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  • · Fachbeitrag · Testamentsauslegung

    Ermittlertätigkeit: Lücken im Testament aufdecken und ergänzen

    von RA und VRiLG a.D. Uwe Gottwald, Vallendar

    | Nachdem die Methoden zur Auslegung letztwilliger Verfügungen in den vergangenen Monaten bereits grundlegend dargestellt wurden ( EE 13, 49 ; EE 13, 68 ; EE 13, 84 ; EE 13, 100 und 117), vertieft diese abschließende Folge der Beitragsserie die Praktik der ergänzenden Auslegung. |

    1. Lücke im Testament: Wirkliche Willensrichtung ermitteln

    Die ergänzende Auslegung führt Rechtsfolgen herbei, die im Testament nicht angesprochen sind. Voraussetzung ist eine erkennbare Lücke. Um eine solche zu sehen, muss die wirkliche Willensrichtung des Erblassers, die nicht mit seinem hypothetischen Willen verwechselt werden darf, ermittelt werden (BayObLG FamRZ 97, 1509). Die Willensrichtung ist anhand der für die einfache (erläuternde) Auslegung geltenden Grundsätze zu erforschen. Auch außerhalb des Testaments liegende Umstände, die Lebenserfahrung und Äußerungen des Erblassers, soweit diese Rückschlüsse auf seine Willensbildung bei Testamentserrichtung zulassen, sind zu beachten. Erforderlich ist eine wertende Beurteilung, um den grundsätzlichen Vorrang der gesetzlichen Erbfolge zu wahren. Die Betrachtung muss am Gesamtbild des Testaments ansetzen und fragen, ob sich die getroffenen Verfügungen in Anbetracht der mit ihnen verfolgten Ziele als lückenhaft darstellen.

     

    MERKE |  Die Willensrichtung stellt die reale Einstellung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung dar und kann mit seiner Motivation oder Zielsetzung umschrieben werden (MüKo/Leipold, BGB, 5. Aufl., § 2084 Rn. 89). Hilfreich können bisweilen im Testament vorhandene Motivangaben sein (BayObLG ZEV 99, 314). Die Willensrichtung ergibt sich aus den vom Erblasser verfolgten wirtschaftlichen, nicht rechtlichen Absichten und seinem Ziel. Zu fragen ist, was der Erblasser durch sein Testament erreichen wollte.