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  • 23.06.2021 · IWW-Abrufnummer 223067

    Oberlandesgericht Braunschweig: Urteil vom 28.04.2021 – 9 U 24/20

    1. Das eine Rechnungslegungspflicht auslösende Auftragsverhältnis kann nicht schon aus einer bloßen Bevollmächtigung also solcher abgeleitet werden. Sie betrifft regelmäßig nur das rechtliche Dürfen nach außen. Erforderlich ist die Einigung darüber, dass jemand für einen anderen in dessen Angelegenheiten tätig wird und pflichtgemäß tätig werden muss.

    2. Der Grundsatz, wonach Ehegatten regelmäßig kein Auftragsverhältnis untereinander begründen, gilt wegen des die Ehe prägenden besonderen Vertrauensverhältnisses nicht pauschal für andere Angehörigenbeziehungen. Daraus folgt für das Verhältnis der Mutter zu dem von ihr bevollmächtigten Sohn indes auch nicht umgekehrt bereits "automatisch" ein Auftragsverhältnis (nebst Rechnungslegungspflicht). Entscheidend sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles.

    3. Einigt sich eine Mutter mit ihrem erwachsenen, mit ihr nicht im selben Haushalt lebenden Sohn darauf, dass, falls sie irgendwann durch Krankheit oder Behinderung vorübergehend oder dauerhaft selbst nicht mehr dazu in der Lage sein sollte, ihre rechtlichen Angelegenheiten zu regeln und ihren Willen zu äußern, der Sohn sich um die Regelung ihrer rechtlichen Angelegenheiten kümmern soll, und wird ihm im Zusammenhang mit dieser Einigung von der Mutter eine ausdrücklich nur unter denselben Voraussetzungen geltende Vorsorgevollmacht erteilt, ist regelmäßig von einem zum Eintritt der entsprechenden Hilfsbedürftigkeit der Mutter wirksam werdenden Auftragsverhältnis auszugehen; ein solches Auftragsverhältnis verpflichtet den Sohn in der Regel dann auch zur Rechnungslegung.

    4. Soweit ein auf die Erben einer Vollmachtgeberin übergegangener Rechnungslegungsanspruch nicht besteht, lässt das etwaige Auskunfts- und Zahlungsansprüche der Erbengemeinschaft gegen den Bevollmächtigten unberührt.


    Oberlandesgericht Braunschweig

    Urteil vom 28.04.2021


    Tenor:

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Landgerichts Braunschweig vom 3.3.2020 - 6 O 1898/19 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, gegenüber der Erbengemeinschaft nach Frau E. S., verstorben am 31.12.2018, bestehend aus der Klägerin, dem Beklagten und Herrn D. S., Rechnung zu legen durch Vorlage einer nach Einnahmen und Ausgaben geordneten Übersicht sämtlicher von ihm aufgrund der Vorsorgevollmacht vom 25.10.2007 in der Zeit ab 12.12.2014 bis zum 31.3.2017 getätigten Verfügungen über das Vermögen von Frau E. S., sowie alle dazu erforderlichen Belege vorzulegen.

    Im Übrigen wird die Rechnungslegungsklage abgewiesen.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Beklagte ¼ und die Klägerin ¾ zu tragen.

    Dieses und das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Braunschweig, soweit dieses aufrechterhalten worden ist, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf die Wertstufe bis 1.000,00 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Parteien sind Geschwister. Zwischen ihnen und ihrem Neffen D. S., dem Sohn ihres Bruders G. S., besteht eine Erbengemeinschaft nach der am 31.12.2018 verstorbenen Mutter bzw. Großmutter, Frau E. S.

    Die Klägerin hat Stufenklage gegen den Beklagten erhoben. In der ersten Stufe, in der sich das Verfahren befindet und über die das Landgericht durch das angefochtene Teilurteil entschieden hat, geht es allein darum, ob der Beklagte der Erbengemeinschaft Rechnung legen muss. Dem entsprechenden Antrag der Klägerin hat das Landgericht weitestgehend entsprochen und den Beklagten zur Rechnungslegung verurteilt. Diese erstinstanzliche Verurteilung bezieht sich auf die Zeit ab der dem Beklagten von der Erblasserin "für den Fall, dass" sie "auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr in der Lage sein sollte," ihre "rechtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln und" ihren "Willen zu äußern" erteilten "Vorsorgevollmacht (gilt erst bei Entscheidungsunfähigkeit)" vom 25.10.2007 bis einschließlich zum 31.3.2017. Den von der Klägerin über dieses Enddatum hinausgehend geltend gemachte Rechnungslegung hat das Landgericht nicht zuerkannt, weil ab 1.4.2017 das Betreuungsgericht der Erblasserin eine Kontrollbetreuerin zur Seite gestellt habe. Insoweit ist das Teilurteil rechtskräftig.

    Gegen die Verurteilung zur Rechnungslegung hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er meint, er sei für die Erblasserin nur aufgrund seines persönlichen Verhältnisses in Geldangelegenheiten tätig geworden. Deshalb brauche er keine Rechnung zu legen. Jedenfalls sei es treuwidrig, dies von ihm zu verlangen.

    Der Beklagten beantragt,

    das Teilurteil des Landgerichts teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Schon die wirtschaftliche Bedeutung der Vollmachtserteilung für die Erblasserin belege den Rechnungslegungs-anspruch. Der Beklagte habe zudem unzuverlässig und eigennützig gehandelt.

    Um die wechselseitig behaupteten Hintergründe der Vollmachtserteilung und Handhabung der Vollmacht zu klären, hat der Senat die vom Landgericht nicht vorgenommene persönliche Anhörung der Parteien und die Vernehmung des gemeinsamen Bruders G. S. als Zeugen nachgeholt.

    Von der weiteren Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

    II.

    Die Berufung hat teilweise Erfolg.

    A.

    Die Berufung ist zulässig.

    Die Zulässigkeit der Berufung in Bezug auf das Überschreiten der notwendigen Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist aufgrund der dafür ausreichenden Darlegungen des Beklagten (Berufungsbegründung S. 2-5 = Bl. 231-234 d.A.) gegeben.

    Das Vorbringen reicht - auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin - als Schätzungsgrundlage aus.

    Der Beklagte ist zur umfassenden, nach Einnahmen und Ausgaben von ihm eigenverantwortlich zu erstellenden geordneten Übersicht sämtlicher von ihm aufgrund der Vorsorgevollmacht vom 25.10.2007 bis zum 31.3.2017 getätigten Verfügungen der Erblasserin und Vorlage aller dazu erforderlichen Belege verurteilt worden (LGU S. 1f. = Bl. 190f. d.A.). Dem kann insbesondere nicht durch bloße Wiedergabe der monatlichen Kontobewegungen auf einem oder zwei Konten und/oder auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin entsprochen werden. Es kann auch nicht das an Aufwand "abgezogen" werden, was die Klägerin an Informationen bereits erhalten hat, weil das Erfordernis einer geordneten Übersicht dem entgegenstehen würde. Die von der Klägerin im Übrigen zitierte Rechtsprechung betrifft jeweils Einzelfälle mit besonderen Umständen, die nicht schematisch übertragbar sind. Von dem Beklagten eine noch vereinzeltere Darstellung seines Aufwands der Rechnungslegung zu fordern, würde letztlich auf eine Vereinzelung hinauslaufen, die einer Erfüllung des Rechnungslegungsanspruchs nahekommt und damit die Substantiierungsanforderungen überspannt.

    Der Zeitaufwand ist grundsätzlich in Anlehnung an den Stundensatz zu bewerten, den ein Zeuge im Zivilprozess erhalten würde (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2020 - XII ZB 334/19, Rn. 9; Beschl. v. 16.8.2017 - XII ZB 429/16, Rn. 9; vgl. BGH, Beschl. v. 26.10.2016 - XII ZB 134/15 = FamRZ 2017, 368 Rn. 6 mwN). Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass die erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2020 - XII ZB 334/19, Rn. 9; Beschl. v. 16.8.2017 - XII ZB 429/16, Rn. 11, im Anschluss an BGH, Beschl. v. 27.4.2016 - XII ZB 527/15 - FamRZ 2016, 1154). Die erforderliche Berufungsbeschwer von über 600,00 € würde vorliegend demnach unter Heranziehung von § 20 JVEG in seiner aktuell geltenden Fassung selbst dann erreicht, wenn der Beklagte umgerechnet für jeden der vom Landgericht ausgeurteilten 113 Rechnungsmonate statt der behaupteten 2 Stunden nur 80 Minuten pro Rechnungsmonat benötigen würde (113 x 80 / 60 x 4,00 € = 602,67 €).

    B.

    Die Berufung hat zum Teil Erfolg.

    1.

    Klarstellend vorwegzuschicken ist, dass Streitgegenstand dieses Verfahrens nur der geltend gemachte Rechnungslegungsanspruch der Erbengemeinschaft ist, nicht ihr Auskunftsanspruch und auch nicht ihr Zahlungsanspruch. Soweit also mit diesem Urteil ein Rechnungslegungsanspruch für einen bestimmten Zeitraum verneint wird, besagt das nichts darüber, ob der Erbengemeinschaft nicht gleichwohl Auskunfts- oder Zahlungsansprüche bezogen auf Vorgänge aus dem selben Zeitraum noch zustehen oder nicht.

    2.

    Für die Zeit ab 12.12.2014 bis einschließlich 31.3.2017 steht der Erbengemeinschaft gegen den Beklagten der aus dem Tenor ersichtliche Rechnungslegungsanspruch gem. §§ 666 Var. 3, 1922, 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Die Klägerin ist gem. § 2039 BGB befugt, diesen Anspruch für die Erbengemeinschaft geltend zu machen.

    a)

    Die Rechnungslegungspflicht aus § 666 Var. 3 BGB setzt ein Auftragsverhältnis voraus.

    aa)

    Ein Auftragsverhältnis kann nicht schon aus einer bloßen Bevollmächtigung also solcher abgeleitet werden (OLG Brandenburg, Urt. v. 19.3.2013 - 3 U 1/12, Rn. 82, juris; OLG Köln, Urt. v. 19.9.2012 - I-16 U 196/11, Rn. 6, juris; OLG Saarbrücken BeckRS 2015, 778; FG Köln, Urt. v. 14.10.2020 - 14 K 1414/19, Rn. 44, juris). Sie betrifft regelmäßig nur das rechtliche Dürfen nach außen. Ein Auftrag verlangt mehr. Erforderlich ist die Einigung, dass jemand für einen anderen in dessen Angelegenheiten tätig wird und pflichtgemäß tätig werden muss (vgl. § 662 BGB).

    bb)

    Die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Ehegatten regelmäßig kein Auftragsverhältnis untereinander begründen (BGH, Urt. v. 5. Juli 2000 - XII ZR 26/98, Rn. 14), ist wegen des die Ehe prägenden besonderen Vertrauensverhältnisses nicht pauschal auf andere Angehörigenbeziehungen zu übertragen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.6.2008 - III ZR 30/08, Ls. 1 und Rn. 2, juris). Daraus folgt für den vorliegenden Fall des Verhältnisses der Mutter (Erblasserin) zum Sohn (Beklagter) indes auch nicht umgekehrt bereits "automatisch" ein Auftragsverhältnis (nebst Rechnungslegungspflicht).

    cc)

    Entscheidend sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles:

    (1)

    Von diesen Umständen bildet die für die Beteiligten bei Vollmachtserteilung erkennbare wirtschaftliche Bedeutung den indiziellen Ausgangspunkt.

    Vorliegend ergibt sich aus der insoweit übereinstimmenden persönlichen Anhörung beider Parteien, dass die Erblasserin, als sie davon thematisch seinerzeit in den Medien erfahren hatte, mit der Vorsorgevollmacht genau den und auch nur den Fall vorbereiten wollte, dass sie ihre Angelegenheiten irgendwann zukünftig gesundheitlich oder durch das Alter bedingt nicht mehr würde regeln können. Das erfasste mithin den gesamten Lebensbereich der Erblasserin, und zwar im Zustand eigener Hilfsbedürftigkeit. Schon bei Erteilung der Vorsorgevollmacht war für die daran Beteiligten absehbar, dass ein Eintritt des Zustands, für den die Vorsorgevollmacht gedacht war, der Erblasserin kaum noch eigenen Überblick und die eigene Erteilung von Einzelanweisungen erlauben würde. Das erzeugt ab Eintritt dieses Zustands - ebenfalls für alle Beteiligten schon bei Vollmachtserteilung absehbar - ein Bedürfnis, dass der Bevollmächtigte die Vollmacht initiativ und eigenverantwortlich die regelmäßig zur Bewältigung der Angelegenheiten der Vollmachtgeberin verwendet, gerade weil der Vollmachtgeberin dann der eigene Überblick und die Fähigkeit zwangsläufig fehlen würde, Hilfspersonen mit Einzelanweisungen zu leiten. Die Anhörung der Parteien hat insoweit nichts anderes ergeben. Deshalb ist auch vorliegend nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass die Erblasserin und der Beklagte schon bei Erteilung der Vorsorgevollmacht vom 25.10.2007 darüber einig gewesen sind, dass der Erblasser bei Eintritt des vereinbarten Vorsorgefalles verpflichtet sein würde, die in der Vollmachtsurkunde umfassend genannten weitreichenden Angelegenheiten der Erblasserin zu regeln.

    Aufgrund der für den Vorsorgefall unter diesen Voraussetzungen vereinbarten Handlungspflicht des Bevollmächtigten ist wegen der hohen wirtschaftlichen Bedeutung für den Vollmachtgeber eine umfassende Auftragserteilung zu sehen, die - anders als hier bzgl. der Bankvollmachten - über bloßes rechtliches Dürfen hinausgeht.

    (2)

    In dem Zustand, für den eine solche Vorsorgevollmacht gedacht ist, kann der Vollmachtgeber selbst nicht überblicken, was für ihn zu tun ist und was jeweils vom Vollmachtnehmer, der dies aber kann, getan wurde. Damit entsteht dann - im Gegensatz zu der Zeit vor Eintritt des vereinbarten Vorsorgefalls - ein erhöhtes Kontrollbedürfnis des Vollmachtgebers, das unter diesen Umständen in der Regel nur mit einer mit Rechnungslegung beantwortet werden kann.

    (3)

    Ausnahmsweise ist in solchen Fällen keine Rechnungslegung erforderlich, wenn die Lebens- und Vertrauensverhältnisse zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer so eng sind, dass Rechnungslegung untereinander ohnehin nicht erwartet wird. Das ist für eine intakte Ehe zu bejahen (BGH, Urt. v. vom 5. Juli 2000 - XII ZR 26/98, Rn. 14), kann aber nicht pauschal, sondern nur bei dementsprechenden Umständen auf Verwandtschaftsverhältnisse übertragen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 26.6.2008 - III ZR 30/08, Ls. 1 und Rn. 2).

    Solche entsprechend engen persönliche Verhältnisse lagen hier nicht vor:

    (a)

    Das folgt schon aus der persönlichen Anhörung des Beklagten. Laut seiner eigenen Schilderung lebten er und die Erblasserin zwar im selben Haus, jedoch jeweils in abgetrennten Wohnungen. Daran hat sich auch während der Zeit der Pflegebedürftigkeit der Erblasserin, in der sie noch in dem Haus lebte, nicht grundlegend etwas geändert.

    (b)

    Auch bei Erteilung der Vorsorgevollmacht vom 25.10.2007 hat - nach seiner eigenen persönlichen Anhörung - die Erblasserin den Beklagten unter den drei Geschwistern als Hauptbevollmächtigten ohne nähere Begründung ausgewählt, nicht erkennbar etwa wegen besonderer emotionaler Nähe.

    (c)

    Auch, als die Erblasserin hilfs- und pflegebedürftig wurde, ist - falls das überhaupt eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Vollmachtserteilung haben kann - nicht zuverlässig festzustellen, dass der Beklagte sich stärker, geschweige denn besonders erheblich stärker um die Erblasserin gekümmert hat als z. B. die Klägerin. Auch insoweit haben die persönlichen Anhörungen der Parteien im Wesentlichen übereinstimmend nichts anderes ergeben; die Aussage des Zeugen G. S. ist dazu unergiebig.

    b)

    Das demnach für den Vorsorgefall zwischen Erblasserin und den Beklagten vereinbarte Auftragsverhältnis mit Rechnungslegungsanspruch ist mit dem Eintritt des Vorsorgefalls als Bedingung wirksam geworden (§ 158 Abs. 1 BGB). Da die zur Wahrnehmung Auftrags zwingend erforderliche Vollmacht vom 25.10.2007 selbst unter entsprechend aufschiebender Bedingung stand ("gilt erst bei Entscheidungsunfähigkeit", Bl. 5 d.A.), kann für das zugehörige Auftragsverhältnis nichts anderes gelten.

    aa)

    Nach der auch insoweit übereinstimmenden Darstellung aus den persönlichen Anhörungen der Parteien ist der Vorsorgefall "Entscheidungsunfähigkeit" der Erblasserin ab 12.12.2014, dem Tag ihrer stationären Krankenhauseinweisung, welchem andauernde Pflegebedürftigkeit folgte, eingetreten.

    bb)

    Die Klägerin hat ihre Behauptung, die Vorsorgevollmacht sei schon vor Eintritt des Vorsorgefalles "gelebt" worden in dem Sinne, dass schon ab Erteilung der Vorsorgevollmacht ein entsprechendes Auftragsverhältnis anzunehmen sei, nicht bewiesen.

    Soweit der Zeuge G. S. bekundet hat, kurz nach dem Tode des Vaters habe die Erblasserin einmal in seinem - des Zeugen - Beisein den Beklagten gebeten, er möge sich um ihre Bank- und Rechnungsangelegenheiten kümmern, sie "könne das nicht", ist das unerheblich. Es ist nicht davon auszugehen, dass auch nur eine der Parteien, insbesondere die Klägerin, sich diese Aussage zu eigen gemacht hat; vielmehr ergibt sich aus den auch insoweit einander übereinstimmenden persönlichen Anhörungen der Parteien - und damit aus dem Unstreitigen - etwas anderes. Denn demzufolge hat die Erblasserin in der Zeit der Pflege des Vaters der Parteien alle Herausforderungen, auch die Regelung der Bank- und Rechnungsangelegenheiten "in bewundernswerter Weise angenommen, [...] bewältigt" und "gut gehandhabt".

    Unwiderlegt hat der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung zusätzlich angegeben, dass, als ab der Zeit der Pflegebedürftigkeit des Vaters zunehmend nahegelegene Filialen der Bank geschlossen worden seien, er auf Einzelanweisungen der Erblasserin Bankvorgänge erledigt habe, unter anderem mithilfe des auf seinem Rechner und Internetzugang eingerichteten Online-Banking-Zugangs der Eltern. Ein umfassendes Auftragsverhältnis mit Rechnungslegungspflicht ist dadurch nicht vereinbart worden. Die Erblasserin hatte unstreitig zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich noch den Überblick über ihre Angelegenheiten und die ihres Mannes. Erteilte sie im Rahmen dessen den Beklagten Einzelaufträge, waren ihr diese bewusst und bedurften keiner besonderen Kontrolle durch eine vom Beklagten zu erstellende Rechnungslegung; durch unwiderlegt - ebenfalls - Einzelaufträge ihr vom Beklagten verschaffte Kontoauszüge reichten insoweit zur Kontrolle objektiv aus. Die Vorlage vom Kontoauszügen, soweit noch nicht geschehen, kann die Erbengemeinschaft ggf. aus § 2027 BGB beanspruchen. Ein Rechnungslegungsanspruch folgt daraus noch nicht.

    c)

    Der nach alldem für die Zeit vom 12.12.2014 bis 31.3.2017 gegebene Rechnungslegungsanspruch der Erbengemeinschaft ist entgegen der Auffassung der Berufung nicht gemäß § 242 BGB verwirkt oder seine Geltendmachung treuwidrig; seine Erfüllung ist auch nicht "unmöglich".

    Zwar hat die Erblasserin zu ihren Lebzeiten den Rechnungslegungsanspruch nicht geltend gemacht. Das betrifft jedoch nur das sogenannte Zeitmoment, dessen ausreichende Dauer bereits fraglich ist. Um die Geltendmachung eines Anspruchs als treuwidrig anzusehen, müssen neben der bloßen Zeitdauer der unterbliebenen Geltendmachung besondere Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Schuldners rechtfertigen, der Anspruch werde auch in Zukunft nicht mehr geltend gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1963 - VII ZR 284/61, Rn. 40, juris = BGH NJW 1963, 950; BGH NJW 2010, 3714ff. [BGH 15.09.2010 - XII ZR 148/09], Rn. 23f.; NJW 2011, 212ff. [BGH 20.07.2010 - EnZR 23/09], Rn. 22). Darauf hat der Senat bereits mit Beschluss vom 2.9.2020 hingewiesen sowie auch auf die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast des Beklagten. Umstände für eine besondere Vertrauensbegründung sowie dafür, dass er sein Verhalten danach ausgerichtet hat, hat der Beklagte gleichwohl nicht vorgetragen. Nur dann, wenn er das getan hätte, wäre dem Einwand der Klägerin noch nachzugehen gewesen, dass sich der Beklagte wegen eigener Unzuverlässigkeit auf das Vertrauen, ein Rechnungslegungsanspruch werde nicht mehr geltend gemacht, nicht mehr berufen dürfe (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1963 - VII ZR 284/61, Rn. 41, juris). Weil der Beklagte aber auf den genannten Hinweis vom 2.9.2020 nicht reagiert hat, besteht seine Rechnungslegungspflicht im festgestellten Umfang auch unabhängig von der Frage seiner Zuverlässigkeit. Auf die Behauptungen der Klägerin zu Unzuverlässigkeit des Beklagten kommt es deshalb vorliegend nicht an, ebenfalls auch nicht darauf, ob und gegebenenfalls was dazu die Anhörungen der Parteien bzw. die Vernehmung des Zeugen G. S. vom 14.4.2021 ergeben haben.

    Der Umstand, dass die Klägerin bereits einige Informationen erhalten hat, macht die vom Beklagten geschuldete Rechnungslegung nicht "unmöglich". Ein Fall der Unmöglichkeit nach § 275 BGB ist nicht festzustellen.

    III.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO i. V. m. 97 Abs. 1 ZPO. Sie entspricht den wechselseitigen Anteilen des Obsiegens und Unterliegens der Parteien. Maßstab ist dabei, dass der Zeitraum der vom Beklagten tatsächlich geschuldeten Rechnungslegung (12.12.2014 bis einschl. 31.3.2017) ein Viertel des noch im angefochtenen Urteil angenommenen Zeitraums ausmacht.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

    Die Voraussetzungen für eine Rückübertragung der Sache auf den Senat gemäß § 526 Abs. 2 ZPO bzw. für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO lagen bzw. liegen nicht vor.

    Der Streitwert war entsprechend den Ausführungen zur Zulässigkeit der Berufung auf die Wertstufe bis 1.000,00 € festzusetzen.

    Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 19.4.2021 und des Beklagten vom 22.4.2021 rechtfertigen keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) und keine andere Entscheidung. Die Entscheidung beruht auch auf keinem dieser Schriftsätze. Auf Ausführungen zur Beweiswürdigung in Bezug auf die Frage der Unzuverlässigkeit des Beklagten kam es für den vorliegenden Berufungsrechtsstreit über den Rechnungslegungsanspruch nicht (mehr) an. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu II B 2 c verwiesen.

    RechtsgebietZPOVorschriften§ 92 Abs. 2 ZPO; § 97 Abs. 1 ZPO