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  • · Fachbeitrag · Verjährung

    Ablaufhemmung gem. § 211 BGB hat bei mehreren Erben Einzelwirkung

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    Die Ablaufhemmung des § 211 S. 1 1. Alt. BGB beginnt im Fall mehrerer Erben bei einer vom Gläubiger erhobenen Gesamtschuldklage (§ 2058 BGB) in dem Zeitpunkt, in dem der jeweils in Anspruch genommene Erbe die Erbschaft angenommen hat. Auf den Zeitpunkt der Annahme durch den letzten Miterben kommt es nicht an (BGH 4.6.14, IV ZR 348/13, ZNotP 2014, 186, Abruf-Nr. 142103).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin (Kl.) und ihr Bruder B sind die einzigen Abkömmlinge des Erblassers E. Mit notariellem Testament aus 1992 setzte der E die Kl. und B zu Erben ein und traf weitere, diese beeinträchtigende Verfügungen. Hiervon erfuhr die Kl. 2004 und schlug - ebenso wie B - die Erbschaft aus. Am 6.3.07 teilte das Nachlassgericht der Kl. mit, dass die Beklagten (Bekl.) als Miterben feststünden und die Ermittlung weiterer Erben noch nicht abgeschlossen sei. Mit Schreiben des Klägervertreters vom 2.4.07 forderte die Kl. von den Bekl. wegen ihrer Pflichtteilsansprüche Auskunft über die Höhe des Nachlasses und wies auf die noch 2007 ablaufende Verjährung hin. Die Bekl. erklärten mit Schreiben vom 3.5.07 u.a., die Erben von sechs Stämmen seien noch nicht gefunden und es bestehe derzeit noch kein Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten. Sie wollten die berechtigten Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten nicht beeinträchtigen. Hierauf reagierte die Kl. erst mit anwaltlichem Schreiben vom 28.1.08. Die Bekl. erwarben mit Vertrag vom 5.9.09 die Erbanteile der übrigen Miterben mit Ausnahme des Erbteils einer unbekannt verzogenen Miterbin. Die Kl. verlangt mit ihrer im August 11 erhobenen Klage Zahlung des Pflichtteils auf der Grundlage einer Pflichtteilsquote von 1/4. Die Bekl. haben u.a. die Einrede der Verjährung erhoben. Das LG hat die Klage ab-, das Berufungsgericht die Berufung der Kl. zurückgewiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Revision hat keinen Erfolg.

     

    Pflichtteilsanspruch ist verjährt

    Ein etwaiger Pflichtteilsanspruch der Kl. ist verjährt. Auf ihn ist gem. Art. 229 § 23 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 EGBGB noch § 2332 BGB a.F. in der bis zum 31.12.09 geltenden Fassung anwendbar. Gem. § 2332 Abs. 1 BGB a.F. verjährt der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat. Dies war bei der Kl. am 28.10.04 der Fall, als ihr sämtliche Verfügungen des E bekannt wurden. Eine Kenntnis von der Person des Erben ist nicht erforderlich (BGH EE 13, 56, Abruf-Nr. 133588). Die Verjährung lief am 28.10.07 ab. Die Klage hat die Kl. erst im August 11 erhoben.

     

    Die Bekl. haben den Pflichtteilsanspruch der Kl. durch ihr Schreiben vom 3.5.07 nicht mit der Folge eines Neubeginns der Verjährung anerkannt. Ein Anerkenntnis i.S. von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegt vor, wenn sich aus dem tatsächlichen Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger klar und unzweideutig ergibt, dass dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewusst ist, und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird. Der Schuldner muss dabei sein Wissen, zu etwas verpflichtet zu sein, klar zum Ausdruck bringen, wobei ein eindeutiges schlüssiges Verhalten genügen kann (BGH NJW 12, 3229). Im Pflichtteilsrecht kann auch eine Auskunftserteilung ein Anerkenntnis darstellen. Allerdings muss sich das Bewusstsein des Schuldners vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergeben; eine Erklärung, die nur das Bewusstsein erkennen lässt, der Anspruch bestehe möglicherweise, reicht nicht aus (BGH FamRZ 90, 1107; NJW-RR 87, 1411). Aus der Erklärung, sich gegen berechtigte Ansprüche nicht wehren zu wollen, kann ein derartiges Anerkenntnis nicht zweifelsfrei entnommen werden.

     

    Verjährung ist nicht gehemmt

    Der Pflichtteilsanspruch der Kl. ist auch nicht wegen einer Hemmung aufgrund von Verhandlungen (§ 203 BGB) nicht verjährt. Eventuelle Verhandlungen nach dem Beginn der Verhandlungen durch das Schreiben der Kl. vom 2.4.07 sind nach dem Schreiben der Beklagten vom 3.5.07 eingeschlafen. Hierauf hat die Klägerin nicht zeitnah reagiert.

     

    Der Verjährung des Anspruchs der Kl. steht ferner § 211 BGB nicht entgegen. Gemäß § 211 S. 1 Alt. 1 BGB tritt die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen wird. Entgegen der h.M. in der Literatur (MüKo/Grothe, BGB, 6. Aufl. § 211 Rn. 3), verjähren die Ansprüche nicht einheitlich nach der Annahme der Erbschaft durch den letzten Erben. Entscheidend für den Annahmezeitpunkt ist, wann der Miterbe die Erbschaft angenommen hat, gegenüber dem Ansprüche erhoben werden. Die Bekl. als in Anspruch genommene Miterben haben die Erbschaft sechs Monate vor dem regulären Verjährungsende am 28.10.07 angenommen. Die Ablaufhemmung von sechs Monaten liegt damit vor dem Verjährungsende.

     

    Für eine Einzelwirkung des § 211 BGB sprechen der Sinn und Zweck der Regelung. Käme es auf den Zeitpunkt an, zu dem der letzte Miterbe die Erbschaft angenommen hat, würde dies den Hemmungszeitraum erheblich ausdehnen. Ein Miterbe, der die Erbschaft frühzeitig angenommen hat, könnte sich u.U. für einen längeren Zeitraum nicht auf Verjährung berufen, nur weil andere Miterben die Erbschaft noch nicht angenommen haben. Insbesondere wenn zunächst nicht bekannt ist, wer Erbe geworden ist, würde der Hemmungszeitraum des § 211 BGB massiv ausgedehnt. Dies ist durch den Sinn und Zweck des § 211 BGB nicht gerechtfertigt. Hierdurch soll der Gläubiger in den Fällen geschützt werden, in denen er ohne eigenes Verschulden an der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert ist. Sofern einer oder mehrere Miterben die Erbschaft angenommen haben, kann der Gläubiger seine Ansprüche im Wege der Gesamtschuldklage nach § 2058 BGB verfolgen. Wann in vergleichbaren Fallkonstellationen bei einer Gesamthandsklage die Ablaufhemmung gemäß § 211 BGB eintritt, musste der BGH nicht entscheiden.

     

    Die gemeinsame Bindung der Erben über §§ 2039, 2040 BGB führt gem. § 2058 BGB zur Haftung der Erben als Gesamtschuldner für Nachlassverbindlichkeiten. Für die Gesamtschuldnerschaft ordnet § 425 Abs. 2 BGB an, dass die Verjährung für jeden Gesamtschuldner gesondert zu beurteilen ist (sog. Einzelwirkung, vgl. MüKo/Bydlinski, a.a.O., § 425 Rn. 22). Es ist nicht ersichtlich, warum diese Einzelwirkung der Verjährung bei Gesamtschuldnerschaft in den Fällen des § 211 BGB durchbrochen werden sollte.

     

    Auch hinsichtlich der von den Bekl. erworbenen Erbanteile ist Verjährung eingetreten. Auch diesbezüglich ist bei der anzustellenden Einzelbetrachtung die Verjährung jeweils gesondert zu beurteilen. Gem. § 2382 Abs. 1 S. 1 BGB haftet der Erbschaftskäufer von dem Abschluss des Kaufs an den Nachlassgläubigern. Die Bekl. als Käufer treten mithin auch bezüglich der Verjährung in die Rechtsstellung der Veräußerer ein. Die fünf Miterben, von denen die Bekl. ihre Erbanteile erworben haben, haben die Annahme der Erbschaft spätestens am 5.9.09 durch die Veräußerung erklärt. Unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung von sechs Monaten lief die Verjährungsfrist am 5.3.10 ab, § 211 S. 1 BGB. Klage hat die Kl. erst im August 11 erhoben.

    Praxishinweis

    Die Ausführungen des BGH zu § 211 BGB betreffen auch die Verjährung nach der Reform des Erb- und Verjährungsrechts. Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gem. § 2332 Abs. 1 BGB a.F. hat sich durch die am 1.1.10 in Kraft getretene Änderung wie folgt geändert:

     

    Übersicht / Reform des Verjährungsrechts im Erbrecht

    • Der bisherige § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit der Verjährungsfrist von 30 Jahren wurde aufgehoben.

     

    • Auch für erbrechtliche Ansprüche (z.B. Pflichtteilsansprüche) gilt grundsätzlich die Regelverjährung gem. §§ 195, 199 BGB:

     

      • Verjährungsfrist, 3 Jahre, § 195 BGB;

     

      • Beginn mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB.

     

    • Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen, oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzen, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an, d.h. i.d.R. vom Zeitpunkt des Erbfalls an.
     

    Weiterführende Hinweise

    • EE 13, 56, ff., Abruf-Nr. 130576, zum Verjährungsfristbeginn bei nachträglicher Kenntniserlangung des Berechtigten von Nachlassgegenständen
    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 146 | ID 42847991