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  • 09.08.2013

    Finanzgericht München: Urteil vom 03.04.2013 – 4 K 1973/10

    1. Haben Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, hat der Ehemann nach dem Tod der Ehefrau die Erbschaft ausgeschlagen
    sowie den zivilrechtlich gleichwohl weiter bestehenden Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht und macht nach dem Tod des
    Ehemanns dessen Alleinerbe nunmehr den „mitgeerbten” Pflichtteilsanspruch des Vaters gegen die Alleinerbin der Ehefrau geltend,
    so ist dieser geltend gemachte Pflichtteil bei der Ermittlung des erbschaftsteuerlichen Wertes des steuerpflichtigen Erwerbs
    des Erben des Ehemanns zu berücksichtigen.


    2. Dem die Erbschaft des Ehegatten ausschlagenden Hinterbliebenen bleibt im Falle des gesetzlichen Güterstandes das Pflichtteilsrecht
    erhalten (§ 2303 Abs. 2 S. 1, § 1371 Abs. 3 Halbs. 1 BGB). Der sich aus dem Pflichtteilsrecht ergebende erbrechtliche Anspruch
    2317 Abs. 1 BGB) besteht in einer gewöhnlichen Geldforderung i. S. d. § 270 BGB. Der gem. § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfalle
    zivilrechtlich entstandene Pflichtteilsanspruch gehört von da an zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten, und zwar unabhängig
    davon, ob er gegen den bzw. die Erben auch geltend gemacht wird. Der Pflichtteilsanspruch ist vererblich und übertragbar.


    3. Der Pflichtteilsanspruch ist nur unter den Voraussetzungen der Vorschrift des § 852 Abs. 1 ZPO, d. h. bei vertraglicher
    Anerkennung oder Rechtshängigkeit, pfändbar, so dass ein Pfändungsgläubiger dem Pflichtteilsberechtigten die Geltendmachung
    des Anspruches nicht aufzwingen kann;


    IM NAMEN DES VOLKES


    Urteil

    In der Streitsache


    hat der 4. Senat des Finanzgerichts München durch … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2013 für Recht erkannt:


    1. Die Klage wird abgewiesen.


    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.


    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten letztlich nur noch über die Rechtmäßigkeit des Ansatzes eines Pflichtteilsanspruches des Erblassers
    bei der Ermittlung des erbschaftsteuerrechtlichen Wertes des Erwerbes des Klägers.


    Die im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten A und B hatten zur Regelung ihrer jeweiligen Rechtsnachfolge im Todesfall
    eine Reihe verschiedener letztwilliger Verfügungen getroffen. B verstarb am 6. April 2008 und wurde infolge der Erbausschlagung
    seitens ihres Ehemannes, A, von C allein beerbt. B (im weiteren Erblasser genannt) verstarb am 4. September 2008 und wurde
    laut Erbschein des Amtsgerichts M vom 22. September 2008 vom Kläger, seinem Sohn, allein beerbt. Der Nachlass des Erblassers
    umfasste u.a. eine Eigentumswohnung in G, den halben Miteigentumsanteil am Mehrfamilienhaus in M, X-straße 39, zwei weitere
    Mehrfamilienhäuser in M (Y-straße 40 und X-straße 37) sowie Kapitalvermögen. Nach den letztwilligen Verfügungen des Erblassers
    hatte der Kläger eine Reihe von – hier nicht streitgegenständlichen – Vermächtnissen zu erfüllen. Der Prozessbevollmächtigte
    des Klägers war durch letztwillige Verfügung des Erblassers zum Testamentsvollstrecker bestellt.


    Am 25. Juni 2009 ließen der Kläger und C einen Tauschvertrag notariell beurkunden, in dem sie eine Reihe von Vereinbarungen
    festschrieben. Zum ersten kamen die beiden überein, dass dem Erblasser infolge der nach dem Tode seiner Ehefrau erklärten
    Erbausschlagung gegen C als deren Erbin ein bislang noch nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000
    EUR zugestanden hatte, der durch dessen Tod auf den Kläger übergegangen war. Zum zweiten waren der Kläger und C darüber einig
    geworden, dass der Kläger nach dem Tode des Erblassers auch Verfügungen über den Nachlass der B getroffen hatte und deshalb
    gegenüber C zur Leistung einer Ausgleichszahlung von 114.000 EUR verpflichtet war. Zum dritten übertrug C den ihrerseits erworbenen
    zweiten halben Miteigentumsanteil am Mehrfamilienhaus in M, X-straße 39 zum Verkehrswert von 866.000 EUR auf den Kläger und
    verzichtete zudem auf die Auszahlung des o.g. Ausgleichsanspruches. Zum vierten übertrug im Gegenzug der Kläger an C die Eigentumswohnung
    in G zu einem Verkehrswert von 580.000 EUR und verzichtete seinerseits auf die Auszahlung des ererbten Pflichtteilsanspruches.
    Der Ausgleichsanspruch der C sowie der Anspruch des Klägers aufgrund des Pflichtteilsrechtes des Erblassers wurden gegeneinander
    bzw. mit den Vermögenswerten der getauschten Immobilien verrechnet. Im Ergebnis hatten der Kläger und C somit Vermögenswerte
    in Höhe von jeweils 980.000 EUR getauscht.


    Mit Bescheid vom 29. Mai 2009 hatte der Beklagte ausgehend von einem Wert des Erwerbes von 2.686.036 EUR die Erbschaftsteuer
    des Klägers unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 471.390 EUR festgesetzt. Das durch Erbfall auf den Kläger übergegangene
    Mehrfamilienhaus in M, X-straße 37, der Miteigentumsanteil am Gebäude in M, X-straße 39 sowie das Mehrfamilienhaus in M, Y-straße
    40 waren darin mit Grundbesitzwerten berücksichtigt, die den nachträglich durch Bescheide des Finanzamts M jeweils vom 1.
    Juli 2009 bzw. vom 25. November 2009 festgestellten Grundbesitzwerten entsprachen. Auf Antrag des Klägers, bislang als Nachlassverbindlichkeiten
    außer Ansatz gebliebene Kosten der Nachlassregelung nachträglich zu berücksichtigen, setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer
    des Klägers unter Aufrechterhaltung des Vorbehaltes der Nachprüfung und unter Berücksichtigung eines Wertes des Erwerbes von
    2.607.064,05 EUR mit Bescheid vom 22. Juli 2009 auf 456.380 EUR herab.


    Mit Schreiben vom 19. November 2009 beantragte der Kläger beim Beklagten eine erneute Änderung der festgesetzten Erbschaftsteuer
    zu seinen Gunsten. Im Einzelnen zielte der Antrag auf die nachträgliche Berücksichtigung einer angeblich vom Erblasser herrührenden
    Nachzahlung von Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer jeweils für 2008 sowie auf die zusätzliche Berücksichtigung
    der Kosten des Erbscheinverfahrens in Höhe von 5.592 EUR. Dem Änderungsantrag kam der Beklagte nur insoweit nach, als er die
    bislang angesetzten Kosten der Nachlassregelung um 6.000 EUR erhöhte. Die ertragsteuerlichen Nachzahlungsbeträge ließ der
    Beklagte mit dem Hinweis auf die frühere bundesgerichtliche Rechtsprechung außer Ansatz. Im Ergebnis berücksichtigte der Beklagte
    einen Wert des Erwerbes von 2.601.072,05 EUR und setzte die Erbschaftsteuer des Klägers unter Aufrechterhaltung des Vorbehaltes
    der Nachprüfung mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 auf 455.240 EUR herab. Der Änderungsbescheid umfasste bereits die zeitgleich
    zum 2. Dezember 2009 durch das Finanzamt M erfolgte Grundbesitzwertfeststellung für die Eigentumswohnung in G, die zu einer
    Verminderung des Wertes des Erwerbes um 400 EUR geführt hatte. Der Kläger legte durch Schreiben vom 4. Dezember 2009 gegen
    die geänderte Steuerfestsetzung mit dem Ziel Einspruch ein, die genannten Steuernachzahlungsbeträge als Nachlassverbindlichkeiten
    anerkannt zu erhalten. Mit Schreiben vom 20. April 2010 teilte der Beklagte dem Kläger mit, bei Aufrechterhaltung des Einspruches
    die Erbschaftsteuerfestsetzung verbösern zu wollen. Im Einzelnen kündigte der Beklagte an, den Wert des erbschaftsteuerrechtlichen
    Erwerbes unter zusätzlicher Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruches des Erblassers von 400.000 EUR sowie des nachträglich
    bekannt gewordenen unstreitigen Erstattungsanspruches des Erblassers auf Kirchensteuer in Höhe von 664 EUR als Nachlassgegenstände
    auf 3.001.736,05 EUR heraufsetzen und die Erbschaftsteuer des Klägers dementsprechend erhöhen zu wollen. Der Kläger erhielt
    seinen Einspruch aufrecht. Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 setzte der Beklagte entsprechend seiner Verböserungsandrohung
    die Erbschaftsteuer des Klägers auf 531.373 EUR herauf, hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf und wies den Einspruch als unbegründet
    zurück.


    Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 13. Juni 2010 erhobene Klage, die der Kläger wie folgt begründet:

    Die Erbschaftsteuerfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung sei rechtswidrig. Der Pflichtteilsanspruch des Erblassers,
    über den sich der Kläger mit C nach dem Tode des Erblassers vertraglich geeinigt hatte, sei durch den Erblasser zu dessen
    Lebzeiten nicht geltend gemacht worden. Infolgedessen könne er auch bei der Bemessung der Erbschaftsteuer des Klägers nicht
    berücksichtigt werden. Die Erbschaftsteuer auf den Erwerb eines Pflichtteilsanspruches entstehe nach den gesetzlichen Vorschriften
    erst im Zeitpunkt seiner Geltendmachung. Da der Erblasser den Pflichtteilsanspruch zu seinen Lebzeiten nicht geltend gemacht
    hat, dürfe der Anspruch in Höhe von 400.000 EUR auch nicht in den Wert des Erwerbes durch den Kläger eingerechnet werden.
    Den Vorschriften des § 3 sowie § 9 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber
    Pflichtteilsansprüche unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt erbschaftsteuerrechtlich unberücksichtigt lassen wollte, solange
    diese nicht geltend gemacht werden. Das müsse auch für den im Streit stehenden Anspruch des Klägers gelten. Diese Rechtsansicht
    werde durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 19. Februar 2013 II R 47/11 auch bestätigt. Die Berücksichtigung der
    ursprünglich geltend gemachten ertragsteuerlichen Nachlassverbindlichkeiten werde – ausweislich des Schriftsatzes vom 16.
    März 2013 – als Klagebegehren ausdrücklich nicht mehr verfolgt.


    Der Kläger beantragt,

    den Erbschaftsteuerbescheid vom 2. Dezember 2009 in der durch die Einspruchsentscheidung geänderten Fassung vom 26. Mai 2010
    dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 455.373 EUR festgesetzt wird,


    hilfsweise, für den Fall der Klageabweisung die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Nach seiner Ansicht sei die Erbschaftsteuer zutreffend festgesetzt. Der Pflichtteilsanspruch des Erblassers habe als schuldrechtlicher
    Anspruch schon zu dessen Lebzeiten bestanden, sei somit Bestandteil des Nachlasses geworden und deshalb bei der Ermittlung
    des Wertes des Erwerbes des Klägers aufgrund Erbanfalls anzusetzen.


    Nach Schluss der mündlichen Verhandlung reichte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 3. April 2013 einen weiteren
    Schriftsatz ein. Der Kläger vertritt hierin die Rechtsansicht, dass ein Pflichtteilsanspruch überhaupt erst mit seiner Geltendmachung
    werthaltig werde und die Geltendmachung des Anspruches ein Tatbestandsmerkmal der Entstehung der Erbschaftsteuer für den Pflichtteilsanspruch
    sei. Die zusätzliche Erfassung des Besteuerungstatbestandes des Erwerbes eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches im
    klagegegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid neben dem Erwerbstatbestand durch Erbanfall habe wegen der Verknüpfung zweier
    unterschiedlicher Steuerentstehungszeitpunkte die Nichtigkeit des Erbschaftsteuerbescheides zur Folge. Da der Kläger in seinem
    nachträglichen Schriftsatz keine neuen Tatsachen vorträgt, sondern lediglich seine im Wesentlichen bereits im Termin zur mündlichen
    Verhandlung geäußerte Rechtsansicht noch weiter ausführt, sieht sich der Senat nicht dazu veranlasst, erneut in die mündliche
    Verhandlung einzutreten.


    Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten
    einschließlich des Schriftsatzes vom 3. April 2013, auf die den Kläger betreffenden Behördenakte und auf die Niederschrift
    über die mündliche Verhandlung vom 3. April 2013 Bezug genommen.


    Entscheidungsgründe:

    1.) Die fristgerecht erhobene, und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.

    a) Der Erbschaftsteuer unterliegt als steuerpflichtiger Vorgang der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer-
    und Schenkungsteuergesetzes in der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung –ErbStG –). Als ein solcher gilt u.a. gemäß §
    3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbfall im Sinne des § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der steuerpflichtige
    Erwerb besteht in der durch den Erwerb von Todes wegen eingetretenen Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht nach erbschaftsteuergesetzlichen
    Vorschriften steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Mit dem Erbfall gehen sowohl das Vermögen des Erblassers als Ganzes
    1922 Abs. 1, § 1942 Abs. 1 BGB) als auch dessen Verbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 1 BGB) auf den bzw. die Erben über. Als
    Bereicherung im erbschaftsteuer-rechtlichen Sinne gilt deshalb der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG
    zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG
    abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem wiederum nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden (§ 10 Abs.
    1 Satz 2 ErbStG). Der gegenständliche Umfang des erbschaftsteuerrechtlichen Vermögensanfalls bestimmt sich nach bürgerlich-rechtlichen
    Vorschriften (vgl. Bundesfinanzhof – BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991 II B 46/90, BFHE 163, 233, BStBl II 1991, 310). Zum
    Nachlass zählen demnach sämtliche schuldrechtliche Ansprüche und sachenrechtliche Rechte des Erblassers, mit Ausnahme seiner
    höchstpersönlichen und deshalb unvererblichen Rechte. Der Wert des Vermögensanfalls entspricht beim Erbfall an einen Alleinerben
    deshalb der Summe des Wertes sämtlicher zum Nachlass gehörender (vererbbarer) Vermögensgegenstände. Die erbschaftsteuerrechtliche
    Wertbestimmung richtet sich im Allgemeinen – vorbehaltlich der vorrangigen Regelungen in § 12 Abs. 2 bis 6 ErbStG – nach den
    Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes in der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung – BewG – (§ 12 Abs.
    1 ErbStG, §§ 1 – 16 BewG). Die Erbschaftsteuer entsteht im Regelfall mit dem Tode des Erblassers, soweit nicht die Ausnahmetatbestände
    gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis j) ErbStG Anwendung finden.


    b) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist der Erbschaftsteuerbescheid vom 2. Dezember 2009 in der durch
    die Einspruchsentscheidung geänderten Fassung vom 26. Mai 2010 weder in verfahrensrechtlicher noch in materiell-rechtlicher
    Hinsicht zu beanstanden.


    aa) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist die klagegegenständliche Erbschaftsteuerfestsetzung nicht gemäß § 125 Abs.
    1 der Abgabenordnung (AO) nichtig. Es ist dem Kläger einzuräumen, dass die Verknüpfung zweier unterschiedlicher Erwerbstatbestände
    von Todes wegen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit möglicherweise zwei unterschiedlichen Steuerentstehungszeitpunkten
    in einem einzigen Erbschaftsteuerbescheid rechtlichen Bedenken begegnen würde. Solche Umstände liegen jedoch im Streitfall
    nicht vor. Der Beklagte hat gegen den Kläger ausschließlich Erbschaftsteuer aufgrund eines einzigen Erwerbstatbestandes von
    Todes wegen festgesetzt. Die streitgegenständliche Erbschaftsteuer beruht nach dem Regelungsgehalt der Steuerfestsetzung durch
    den Beklagten ausschließlich auf dem Erwerb des Klägers durch Erbanfall als Alleinerbe des Erblassers (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 1.
    Alt. ErbStG). Einen weiteren Erwerbstatbestand, etwa den Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches (§
    3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. ErbStG) hat der Beklagte weder in dem klagegegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid noch anderweitig
    der Besteuerung unterworfen.


    bb) Der klagegegenständliche Erbschaftsteuerbescheid ist auch in sachlicher Hinsicht rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht
    den Pflichtteilsanspruch des Erblassers gegen C in Höhe von 400.000 EUR bei der Ermittlung des Wertes des erbschaftsteuerrechtlichen
    Erwerbes des Klägers berücksichtigt. Der Pflichtteilsanspruch, der dem Erblasser als Folge seiner Erbausschlagung nach dem
    Tode seiner vorverstorbenen Ehefrau gegen deren Alleinerbin, C, zugestanden hatte, ist Bestandteil des auf den Kläger nach
    dem Tode des Erblassers übergegangenen Nachlasses gewesen.


    Die Ausschlagung der Erbschaft (§ 1942 Abs. 1, § 1943 Abs. 1 BGB) hat zur Folge, dass der Erbanfall an den Ausschlagenden
    als nicht erfolgt gilt (§ 1953 Abs. 1 BGB) und die Erbschaft dann demjenigen anfällt, der berufen sein würde, wenn der Ausschlagende
    zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB). Dies gilt auch im Streitfall aufgrund der Erklärung
    des Erblassers, die Erbschaft nach dem Tode seiner vorverstorbenen Ehefrau auszuschlagen. Im Regelfall kann ein vorläufiger
    Erbe, der zum Kreise der pflichtteilsberechtigten Personen zählt, nach der Ausschlagung der Erbschaft auch keinen Pflichtteil
    mehr verlangen. Eine Ausnahme gilt für den Pflichtteil eines im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden
    Ehegatten (§ 2303 Abs. 2 Satz 1, § 1931 Abs. 1 BGB). Dem die Erbschaft des Ehegatten ausschlagenden Hinterbliebenen bleibt
    im Falle des gesetzlichen Güterstandes das Pflichtteilsrecht erhalten (§ 2303 Abs. 2 Satz 1, § 1371 Abs. 3 Halbsatz 1 BGB).
    Demzufolge ist im Streitfalle auch dem Erblasser trotz der Ausschlagung der Erbschaft seiner Ehefrau das Pflichtteilsrecht
    verblieben. Der sich aus dem Pflichtteilsrecht ergebende erbrechtliche Anspruch (§ 2317 Abs. 1 BGB) besteht in einer gewöhnlichen
    Geldforderung im Sinne des § 270 BGB (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 23. Oktober 1990 BReg 1 a Z 50/90,
    NJW-RR 1991, 394; BGH-Urteil vom 1. Oktober 1958 V ZR 53/58, BGHZ 28, 178; BFH-Urteil vom 7. Oktober 1998 II R 52/96, BFHE
    187, 50, BStBl II 1999, 23; vgl. auch Palandt BGB 72. Auflage 2013, § 2317 Rdn. 2; Münch-KommBGB/Lange 4. Aufl. 2004 § 2317
    Rdn. 4, 13). Der gemäß § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfalle zivilrechtlich entstandene Pflichtteilsanspruch gehört von da an
    zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten (Bundesgerichtshof – BGH-Urteile vom 8. Juli 1993 IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183 und
    vom 6. Mai 1995 IX ZR 147/96, NJW 1997, 2384), und zwar unabhängig davon, ob er gegen den bzw. die Erben auch geltend gemacht
    wird. Der Pflichtteilsanspruch ist zwar nur unter den Voraussetzungen der Vorschrift des § 852 Abs. 1 der Zivilprozessordnung
    (ZPO), d.h. bei vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit, pfändbar, so dass ein Pfändungsgläubiger dem Pflichtteilsberechtigten
    die Geltendmachung des Anspruches nicht aufzwingen kann (vgl. BGH-Urteil vom 6. Mai 1997 IX ZR 147/96, NJW 1997, 2384). Der
    Pflichtteilsanspruch ist jedoch vererblich und übertragbar (§ 2317 Abs. 2 BGB) und gehört beim Ableben des Pflichtteilsberechtigten
    zu dessen Nachlass. Somit ist der Kläger als Gesamtrechtsnachfolger des ehemals pflichtteilsberechtigten Erblassers zivilrechtlich
    befugt gewesen, den durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruch des Erblassers gegen die Alleinerbin der vorverstorbenen
    A nachträglich geltend zu machen, auch wenn der verstorbene Pflichtteilsberechtigte dies zu seinen Lebzeiten – ohne auf den
    Anspruch beispielsweise durch Erlass verzichtet zu haben – unterlassen hatte.


    Die auf die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) ErbStG gestützte Rechtsansicht des Klägers, der Pflichtteilsanspruch
    habe bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen ihn deswegen außer Ansatz bleiben müssen, weil der Erblasser zu seinen
    Lebzeiten diesen Anspruch nicht geltend gemacht hatte, ist unzutreffend. Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass die in Bezug
    genommene Vorschrift den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches betrifft. Die Norm des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe
    b) ErbStG regelt jedoch allein den Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer im Falle des Erwerbes eines Pflichtteilsanspruches
    von Todes wegen. Die Vorschrift steht damit in der Regelungskorrespondenz mit dem in § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. ErbStG bestimmten
    Erwerbstatbestand. Dem Kläger ist zuzustimmen, dass der vorgenannte Besteuerungstatbestand des Erwerbes eines Pflichtteilsanspruches
    nur erfüllt ist, wenn der Erwerber diesen (gegen den bzw. die Erben) auch geltend macht. Zudem ist es zutreffend, dass die
    Steuerbarkeit der erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbstatbestände nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausschließlich im Falle des Erwerbes
    eines Pflichtteilanspruches dessen Geltendmachung zur Voraussetzung hat, hingegen nicht etwa im Falle des Erwerbes von Todes
    wegen aufgrund Vermächtnisses, obgleich auch letzteres gemäß § 2174 BGB nur eine gewöhnliche Geldforderung vermittelt. Der
    Regelungszweck besteht darin, dem Pflichtteilsberechtigten – ähnlich wie bei der oben zitierten Vorschrift des § 852 ZPO –
    die Entscheidungsfreiheit über die Realisierung seines Anspruches zu belassen (vgl. Meincke ErbStG 16. Auflage 2012 § 3 Rdn.
    52; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher ErbStG § 3 Rdn. 224). Zudem trägt das tatbestandliche Erfordernis der Geltendmachung des
    Pflichtteilsanspruches dem Umstand Rechnung, dass der Pflichtteil nicht ausgeschlagen werden kann, im Gegensatz zur Erbschaft
    1922 Abs. 1, § 1942 Abs. 1 BGB) und zum Vermächtnis (§§ 2176, 2180 Abs. 1 BGB; vgl. hierzu Gebel a.a.O.). Die Vorschrift
    des § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. ErbStG – einschließlich der besonderen tatbestandlichen Voraussetzung der Geltendmachung des
    Anspruches – findet aber auf den Streitfall keine Anwendung. Der Erbschaftsteuer unterliegt der Kläger im Rahmen des durch
    den klagegegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid geregelten Erwerbstatbestandes von Todes wegen – wie dargestellt – allein
    aufgrund Erwerbes durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. ErbStG), nicht aufgrund eines Erwerbes eines Pflichtteilsanspruches
    3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. ErbStG). Der Beklagte hat den Umstand, dass der Kläger den ursprünglich in der Person des Erblassers
    entstandenen Pflichtteilsanspruch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Alleinerbe zivilrechtlich im Zeitpunkt des Todes des
    Erblassers erworben hat, nur bei der Bestimmung des Umfanges des Nachlasses, mithin als wertbildenden Faktor für den Wert
    des Erwerbes kraft Erbanfalls, nicht hingegen als eigenständigen erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbstatbestand im Sinne des
    § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. ErbStG der Besteuerung unterworfen.


    Den Vorschriften der § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) ErbStG ist auch keine dahingehende Einschränkung
    zu entnehmen, dass ein bestehender, jedoch durch den Pflichtteilsberechtigten zu dessen Lebzeiten noch nicht geltend gemachter
    Pflichtteilsanspruch keinen Vermögenswert darstellte und deshalb bei Übergang auf den Erben des Pflichtteilsberechtigten im
    Wege der Gesamtrechtsnachfolge beim Rechtsnachfolger erbschaftsteuerrechtlich außer Ansatz bleiben müsste. Als zivilrechtlicher
    Bestandteil des Nachlasses des Erblassers ist der aus dem Pflichtteilsrecht des Erblassers resultierende Geldzahlungsanspruch
    folgerichtig auch bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer des Klägers zu berücksichtigen gewesen. Es
    steht außer Zweifel, dass der Kläger durch den Erbanfall auch in Höhe des ererbten Pflichtteilsanspruches des Erblassers im
    Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bereichert worden ist. Schließlich war der Pflichtteilsanspruch erbrechtlich in der Person
    des Erblassers entstanden und damit Teil des Wertes des gesamten Vermögensanfalls im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG,
    auch wenn die – für den erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbstatbestand bedeutsame – Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches
    erst durch den Kläger nach dem Tode des Erblassers erfolgt ist. Etwas anderes ist – entgegen der Rechtsansicht des Klägers
    – auch nicht der von ihm zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 19. Februar 2013 II R 47/11, DStR 2013,
    523) zu entnehmen. Durch die in Bezug genommene Entscheidung hat der BFH lediglich bestätigt, dass ein Pflichtteilsberechtigter
    auch nach dem Tode des Pflichtteilsverpflichteten seinen Pflichtteilsanspruch noch geltend machen darf und falls er diesen
    beerbt, die durch die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches erbschaftsteuerrechtlich begründete Nachlassverbindlichkeit
    des verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten gemäß § 10 Abs. 3 und Abs. 5 Nr. 2 ErbStG den Wert seines Erwerbes mindert. Wie
    oben ausgeführt, geht es jedoch im Streitfall weder um die Frage des Besteuerungstatbestandes des Erwerbs eines geltend gemachten
    Pflichtteilsanspruches im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. ErbStG noch um die des Abzuges eines solchen Anspruches bei
    dem zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruches verpflichteten Erben. Im Streitfall geht es allein um die Frage des Umfangs der
    Bereicherung des Klägers im Rahmen seines Erwerbes durch Erbanfall. Die Rechtsansicht des Klägers, der Gesetzgeber habe durch
    die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. bzw. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) ErbStG grundsätzlich geregelt, dass der
    Erwerb eines noch nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruches unter keinem erbschaftsteuerrechtlichen Gesichtspunkt berücksichtigt
    werden dürfte, teilt der erkennende Senat nicht. Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches ist zwar Voraussetzung für
    die Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. ErbStG, nicht aber für die Berücksichtigung bei der Berechnung der Bereicherung
    im Fall eines Erwerbes von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. ErbStG.


    Der auf dem Pflichtteilsrecht des Erblassers beruhende Geldzahlungsanspruch des Klägers ist mit seinem Nennwert zu bemessen
    gewesen (§ 12 Abs. 1 ErbStG, § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG). Maßgeblich ist dabei der Wert der Geldforderung im Zeitpunkt der Entstehung
    der Erbschaftsteuer (§ 11 ErbStG). Da die klagegegenständliche Erbschaftsteuer aufgrund des Erwerbes des Klägers durch Erbanfall
    entstanden ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. ErbStG), ist der Todeszeitpunkt des Erblassers entscheidend (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
    Die allein für den Erwerb von Pflichtteilsansprüchen geltende Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) ErbStG findet auf
    den durch Erbanfall erwerbenden Kläger keine Anwendung. Weder dem Sachvortrag der Beteiligten noch der vorgelegten Behördenakte
    sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Pflichtteilsanspruch des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalles am 4. September
    2008 einen geringeren Wert gehabt haben könnte als den, den ihm der Kläger in Übereinkunft mit C im notariell beurkundeten
    Tauschvertrag vom 25. Juni 2009 beigemessen hat. An der Höhe des Wertes des Pflichtteilsanspruches hat der Kläger schließlich
    auch keine Zweifel geäußert. Der Senat sieht aufgrund dessen den Wertansatz des Pflichtteilanspruches in der Höhe von 400.000
    EUR als zutreffend an. Der Beklagte hat die Erbschaftsteuer in Bezug auf den verbliebenen Streitgegenstand demnach zutreffend
    ermittelt.


    2.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    3.) Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind. Da der
    erkennende Senat nicht von der bisherigen Rechtsprechung des BFH abweicht, kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
    im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Auch die übrigen in § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGO genannten Voraussetzungen liegen
    im Streitfall nicht vor. Die beiden vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 3. April 2013 als für die Zulassung der Revision
    relevant angesehenen Rechtsfragen beantworten sich nach Ansicht des Senates bereits aus dem Wortlaut der Vorschriften des
    ErbStG.

    VorschriftenErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, ErbStG § 10 Abs. 1 S. 1, ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, BGB § 1922, BGB § 1942 Abs. 1, BGB § 1943 Abs. 1, BGB § 1953 Abs. 1, BGB § 1953 Abs. 2, BGB § 1967 Abs. 1, BGB § 1931 Abs. 1, BGB § 2303 Abs. 2 S. 1, BGB § 1371 Abs. 3, BGB § 2317 Abs. 1, BGB § 2317 Abs. 2, BGB § 270

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