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  • · Fachbeitrag · ArbeitsRecht/Sektorenübergreifende Versorgung

    Einkünfte aus Ermächtigung stehen nach Abzug der Sachkosten dem ermächtigten Arzt zu

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

    | Ein leitender Arzt hat Anspruch auf die Einnahmen, die er aufgrund einer persönlichen Ermächtigung erzielt hat. Mit diesem Urteil entschied das Arbeitsgericht Rheine in erster Instanz gegen die beklagte Klinik ( 27. Juni 2013, Az. 4 Ca 508/13, Abruf-Nr. 132704 ). Damit wurde der gesetzliche Grundsatz bestätigt, wonach Einkünfte aus einer Ermächtigung vom Klinikträger mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zwar abgerechnet, danach aber an den ermächtigten Arzt ausgekehrt werden müssen - nach Abzug von Verwaltungskosten sowie der dem Krankenhaus entstandenen Kosten. |

    Der Fall

    Der Kläger ist Facharzt für Hämatologie und Onkologie und war seit Februar 2012 als ärztlicher Leiter bei dem beklagten Krankenhausträger angestellt.

     

    „Spätere Vereinbarungen bedürfen der Schriftform“

    Im Arbeitsvertrag des Arztes wurde lediglich verankert, dass er in einer bestimmten Abteilung angestellt wird. Neben dem tarifvertraglichen Gehalt erhielt der Kläger eine „außertarifliche Zulage“, sodass sich eine Gesamtvergütung in Höhe von 160.000 Euro ergab. Ferner wurde geregelt, dass „weitere Vereinbarungen“ nicht bestehen und spätere Vereinbarungen „zu ihrer Gültigkeit der Schriftform unter Bezugnahme auf diesen Vertrag“ bedürfen. Ein Schriftformerfordernis ergab sich ungeachtet dessen auch aus den in Bezug genommenen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR).

     

    Gespräch über Möglichkeit einer ambulanten Tätigkeit

    Im Rahmen der Vertragsverhandlungen wurde über verschiedene Optionen gesprochen, wie der Arzt zukünftig ambulant tätig werden könne, etwa im Rahmen des § 116b SGB V oder eines noch zu gründenden MVZ. Eine Regelung, ob und ggf. welche ambulanten Tätigkeiten der Arzt im Rahmen des Dienstverhältnisses erbringen solle, wurde nicht getroffen. Ergänzend bestätigte der Träger aber, dass über die Ausgestaltung der leistungsabhängigen Vergütungskomponente noch im Detail gesprochen werden müsse.

     

    E-Mail des Arztes bleibt unbeantwortet

    Im Februar 2012 stellte der Arzt in Abstimmung mit dem Klinikträger einen Antrag auf Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung aufgrund einer Ermächtigung (Bereich Onkologie), dem ab dem 1. April 2012 stattgegeben wurde. Der Arzt wandte sich daraufhin per E-Mail vom 8. März 2012 an den Träger und bat darum, eine Vertragsnebenabrede zu entwerfen. Darin solle - so der Arzt - geregelt werden, dass die Einkünfte aus der Ermächtigung dem Träger zustünden, zudem müsse das Procedere für den Fall eines Regresses festgelegt werden. Diese E-Mail blieb unbeantwortet.

     

    Zum 30. September 2013 wurde das Arbeitsverhältnis beendet. In der Folge wurden für die Quartale 2/2012 und 3/2012 insgesamt ca. 43.400 Euro von der Kassenärztlichen Vereinigung an den Träger ausgezahlt. Der Arzt wandte sich nun an den Träger und verlangte mit Abzug eines Kostenanteils von 15 Prozent die Auszahlung von etwa 36.900 Euro an ihn. Der zugrunde gelegte Kostenanteil entsprach dem Wert, der für einen beim selben Träger angestellten Onkologen für dessen Ermächtigung berücksichtigt wurde.

     

    Klinik wies Forderungen des Arztes zurück

    Der Träger wies die Forderung zurück: Es sei eine abschließende Vergütungsregelung (Festgehalt) getroffen worden. Die Einkünfte aus Ermächtigung hätten der Refinanzierung des hohen Arztgehalts gedient. Eine Zusage, dass daneben eine leistungsabhängige Vergütung gezahlt wird, sei nicht erfolgt. Jedenfalls sei eine Kostenquote von mindestens 50 Prozent abzuziehen. Der weitere ermächtigte Arzt, der nur 15 Prozent abführe, erhalte nämlich - anders als der klagende Onkologe - kein Gehalt von 160.000 Euro.

     

    Klinik widerrief in der Schlichtung geschlossenen Vergleich

    Ein im vorgeschalteten Schlichtungsverfahren geschlossener Vergleich, wonach dem Arzt 15.000 Euro zufließen sollten, wurde vom Träger in der eingeräumten Frist widerrufen. Der Arzt klagte sodann auf Zahlung der Einnahmen aus der Ermächtigung abzüglich eines Kostenanteils von 15 Prozent.

    Die Entscheidung

    Das Gericht gab der Klage des Arztes vollumfänglich statt. Es sei zwar grundsätzlich zulässig, eine Regelung zu treffen, wonach Honorarforderungen eines ermächtigten Krankenhausarztes an den Krankenhausträger abgetreten werden. Eine solche, von der gesetzlichen Konzeption der §§ 116, 120 SGB V abweichende Vereinbarung sei vorliegend aber nicht getroffen worden.

     

    Träger hätte auf Arzt zukommen müssen

    Zwar könne ein Schriftformerfordernis stillschweigend bzw. mündlich aufgehoben werden - selbst dann, wenn die Parteien bei ihrer Abrede gar nicht an das bestehende Formerfordernis gedacht haben (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. August 1983, Az. 3 AZR 34/8). Zu einer Aufhebung des Schriftformerfordernis sei es aber gerade nicht gekommen, so die Richter: Der Arzt habe nämlich in seiner E-Mail vom 8. März 2012 unmissverständlich eine schriftliche Vertragsvereinbarung verlangt. Spätestens jetzt hätte der Träger mit dem Arzt eine schriftliche Vereinbarung treffen müssen.

     

    Grundvergütung für Kostenquote nicht relevant

    Im Übrigen könne es bei Bemessung des Kostenanteils - entgegen den Ausführungen des Klinikträgers - nicht darauf ankommen, welche Grundvergütung zwischen dem ermächtigten Arzt und dem Träger vereinbart wurde. Die Kostenquote müsse vielmehr bei vergleichbaren Fachgruppen in etwa gleich hoch liegen und dürfte damit lediglich abhängig sein vom Fachgebiet bzw. dem entsprechenden Verwaltungsaufwand in diesem Fachgebiet. Daher sei der mit dem weiteren ermächtigten Onkologen vereinbarte Kostensatz von 
15 Prozent auch für den klagenden Arzt zugrunde zu legen.

    Ermächtigung als Dienstaufgabe?

    Kritisch zu betrachten sind die - letztlich nicht entscheidungserheblichen - Ausführungen des Gerichts, wonach auch eine vollständige Abtretung der Einkünfte aus einer Ermächtigung an den Träger rechtlich zulässig sei.

     

    Persönliche geht institutioneller Ermächtigung vor

    Die persönliche Ermächtigung eines Krankenhausarztes geht einer institutionellen Ermächtigung eines Krankenhauses vor. Dieses gesetzlich verankerte Prinzip würde durchbrochen, wenn der Krankenhausträger es letztlich in der Hand hätte, durch einen lediglich auf dem Papier ermächtigten Krankenhausarzt eine „verkappte“ institutionelle Ermächtigung zu erlangen.

     

    Zudem dürfte auch das bestehende Weisungsrecht des Arbeitgebers einer häufig anzutreffenden Ausgestaltung einer Ermächtigung als „Dienstaufgabe“ mit vollständiger Abtretung des Honoraranspruchs entgegenstehen. Es fehlt an einer notwendigen, eigenverantwortlichen und medizinisch unabhängigen Tätigkeit „in freier Praxis“, wie sie berufsrechtlich verlangt wird.

     

    Auch Regresse richten sich stets persönlich gegen den Arzt

    Besonders deutlich zeigt sich die Unstimmigkeit bei den Folgen von Rechtsverstößen: Regressansprüche, etwa aufgrund unwirtschaftlicher Verordnung oder infolge von Plausibilitätsprüfungen, richten sich stets persönlich gegen den angestellten Krankenhausarzt, nicht aber gegen den Krankenhausträger. Gleiches gilt für Disziplinarverfahren der KV, vor allem aber auch für die Durchführung von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren etwa wegen Abrechnungsbetrugs oder Körperverletzung. Es ist nicht einzusehen, warum Krankenhausärzte dieses Risiko ohne „wirtschaftlichen Vorteil“ im Rahmen der Ausübung ihrer Diensttätigkeit eingehen sollten.

     

    FAZIT |  Es handelt sich - soweit ersichtlich - um die erste arbeitsgerichtliche Entscheidung zu der Frage, wem die Einkünfte aus einer Ermächtigung zustehen und in welcher Höhe der Träger berechtigt ist, Kosten abzuziehen.

     

    Mit den beiläufigen Äußerungen, die Kostenquote müsse bei gleicher Fachrichtung in etwa gleich hoch liegen und sei unabhängig vom sonstigen vereinbarten Gehalt des Arztes, betont das Arbeitsgericht Rheine eine gesetzliche Vorgabe, die in der Praxis offenbar in Vergessenheit geraten ist: So werden Kostenquoten häufig pauschaliert vereinbart unter Berücksichtigung der sonstigen Einkünfte des ermächtigten Arztes. Dies mag betriebswirtschaftlichem Kalkül entsprechen, widerspricht jedoch der gesetzlichen Konzeption, wonach der Träger grundsätzlich nur die ihm entstehenden Kosten abziehen darf.

     

    Chefärzte, die im Rahmen ihrer Ermächtigung hohe Abgaben leisten müssen, sollten prüfen, ob eine Anpassung der Kostenquote erreicht werden kann. Gute Argumente bestehen insbesondere dann, wenn weitere ermächtigte Ärzte mit vergleichbarem Spektrum niedrigere Abgaben leisten müssen.

     

    Der Träger hat gegen das vorliegende Urteil Berufung eingelegt. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie das Landesarbeitsgericht Hamm entscheiden wird.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 12 | ID 42269173