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  • · Fachbeitrag · Haftung

    Erblasserin hatte für ihre Pflegekraft keine LSt abgeführt

    von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

    | Der Arbeitgeber kann, wenn er von den Einkünften des Arbeitnehmers zu wenig LSt einbehalten und an das FA abgeführt hat, nach Inanspruchnahme und Zahlung der LSt an das FA deren Erstattung vom Arbeitnehmer verlangen ‒ so das ArbG Düsseldorf mit Urteil vom 14.9.17. |

    1. Erblasserin haftet für LSt, SolZ und KiSt

    Dem Urteil des ArbG Düsseldorf (14.9.17, 7 Ca 6921/16, Abruf-Nr. 200263) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Erblasserin E hatte die Beträge für LSt, SolZ und KiSt vollständig nachentrichtet. Nun streitet der Kläger K, der kraft testamentarischer Verfügung Rechtsnachfolger der E ist, mit der Beklagten B um die Erstattung der Beiträge.

     

    Die Beklagte B war ab Juli 2009 als Pflegekraft bei E tätig. Der Tätigkeit der B lag eine abhängige Beschäftigung im Sinne eines Arbeitsverhältnisses mit E zugrunde. Für ihre Tätigkeit stellte B Rechnungen zu einem Stundenlohn von 25 EUR aus. Einen Mehrwertsteuer-Ausweis enthielten die Rechnungen nicht. Die Rechnungen bezahlte die E ungekürzt, ohne Beträge für LSt, SolZ und KiSt einzubehalten.

     

    Auf die Beschäftigung der Beklagten in den Jahren 2009 bis 2013 entfiel von der Haftungssumme ein Betrag von 240.000 EUR. Dieser Betrag wurde durch E in der Folgezeit vollständig nachentrichtet. E bzw. K forderte B schriftlich zur Erstattung der sie betreffenden Haftungssumme von 240.000 EUR auf, was diese allerdings ablehnte.

    2. Muss die Pflegekraft die nachentrichteten Beträge erstatten?

    Die Klage ist zulässig und begründet. K hat aus übergegangenem Recht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 1937 BGB einen Anspruch auf Erstattung entrichteter Haftungsbeträge für LSt, SolZ und KiSt gegen B aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB i.V. mit § 38 Abs. 2 S. 1 EStG, § 42d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 S. 1 EStG, § 1 Abs. 2 SolZG, § 5 Abs. 1 S. 1 KiStG NRW.

     

    Denn nach ständiger Rechtsprechung (BAG 16.6.04, 5 AZR 521/03, NZA 04, 1274; LAG Rheinland-Pfalz 12.12.13, 2 Sa 403/13) kann der Arbeitgeber, wenn er von den Einkünften des Arbeitnehmers zu wenig LSt einbehalten und an das FA abgeführt hat, nach der Inanspruchnahme und Zahlung der LSt an das FA deren Erstattung vom Arbeitnehmer verlangen. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob der Arbeitgeber freiwillig oder aufgrund eines Haftungsbescheids die Steuerforderung für den Arbeitnehmer erfüllt. Der Arbeitgeber haftet zwar gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die LSt. Beim Einbehalt und der Abführung der LSt erfüllt der Arbeitgeber jedoch eine fremde Schuld. Schuldner der LSt ist gemäß § 38 Abs. 2 S. 1 EStG der Arbeitnehmer.

     

    Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 42d Abs. 3 S. 1 EStG Gesamtschuldner. Im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander ist dabei jedoch grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung. Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise der klar erkennbare Parteiwille darauf gerichtet ist, die Steuerlast solle den Arbeitgeber treffen. Dies ist der Fall, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien eine Nettolohnvereinbarung geschlossen wurde.

    3. Schwarzgeldabrede oder Nettolohnvereinbarung?

    Streitentscheidend ist damit, ob eine Nettolohnvereinbarung vorliegt. Insoweit ist zu beachten, dass der zwischen Arbeitsvertragsparteien vereinbarte Arbeitslohn in aller Regel einen Bruttolohn darstellt, der um die jeweiligen gesetzlichen Abgaben und Beiträge zu kürzen ist. Bei einer Nettolohnvereinbarung sollen gesetzliche Abgaben und Beiträge unabhängig von ihrer Höhe nicht zulasten des Arbeitnehmers, sondern ausnahmsweise insgesamt zulasten des Arbeitgebers gehen (BAG 26.8.09, AZR 616/08, juris). Unter einer Nettolohnvereinbarung ist demnach die Abrede zwischen den Parteien eines Arbeitsverhältnisses zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zusätzlich Lohn zuwendet, indem er die im Lohnsteuerabzugsverfahren zu erhebende LSt sowie die anfallenden Sozialversicherungsbeiträge trägt (BFH 25.10.13, VI B 144/12, BFH/NV 14, 181).

     

    Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer solchen Nettolohnvereinbarung trifft im Rückgriffsprozess den Arbeitnehmer. Gelingt ihm der Nachweis nicht, ist vom gesetzlichen Regelfall der Bruttolohnvergütung auszugehen (BAG 16.6.04, 5 AZR 521/03, NZA 04, 1274; HessLAG 19.5.04, 2 Sa 1678/03, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Außergewöhnlichkeit einer Nettolohnvereinbarung der darauf gerichtete Wille klar und eindeutig feststellbar sein muss. Daher gilt für denjenigen, der sich auf den Abschluss einer Nettolohnvereinbarung beruft, eine erhöhte Nachweispflicht sowohl hinsichtlich des Abschlusses als auch des Inhalts der Vereinbarung (BFH 25.10.13, VI B 144/12, BFH/NV 14, 181). Es bedarf der konkreten Darlegung, wann wer mit wem konkret vereinbart hat, dass der Arbeitgeber allein die Abführung von LSt und Sozialversicherungsbeträgen übernimmt.

     

    Es besteht dabei eine Vermutung, dass eine Nettolohnvereinbarung besteht, wenn der Arbeitgeber den Lohn stets bar, ungekürzt und ohne Erteilung einer Abrechnung auszahlt (LAG Köln 1.8.97, 11 (7) Sa 152/97, NZA-RR 98, 393; Griese in Küttner, Personalbuch, 24. Aufl. 2017, Nettolohnvereinbarung Rn. 3). Dies wird damit begründet, dass ohne die Annahme einer Nettolohnvereinbarung in solchen Fällen das Verhalten des Arbeitgebers rechtswidrig wäre.

     

    MERKE | Andererseits kann eine Schwarzgeldabrede ‒ mit der beide Vertragsteile eine Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben vereinbaren ‒ nicht als Nettolohnvereinbarung verstanden werden. Denn damit bezwecken die Arbeitsvertragsparteien lediglich, Steuern und Sozialabgaben nicht abzuführen, und gerade nicht deren Übernahme durch den Arbeitgeber (BAG 17.3.10, 5 AZR 301/09, NZA 10, 881; HessLAG 19.5.04, 2 Sa 1678/03, juris).

     
    Quelle: ID 45203025

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