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  • · Fachbeitrag · Interview

    Dr. Beat Sottas: „Chefärzte sollten mehr auf Teamarbeit setzen statt Gehorsam einzufordern“

    | Die Schweiz ist das Land, in dem Milch und Honig fließt - zumindest bei Krankenhäusern. Das ist ein verbreiteter Eindruck in Deutschland, weshalb sich viele junge Ärzte in eidgenössische Kliniken aufmachen. Doch ist dieses Bild richtig? Und falls ja: Was kann man hierzulande davon lernen? Der ChefärzteBrief sprach mit Dr. Beat Sottas, der die Züricher Careum Stiftung mit leitet. Diese hat nicht nur in der Schweiz bei der Bildung im Gesundheitswesen einen exzellenten Ruf. Das Interview führte Dr. Lars Blady. |

     

    Dr. Lars Blady (Redakteur): Herr Dr. Sottas, Sie waren jahrelang in der universitären Forschung und im Schweizer Bundesamt für Gesundheit tätig. Inzwischen beraten Sie Krankenhäuser und sind im leitenden Ausschuss der Züricher Careum Stiftung aktiv. Sie haben also Detailkenntnisse der Schweizer Kliniklandschaft. Können wir Deutsche hierbei von der Schweiz lernen?

     

    Dr. Beat Sottas: Die Spitäler der Schweiz haben eine bessere Personalausstattung und mehr Geld als die deutschen Kliniken. Bei Fragen der Klinikfinanzierung kann Deutschland daher nicht mithalten und insofern auch nichts „lernen“. Vorteile sehe ich für die Schweiz auch im Bereich der Arbeitskultur. Da könnten sie für deutsche Häuser durchaus ein Vorbild sein.

     

    Redakteur: Inwiefern? Haben Sie hierfür ein konkretes Beispiel?

     

    Dr. Sottas: Ich besuchte vor einiger Zeit ein Berliner Krankenhaus. Dort empfand ich den Umgang mit den Patienten als streng und recht lieblos, das Essen wurde z. B. ohne große Worte auf den Tisch gepfeffert. Mein Eindruck: Die Menschen wurden nicht umsorgt, sondern versorgt.

     

    Redakteur: ... das wirkt in Berlin aber manchmal nur so, die herbe Strenge der Ur-Berliner ist eigentlich nicht so gemeint ...

     

    Dr. Sottas: Das könnte allerdings sein. Ein Gegenbeispiel fand ich im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart: Dort waren die Zimmer mit schöner Kunst ausgestattet und es herrschte ein freundliches Klima - kurzum: Die Patienten wurden als Kunden behandelt. Das ist nach meiner Einschätzung auch der Standard vieler Schweizer Kliniken. Sie folgen dem Trend, wonach Krankenhäuser Hotels sind, die „nebenbei“ auch noch Medizin machen.

     

    Redakteur: Das hört sich gut an. Aber wie ist das zu finanzieren?

     

    Dr. Sottas: Zum einen sind die Vergütungen für medizinische Leistungen deutlich höher als in Deutschland - die DRGs generieren Erträge für Investments in modernste Strukturen. Zum anderen haben die meisten Patienten fakultative Zusatzversicherungen - sie geben dafür 10 Milliarden pro Jahr aus und erwarten, dass die Versicherung u. a. das Hotel-Ambiente bezahlt.

     

    Redakteur: Von der schwierigen Finanzierung einmal abgesehen: Wie könnte ein Chefarzt in Deutschland dazu beitragen, die Arbeitskultur in seiner Abteilung attraktiver zu gestalten als bisher?

     

    Dr. Sottas: Zunächst sollte er den Mut haben, bei Einstellungen keine Ärzte zu bevorzugen, die ähnliche Eigenschaften haben wie er selbst. Er sollte also nicht nach dem Motto handeln: „Alter Haudegen stellt jungen Haudegen ein.“ Mit seinen Oberärzten sollte er im ständigen Dialog stehen und diese konkret fragen, was sie sich von ihrem Chefarzt erwarten.

     

    Redakteur: Was hat der Chefarzt denn von einem verbesserten Verhältnis z. B. zu seinen Oberärzten?

     

    Dr. Sottas: Er kann die Gefahr verringern, dass Oberärzte aussteigen. Dies würde zu einem Verlust von Vertrauen und Reputation führen - und letztlich würde die ganze Attraktivität seiner Abteilung leiden.

     

    Redakteur: Legt die Generation Y, der die nachrückenden Ärzte angehören, besonderen Wert auf eine solche verbesserte Arbeitskultur?

     

    Dr. Sottas: Auf jeden Fall! Es ist die Generation, die ihren Berufsalltag hinterfragt und die keinen Chef mit den drei „Ka“ haben möchte: kommandieren, korrigieren, kontrollieren. In der Schweiz ist dieser „Kulturkampf“ in den Kliniken inzwischen angekommen. In Deutschland sollte man ihn ebenfalls aufnehmen. Die jungen Ärzte möchten sich selbst managen und verwirklichen. Arbeit, Freunde und Freizeit gehören für sie zusammen.

     

    Redakteur: Was könnte der Chefarzt konkret tun, um für diese junge Zielgruppe einen attraktiven Arbeitsplatz in seiner Abteilung anzubieten?

     

    Dr. Sottas: Er sollte den Oberärzten zunächst einmal zuhören und auf sie eingehen. Zudem mögen junge Ärzte keine starren Hierarchien mehr, die starke Gehorsamserwartung finden sie nicht mehr zeitgemäß. Auch dies sollte der Chefarzt berücksichtigen. Gerade die starke Orientierung an Hierarchien scheint mir ein Aspekt zu sein, bei dem die Schweiz eine modernere Arbeitskultur als Deutschland hat.

     

    Redakteur: Wie kann der Chefarzt das ändern?

     

    Dr. Sottas: Er könnte versuchen, die Hierarchien in seiner Abteilung abzubauen. Denn einige Oberärzte flüchten gerade dann aus der Klinik, wenn sie den Eindruck haben, die Hierarchie sei zementiert. Der Chefarzt sollte daher eher in Teams arbeiten und sich als Mitglied eines solchen Teams ansehen, statt auf Unterordnung und Kontrolle zu setzen.

     

    Redakteur: Herr Dr. Sottas, vielen Dank für das Gespräch!

     

    Weiterführender Hinweis

    • Wer sich als Chefarzt z. B. vertieft in Führungsfragen weiterbilden möchten, findet auf der Website der Careum-Stiftung ein breites Angebot: www.careum.ch
    Quelle: Ausgabe 07 / 2016 | Seite 13 | ID 44057683