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  • · Fachbeitrag · Familienheim

    Probleme mit der Eigennutzung im Erbfall

    von StB Hans Günter Christoffel, Bornheim

    | Die Steuerbefreiung für das Familienheim in § 13 Abs. 4 Buchst. b ErbStG bereitet beim Übergang eines Familienheims von Todes wegen auf den überlebenden Ehegatten Probleme, wenn es um die erforderliche Eigennutzung des Erwerbers ab dem Besteuerungszeitpunkt für einen Zeitraum von zehn Jahren geht. Wird diese Zeitspanne nicht eingehalten, droht eine Nachversteuerung, teils mit einer erheblichen Steuerbelastung. Dies gilt es zu vermeiden, und zwar durch eine vorzeitige Schenkung zu Lebzeiten. Hier können Schwierigkeiten für den Schenker auftreten, die sich aber durch die geschickte Gestaltung von Rückforderungsrechten vermeiden lassen. |

    1. Ausgangsüberlegungen

    Ein Ehegatte verfügt über ein wertvolles Einfamilienhaus, das bei seinem Tod auf den überlebenden Ehegatten übergehen soll. Sollte dieser bereits verstorben sein, sollen seine Kinder das Einfamilienhaus erben. In beiden Fällen gewährt der Gesetzgeber in § 13 Abs. 4b und c ErbStG eine Steuerbefreiung, bei den Kindern allerdings begrenzt auf 200 qm Wohnfläche, wenn nach dem Tod des Erblassers die Erben unverzüglich die Eigennutzung in dem Einfamilienhaus aufnehmen und zehn Jahre lang nach dem Erwerb fortsetzen. Denn § 13 Abs. 1 Nr. 4b und c ErbStG regeln in einem S. 5 Folgendes:

     

    • Unverzügliche „dauerhafte“ Eigennutzung als Knackpunkt

    „Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.“

     

    Dies bezeichnet die Finanzverwaltung in R E 13.4 Abs. 6 S. 1 ErbStR 2019 als Nachversteuerungsvorbehalt. Es kommt also zu einer nachträglichen Besteuerung, unabhängig davon, wann die Selbstnutzung innerhalb des 10-Jahreszeitraums aufgegeben wird (Fallbeilmethode). Nur dann, wenn für die Aufgabe der Selbstnutzung objektiv zwingende Gründe vorliegen, wie z. B. im Fall des Todes oder im Fall einer Pflegebedürftigkeit, die die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt, wird auf die Nachversteuerung verzichtet. In R E 13.4 Abs. 6 ErbStR 2019 werden Tatbestände genannt, die zu einer Nachversteuerung führen, wie der Verkauf, die Vermietung, der längere Leerstand, die unentgeltliche Überlassung, aber auch die Weiterübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt.

     

    Beachten Sie | Durch den Nachversteuerungsvorbehalt ergibt sich also für den überlebenden Ehegatten der Zwang, den Zeitraum von zehn Jahren Selbstnutzung auf jeden Fall einzuhalten, um eine teils hohe Steuerbelastung durch Nachversteuerung des Grundstückswerts, ermittelt auf den Besteuerungszeitpunkt des Erblassers, zu vermeiden.

     

    Dies führt in der Praxis zu Überlegungen, das Familienheim noch zu Lebzeiten auf den anderen Ehegatten zu übertragen, um ihn vor diesen Verfügungsbeschränkungen im Fall seines Todes zu schützen. Aber was ist, wenn der beschenkte Ehegatte verstirbt? Dann erbt der Schenker sein Familienheim, das zwar steuerfrei bleibt, jedoch nur unter der Voraussetzung der Selbstnutzung über einen Zeitraum von zehn Jahren. Damit leidet der Schenker unter den Verfügungsbeschränkungen.

     

    Diese Gefahr besteht nicht, wenn feststeht, dass der Schenker vor dem Erwerber versterben sollte. Denken Sie an den Fall, dass der Schenker kurz vor seinem Tod das Familienheim an den Ehegatten überträgt. Dies lässt sich nicht immer so gestalten, und dies will man auch nicht immer so gestalten. Daher sucht man nach einer anderen Lösung.

    2. Gestaltungsüberlegungen

    Bei der Übertragung des Familienheims zu Lebzeiten unter Ehegatten sollte daran gedacht werden, dass sich eine eventuelle Besteuerung der Immobilie im Erbfall durch eine Vorversterbensklausel vermeiden lässt. Sollte der Bedachte vor dem Schenker versterben, hat der Schenker das Recht, das von ihm zugewandte Familienheim zurückzufordern. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit das zugewandte Familienheim wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden muss.

     

    Beachten Sie | Die Erfüllung des Herausgabeanspruchs führt nicht zu einer Schenkung des Bedachten an den Schenker, sondern stellt lediglich die Erfüllung eines zivilrechtlichen Herausgabeanspruchs dar; es fehlt hier an der Freigebigkeit einer Zuwendung.

     

    In diesem Zusammenhang ordnet § 29 Abs. 2 ErbStG an, den Erwerber für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, wie einen Nießbraucher zu behandeln.

     

    Der bedachte Ehegatte konnte das Familienheim ab dem Erwerbszeitpunkt zusammen mit seinem Ehegatten zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Für diesen Nutzungsvorteil ist der Jahreswert nach § 15 Abs. 2 BewG mit dem üblichen Mittelpreis des Verbraucherorts anzusetzen, also mit der ortsüblichen Miete. Dieser Jahreswert ist auf den Zeitraum vom Besteuerungszeitpunkt bis zur Herausgabe des Familienheims zu kapitalisieren.

     

    Dabei ist m. E. zweifelhaft, ob für den Kapitalwert die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG in Betracht kommt. Dies könnte aufgrund der Entscheidung des FG Baden-Württemberg im Urteil vom 11.5.22 (7 K 1550/20) möglich sein. In diesem Urteil geht es um die Anwendung der Steuerbegünstigungen nach § 13a ErbStG bei Rückgabe eines begünstigten KG-Anteils unter Zurückbehaltung der daraus gezogenen Nutzungen im Rahmen des fiktiven Nießbrauchs nach § 29 Abs. 2 ErbStG. In dem Urteil stellt das FG entscheidend darauf ab, dass der Bedachte bis zum Widerruf Mitunternehmer war und die während seiner Mitunternehmerstellung gezogenen Nutzungen sowohl bei Annahme einer Gesellschafterstellung als auch eines Nießbrauchs dieselben waren. Bezogen auf das Familienheim könnte nun argumentiert werden, dass die Nutzungen, die der Bedachte bis zur Rückgabe des Familienheims gezogen hat, dieselben waren, unabhängig davon, ob er sie als Eigentümer oder als Nießbraucher erhalten hat.

     

    Um sich dieser Diskussion allerdings nicht aussetzen zu müssen, wird empfohlen, die Übertragung des Familienheims unter Vorbehalt eines Nießbrauchs- oder Wohnrechts vorzunehmen, sodass der Bedachte von Anfang an ein Familienheim ohne Nutzungsbefugnis erhält und ihm aufgrund der fehlenden Nutzungsbefugnis kein Nutzungswert für ein Nießbrauchrecht zugerechnet werden kann.

     

    Im Übrigen besteht für den Schenker bei Vorbehalt eines Nutzungsrechts ein berechtigtes Interessen daran, dass sämtliche Verfügungen über das Familienheim nur mit seiner Zustimmung erfolgen dürfen. Solche Verfügungen können ebenfalls bei entsprechender Vertragsgestaltung einen Herausgabeanspruch auslösen. Die Gründe für eine Herausgabe lassen sich beliebig erweitern, insbesondere im Hinblick auf die Belastung des Grundstücks durch Grundschulden und Hypotheken oder durch nachrangige Nutzungsrechte. Sie gehen dann über in eine Schenkung unter freiem Rückforderungs- bzw. Widerrufsvorbehalt. Auch eine solche Schenkung ist erbschaftsteuerlich anzuerkennen, da die Schenkung in diesem Fall vollzogen ist, sodass der Bedachte Eigentümer wird. Damit ist der Schenkungsteuertatbestand abgeschlossen, so Geck in Kapp/Ebeling, Kommentar zum ErbStG, § 29 Rz. 31. Dies gilt selbst dann, wenn das Rückforderungs- bzw. Widerrufsrecht durch eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch abgesichert ist.

    3. Praktische Folgen

    Der Bedachte erhält das Familienheim ohne Nachbesteuerungsvorbehalt, auch wenn er darüber wirtschaftlich nicht verfügen kann. Stirbt der Schenker vor ihm, fallen die Rückforderungs- bzw. Widerrufsvorbehalte weg, wenn sie nicht vererblich gestaltet sind. Der Bedachte kann dann frei über das Familienheim verfügen. Eine solche Gestaltung macht immer dann Sinn, wenn der Bedachte aufgrund eines Testaments Alleinerbe des Schenkers werden soll oder wenn sich Ehegatten für ein Berliner Testament entscheiden.

     

    Kommt es zum Vorversterben des Bedachten oder tritt ein anderer Rückforderungsgrund ein, geht das Familienheim wieder zurück in das Eigentum des Schenkers und kann von ihm ohne Einschränkungen verwertet werden. Ein Nachversteuerungsvorbehalt, wie er im Fall der „Erbschaft“ des Familienheims nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zu beachten wäre, tritt nicht ein.

     

    PRAXISTIPP | Vor Vertragsabschluss sollte auf jeden Fall mit einem dafür befugten Rechtsberater geklärt werden, welche Folgen sich aus der Übertragung des Familienheims mit oder ohne Rückgabe- und Widerrufsvorbehalt auf die Sozialhilfe ergeben.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2023 | Seite 117 | ID 49307816

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