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 a GrEStG.

    Ihre, der Klägerin Ansicht, werde – neben dem Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2009 S 4514 – 4 – V A 6 (koordinierter Ländererlass) – durch das im Verlauf des Klageverfahrens ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29.02.2012 (II R 57/09) bestätigt. Das dort gewonnene Ergebnis (Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 GrEStG) lasse sich auf den Fall eines unmittelbaren Gesellschafterwechsels im Sinne des § 1 Abs. 2 a GrEStG übertragen. Maßgeblich sei, dass der BFH die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft im Kontext des § 6 Abs. 3 GrEStG als transparent betrachtet habe.

    Der Beklagte hat im Verlauf des Klageverfahrens wegen unstreitiger Fragen Änderungsbescheide erlassen (Bescheide vom 27.05.2010 und vom 25.08.2010).

    Die Klägerin beantragt,

    die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 08.10.2008, vom 27.05.2010 und vom 25.08.2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 28.05.2009 aufzuheben,

    sowie hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

    die Revision zuzulassen sowie

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    sowie hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

    die Revision zuzulassen.

    Er macht geltend, § 6 Abs. 3 GrEStG finde keine Anwendung. Denn vorliegend sei es zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel (H P Q GmbH – Q Beteiligungsgesellschaft GmbH & Co. KG) gekommen, nicht wie in dem von dem Erlass des Finanzministeriums NRW vom 17.06.2009 behandelten und dem der Entscheidung des BFH vom 29.02.2012 zugrunde liegenden Fall (soweit der im Streit stehende Anteil von 1 % betroffen sei) zu einem mittelbaren Gesellschafterwechsel. Von Bedeutung sei, dass sich der Gesellschafterbestand (im Sinne einer dinglichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen) vollständig geändert habe: Herr Q sei an der „alten” (fiktiv übertragenden) Personengesellschaft – wegen der „abschirmenden Wirkung” der H P Q GmbH – vermögensmäßig nicht beteiligt gewesen. An der „neuen” (fiktiv aufnehmenden) Personengesellschaft sei er hingegen (über die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG) vermögensmäßig zu 100 % beteiligt.

    Aus dem Urteil des BFH vom 29.02.2012 lasse sich – anders als die Klägerin meine – nichts Gegenteiliges herleiten. Maßgeblich für diese Entscheidung sei gewesen, dass neben dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG auch der (subsidiäre) Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfüllt gewesen sei. Insoweit hätte sich eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG ergeben. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

    Der Senat hat die Sache am 28.11.2012 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat zu Recht angenommen, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG erfüllt ist und eine Steuerbefreiung nach § 6 GrEStG nicht in Betracht kommt.

    Die Beteiligten gehen zutreffend übereinstimmend davon aus, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG erfüllt ist. Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2 a Satz 1 GrEStG). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Gesellschafterbestand der Klägerin hat sich durch den Abspaltungsvorgang unmittelbar dergestalt verändert, dass statt der zu 100 % an ihrem Vermögen beteiligten H P Q GmbH nunmehr die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG (zu 100 % beteiligte) Kommanditistin ist.

    Dass Herr X Q sowohl alleiniger Anteilseigner der H P Q GmbH als auch alleiniger, zu 100 % am Vermögen der Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG beteiligter Kommanditist ist, steht dem nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG selbst dann erfüllt, wenn der übertragende Gesellschafter nach der Übertragung über den neuen Gesellschafter weiter mittelbar am Gesellschaftsvermögen beteiligt bleibt (BFH Urteil vom 29.02.2012 II R 57/09, BFHE 237, 244 = BFH/NV 2012, 1260). Hieraus folgt, dass § 1 Abs. 2 a GrEStG erst recht eingreift, wenn die übertragende Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist, deren Alleingesellschafter zugleich Gesellschafter der eintretenden Personengesellschaft ist.

    Entgegen der Ansicht der Klägerin findet § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG keine entsprechende Anwendung. Zwar ist § 6 Abs. 3 GrEStG auch auf den fiktiven Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 a GrEStG anwendbar (Viskorf in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 6 Rn. 40 mit weiteren Nachweisen). Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG wird beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Steuer nicht erhoben, soweit Anteile der Gesellschafter am Vermögen der erwerbenden Gesamthand den jeweiligen Anteilen dieser Gesellschafter am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen. In Fällen des fiktiven Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2 a GrEStG wird die Steuer – in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift – nicht erhoben, soweit die Gesellschafter der – fiktiv – übertragenden Personengesellschaft an der – fiktiv – aufnehmenden Personengesellschaft beteiligt bleiben. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand unmittelbar an einer anderen beteiligt ist, ist dabei nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungsobjekt anzusehen, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten geboten (BFH Urteil vom 29.02.2012 II R 57/09, aaO; BFH Urteil vom 27.04.2005 II R 61/03, BStBl. II 2005, 649).

    Anders verhält es sich, wenn unmittelbar Beteiligte eine Kapitalgesellschaft ist. Für Zwecke des § 6 Abs. 3 GrEStG kann grundsätzlich nicht durch die unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft auf den dahinter stehenden mittelbar Beteiligten „durchgeschaut” werden. Dies folgt daraus, dass Kapitalgesellschaften im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG nicht als transparent angesehen werden und ihnen als dinglich Berechtigte grunderwerbsteuerlich das Vermögen der Personengesellschaft zugeordnet wird (BFH Urteil vom 29.02.2012 II R 57/09, aaO, mit weiteren Nachweisen).

    Hieraus folgt, dass in Bezug auf die – fiktiv – aufnehmende Personengesellschaft auf Herrn Q abzustellen ist. Denn er ist über die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG zu 100 % an der Klägerin beteiligt. Im Hinblick auf die – fiktiv – übertragende Personengesellschaft ergibt sich hingegen, dass eine „Durchschau” auf Herrn Q nicht möglich ist, weil die H P Q GmbH nicht transparent ist.

    Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 29.02.2012 II R 57/09 (aaO). Zwar hat der BFH hier entschieden, dass die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft einer Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht stets entgegensteht, dies jedoch zugleich auf den Ausnahmefall beschränkt, dass der teils unmittelbar und teils mittelbar allein vermögensmäßig beteiligte Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft seine Beteiligungen auf eine andere Gesamthandsgemeinschaft überträgt, an deren Vermögen er unmittelbar (oder über eine weitere Gesamthandsgemeinschaft mittelbar) allein beteiligt ist. Maßgeblich für das Eingreifen dieses Ausnahmefalls ist dementsprechend, dass die andere Gesamthandsgemeinschaft (lediglich) zwischengeschaltet wird, indem sie die Beteiligungen (d.h. auch die Anteile an der Kapitalgesellschaft) übernimmt. In diesem Fall verbleibt das Grundstück trotz des Rechtsträgerwechsels in dem durch § 6 GrEStG abgesteckten Zurechnungsbereich. Denn dem Gesellschafter ist das Grundstück grunderwerbsteuerlich über seine Beteiligung am Gesamthandsvermögen zuzurechnen. In diesem Sinne ist auch der von der Klägerin zitierte Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2009 zu verstehen. Dieser betrifft ebenfalls die Konstellation, dass eine Personengesellschaft zwischengeschaltet wird, indem die Anteile am Stammkapital der Kapitalgesellschaft auf sie (die Personengesellschaft) übertragen werden (vgl. auch Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, § 6 Rn. 16: „Beiseiteschieben” der zwischengeschalteten Personengesellschaft und die Durchschau auf denjenigen, der am Vermögen der Personengesellschaft beteiligt ist, ist gerechtfertigt, weil dessen gesamthänderische Beteiligung sich auf die Anteile an der Kapitalgesellschaft erstreckt, die die Personengesellschaft innehat).

    Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG hat nicht die Anteile am Stammkapital der H P Q GmbH übernommen. Vielmehr sind die Kommanditanteile an der Klägerin von der H P Q GmbH auf die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG übergegangen. Diese Fallgestaltung ist mit der, dass eine Gesamthandsgemeinschaft lediglich zwischengeschaltet wird, sich also das Zurechnungssubjekt – der an der Gesamthand Beteiligte – nicht ändert, nicht vergleichbar.

    Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.

    VorschriftenGrEStG § 1 Abs 2a, KStG § 37 Abs 7, KStG a.F. § 47 Abs 1, AO § 182 Abs 1, GrEStG § 6 Abs 3

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