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  • 04.06.2009 | Erbschaftsteuer

    Erbschaftsteuer bei Immobilien: So wird Grundbesitz nach der Reform bewertet

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    Gemäß § 177 BewG ist nun der Wertansatz bei Immobilien im Rahmen der Erbschaftsbesteuerung der gemeine Wert. Dieser Wertansatz stellt die Umsetzung des Beschlusses des BVerfG (NJW 07, 573) dar. Unter Berücksichtigung der neuen Bewertungsregeln für Immobilien wird es künftig zu deutlich höheren Steuerwerten kommen. Der folgende Beitrag zeigt anhand von Berechnungsbeispielen, was bei der Wertermittlung von Grundstücken jetzt zu beachten ist.  

    1. Bewertung unbebauter Grundstücke

    Unbebaute Grundstücke werden weiterhin unter Ansatz des aktuellen Bodenrichtwerts vor dem Besteuerungszeitpunkt bewertet, wobei der bisherige Abschlag von 20 Prozent entfällt.  

     

    In bebauten Gebieten sind Bodenrichtwerte mit dem Wert zu ermitteln, der sich ergeben würde, wenn der Boden unbebaut wäre (§ 196 Abs. 1 S. 2 BauGB). Die Bodenrichtwerte sind in der Regel jeweils zum Ende jedes zweiten Kalenderjahrs festzulegen (§ 196 Abs. 1 S. 3 BauGB). Aufgrund landesrechtlicher Regelung kann statt der zweijährigen Ermittlung der Bodenrichtwerte ein Ein-Jahreszeitraum vorgegeben werden. Damit stehen auf jeden Fall für eine aktuelle Bewertung Bodenrichtwerte zur Verfügung, die in einem Rhythmus von zwei Jahren, in größeren Gemeinden sogar von einem Jahr bestimmt werden.  

     

    Beispiel: Bewertung mit Bodenrichtwert

    Fläche x Bodenrichtwert = 420 qm x 80 EUR = 33.600 EUR = Bodenwert  

    Grundbesitz abgerundet auf volle 500 EUR (§ 139 BewG) = 33.500 EUR  

     

    • Alternativ kann ein niedrigerer gemeiner Wert durch Sachverständigengutachten nachgewiesen werden (§ 138 Abs.4 BewG).

     

    • Ansonsten wird für die Ableitung des Bodenrichtwerts an den bisherigen Grundsätzen zur Wertermittlung in R 160 bis 162 ErbStR 2003 festgehalten. Danach sind 3 Verfahren für eine Wertanpassung der Bodenrichtwerte zulässig, und zwar bei abweichender:

     

    • baulicher Nutzungsmöglichkeit - Korrektur mithilfe von Umrechnungskoeffizienten,
    • Grundstücksgröße des zu bewertenden Grundstücks von der des Bodenrichtwertgrundstücks-Anpassung mithilfe von Umrechnungsfaktoren und
    • baulich nutzbarer Fläche, Aufteilung in Vorder- und Hinterland.
     

    a) Geschossflächenzahlen-Umrechnungskoeffizienten

    Kann das unbebaute Grundstück mit einem Mietwohnhaus, einem gemischt genutzten Gebäude oder einer Gewerbeimmobilie bebaut werden, ist der Bodenrichtwert häufig von der baulichen Nutzungsmöglichkeit abhängig, ausgedrückt in der Geschossflächenzahl (GFZ). Bei der GFZ handelt es sich um das Verhältnis der Wohn-/Nutzfläche des Gebäudes zur Grundstücksfläche. Weicht die GFZ des zu bewertenden Grundstücks von der GFZ des Bodenrichtwertgrundstücks ab, ist der Bodenrichtwert zu korrigieren. Hierzu sind die GFZ zunächst in Umrechnungskoeffizienten auszudrücken. Diese werden entweder durch den örtlichen Gutachterausschuss bestimmt oder nach der Anlage 23 zu den Wertermittlungsrichtlinien (abgedruckt in R 161 Abs.2 S.3 ErbStR 2003). Die Umrechnungs- koeffizienten sind ins Verhältnis zu setzen und mit dem Bodenrichtwert zu multiplizieren.  

     

    Beispiel: Bewertung mit korrigiertem Bodenrichtwert

    Ein unbebautes Grundstück mit einer Grundstücksfläche von 2.000 qm hat nach dem Bebauungsplan eine GFZ von 0,8. In der Bodenrichtwertkarte wird für die Bodenrichtwertzone, in der dieses Grundstück liegt, ein Bodenrichtwert von 200 EUR/qm ausgewiesen. Die GFZ des Bodenrichtwertgrundstücks beträgt 0,6. Unter Berücksichtigung der Umrechnungsfaktoren in R 161 Abs. 2 S.3 ErbStR 2003 errechnet sich der Bodenrichtwert wie folgt:  

     

    0,90 (Umrechnungskoeffizient für das zu bewertende Grundstück bei GFZ 0,8) x 200 EUR/qm : 0,78 (Umrechnungskoeffizient für das zu bewertende Grundstück bei GFZ 0,6)  

    = 230,76 EUR.  

     

    Mit dem so korrigierten Bodenrichtwert ist die Grundstücksfläche von 2.000 qm zu multiplizieren.  

    2.000 qm x 230,76 EUR/qm = 461.520 EUR,  

    abgerundet (§ 139 BewG) = 461.500 EUR.  

     

     

    b) Ableitung mit Umrechnungsfaktoren

    Für Gebiete, in denen Ein- und Zweifamilienhausbebauung überwiegt, können in den Bodenrichtwertkarten Umrechnungsfaktoren angegeben sein, die die Abhängigkeit des Bodenrichtwerts von der Grundstücksgröße wiedergeben. In R 161 Abs. 3 ErbStR 2003 wird hierzu ausgeführt, dass die Umrechnungsfaktoren auch für die Grundstücksbewertung zu übernehmen sind, um den Bodenrichtwert an die Grundstücksfläche des zu bewertenden Grundstücks anzupassen.  

     

    Beispiel: Bewertung mit Umrechnungsfaktoren

    Zu bewerten ist ein unbebautes Grundstück mit einer Fläche von 1.000 qm. Das lagetypische Grundstück soll eine Größe von 700 qm haben; der dafür maßgebende Umrechnungsfaktor soll 1,0 betragen. Für 1.000 qm ergibt sich aus der Umrechnungstabelle des Gutachterausschusses ein Umrechnungsfaktor von 0,91. In der Bodenrichtwertkarte ist ein aktueller Bodenrichtwert von 300 EUR/qm ausgewiesen. Für das zu bewertende Grundstück ist folgender korrigierter Bodenrichtwert anzusetzen:  

    300 EUR/qm x 0,91 = 273 EUR/qm  

    Grundstückswert: 1.000 qm x 273 EUR = 273.000 EUR.  

    2. Bewertung bebauter Grundstücke

    Für die bebauten Grundstücke gibt es unterschiedliche Wertverfahren. Diese sind den §§ 182 ff. BewG i.V. mit den Anlagen 21 bis 26 zum BewG zu entnehmen.  

     

    a) Vergleichswertverfahren

    Grundsätzlich ist für die Bewertung von Ein- und Zweifamilienhäusern das sog. Vergleichswertverfahren anzusetzen. In § 183 Abs. 1 BewG heißt es hierzu: „Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen i.S. der §§ 182 ff. BauGB mitgeteilten Vergleichspreise.“ Soweit solche Vergleichspreise fehlen, erfolgt die Bewertung gemäß § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG im sog. Sachwertverfahren.  

     

    b) Sachwertverfahren

    Beim Sachwertverfahren werden Bodenwert und Gebäudesachwert zunächst getrennt voneinander ermittelt. Danach erfolgt die Multiplikation mit einer Wertzahl. Daraus ergibt sich dann der Grundstückswert.  

     

    Beispiel: Bewertung nach Sachwertverfahren (nach Fischl und Roth NJW 09, 177, 179)

    M ist Eigentümer eines Einfamilienhauses, das er selbst bewohnt. Das Grundstück ist 600 qm groß, der aktuelle Bodenrichtwert liegt bei 900 Euro/qm. Das Haus wurde 1979 errichtet und hat eine mittlere Ausstattung. Es besteht aus Keller, EG, 1. OG und ausgebautem DG. Die Grundfläche beträgt 80 qm, die Wohnfläche 170 qm. Die üblichen Marktmiete beträgt 1700 Euro/Monat.  

     

    Da es sich um ein Einfamilienhaus handelt, wäre grundsätzlich nach § 182 Abs. 1 und 2 BewG das Vergleichswertverfahren heranzuziehen. Für das Grundstück liegen von den Gutachterausschüssen keine Vergleichspreise vor, sodass das Grundstück nach § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG nach dem Sachwertverfahren zu bewerten ist.  

     

    Ermittlung des Bodenwerts  

     

    600 qm × 900 EUR/qm =  

    540.000 EUR  

    Ermittlung des Gebäudesachwerts  

     

    Regelherstellungskosten nach Anl. 24 zum BewG  

     

    770 EUR x Bruttogrundfläche (4 x 80 qm) 320 qm =  

    246.400 EUR  

    abzgl. Alterswertminderung (Anl.22 zum BewG)  

    92.400 EUR  

    Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre, Alter 30 Jahre: 37,5 %  

     

    Vorläufiger Sachwert  

    694.000 EUR  

    Wertzahl § 191 BewG, Anl. 25 zum BewG x 0,9  

     

    = steuerlicher Wert  

    624.600 EUR  

    Gerundet  

    624.500 EUR  

     

     

    c) Ertragswertverfahren

    Im Ertragswertverfahren werden gemäß § 182 Abs. 3 BewG Mietwohn-, Geschäfts- und gemischt genutzte Grundstücke bewertet, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. Der Grundbesitzwert (= Bodenwertanteil) ermittelt sich aus der Multiplikation der Grundstücksfläche mit dem letzten festgestellten Bodenrichtwert des Gutachterausschusses.  

     

    Checkliste: Ermittlung des Gebäudewertanteils im Ertragswertverfahren
    1. Ableitung der Restnutzungsdauer aus der typisierten Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22 zum BewG). Die Mindestrestnutzungsdauer beträgt 30 Prozent der Gesamtnutzungsdauer.
    2. Ermittlung der Jahresnettokaltmiete unter Beachtung der 20-prozentigen Abweichung gegenüber der ortsüblichen Miete. Hierbei sind Nebenkosten aus der Jahresmiete zu eliminieren.
    3. Soweit die Bewirtschaftungskosten nicht vom Gutachterausschuss festgesetzt worden sind, werden die pauschal ermittelten Bewirtschaftungskosten (Anlage 23 zum BewG) für die Berechnung herangezogen.
    4. Für den Abzug der Bodenwertverzinsung ist der vorher ermittelte Bodenwert mit dem Liegenschaftszinssatz zu multiplizieren. Soweit der Gutachterausschuss den Liegenschaftszinssatz nicht festgelegt hat, ist dieser typisierend dem BewG (§ 188 Abs.2 S.2 BewG) in Abhängigkeit zur Grundstücksart zu entnehmen. Die ermittelte Bodenwertverzinsung mindert den Grundstücksrohertrag zum Gebäudereinertrag.
    5. Der Gebäudereinertrag wird mit einem Vervielfältiger multipliziert und somit kapitalisiert. Insoweit wird der Gebäudeertragswert ermittelt.
    6. Der Bodenwertanteil bildet den Mindestwert des bebauten Grundstücks ab.
    7. Alternativ kann auch hier der niedrigere gemeine Wert durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen werden.
     

    Zur Verdeutlichung, wie der Gebäudewertanteil im Wege des Ertragswertverfahrens ermittelt wird, das folgende Zahlenbeispiel:  

     

    Beispiel: Ermittlung des Grundstücksertragswerts

    Der S vermietet ein Mietwohngrundstück (Baujahr 1970). Das Haus wurde 1995 erworben. Grund und Boden haben eine Fläche von 500 qm. Die Grundfläche des Hauses beträgt 250 qm. Der zuletzt festgestellte Bodenrichtwert beträgt 400 EUR/qm. Die monatliche Kaltmiete beläuft sich auf 1.875 EUR. Die Mieter zahlen monatlich 300 EUR an Nebenkosten. Hiermit werden die Betriebskosten vollständig abgedeckt. Die ortsübliche Miete beträgt 2.000 EUR. Es liegen keine Erfahrungssätze der Gutachterausschüsse über die Bewirtschaftungskosten vor. Zum 1.1.09 will S das Haus seiner Tochter T schenken.  

    Bodenwert  

     

    Fläche x Bodenrichtwert = 500 qm x 400 EUR =  

    200.000 EUR  

    Gebäudeertragswert: Nettokaltmiete 1.875 EUR x 12 =  

    22.500 EUR  

    Abzüglich Bewirtschaftungskosten (23 %)  

    - 5.175 EUR  

    Grundstücksrohertrag  

    17.325 EUR  

    Abzüglich Bodenwertverzinsung (Liegenschaftszinssatz 5 %)  

    - 10.000 EUR  

    Gebäudereinertrag  

    7.325 EUR  

     

     

    Vervielfältiger
    Alter des Gebäudes 39 Jahre
    Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre
    Restnutzungsdauer 41 Jahre
    6 : 0,3696 = 17,2943

     

    7.325 EUR x 17,2943 =  

    126.681 EUR  

    Grundstücksertragswert  

    326.681 EUR  

    Gerundet  

    326.500 EUR  

     

     

    3. Bewertung von Erbbaurechten

    Gemäß § 192 BewG ist die Bewertung von Erbbaurechten auf ein neues Fundament gestellt worden. Danach sind die Werte für die wirtschaftliche Einheit „Erbbaurecht“ (§ 193 BewG) und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks (§ 194 BewG) gesondert zu ermitteln.  

     

    Der Verkehrswert eines Erbbaurechts an einem Einfamilienhausgrundstück berechnet sich wie in folgendem Beispiel:  

     

    Beispiel: Berechnung des Verkehrswerts eines Erbbaurechts

    Bodenwert des unbelasteten unbebauten Grundstücks:  

    60.000 EUR  

    Liegenschaftszinssatz des unbebauten Grundstücks:  

    3 %  

    jährlich erzielbarer Erbbauzins (wertgesichert):  

    750 EUR  

    Gebäuderestnutzungsdauer sowie Restlaufzeit des Erbbaurechts :  

    50 Jahre  

    Sachwert der baulichen Anlagen (Gebäude):  

    100.000EUR  

     

    Bei einem Liegenschaftszinssatz von 3 % ergibt sich, bezogen auf den Bodenwert des unbelasteten unbebauten Grundstücks, eine Bodenwertverzinsung von 1.800 EUR. Diese Bodenwertverzinsung ist um den vertraglich vereinbarten Erbbauzins von 750 EUR zu mindern, sodass eine Differenz von 1.050 EUR verbleibt. Bei einer Restlaufzeit von 50 Jahren und einem Liegenschaftszinssatz von 3 % ergibt sich ein Vervielfältiger von 25,73. Der Bodenwertanteil des Erbbaurechts beläuft sich somit auf 1.050 EUR x 25,73 = 27.017 EUR.  

     

    Der Sachwert der baulichen Anlagen beträgt 100.000 EUR. Zuzüglich des Bodenwerts der Erbbaurechts von 27.017 EUR errechnet sich ein finanzmathematischer Wert des Erbbaurechts von 127.017 EUR. Abgerundet ergibt sich für das Erbbaurecht ein Verkehrswert von 127.000 EUR.  

     

    Der Verkehrswert eines Erbbaurechtsgrundstücks (Einfamilienhaus) ermittelt sich wie im nächsten Beispiel dargestellt:  

     

    Beispiel: Berechnung des Verkehrswerts eines Erbbaurechtsgrundstücks

    Bodenwert des unbelasteten unbebauten Grundstücks:  

    60.000 EUR  

    Liegenschaftszinssatz des unbelasteten Grundstücks:  

    3 %  

    jährlich erzielbarer Erbbauzins (wertgesichert):  

    748,95 EUR  

    Gebäuderestnutzungsdauer sowie Restlaufzeit des Erbbaurechts :  

    50 Jahre  

     

    Der Bodenwert des unbelasteten Grundstücks beläuft sich auf 60.000 EUR. Der Abzinsungsfaktor bei einer Restlaufzeit von 50 Jahren nach Anlage 26 zum BewG beträgt 0,2281. Damit ergibt sich ein abgezinster Bodenwert von 60.000 EUR x 0,2281 = 13.686 EUR. Der vertragliche Erbbauzins von 748,95 EUR ist nach Anlage 21 zum BewG bei einer Restlaufzeit von 50 Jahren und einem Liegenschaftszins von 3 Prozent mit einem Vervielfältiger von 25,73 zu multiplizieren, sodass sich ein Barwert des vereinbarten Erbbauzinses von 19.270 EUR ergibt.  

     

    Die Summe aus dem abgezinsten Bodenwert von 13.686 EUR und dem Barwert des vereinbarten Erbbauzinses von 19.270 EUR ergibt dann den finanzmathematischen Wert des Erbbaugrundstücks von 32.956 EUR, abgerundet auf 32.500 EUR.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2009 | Seite 94 | ID 127466