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  • · Fachbeitrag · Nachlasspflegschaft

    So wird dieTätigkeit eines Nachlasspflegers vergütet

    von RA Michael Doddek, Leipzig, und Dipl.-Verwaltungswirt Bernd Clasen, Hamburg, (Leiter der ArGe Nachlasspflegschaft in der DVEV)

    | In der Praxis kommt es bei der Vergütung von Nachlasspflegern immer wieder zu Streit, da die Rechtsprechung zur Höhe des Stundensatzes sehr unterschiedlich ist. Denn es gibt kein einheitliches Vergütungssystem.|

     

    Grundsätze der Vergütung

    Die Festsetzung der Pflegervergütung erfolgt bei mittellosen Nachlässen nach dem VBVG (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz). Über §§ 1915, 1962 BGB (zuständig ist das Nachlassgericht) gilt dies auch für beruflich geführte Nachlasspflegschaften und über § 277 Abs. 1 und 2 FamFG (alt: § 67 FGG) für Verfahrenspflegschaften. Bei vermögenden Nachlässen richtet sich die Vergütung nach den nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers.

     

    Berufsnachlasspfleger von mittellosen Nachlässen

    Je nach Ausbildung erhält der Nachlasspfleger bei dürftigen Nachlässen eine Stundensatzvergütung aus der Staatskasse, § 3 Abs. 1 S. 1 VBVG. Der Anspruch der Staatskasse gegen die Erben erlischt nach 10 Jahren, §§ 1915, 1836e BGB. Umsatzsteuer wird zusätzlich erstattet, § 3 Abs. 1 S. 3 VBVG. Der Nachlasspfleger erhält je nach Qualifikation einen Stundensatz von netto 19,50 EUR bis 33,50 EUR.

     

    Berufsnachlasspfleger vermögender Nachlässe

    Nach § 1915 BGB richtet sich die Vergütung - abweichend von § 3 Abs. 1 bis 3 VBVG - nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach Umfang und Schwierigkeit des Pflegergeschäfts. Grund: Die Einführung allgemeiner Regelsätze für die Vormundschaft in § 3 Abs. 1 VBVG, die nach Abs. 3 nur ausnahmsweise erhöht werden können, kann insbesondere beim Nachlasspfleger zur unangemessen niedrigen Vergütung führen.

     

    Praxishinweis |

    Je nach Zeitaufwand sollte der Nachlasspfleger die günstigste Abrechnungsform wählen:

    • bei kleinerem Aktivvermögen Stundensatzvergütung,
    • bei größerem Aktivvermögen Prozentsatzwahl (str.),
    • Begründung des Schwierigkeitsgrads erforderlich und
    • der Nachlasspfleger sollte grundsätzlich versuchen, eine außergerichtliche Vergütungsabrede mit den Erben herbeizuführen.

    Sofern der Nachlasspfleger die Festsetzung der Vergütung beim Nachlassgericht beantragt, sollte er zuvor mit dem Rechtspfleger die Vergütungsform abstimmen. Da § 1915 BGB Bezug auf den Umfang des Pflegergeschäftes nimmt, kommt für viele Nachlassgerichte nur noch eine Stundensatzwahl in Betracht. Nach Firsching/Graf kann aber auch weiterhin von der prozentualen Vergütungsberechnung Gebrauch gemacht werden (HRP, Nachlassrecht, 9. Aufl., Rn. 4.669). Die Praxis zahlreicher Nachlassgerichte besteht auch weiterhin darin, die Vergütung nach Prozentsätzen festzusetzen.

     

    Höhe der Stundensätze

    In der Literatur wird zu den Vergütungsregelungen Folgendes vertreten: Niedrigere Stundensätze als 125 EUR sollen seit dem 1.7.05 nicht mehr angemessen sein. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um das Stundenhonorar des anwaltlichen Berufspflegers für seine persönlichen Tätigkeiten handelt und die Tätigkeit der Mitarbeiter entweder gar nicht oder aber nach einem geringeren Vergütungssatz vergütet wird (Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 3. Aufl., Rn. 859). Alternativ soll der Mindeststundensatz des § 3 VBVG, der im Fall der Mittellosigkeit zu zahlen wäre (33,50 EUR), nach Maßgabe der nutzbaren Fachkenntnisse des Pflegers sowie Umfang und Schwierigkeit der Pflegergeschäfte zu verdoppeln, zu verdreifachen, ggf. auch vierfach oder fünffach anzusetzen sein (Jochum/Pohl, a.a.O., 4. Aufl., Rn. 860).

     

    In der Rechtsprechung zur Vergütung des Nachlasspflegers sind seit dem 1.7.05 folgende Entscheidungen ergangen.

     

    Übersicht / Rechtsprechung zur Vergütung von Nachlasspflegern

    • LG Trier (18.12.06, 4 T 34/06, n.v., Abruf-Nr. 112600): Beim nicht anwaltlichen Nachlasspfleger (Tätigkeitsumfang: Veräußerung von Grundvermögen und landwirtschaftlichen Flurstücken) ist ein Stundensatz von 75 EUR anstelle der beantragten 90 EUR/Stunde angemessen Der Schwierigkeitsgrad der pflegerischen Tätigkeit ist durchschnittlich.

    • LG Potsdam (3.7.07, 5 T 347/07, n.v., Abruf-Nr. 112601): Einem Anwalt ist für einfache höchstpersönlich erbrachte Leistungen (Sichtung des eingegangenen Schriftverkehrs, Verfügungen an das Kanzleipersonal, Diktate von Schreiben an Beteiligte etc.) einen Stundensatz von 60,60 EUR zuzubilligen. Die Tatsache, dass der Nachlasspfleger über ein Hochschulstudium verfügt, rechtfertigt für sich allein noch keine höhere Vergütung als die Stundensätze nach § 3 VBVG.

    • AG Sinzig (2.7.07, Beck RS 2007 19501): Die Stundensätze des § 3 VBVG sind für den nicht mittellosen Nachlass nicht anzuwenden. Für anwaltliche Nachlasspfleger können je nach Einzelfall Stundensätze zwischen 80 EUR und 130 EUR angesetzt werden.

    • OLG Zweibrücken (Rpfleger 08, 137 = NJW-RR 08, 369 = FamRZ 08, 818): Nachlasspfleger können grundsätzlich eine höhere als die gesetzlich vorgesehene Mindestvergütung verlangen. Ein Stundensatz von 110 EUR ist nicht zu beanstanden.

    • LG München I (Rpfleger 03, 249): Es besteht keine Bindung an die Vergütung nach dem Vormundschaftsrecht. Dieser Auffassung hat sich auch das LG München II angeschlossen: Stundensätze von 100 EUR bis 150 EUR sind angemessen (Beschluss vom 8.2.08, Beck RS 2008 04856).

    • OLG Dresden (ZEV 07, 526 = Rpfleger 07, 547, 548): Es gilt weiterhin folgende Dreiteilung der Stundensätze (vgl. OLG Dresden NJW 02, 3480 bis 3482): Im Fall eines nach § 3 Abs. 1, S. 2 Nr. 2 VBVG qualifizierten Nachlasspflegers eines vermögenden Nachlasses sind im Beitrittsgebiet folgende Stundensätze angemessen:

      • einfache Nachlassabwicklung: 33,50 EUR,
      • mittelschwere Nachlassabwicklung: 43 EUR und
      • schwierige Nachlassabwicklung 58 EUR.

    • Anmerkung: Dieser Beschluss ist in der Literatur erheblich kritisiert worden (vgl. nur Bestelmeyer, Rpfleger 07, 548). In seinem Beschluss vom 19.7.10 (17 W 0699/10, n.v., Abruf-Nr. 112602) stellt der Senat fest, dass sich der vom Nachlasspfleger beantragte Stundensatz über 50 EUR an der unteren Stelle dessen bewegt, was bei berufsmäßig geführten Nachlasspflegschaften regelmäßig abgerechnet wird. Häufig wird etwa der doppelte Satz des VBVG, also 67 EUR oder höher, festgesetzt. Der Senat bezieht sich hier ausdrücklich auf den Beschluss des OLG Zweibrücken (FamRZ 08, 818) und des LG München I (Rpfleger 03, 249). Es ist besonders darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem vorstehenden Zitat um ein obiter dictum handelt, zu dem sich der Zivilsenat offensichtlich veranlasst sah, obwohl die Höhe des Stundensatzes vom Beschwerdeführer nicht angegriffen war.

    • OLG Schleswig-Holstein (FGPrax 10, 140): Einer Nachlasspflegerin, die ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin und Rechtsanwaltsfachgehilfin war, ist ein Stundensatz von 32 EUR zuzubilligen. Die Stundensätze des § 3 VBVG sind Mindeststundensätze, die im Einzelfall zu erhöhen sind. Die Nachlassabwicklung ist hier als mittelschwer einzustufen.

    • OLG Hamm (ZErb 11, 164 = Rpfleger 11, 377): Einem anwaltlichen Berufsnachlasspfleger, der wegen seiner besonderen nutzbaren Rechtskenntnisse zum Nachlasspfleger bestellt wurde, steht bei einem mittleren Schwierigkeitsgrad bei der Nachlassabwicklung statt des beantragten Stundensatzes über 130 EUR lediglich einer von 110 EUR zu.

    • OLG Brandenburg (ZEV 10, 637 = FamRZ 11, 926): Eine Vergütung von 130 EUR/Stunde ist für einen anwaltlichen Nachlasspfleger angemessen, da im Nachlass Gesellschaftsanteile einer in Abwicklung befindlichen GmbH sowie ein Betriebsgrundstück enthalten waren.

    • Notariat Stuttgart (Referat: Dienstaufsicht vom 20.9.09) hat in einer „unverbindlichen Richtlinie“ an alle Notare und Notarvertreter mitgeteilt, dass bei Nachlasspflegschaften und -verwaltungen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Festsetzung der Vergütung von 85 EUR/Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer bestehen, solange es sich mindestens um einen durchschnittlich schwierigen Fall handelt und die Nachlasspflegschaft professionell und zügig abgewickelt wurde (Rundschreiben „Vergütung von berufsmäßigen Nachlasspflegern“ vom 20.11.09, Abruf-Nr. 112603).

     

    Praxishinweis |

    Der Nachlasspfleger sollte im Vergütungsantrag begründen, welchen Schwierigkeitsgrad die Pflegschaftsführung hatte, z.B.

    • lange Dauer der Führung der Nachlasspflegschaft, wenn diese nicht durch zögerliche Tätigkeit des Nachlasspflegers verursacht ist,
    • umfangreiche Erbenermittlung mit besonderem Schwierigkeitsgrad (zahlreiche Folgeerbscheine, Erbenermittlung im Ausland),
    • Verwaltung nicht hinterlegungsfähigen Vermögens (Mietshäuser, Handelsgeschäfte etc.), umfangreiche Steuererklärungen sowie
    • erhöhtes Haftungsrisiko bei sehr hohen Nachlässen.

    Die ArGe der Nachlasspfleger in der DVEV hat eine Stellungnahme zur Stundensatzvergütung bei werthaltigen Nachlässen erarbeitet:

    • Ausgehend von § 1915 BGB sollte ein Stundensatz von 50 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer nicht unterschritten werden (Regelsatz).
    • Je nach Schwierigkeitsgrad sollte ein Stundensatz von 150 EUR in der höchsten Stufe angemessen sein (Standpunkte zur Höhe der Festsetzung der Vergütung von Berufsnachlasspflegern in: Jochum/Pohl, 4. Aufl., S. 619 ff.).

     

    Weiterführender Hinweis

    • EE 10, 131, zur Gläubigerbefriedigung als Aufgabe eines Nachlasspflegers
    Quelle: Ausgabe 09 / 2011 | Seite 160 | ID 28319840