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  • Personen- und Kapitalgesellschaften

    Grunderwerbsteuer bei Gesellschafterwechsel und Anteilsvereinigung

    von Dipl.- Finw. Hans- Ulrich Kühn, Borgholzhausen

    Grunderwerbsteuerliche Fragen geraten zunehmend in den Fokus der Betriebsprüfung. Hierbei geht es weniger um die Haupttatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG, da hier regelmäßig ein Notar mitwirkt, der den grunderwerbsteuerlichen Vorgang gemäß § 18 GrEStG dem FA anzeigt. Vielmehr geht es um die Ergänzungstatbestände. Dies sind – neben den hier nicht behandelten Treuhandverhältnissen – insbesondere Fälle des Gesellschafterwechsels bei Gesamthandsgemeinschaften mit Grundbesitz gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG und der Anteilsvereinigungen bei Gesellschaften mit Grundbesitz gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG. Anders als bei den Haupttatbeständen sind hier nämlich die Beteiligten (= Steuerschuldner) gemäß § 19 GrEStG zur Anzeige verpflichtet, die dies jedoch im Einzelfall schon mal übersehen, da sie den grunderwerbsteuerlichen Tatbestand gar nicht erkannt haben. Nachfolgend werden daher die grunderwerbsteuerlichen Grundsätze des Gesellschafterwechsels bei Gesamthandsgemeinschaften und der Anteilsvereinigung dargestellt und an Beispielen erläutert.

    1.Gesellschafterwechsel bei Gesamthandsgemeinschaften

    Grundsätzlich sind Veränderungen der Beteiligungsquote und Wechsel der Gesellschafter keine grunderwerbsteuerlich relevanten Vorgänge, denn es liegen keine Rechtsgeschäfte vor, die einen Anspruch auf Übereignung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG begründen. Die gesamthänderische Zurechnung der Grundstücke im Gesellschaftsvermögen wird nämlich durch einen Gesellschafterwechsel nicht berührt. Um hier „Steuerschlupflöcher“ zu schließen, ist zum 1.1.97 aber der Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG geschaffen worden, der zum 1.1.00 modifiziert worden ist. Die Rechtslage hat sich wie folgt entwickelt:

    1.1 Rechtslage bis 31.12.96

    Die Auswechslung aller Gesellschafter einer Gesamthandsgemeinschaft mit Grundbesitz führt nicht zur Grunderwerbsteuer, soweit ein lebender Gewerbebetrieb gegeben ist und die Voraussetzungen der Anteilsvereinigung nicht erfüllt sind. Bei einer Gesamthandsgemeinschaft, die sich auf das Halten und Verwalten von eigenem Grundbesitz beschränkt, genügt das Zurückbehalten eines Zwerganteils, um „Grunderwerbsteuer“ zu vermeiden. Ausnahmen gelten nur bei krassen Missbrauchsfällen (vgl. GStB 03, 373/374).

    1.2 Rechtslage ab 1.1.97 bis 31.12.99

    Grundsätzlich, das heißt soweit keine Steuerbefreiungsvorschriften greifen, ergibt sich gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG eine Grunderwerbsteuerpflicht hinsichtlich der Grundstücke des Gesamthandsvermögens, wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand vollständig oder wesentlich ändert. Eine wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes ist anzunehmen, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Übertragung des Grundstücks auf die neue Personengesellschaft vorliegt. Dies ist stets der Fall, wenn (zumindest) 95 Prozent der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, wobei der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht bleibt. Nicht steuerbar ist allerdings die Änderung der Anteilsverhältnisse im Kreis der Altgesellschafter. Personengesellschaften in diesem Sinne sind insbesondere die GbR, die OHG und die KG (einschließlich der GmbH & Co. KG), auch wenn sich deren Zweck nicht im Halten und Verwalten von inländischen Grundstücken erschöpft.

    Die Neuregelung erfasst grundsätzlich fünf Jahre rückwirkend Änderungen im Gesellschafterbestand, wobei jedoch Änderungen vor dem 1.1.97 unberücksichtigt bleiben (BFH 8.11.00, BStBl II 01, 422). Der Fünf- Jahres- Zeitraum beginnt also frühestens mit dem erstmaligen Übergang eines Anteils auf einen neuen Gesellschafter ab 1.1.97.

    Auch bei einem Übergang von weniger als 95 Prozent der Anteile kann nach Ansicht der Finanzverwaltung Grunderwerbsteuer anfallen, wenn hierin – wirtschaftlich betrachtet – eine wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes zu sehen ist. Allerdings ist insoweit das BFH- Ur- teil vom 30.4.03 (II R 79/00, Abruf-Nr. 031745) zu beachten. Danach erfüllen Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, die insgesamt weniger als 95 Prozent der Anteile betroffen ha- ben, nie den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG in der bis Ende 1999 geltenden Fassung. Begründet wird das Urteil mit der unbestimmten Formulierung des § 1 Abs. 2a GrEStG. Anwendungsregeln zu § 1 Abs. 2a GrEStG und anderen Fragen ergeben sich im Übrigen aus dem gemeinsamen Ländererlass zu dieser Vorschrift vom 24.6.98 (BStBl I, 925).

    1.3 Rechtslage ab 1.1.00

    Mit der geänderten Fassung des § 1 Abs. 2a GrEStG ist die Regelung zur „wirtschaftlichen Betrachtung“ aufgegeben worden, wodurch sicher eine ganze Reihe von Streitfällen vermieden wird. Es wird nur noch darauf abgestellt, ob innerhalb des Fünf- Jahres- Zeitraumes eine Änderung des Gesellschafterbestandes von mindestens 95 Prozent erreicht wird. Ferner wird ausdrücklich geregelt, dass hier sowohl unmittelbare als auch mittelbare Veränderungen zu berücksichtigen sind. Zur Anwendung des ab 1.1.00 geänderten § 1 Abs. 2a GrEStG wird auf den gemeinsamen Ländererlass vom 7.2.00 (BStBl I, 344) hingewiesen.

    1.4 Bemessungsgrundlage

    Bis 31.3.99 ist Bemessungsgrundlage der Teil der Leistung für die Erlangung der Gesellschafterstellung, der auf Grundstücke im Vermögen der Personengesellschaft entfällt (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG); ab 1.4.99 ist Bemessungsgrundlage der Bedarfswert gemäß § 138 Abs. 2 oder 3 BewG (§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG).

    1.5 Steuerbefreiungen

    Auf die nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Erwerbe sind sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage die personenbezogenen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG anwendbar, wonach insbesondere folgende Grundstückserwerbe steuerfrei sind: Erwerbe von Todes wegen, durch Schenkungen i.S. des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes, Grundstückserwerbe vom Ehegatten und Grundstückserwerbe zwischen Personen, die in gerader Linie miteinander verwandt sind. Weiterhin ist die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 EStG zu beachten (Übergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand). Danach ist Steuerfreiheit gegeben, soweit ein Gesellschafter sowohl an der alten als auch an der neuen Gesamthandsgemeinschaft beteiligt ist. Zusätzliche Voraussetzung ist allerdings, dass die Sperrfristen des § 6 Abs. 3 S. 2 und des Abs. 4 GrEStG von jeweils fünf Jahren eingehalten werden. Das heißt, der Anteil des Gesellschafters an der übertragenden Gesamthand muss bereits mehr als fünf Jahre bestehen (es sei denn die Gesellschaft existiert noch keine fünf Jahre, BFH 14.6.73, BStBl II, 802). Der Anteil an der erwerbenden Gesamthand darf in den nächsten fünf Jahren nicht vermindert werden.

    Hinweis: Die Fünf-Jahres-Frist im Anschluss an einen steuerfreien Erwerb ist auch in anderen Fällen zu beachten. Beispielsweise gilt beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine GmbH & Co. KG die Steuerfreiheit des § 5 Abs. 2 GrEStG. Ein Gesellschafterwechsel, genauer gesagt eine Verminderung des Einbringenden am Vermögen der Gesamthand, innerhalb von fünf Jahren nach einer Einbringung macht die ursprüngliche Steuerfreiheit aber zunichte (§ 5 Abs. 3 GrEStG). Treffen die Tatbestände des § 1 Abs. 2a GrEStG und des § 5 Abs. 3 GrEStG oder des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG aufeinander, verhindert § 1 Abs. 2a S. 3 GrEStG allerdings eine Doppelbelastung.

    2. Anteilsvereinigung

    Die Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) war auch schon vor dem 1.1.77 grunderwerbsteuerpflichtig, das heißt, die rechtliche mittelbare und unmittelbare Vereinigung und die Übertragung von vereinigten Anteilen von Gesellschaften mit Grundbesitz führte zur Grunderwerbsteuer. Zum 1.1.97 ist hier lediglich der Zusatz aufgenommen worden „soweit eine Besteuerung gemäß Abs. 2a nicht in Betracht kommt“, um § 1 Abs. 2a GrEStG Vorrang einzuräumen. Betroffene Gesellschaften sind insbesondere die AG, die GmbH, die KG, die OHG und die GbR.

    Der Anteil einer Personengesellschaft ist in diesem Zusammenhang die gesellschaftsrechtliche Beteiligung, nämlich die aus der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft resultierende gesamthänderische Mitberechtigung in Bezug auf das (aktive) Gesellschaftsvermögen. Eine kapital- oder wertmäßige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ist nicht erforderlich. Eine Anteilsvereinigung bei einer GmbH & Co. KG ist daher nur dann gegeben, wenn sowohl die Anteile der (evtl. kapitalmäßig nicht beteiligten) Komplementär- GmbH als auch die Kommanditanteile zu 100 bzw. zu 95 Prozent (ab 1.1.95) mittelbar und unmittelbar in einer Hand vereinigt oder übertragen werden (BFH 26.7.95, BStBl II, 736; FinMin NRW 20.4.00, S 4501- 9 - VA 2, GrEStG- Kartei NRW). Kommt es bei Personengesellschaften zu einer unmittelbaren Vereinigung aller Anteile in einer Hand, ist § 1 Abs. 3 GrEStG allerdings nicht einschlägig, da dies regelmäßig eine Anwachsung sein wird, bei der sich die Grunderwerbsteuerpflicht bereits aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ergibt.

    In Anlehnung an die Verschärfung der Regelungen zum Gesellschafterwechsel bei Gesamthandsgemeinschaften gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG sind die Regelungen zur Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG zum 1.1.00 modifiziert worden. Es gilt Folgendes:

    2.1 Rechtslage bis 31.12.99

    Die rechtliche Vereinigung aller Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 u. 2 GrEStG) und die Weiterübertragung aller Anteile ist grundsätzlich grunderwerbsteuerpflichtig, soweit keine Steuerbefreiungsvorschriften greifen.

    Nach dem Urteil des BFH vom 31.7.91 (BFH/NV 92, 57) war der Zurückbehalt eines Zwerganteiles von einem Prozent kein Gestaltungsmissbrauch und verhinderte den Eintritt der Grunderwerbsteuerpflicht.

    2.2 Rechtslage ab 1.1.00

    Durch Art. 15 des StEntlG 1999/2000/2002 wird in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG zur Vermeidung von Umgehungen durch Zurückhaltung von Zwerganteilen gesetzlich bestimmt, dass die Vereinigung oder der Übergang von mindestens 95 Prozent der Anteile Grunderwerbsteuer auslösen. Außerdem wird gesetzlich klargestellt, dass dies auch für mittelbare Anteilsvereinigungen und mittelbare Anteilsübertragungen gilt. Zur Anwendung des ab 1.1.00 geänderten § 1 Abs. 3 GrEStG siehe den gemeinsamen Ländererlass vom 2.12.99 (BStBl I, 991).

    Wie erwähnt, lösen Anteilsvereinigungen bzw. Anteilsübertragungen i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG Grunderwerbsteuer schon dann aus, wenn mindestens 95 Prozent der Anteile unmittelbar oder mittelbar vereinigt oder übertragen werden. Vereinigungen in der Hand des Erwerbers i.S. des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG können sowohl unmittelbar als auch mittelbar über eine andere Gesellschaft oder teilweise unmittelbar und teilweise mittelbar über eine andere Gesellschaft erfolgen. Mittelbare Beteiligungen können allerdings nur berücksichtigt werden, soweit an der Gesellschaft, die die Beteiligung vermittelt, mindestens 95 Prozent gehalten werden.

    Waren bis 31.12.99 bereits mindestens 95 Prozent oder mehr der Anteile einer Gesellschaft in einer Hand vereinigt und wird diese Beteiligung nach dem 31.12.99 ganz oder teilweise aufgestockt, führt dies nicht zur Steuerpflicht nach der Neuregelung gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG, da am 1.1.00, dem Anwendungszeitpunkt der Neuregelung, die Anteilsvereinigung in Höhe von mindestens 95 Prozent bereits eingetreten war und der Erwerb eines weiteren Anteils keine erneute Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 3 GrEStG zur Folge hat – und zwar auch nicht für die nach dem Überschreiten der 95-Prozent-Grenze hinzuerworbenen Grundstücke.

    2.3 Bemessungsgrundlage

    Ab 1.1.97 bemisst sich die Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigungen nach den Bedarfswerten gemäß § 138 Abs. 2 oder 3 BewG.

    2.4 Steuerbefreiungen

    Sowohl die personenbezogenen Steuerbefreiungen des § 3 GrEStG als auch die Steuerbefreiungen des § 6 GrEStG gelten nur für Anteilsvereinigungen bei Personengesellschaften. Danach ist insbesondere eine Steuerbefreiung gegeben, soweit der Erwerber schon vorher an der Gesamthandsgemeinschaft beteiligt gewesen ist. Erfolgen gemäß § 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG steuerpflichtige Vorgänge nacheinander, so unterliegen diese grundsätzlich auch mehrfach der Grunderwerbsteuer, doch wird gemäß § 1 Abs. 6 GrEStG die Steuer nur von der jeweiligen Differenz der Bemessungsgrundlagen erhoben, soweit Erwerberidentität gegeben ist.

    3. Beispiele

    Zu der Theorie nun die folgenden Grundfälle, wie sie in der Praxis anzutreffen sind:

    4. Fazit

    Diese einfachen und in ihrer Abfolge zugegebenermaßen konstruierten Fälle zeigen, dass bei der Konzeption von gesellschaftsrechtlichen Veränderungen grunderwerbsteuerliche Fragen eine gewichtige Rolle spielen. Insbesondere bei mehrstöckigen Gesellschaften können gesellschaftsrechtliche Umgestaltungen auf einer höheren Ebene zu grunderwerbsteuerlichen Belastungen auf einer unteren Ebene führen. Hier sind Berater und Betriebsprüfer gleichermaßen gefordert.

    In der nächsten Ausgabe werden wir auf grunderwerbsteuerliche Fragen bei Umwandlungen und Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage eingehen.

    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 10/2003, Seite 417

    Quelle: Ausgabe 10 / 2003 | Seite 417 | ID 103866

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