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  • 01.11.2006 | Erbschaftsteuer

    Wann entsteht die Erbschaftsteuer bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen?

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    Als Erwerb von Todes wegen gilt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs, §§ 2303 ff. BGB. Die Steuer dafür entsteht mit der Geltendmachung des Anspruchs, § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ErbStG. Dem Entstehen des Anspruchs mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) kommt erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu. Fraglich ist aber, wann das Tatbestandsmerkmal des „Geltendmachens“ erfüllt ist. Der Beitrag zeigt dazu die aktuelle BFH-Rechtsprechung.  

     

    Die Anwälte des Klägers K führten im an die Erbin E gerichteten Schreiben im Jahr 95 aus, sie hätten „dessen Pflichtteilsansprüche hinsichtlich des Nachlasses des Verstorbenen geltend zu machen“. Um den dem K zustehenden Betrag ermitteln zu können, forderten sie E auf, nach § 2314 BGB im Einzelnen bezeichnete Auskünfte zu erteilen und kündigten für den Fall des Verstreichenlassens einer Frist u.a. Klageerhebung an. Im Jahr 98 einigten sich K und E auf einen Pflichtteilsanspruch von 400.000 DM. Das FG vertrat die Ansicht, K habe seinen Pflichtteilsanspruch mit dem anwaltlichen Schreiben geltend gemacht. Er habe sich hierbei nicht auf ein bloßes Auskunftsbegehren beschränkt, sondern ernstlich die Erfüllung seines Anspruchs verlangt. Die fehlende Bezifferung des Anspruchs sei ohne Bedeutung (FG Köln EFG 05, 1137). K konnte daher nur den seinerzeit geltenden Freibetrag von 90.000 DM (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.F.) beanspruchen. Mit der Revision rügt K Verletzung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Er habe den Pflichtteilsanspruch in dem Schreiben nicht beziffert und somit noch nicht i.S. der Vorschrift geltend gemacht. Eine Bezifferung sei wegen der ausstehenden Bewertung des zum Nachlass gehörenden landwirtschaftlichen Hofes nicht möglich gewesen. Das hätte das FG aufklären müssen.  

     

    Ausgangspunkt: Gesetzeslage

    Das zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs durch den Gesetzgeber ist im Interesse des Berechtigten geschehen und soll ausschließen, dass bei ihm auch Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt (BFH BStBl. II 99, 23). Damit korrespondierend kann der Erbe gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 i.V. mit Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vom Wert des gesamten Vermögensanfalls ebenfalls nur die Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen. Das bloße Bestehen von Pflichtteilsverbindlichkeiten ist auch insoweit ohne steuerrechtliche Bedeutung (BFH, a.a.O.). Mit dieser zeitlichen Verlagerung wird auch die Entschließungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten, dessen Bereicherung im Grunde bereits am Todestag eintritt, respektiert (FG Rheinland-Pfalz ZErb 02, 196 ff.).  

     

    Wann ist das Tatbestandsmerkmal „Geltendmachen“ erfüllt?

    Es stellt sich die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal des „Geltendmachens“ die Erhebung eines bezifferten Anspruchs voraussetzt oder schon früher ansetzt. Zweifelsfrei liegt ein solches „Geltendmachen“ vor, wenn der Gläubiger des Pflichtteilsanspruchs eine eindeutig als Erfüllungsverlangen zu deutende Gläubigerhandlung vornimmt (FG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).