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  • · Fachbeitrag · Verjährungshemmung

    Vorliegen eines gestundeten Pflichtteilsanspruchs

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Der Pflichtteilsanspruch führt oft dazu, dass der Erbe in finanzielle Not gerät, wenn er diesen (sofort) erfüllen muss. Das OLG Karlsruhe hat aktuell entschieden, welchen Anforderungen eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs genügen muss. |

    Sachverhalt

    Die Klägerin (K) macht Pflichtteilsansprüche nach dem Tod ihrer Großmutter, der Erblasserin (E) geltend. E ist am 8.2.01 verstorben. Sie hinterließ den Vater (V) der K und die beklagte Tante (B). Der V war vorverstorben. Die B wurde aufgrund einer letztwilligen Verfügung der E Alleinerbin. Noch in 2001 bat die B die K, den Pflichtteilsanspruch nicht geltend zu machen. Denn sie befürchtete, ihre Wohnung nicht halten zu können. Die K machte keinen Pflichtteilsanspruch geltend. Mit Schreiben vom 1.1.08 teilte die B der K mit, diese zur Alleinerbin einsetzen zu wollen. 2014 wurde K diesbezüglich unsicher. Mit Schreiben vom 28.4.14 forderte sie die B auf, zu erklären, ob sie Einwände gegen den Pflichtteilsanspruch habe und verlangte eine Aufstellung über die Nachlasswerte der E. Die B wies mit einem Schreiben vom 14.5.14 den Pflichtteilsanspruch der K wegen Verjährung zurück. K hat am 11.6.14 Stufenklage erhoben. Diese wurde am 2.7.14 zugestellt. Die B hat sich auf Verjährung berufen. Das LG hat die Stufenklage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der K war erfolgreich.

     

     

     

    • 1. Bittet die Erbin die pflichtteilsberechtigte Enkelin der Erblasserin, den Pflichtteil vorläufig nicht geltend zu machen, da die Erbin ansonsten ihre Eigentumswohnung veräußern müsse, kann darin ein Stundungsersuchen liegen. Verhält sich die pflichtteilsberechtigte Enkelin entsprechend dieser Bitte, liegt eine - verjährungshemmende - konkludente Stundungsvereinbarung nahe.
    • 2. Die Stundung des Pflichtteils umfasst im Zweifel auch die Stundung des mit dem Pflichtteil verbundenen Auskunftsanspruchs.
     

    Entscheidungsgründe

    Die K kann den Pflichtteil verlangen, § 2303 Abs. 1 i. V. mit § 1924 Abs. 1, 3, 4 BGB. Die B muss Auskunft erteilen, um es der K zu ermöglichen, den Pflichtteilsanspruch und einen eventuellen Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen, § 2314 Abs. 1 S. 1, § 260 Abs. 1 BGB.

     

    Pflichtteilsanspruch ist nicht verjährt

    Die B könnte es verweigern, den Pflichtteil zu zahlen, wenn der Anspruch verjährt wäre. Da die von der K geltend gemachte Auskunft nur dazu dient, den Pflichtteil zu beziffern, bestünde bei Verjährung des Pflichtteils kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die Auskunft (Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2314 Rn. 12). Der Pflichtteilsanspruch der K ist nicht verjährt.

     

    Bis zum 31.12.09 war für die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen § 2332 Abs. 1 BGB a. F. maßgeblich. Danach betrug die Verjährungsfrist drei Jahre, gerechnet von dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis davon erlangte, das der Erbfall eingetreten und eine ihn beeinträchtigende Verfügung vorliegt. Da die K bereits 2001 vom Tod der E und der Erbeinsetzung der B erfahren hat, begann die Verjährungsfrist 2001 zu laufen. Wäre die Verjährung nicht zwischenzeitlich gehemmt worden, wäre die Verjährung bereits im Laufe von 2004 abgelaufen. Der Ablauf der Verjährung wurde jedoch gehindert, da die Verjährung bereits 2001 gehemmt worden ist.

     

    Verjährung wurde gehemmt

    Die Parteien haben 2001 vereinbart, dass der Pflichtteilsanspruch gestundet werden sollte. Ab diesem Zeitpunkt ist die Verjährung für die Dauer der Stundung gehemmt, § 205 BGB bzw. § 202 Abs. 1 BGB a. F. Die B bat die K, den Anspruch nicht geltend zu machen. Das in dieser Bitte liegende Stundungsersuchen hat die K angenommen, indem sie sich entsprechend verhalten hat. Dass es sich nicht etwa um einen Erlassvertrag handelte, ergibt sich daraus, dass die Parteien nur eine vorläufige Regelung getroffen haben. Die K sah nur „zunächst“ davon ab, ihre Ansprüche geltend zu machen. Auch aus dem Schreiben der B vom 1.1.08 ergibt sich, dass beide davon ausgingen, dass der Pflichtteilsanspruch der K weiter bestand. Für den übereinstimmenden Willen zur Stundung spielt es keine Rolle, ob sie mögliche Schwierigkeiten bei einem späteren Streit über den Pflichtteil mit bedacht haben.

     

    Dauer der Stundung durch Auslegung zu ermitteln

    Die Parteien haben nicht ausdrücklich geregelt, bis zu welchem Zeitpunkt der Pflichtteilsanspruch gestundet sein sollte. Dies ist durch Auslegung der Absprache zu ermitteln. Es kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Da beide Alternativen zum selben Ergebnis führen, kann die Auslegung der Vereinbarung zu diesem Punkt offenbleiben.

     

    • Man kann die Absprache als eine unbefristete Stundung verstehen. In diesem Fall hatte die K das Recht, später den Leistungszeitpunkt nach billigem Ermessen zu bestimmen, § 315 Abs. 1 BGB (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 271 Rn. 14).
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    • Das Motiv für die Stundungsvereinbarung war Folgendes: Die K erwartete, die B zu beerben. Das könnte es nahelegen, die Stundung dahin gehend zu verstehen, dass sie bis zum Tod der B gültig sein sollte, allerdings begrenzt auf einen früheren Zeitpunkt, wenn sich vorher die Aussicht der K zerschlagen sollte. Eine solche Auslegung würde an die Interessenlage der K anknüpfen, die mit einer späteren Erbeinsetzung rechnete. Die Situation ist vergleichbar mit der Interessenlage einer Gläubigerin, die eine Leistung erfüllungshalber erhält, die mit einer Stundungsvereinbarung verknüpft wird (vgl. dazu BGH NJW-RR 92, 254).
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    • Das Schreiben der B aus 2008 ist ein zusätzliches Indiz für den übereinstimmenden Stundungswillen der Parteien in 2001. § 2331 a. F. BGB macht deutlich, dass eine Stundungsvereinbarung beim Pflichtteilsanspruch naheliegt, wenn - wie hier - der Pflichtteilsanspruch voraussichtlich nur dadurch befriedigt werden kann, dass der wichtigste Vermögensgegenstand veräußert wird. Das ist hier die Eigentumswohnung der B.
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    • Der Pflichtteilsanspruch ist nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der erneuten Hemmung, als die Klage am 2.7.14 erhoben wurde, nicht abgelaufen war, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Geht man von einer unbefristeten Stundung aus, endete diese in dem Zeitpunkt, in dem die K erstmals den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte. Das war die Klageerhebung; denn zu einem früheren Zeitpunkt hat die K die Leistungszeit gem. § 315 Abs. 1 BGB nicht bestimmt. Die K war mit der Klageerhebung berechtigt, den Pflichtteil zu fordern. Denn aus dem Schreiben der Gegenseite vom 14.5.14 ergab sich, dass sich die Grundlage für die Stundung zerschlagen hatte. An das Ende der Stundung schloss sich die Hemmung dadurch, dass die K Klage erhoben hat, unmittelbar an.

     

    • Die Verjährungsfrist ist auch nicht abgelaufen, wenn man die Vereinbarung als eine befristete Stundung versteht. In diesem Fall wäre die verjährungshemmende Stundung mit dem Schreiben der Gegenseite vom 14.5.14 entfallen. Ein früherer Zeitpunkt, zu dem die K hätte annehmen müssen, enttäuscht zu werden, ist nicht ersichtlich. Die ab dem Schreiben vom 14.5.14 weiterlaufende Verjährungsfrist war nicht abgelaufen als die Klage am 2.7.14 zugestellt worden ist (vgl. zur Verjährungsfrist § 2332 Abs. 1 BGB a. F., §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 23 EGBGB).

     

    Auskunftsanspruch ist auch nicht verjährt

    Auch der Auskunftsanspruch ist nicht verjährt. Dessen Verjährung ist selbstständig zu prüfen. Bis zum 30.12.09 galt dafür die 30-jährige Verjährungsfrist gem. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. Mit der Neuregelung des Erb- und Verjährungsrechts zum 1.1.10 wurde die Verjährung für erbrechtliche Auskunftsansprüche auf drei Jahre verkürzt, wobei die Verjährung für alte Erbfälle am 1.1.10 zu laufen begann (§ 195 BGB i. V. mit Art. 229 § 23 Abs. 2 S. 1 EGBGB). Der Auskunftsanspruch der K wäre mithin - unabhängig vom Pflichtteilsanspruch - am 31.12.12 verjährt, wenn die Verjährung nicht gehemmt worden wäre. Auch die Verjährung des Auskunftsanspruchs war durch die Stundungsvereinbarung aus 2001 gem. § 205 BGB gehemmt. Denn die Vereinbarung ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahin gehend zu verstehen, dass auch die Verjährung des vorbereitenden Auskunftsanspruchs gestundet werden sollte.

     

    Aus dem Sachvortrag ergibt sich keine ausdrückliche Absprache in 2001, ob und wann die B Auskunft über den Nachlass und unentgeltliche Zuwendungen der E erteilen sollte. Die Absprache ist insoweit lückenhaft. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien nicht daran gedacht haben, dass mit einem Pflichtteilsanspruch- auch Auskunftsansprüche zusammenhängen. Wenn die Parteien an eine mögliche Auskunft über den Bestand des Nachlasses gedacht hätten, hätten sie dafür in gleicher Weise eine Stundung vereinbart, wie für die Zahlungspflicht der B. Denn die Auskunft war nur sinnvoll und erforderlich im Zusammenhang damit, den Pflichtteilsanspruch zu verlangen. Aus diesen Umständen ergibt sich, dass es auch gestundet war, die Auskunftspflicht zu erfüllen. Mithin war auch die selbstständig für den Auskunftsanspruch laufende Verjährung in gleicher Weise gehemmt wie für den Zahlungsanspruch.

     

    Da die Verjährung von Pflichtteils- und Auskunftsanspruch wegen einer Stundungsabrede gehemmt war, spielt der Gesichtspunkt von Treu und Glauben bei der Verjährung keine Rolle. Es kommt daher nicht darauf an, unter welchen Umständen sich ein Gläubiger, der seine Ansprüche aufgrund bestimmter Erwartungen länger nicht geltend macht, auch auf Treu und Glauben berufen kann, wenn der Schuldner ihn nicht getäuscht hat. Die in 2001 vereinbarte Stundung berechtigt die B nicht dazu, die Leistung zu verweigern. Denn die Stundung ist entweder dadurch beendet, dass die K die Forderung durch die Klage geltend gemacht hat oder durch das Schreiben der B vom 14.5.14.

    Relevanz für die Praxis

    Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beschenkten verjähren in drei Jahren vom Erbfall an, § 2332 Abs. 1 BGB. Eine Kenntnis ist im Gegensatz zu § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erforderlich. Dies gilt auch, soweit der Erbe als Beschenkter aus § 2329 BGB haftet (OLG München ZEV 10, 193). Aufgrund der Haftungsgefahr ist diese starre kenntnisunabhängige Verjährungsfrist streng im Auge zu halten. Sofern der Nachlass durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers reduziert wurde, müssen gegen den oder die Beschenkten ggf. verjährungshemmende Schritte eingeleitet werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • EE 14, 98 zur Ablaufhemmung bei mehreren Erben
    Quelle: Ausgabe 03 / 2016 | Seite 39 | ID 43841622