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  • · Fachbeitrag · Miterbengemeinschaft

    Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten gegenüber einer Miterbengemeinschaft

    von RA und VRiLG a.D. Uwe Gottwald, Vallendar

    | In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Schuldner nach dem Tod seines Gläubigers nicht weiß, an wen er zur Erfüllung der Nachlassverbindlichkeit leisten muss. Das kann eine einzelne Person - Alleinerbe - sein oder aber - was wesentlich öfter vor kommt - eine Miterbengemeinschaft. |

    1. Ausgangssituation

    Für den Schuldner ist es oft nicht ohne Weiteres erkennbar, dass sein Gläubiger verstorben ist. Daher weiß er auch nicht, an wen er leisten muss.

     

    • Fall

    A schuldet seinem Freund B einen Betrag von 6.000 EUR aus einem privaten nicht verzinslichen Darlehen. Als die Schuld zur Zahlung fällig wird, erfährt A, dass B bereits vor drei Monaten verstorben ist. Er hat gehört, dass B von seinen drei Söhnen als Miterben zu gleichen Teilen beerbt worden sein soll. Sicher ist er nicht. Er weiß auch nicht, wo die Söhne wohnen. Er fragt, wie er verfahren soll, damit die Schuld bei Zahlung auch wirklich getilgt ist.

     

    2. Miterbengemeinschaft als Gläubiger

    Zu prüfen ist, ob es sich bei der Verbindlichkeit um eine Nachlassverbindlichkeit i.S. von § 2039 BGB handelt. Zu diesen Ansprüchen gehören alle,

    • deren Rechtsträger die Miterbengemeinschaft ist, die also
    • dem Erblasser zustanden und mit dem Erbfall auf die Erben übergegangen sind sowie
    • diejenigen, die zugunsten der Miterbengemeinschaft nach dem Erbfall entstanden sind (vgl. Schütte in jurisPK-BGB Band 5, 7. Aufl., § 2039 Rn. 1).

     

    Die Darlehensverbindlichkeit gehört im Beispielsfall zu den Nachlassverbindlichkeiten.

     

    Die Miterbengemeinschaft ist eine Gesamthandsgemeinschaft. Es entspricht dem Gesamthandsprinzip, dass ein Nachlassschuldner an alle Erben gemeinschaftlich leisten muss, § 2039 Abs. 1 S. 1 BGB. Jeder Miterbe kann grundsätzlich nur Leistung an alle Miterben verlangen. Es gelten dabei die Grundsätze des § 432 Abs. 1 BGB auch, wenn es sich - wie hier - um eine teilbare Leistung handelt, weil § 2039 Abs. 1 S. 1 BGB - anders als § 432 Abs. 1 BGB - nicht zwischen teilbarer und unteilbarer Leistung unterscheidet. Dementsprechend müssen die Miterben die Leistung auch gemeinsam annehmen. Hierzu sind sie i.d.R. nach § 2038 BGB als Maßnahme, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich ist, verpflichtet. Weigert sich auch nur ein Miterbe, liegt Annahmeverzug aller Miterben vor.

    3. Erfüllung gegenüber der Miterbengemeinschaft

    Am Leistungs- und Erfüllungsort ändert sich durch den Tod des Gläubigers nichts. Bei Geldschulden ist demnach der letzte Wohnsitz des Erblassers als der Ort anzusehen, an dem im Zweifel das Geld zu übermitteln ist.

     

    Grundsätzlich ist es nicht die Aufgabe des Schuldners, die Erben als Rechtsnachfolger seines Gläubigers zu ermitteln. Er darf vielmehr abwarten, bis die Erben unter Darlegung ihrer Rechtsstellung an ihn herantreten. Würden die Miterben oder auch nur einer den Schuldner auf Leistung an die Miterbengemeinschaft gerichtlich in Anspruch nehmen, ohne ihn vorprozessual unter Nachweis der Erbenstellung zur Zahlung aufgefordert zu haben, könnte der Schuldner den Anspruch mit der Kostenfolge des § 93 ZPO anerkennen (KG NJW-RR 09, 1073 = FamRZ 09, 1701). Solange die Erben ihre Rechtsstellung dem Schuldner gegenüber nicht nachgewiesen und dieser auch nicht auf andere Weise Sicherheit über deren Erbenstellung erlangt, kann er nicht in Verzug geraten, weil es an einem Verschulden fehlt (BGH NJW 06, 51).

     

    • Lösung zum Fall

    A muss seine Leistung - Zahlung der 6.000 EUR - allen Miterben bzw. deren Bevollmächtigten nach §§ 294 bis 296 BGB anbieten. Da A allerdings nicht sicher ist, ob die drei Söhne des B tatsächlich dessen Miterben sind, und er auch nicht weiß, wo diese wohnen, kann er solange nicht in Verzug geraten, bis die Erben ihn unter Nachweis ihrer Erbenstellung auf Leistung in Anspruch nehmen.

     

    4. Fazit

    Der Schuldner einer Nachlassverbindlichkeit kann mit der Erfüllung derselben abwarten bis er durch den/die Erben unter Nachweis der Erbenstellung aufgefordert wird, die Verbindlichkeit zu erfüllen. Treten der/die Erben an ihn heran, sollte er sich mit ihm/ihnen sowohl über die Zahlungsmodalitäten als auch über den Erfüllungsort verständigen. Er muss dabei darauf achten, dass alle Miterben mit der Leistung einverstanden sind, weil sie diese auch gemeinsam annehmen müssen. Nimmt auch nur einer der Miterben die Leistung nicht an, wirkt sein Annahmeverzug gegenüber den anderen Miterben, da die Leistung nur an alle gemeinsam erbracht werden kann.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Schuldner kann sich auch durch Hinterlegung der Schuld gem. § 387 BGB für alle Miterben befreien.

     

    Weiterführender Hinweis

    • OLG Frankfurt 12.11.10, 2 U 117/10, juris, zur Erbengemeinschaft: Leistung auf eine Nachlassforderung an einen Miterben
    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 212 | ID 42950003