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  • · Fachbeitrag · Haftungsrecht

    Diagnoseirrtum vs. Befunderhebungsfehler: Wann wird gehaftet?

    von Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Rainer Hellweg, Hannover

    | Eine Patientin stellt sich in der Klinik mit linksseitigen Schmerzen vor. Die Behandlung erfolgt zunächst auf Basis der Verdachtsdiagnose „Obstipation“. Erst zwei Tage später wird aufgrund der Zunahme der Schmerzen und erfolgtem Stuhlgang ein CT durchgeführt und ein älterer Niereninfarkt diagnostiziert. Die Patientin klagt auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz. Zu Recht? Wo endet in diesem Fall der ‒ meist keine Haftung begründende ‒ Diagnoseirrtum und wo beginnt der haftungsträchtige Befunderhebungsfehler? Und was bedeutet das für die Beweislast im Prozess? |

    Der Fall des OLG Brandenburg

    Im eingangs geschilderten Fall hatte das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg darüber zu befinden, inwieweit die in der Klinik erfolgte Diagnostik und Therapie bei einem Niereninfarkt als fehlerhaft einzustufen war (Urteil vom 25.04.2019, Az. 12 U 39/18). Die Patientin erhob im Verfahren mehrere Behandlungsfehlervorwürfe: Wegen der starken Schmerzen im Bereich der linken Nierenseite und der auffälligen Nierenwerte hätte durch eine entsprechende Diagnostik das Vorliegen einer Nierenerkrankung früher entdeckt werden müssen. Außerdem sei die im Anschluss an die Diagnose eines Niereninfarkts eingeleitete Therapie unzureichend gewesen. Im Ergebnis bejahte das Gericht eine Haftung und verurteilte die Behandlerseite. Es sprach der Patientin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro zu und stellte weiteren Schadenersatz fest. Bei Ihrer Entscheidung beurteilten die Richter des OLG Brandenburg jedoch die einzelnen diagnostischen und therapeutischen Schritte differenziert:

     

    • Kein Behandlungsfehler sei darin zu sehen, dass Klinikärzte bei der Erstdiagnose am ersten Behandlungstag ‒ fälschlicherweise ‒ von einer Obstipation ausgegangen waren und den tatsächlich bestehenden Niereninfarkt nicht behandelten. Nach den Feststellungen des im Prozess beauftragten Sachverständigen wurden Sonografie und röntgenologische Befunderhebung durchgeführt, das Nierenlager war klopfschmerzfrei, das Blutbild unspezifisch und auch sonst gab es keine Symptome, die eindeutig einem Niereninfarkt zuzuordnen gewesen wären. Diesen Sachverhalt werteten die Richter als nicht vorwerfbaren Diagnoseirrtum ‒ und nicht etwa als Befunderhebungsfehler.