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  • 14.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130623

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.08.2012 – 7 K 3691/11 GE

    Eine Miterbengemeinschaft kann in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit auch Erwerberin bei einer Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein.
    Sind die Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft Gesamtrechtsnachfolger nach dem verstorbenen Gesellschafter einer Grundbesitz-GmbH, können sie die Erwerbsschwelle von 95 v.H. der GmbH-Anteile dadurch überschreiten, dass sie aus einer Kapitalerhöhung resultierende Anteile einerseits unmittelbar in der Rechtsnachfolge des Erblassers und zum anderen aufgrund der nicht fristgerechten Ausübung der Übernahmeberechtigung des weiteren Gesellschafters nach dem Erbfall übernehmen.


    Tatbestand
    Die Kläger sind in ungeteilter Erbengemeinschaft zu gleichen Teilen Miterben des am 24.8.2007 verstorbenen C. Dieser war mit einem Anteil von 85 v.H. an der D Holding GmbH beteiligt, deren Stammkapital sich auf zunächst 100.000 EUR belief und zu deren Gesellschaftsvermögen umfangreicher Grundbesitz gehört. Die übrigen 15 v.H. der Anteile standen im Eigentum des Herrn E. In dem notariellen Gesellschaftsvertrag vom 11.10.2002 war unter § 14 Ziffer 1 bestimmt, dass die Gesellschaft mit den Erben eines verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt wird. Nach Ziffer 2 Satz 1 sollte der Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters grundsätzlich ungeteilt bleiben und gem. Satz 2 eine Teilung nur mit einstimmigem Gesellschafterbeschluss erfolgen.
    Am 10.9.2007 fand eine Gesellschafterversammlung der GmbH statt, in der der verstorbene Gesellschafter C auf Grund einer fortdauernden Vollmacht durch einen Bevollmächtigten vertreten wurde. Die Gesellschafterversammlung beschloss eine Kapitalerhöhung um 400.000 EUR. Die Gesellschafter sollten im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile zur Übernahme zugelassen werden, so dass auf den Gesellschafter C 340.000 EUR entfielen und auf den Gesellschafter E 60.000 EUR. Sollte ein Gesellschafter eine Übernahme innerhalb einer bestimmten Frist nicht erklären, sollte der übrige Gesellschafter zur Übernahme der Anteile berechtigt sein. Am 24.9.2007 erklärte der Bevollmächtigte für den verstorbenen Gesellschafter C die Übernahme der auf ihn entfallenden Anteile aus der Kapitalerhöhung in Höhe von 340.000 EUR. Unter dem 18.10.2007 wurde für den verstorbenen Gesellschafter C die Übernahme auch des weiteren Anteils des Gesellschafters in Höhe von 60.000 EUR erklärt, weil dieser eine Übernahmeerklärung nicht abgegeben hatte. Somit entfielen auf den Gesellschafter C eine Beteiligung in Höhe von insgesamt 485.000 EUR, d.h. 97 v.H. und auf den Gesellschafter E die verbleibenden 15.000 EUR mithin 3 v.H. Die Kapitalerhöhung wurde am 13.3.2008 in das Handelsregister eingetragen. Bereits am 27.2.2008 hatte der Gesellschafter E seinen Geschäftsanteil von 15.000 EUR auf die Erbengemeinschaft übertragen.
    Mit Bescheid vom 23.3.2009 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) als Testamentsvollstreckerin für die Erbengemeinschaft nach Herrn C Grunderwerbsteuer in Höhe von 226.500 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Als grunderwerbsteuerlichen Tatbestand bezeichnete er die Kapitalerhöhung vom 10.9.2007. Als Bemessungsgrundlage wurde ein geschätzter Bedarfswert in Prozent des Einheitswertes in Höhe von 6.471.444 EUR angesetzt. Hiergegen erhoben die Kläger am 20.4.2009 Einspruch und trugen im Wesentlichen vor, eine Vereinigung der Anteile gem. § 1 Abs. 3 GrEStG sei nicht erfolgt. Die Wirkungen der Kapitalerhöhung seien, soweit sie den verstorbenen Gesellschafter C beträfen, nicht bei diesem, sondern nur entsprechend ihrem Erbanteil anteilig bei den jeweiligen Erben eingetreten. Diese hätten auf Grund der späteren Übernahmeerklärung auch noch die Anteile aus der Kapitalerhöhung erworben, die auf den Gesellschafter E entfallen seien. Die gesetzliche Schwelle von 95 v.H. sei daher bei keinem der Erben überschritten worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne die Erbengemeinschaft nicht als eine Einheit und somit als Erwerber i.S. des Grunderwerbsteuergesetzes angesehen werden. Dies ergäbe sich auch aus dem Charakter der Erbengemeinschaft als einer reinen Abwicklungsgemeinschaft.
    Unter dem 3.6.2009 stellte das Finanzamt den Grundbesitzwert auf den 27.2.2008 mit 9.748.500 EUR fest. Der hiergegen erhobene Einspruch vom 29.6.2009 ruht im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Ermittlung des Grundbesitzwertes nach § 138 BewG. Mit Bescheid vom 25.11.2009 änderte der Beklagte den Bescheid über die Grunderwerbsteuer und setzte nunmehr unter Berücksichtigung des festgestellten Grundbesitzwertes eine Steuer in Höhe von 341.197 EUR fest.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 5.10.2011 änderte der Beklagte den angefochtenen Bescheid und erklärte ihn im Hinblick auf die Ermittlung des Grundbesitzwertes nach § 138 BewG für vorläufig. lm übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen. Das Finanzamt führte aus, eine Erbengemeinschaft sei als selbständiger Rechtsträger im Sinne von § 1 Abs. 3 GrEStG anzusehen. Diese Auffassung habe auch der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 15.5.1957 (Az.: II 102/56 U, veröffentlicht in BStBl Ill 1957, 238) bezüglich einer Anteilsvereinigung vertreten. Zudem bleibe nach § 14 Nr.2 des Gesellschaftsvertrages der GmbH vom 11.10.2002 der Gesellschaftsanteil eines verstorbenen Gesellschafters grundsätzlich ungeteilt. Bestätigt werde die Richtigkeit dieser Auffassung auch durch den Umstand, dass die Erbengemeinschaft in dem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag mit dem ehemaligen Gesellschafter E vom 27.2.2008 als Erwerberin aufgetreten sei.
    Die Kläger haben am 21.10.2011 Klage erhoben zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholen und vertiefen. Ergänzend tragen sie vor, für die Frage, wer Erwerber i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG sei, müsse darauf abgestellt werden, wer in bürgerlich-rechtlichem Sinne Rechtsträger sei. Auch müssten die Folgen berücksichtigt werden, die sich daraus ergeben würden, wenn man die Erbengemeinschaft als eine Einheit betrachte. In diesem Falle käme es für die grunderwerbsteuerliche Steuerpflicht an, wann die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt würde. Hätten die Erben die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt und alsdann die Erwerbsvorgänge getätigt, wäre die Schwelle der 95 v.H. nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht überschritten gewesen. Zudem führe die Auffassung des Beklagten dazu, dass der Erblasser posthum Erwerbsvorgänge realisiere. Schließlich sei die Ermittlung des Grundbesitzwertes nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes rechtswidrig. Hierzu sei auf Grund einer Vorlage des Bundesfinanzhofs (Az.: ll R 23/10) unter dem Aktenzeichen 2 BvL 13/11 ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
    Die Kläger beantragen sinngemäß,
    den Grunderwerbsteuerbescheid vom 23.3.2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 25.11.2009 und der Einspruchsentscheidung vom 5.10.2011 aufzuheben,
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    und wiederholt im Wesentlichen die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.
    Der Senat hat mit Beschluss vom 12.11.2009 in dem Verfahren gleichen Rubrums Az.: 7 V 2250/09 A(GE) die Vollziehung des Bescheides vom 23.3.2009 im Hinblick auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ermittlung des Grundbesitzwertes nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ausgesetzt.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten – auch in 7 V 2250/09 A(GE) – und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten.
    Gründe
    Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verfassungsmäßigkeit der Ermittlung des Grundbesitzwertes nach dem Bewertungsgesetz richtet und im übrigen unbegründet.
    Soweit sich die Kläger dagegen wenden, dass die Ermittlung des Grundbesitzwertes nach den Vorschriften des zweiten Teils des Bewertungsgesetzes erfolgte, liegt ein Rechtsschutzinteresse nicht vor. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass Einwendungen gegen die Feststellung des Grundbesitzwertes gegen den entsprechenden Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid erhoben werden müssen (vgl. FG Hamburg Urteil vom 21.6.2011 3 K 67/11 juris). Dies betrifft auch die Frage der Verfassungsmässigkeit der Ermittlung des Grundbesitzwertes nach § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 2 BewG. Zum anderen ist der angefochtene Bescheid mit Einspruchsentscheidung vom 5.10.2011 insoweit für vorläufig erklärt worden. In einem solchen Fall fehlt der Klage regelmäßig das erforderliche Rechtsschutzinteresse (vgl. FG Hamburg, a.a.O.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, § 165 AO Tz. 18 m.w.N.)
    lm übrigen ist die Klage nicht begründet. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 23.3.2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 25.11.2009 ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).
    Nach § 1 Abs. 3 Nr.1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer, wenn – wie hier – zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Durch den notariellen Vertrag vom 10.9.2007 erwarb die Miterbengemeinschaft nach dem verstorbenen Gesellschafter C einen Anspruch darauf, dass sie die aus der Kapitalerhöhung resultierenden Anteile übernehmen konnte und zwar einerseits unmittelbar, soweit sie auf den verstorbenen Gesellschafter C entfielen in Höhe von 340.000 EUR und zum anderen in dem Falle, dass der Gesellschafter E seine Berechtigung zur Übernahme des auf ihn entfallenden Anteils in Höhe von weiteren 60.000 EUR nicht fristgerecht ausübte. Damit bestand ein Anspruch auf Übernahme von insgesamt 97 v.H. der Anteile an der GmbH, mithin mehr als der vom Gesetz verlangten 95 v.H..
    Die Miterbengemeinschaft ist in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit auch Erwerberin im Sinne dieser Vorschrift. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist eine Erbengemeinschaft, soweit sie nach außen ein Grundstück aus dem Nachlass veräußert oder für den Nachlass erwirbt, selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechtes (vgl. BFH Urteile vom 15.5.1957 II 102/56 U, BFHE 65, 14, BStBl III 1957, 238 und vom 13.11.1974 ll R 26/74 BFHE 114, 288, BStBl 1975, 249 m.w.N. jeweils m.w.N.; Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz 17.Aufl § 1 Rdz.73 m.w.N.; Pahlke in Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz 4.Aufl. § 1 Rdz.51). Dem steht der bürgerlich-rechtliche Charakter einer Erbengemeinschaft als Abwicklungsgemeinschaft nicht entgegen. Zwar ist die Erbengemeinschaft zivilrechtlich nicht rechtsfähig. Sie ist nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet und verfügt nicht über eigene Organe, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte. Die Erbengemeinschaft ist daher kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechtssubjekt, sondern lediglich eine gesamthänderisch verbundene Personenmehrheit, der mit dem Nachlass ein Sondervemögen zugeordnet ist (vgl. Bundesgerichtshof – BGH – Beschluss vom 17.10.2006 VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715 m.w.N.; BFH Urteil vom 17.7.1975 II R 141/74 BFHE 117, 270, BStBl II 1976, 159 m.w.N.). Gleichwohl ist die Erbengemeinschaft nach außen auch bürgerlich-rechtlich derart verselbständigt, dass zum Beispiel selbst bei Gleichheit der Personen und der Beteiligungsverhältnisse zwei Erbengemeinschaften nach verschiedenen Erblassern verschiedene Rechtsträger sind. Deshalb bedarf etwa die Grundstücksübertragung zwischen solchen Erbengemeinschaften der Auflassung. Zwar schreibt das Grunderwerbsteuergesetz nicht ausdrücklich vor, dass die Erbengemeinschaft im Grunderwerbsteuerrecht als selbständiger Rechtsträger zu behandeln ist. Die grunderwerbsteuerrechtliche Selbständigkeit der Erbengemeinschaft folgt vielmehr aus deren bürgerlich-rechtlicher Selbständigkeit als Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens (vgl. BFH Urteil vom 29.11.1972 II R 42/67, BFHE 108, 257, BStBl II 1973, 372; ebenso bereits Urteil vom 22.2.1961 II 227/59 U, BStBl III 1961, 213, vom 29.1.1964 II 174/63 U, BFHE 78, 413, BStBl III 1964, 160). Es ist kein Grund erkennbar, warum dies nur für den Erwerb von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, und nicht auch im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG für den Erwerb von Ansprüchen auf Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gelten soll. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat mit § 1 Abs. 3 GrEStG Rechtshandlungen, die auf die Vereinigung von Anteilen in einer Hand gerichtet sind und zu einem Wechsel der Rechtsträgerschaft an diesen Anteilen führen, dem grundstücksbezogenen Grundstückserwerb gleichgestellt (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rdz. 906). Mit dem Erwerb von mindestens 95 v.H. der Anteile an der Gesellschaft wird deren Inhaber so behandelt, als habe er die zum Aktivvermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke von der Gesellschaft, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen, erworben (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rdz. 907 m.w.N.). Diesem Zweck entspricht es, den Anspruch der Anteile in der Hand der Erbengemeinschaft als Erwerberin eintreten zu lassen. Die Rechtslage ist daher nicht anders, als wenn die Kapitalerhöhung noch zu Lebzeiten des Gesellschafters C stattgefunden hätte und dieser erst danach verstorben wäre. Hinzu kommt, dass nach der Regelung in § 14 Ziffer 2 Satz 1 des Vertrages über die Gründung der GmbH der Kapitalanteil des Gesellschafters C auf die Miterben ungeteilt übergegangen ist. Auch diese eindeutige Regelung spricht gegen die von den Klägern vertretene Ansicht, wonach die Kapitalerhöhung auf sie als Miterben entsprechend ihrem Erbanteil vorzunehmen ist.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr.1 und 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenGrEStG § 1 Abs. 3 Nr.1

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