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  • 11.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141712

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 13.03.2014 – 4 K 32/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 4 K 32/12

    rechtskräftig

    Tatbestand

    Streitig ist die Rechtzeitigkeit des Einspruchs.
    Durch Bescheide vom 23. Juni 2011 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2009 gegen den Kläger fest. Die Bescheide wurden am 27. Juni 2011 mit Zustellungsurkunde zugestellt. Die Festsetzungen beruhten auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen, weil der Kläger der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen nicht nachgekommen war.

    Am 8. August 2011 gingen bei dem FA von dem Kläger unterschriebene Ausdrucke der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuererklärung ein. Es handelte sich dabei um sogenannte komprimierte Steuererklärungen, die der Kläger mit dem von der Finanzverwaltung bereitgestellten Programm „ElsterFormular“ erstellt hatte.

    Die Ausdrucke trugen die Telenummern „8..“ bzw. „2..“. Die darin enthaltenen Daten hatte der Kläger am 6. August 2011 in nicht authentifizierter Form über das Internetportal Elster übermittelt. In dem beigefügten Anschreiben wies er darauf hin, dass er die Erklärungen bereits im Juli übermittelt habe, dabei jedoch Probleme beim Ausdruck der Erklärungen gehabt habe und diese daher noch einmal übermittle. Die Fehlausdrucke waren beigefügt.

    Das FA wertete die Einreichung dieser Ausdrucke als Einspruch gegen die Steuerbescheide, wies den Kläger mit Schreiben vom 14. September 2011 aber darauf hin, dass dieser verspätet sei und eine Änderung der Steuerfestsetzungen zu seinen Gunsten daher nicht mehr erfolgen könne.

    Mit Schreiben vom 21. September 2011 teilten seine Prozessbevollmächtigten dem FA mit, dass die Daten der Umsatzsteuererklärung bereits am 24. Juli 2011 und die Daten der Einkommensteuererklärung am 27. Juli 2011 unter den Telenummern „1..“ bzw. „P..“ per Elster übertragen worden seien. Da der Kläger keine Ausdrucke habe erzeugen können, habe er seinen EDV-Berater um Überprüfung gebeten. Dabei hätten sich tatsächlich EDV-Fehler ergeben, die den Kläger veranlasst hätten, die Übertragung am 6. August 2011 nochmals vorzunehmen.

    Da bereits am 24. bzw. 27. Juli 2011 Daten übermittelt worden seien, seien die Einsprüche gegen die Steuerbescheide rechtzeitig erhoben worden. Der Kläger habe bei der Verwendung des von der Finanzverwaltung bundesweit zur Verfügung gestellten Programms darauf vertrauen dürfen, dass dem FA die Daten zugehen würden. Dies gelte umso mehr, als die von ihm erstellten Datenübertragungsprotokolle keinen Hinweis darauf enthalten hätten, dass die Übertragung fehlgeschlagen sei.
    Mit Schreiben vom 14. November 2011 beantragte der Kläger hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

    Durch Einspruchsbescheid vom 11. Januar 2012 verwarf das FA die Einsprüche gegen den Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid 2009 als unzulässig. Zur Begründung führte es aus:

    Die Einsprüche seien verspätet. Würden Steuererklärungen per Elster in nicht authentifizierter Form abgegeben, gingen diese dem FA erst mit dem Eingang der von dem Steuerpflichtigen unterschriebenen Erklärungsausdrucke zu. Dieser sei im Streitfall erst am 8. August 2011 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist am 27. Juli 2011 erfolgt. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor. Wie sich aus der Übermittlung der Ausdrucke am 8. August 2011 ergebe, sei dem Kläger bekannt gewesen, dass für die wirksame Abgabe der Steuererklärungen die Einreichung unterschriebener Ausdrucke erforderlich sei.

    Hiergegen richtet sich die am 10. Februar 2012 erhobene Klage. Zu deren Begründung führt der Kläger aus:

    Das FA habe die Einsprüche zu Unrecht als unzulässig verworfen, da bereits die innerhalb der Einspruchsfrist erfolgte Übermittlung der Steuererklärungsdaten per Elster als Einspruch gegen die Steuerbescheide zu werten sei. Zwar sei der Einspruch nach § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Doch lasse es § 357 Abs. 1 Satz 2 AO genügen, wenn aus dem Schriftstück hervorgehe, wer den Einspruch eingelegt habe. Der Einreichung eines Schriftstücks stelle § 87a AO die Übermittlung eines elektronischen Dokuments gleich. Die elektronisch übermittelten Daten seien auch in den Machtbereich des FA gelangt, wie sich aus der Vergabe von Tele- sowie Transferticketnummern ergebe. Dass das FA ohne Kenntnis der auf den komprimierten Ausdrucken vermerkten Telenummern nicht auf die Daten habe zugreifen können, sei unerheblich.

    Der Kläger beantragt,
    unter Änderung der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide 2009 vom 23. Juni 2011 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2012 die Einkommen- und Umsatzsteuer nach Maßgabe der eingereichten Steuererklärungen festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er hält an der dem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Auffassung fest. Ergänzend führt er aus:
    Ein elektronisches Dokument sei erst in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem es die für den Empfang bestimmte Einrichtung in einer für den Empfänger bearbeitbaren Weise aufgezeichnet habe. Damit seien die Steuererklärungen erst mit der Einreichung der unterschriebenen Ausdrucke in seinen Machtbereich gelangt. Denn bis zu diesem Zeitpunkt habe es keine Möglichkeit gehabt, auf die übermittelten Daten zuzugreifen. Die beim Ausdruck der Erklärungen aufgetretenen Fehler seien nicht auf Fehler der verwendeten Elster-Software zurückzuführen und könnten ihm - dem FA - daher nicht angelastet werden. Im Übrigen seien nur unter den für die Übertragungen vom 6. August 2011 vergebenen Telenummern „8..“ bzw. „2..“ Daten abrufbar gewesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die Einsprüche gegen die Steuerbescheide vom 23. Juni 2009 zu Recht als unzulässig verworfen, weil diese erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingelegt worden sind (§ 358 Satz 2 AO).

    1. Der Einspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts bei der Behörde einzulegen, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies kann nach § 357 Abs. 1 Satz 1 AO schriftlich, elektronisch oder durch Erklärung zur Niederschrift geschehen.

    Im Streitfall begann die Einspruchsfrist mit der Zustellung der Steuerbescheide am 27. Juni 2011 (§ 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes i.V.m. § 122 Abs. 5 AO) und endete mit Ablauf des 27. Juli 2011 (§ 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. § 108 Abs. 1 AO). Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger auf keinem der nach § 357 Abs. 1 Satz 1 AO möglichen Wege Einspruch eingelegt.

    a) Die von dem Kläger unterschriebenen Steuererklärungen, deren Einreichung als Einspruch gegen die Schätzungsbescheide zu werten ist, sind erst am 8. August 2011 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist bei dem FA eingegangen.

    b) Die von dem Kläger am 24. bzw. am 27. Juli 2011 unternommene elektronische Übermittlung der Steuererklärungen stellt keinen wirksamen Einspruch dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieser Übermittlungsversuch erfolgreich gewesen ist oder nicht.

    Gemäß § 1 Abs. 2 der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung vom 28. Januar 2003 (BGBl. I 2003, 139) in der für den Streitfall maßgebenden Fassung der Verordnung vom 20. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 3380) bestimmt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder durch ein im Bundessteuerblatt zu veröffentlichendes Schreiben Art und Einschränkungen der elektronischen Übermittlung von für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Daten. Nach Nr. 1 Abs. 2 des für den Streitfall maßgebenden BMF-Schreibens vom 15. Januar 2007 (BStBl. I 2007, 95) war die elektronische Übermittlung von für das automatisierte Besteuerungsverfahren erforderlichen Daten zulässig, soweit die Finanzverwaltung hierfür einen Zugang eröffnet hatte. Nach der dem Schreiben als Anlage beigefügten Übersicht der eröffneten Zugänge war in Niedersachsen für die Abgabe von Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen neben einem authentisierten Zugang ein Zugang mit komprimierter Steuererklärung eröffnet. Bei der Nutzung dieses - vom Kläger gewählten - Zugangswegs ersetzt die elektronische Übermittlung nicht die Abgabe einer Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck im Sinne des § 150 Abs. 1 AO (Nr. 5 Abs. 2 Satz 1 des BMF-Schreibens in BStBl. I 2007, 95). Auch die Fristen zur Abgabe einer Steuererklärung werden durch die Übermittlung der Steuererklärungsdaten nicht gewahrt (Nr. 5 Abs. 2 Satz 3 des BMF-Schreibens in BStBl. I 2007, 95).

    Diese Regelungen stehen in Einklang mit § 87a Abs. 1 Satz 2 AO, wonach ein elektronisches Dokument zugegangen ist, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung es in für den Empfänger bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat. Entscheidend ist daher, dass das elektronisch übermittelte Dokument von dem Empfänger geöffnet und gelesen werden kann (Brandis, in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 87a AO Randnummer 8; Schmitz, in Schwarz, Abgabenordnung, § 87a Randnummer 9).

    Diese Voraussetzung ist bei der Übermittlung von Steuererklärungen mit komprimierter Steuererklärung erst zu dem Zeitpunkt erfüllt, zu dem das FA - in der Regel durch Eingang des Erklärungsausdrucks - Kenntnis von der für den Übermittlungsvorgang vergebenen Telenummern erhält. Denn erst hierdurch erhält es die Möglichkeit, auf die von dem Steuerpflichtigen übermittelten Daten zuzugreifen. Die gegenteilige Auffassung des Klägers, es reiche für den Zugang aus, dass überhaupt Daten in den Machtbereich der Finanzverwaltung gelangt seien, auf die das FA zu einem späteren Zeitpunkt habe zugreifen können, verkennt, dass das Wesen des Zugangs gerade in der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger besteht (vgl. Brandis, in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanz¬gerichtsordnung, § 87a AO Randnummer 8). Im Streitfall sind dem FA die Telenummern zu den Datenübermittlungen vom 24. bzw. 27. Juli 2011 aber erstmals mit der Übersendung der diesbezüglichen Übertragungsprotokolle am 22. September 2011 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist bekannt geworden. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob bei diesen Übertragungsversuchen überhaupt Daten übermittelt wurden, auf die das FA mit Hilfe der Telenummern hätte zugreifen können.
    2. Dem Kläger kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Er war nicht - wie in § 110 Abs. 1 Satz 1 AO vorausgesetzt - ohne Verschulden verhindert, die Einspruchsfrist einzuhalten. Die technischen Probleme, die den Ausdruck der am 24. bis 27. Juli 2014 übermittelten Daten verhinderten, standen der Wahrung der Einspruchsfrist nicht entgegen. Denn es wäre dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, anstelle der komprimierten Steuererklärungen ein formloses Einspruchsschreiben einzureichen oder den Einspruch zur Niederschrift zu erklären.

    Auch die irrige Annahme des Klägers, dass bereits die - nach seiner Vorstellung erfolgreiche - Übermittlung der Erklärungsdaten zur Wahrung der Einspruchsfrist ausgereicht habe, würde keinen Entschuldigungsgrund für die Fristversäumung darstellen. Denn auf der Internetseite www.elster.de wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Telenummer auf der komprimierten Erklärung für die Bediensteten des FA den Schlüssel bildet, um die übermittelten Daten bearbeiten zu können, und aus diesem Grund dringend empfohlen, die komprimierte Steuererklärung möglichst zeitnah nach der Datenübermittlung bei dem FA einzureichen.

    Hiernach konnte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass bereits die - nach seiner Vorstellung - erfolgreiche Übermittlung der Daten eine Kenntnisnahme des FA vom Inhalt der Steuererklärungen ermöglichen würde.

    3. Die Klage ist daher abzuweisen. Die Kosten sind dem Kläger als unterlegenem Beteiligten aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung).

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