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  • 01.01.2006 | Pflichtteil

    Quotentheorie und Werttheorie richtig anwenden

    von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht, Duisburg

    Im Rahmen des § 2306 BGB ist oft unklar, in welchen Fällen statt der Quotentheorie ausnahmweise die Werttheorie anwendbar ist. Der folgende Beitrag stellt die Anwendungsbereiche beider Theorien dar (zur Quotentheorie Sarres, EE 05, 69).  

     

    Grundsatz: Vorrang für Quotentheorie

    Ist der Erbteil kleiner als der Pflichtteil und zusätzlich mit einer Nacherbeneinsetzung, Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnung, Vermächtnis oder Auflage belastet/beschwert, gilt § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Beschwerungen und Belastungen entfallen automatisch.  

     

    Beispiel

    Der alleinstehende A verstirbt und hinterlässt seine zwei Söhne S1 und S2. Durch Testament setzt er diese wie folgt als Erben ein: S1 zu 1/8 und S2 zu 7/8 Anteil ein. Für den Nachlass hat A überraschend Testamentsvollstreckung angeordnet und P zum Testamentsvollstrecker eingesetzt. Der gesetzliche Erbteil von S1 beträgt 1/2, seine Pflichtteilsquote 1/4. Da er zu 1/8 als Erbe eingesetzt worden ist, unterschreitet sein Erbteil die Pflichtteilsquote von 1/4.  

     

    Lösung: Die Testamentsvollstreckung entfällt hier automatisch gemäß § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Erbschaft von S1 erfasst also den 1/8 Anteil des Nachlasswerts ohne die Beschränkung durch die Testamentsvollstreckung. Zudem kann er noch einen Pflichtteilsrestanspruch gemäß § 2305 BGB geltend machen, so dass er im Ergebnis seinen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/4-Anteil erhält. S1 dürfte hier nicht ausschlagen. Er hat kein Wahlrecht. Wenn er ausschlägt, gefährdet er seinen Pflichtteilsanspruch.  

     

    Praxishinweis: Ist die Testamentsvollstreckung für den gesamten Nachlass angeordnet, entfällt sie nur für den beeinträchtigten Erbteil des Pflichtteilsberechtigten, für den Erbteil der anderen Miterben bleibt sie als Beschränkung bestehen.  

     

    Pflichtteilsüberschreitender Erbteil und Testamentsvollstreckung

    Erhält der Erbe einen belasteten oder beschwerten Erbteil, der größer ist als der Pflichtteil, hat er ein Wahlrecht, die Erbschaft auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen oder die Erbschaft anzunehmen und die Belastung oder Beschwerung hinzunehmen.