18.10.2002 · IWW-Abrufnummer 021450
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 04.09.2002 – I B 145/01
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass haftungsbegründende Pflichtverletzungen gemäß § 69 AO 1977 --nur-- die Nichtabgabe der Steuererklärungen und die Nichtabführung der sich insoweit ergebenden Zahlungen aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen sind, nicht jedoch --zusätzlich-- der Zeitpunkt der tatsächlichen Fälligkeit der Steuerzahlungen und der Eintritt eines Schadens auf Seiten der Finanzverwaltung. Mit der so verstandenen Verwirklichung des Haftungstatbestandes beginnt zugleich der Lauf der Haftungsverjährung gemäß § 191 Abs. 3 Satz 3 AO 1977.
2. Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Hemmung des Fristablaufs gemäß § 191 Abs. 3 Satz 4 2. Alternative AO 1977 unabhängig davon ist, ob die der Haftung zugrunde liegende Steuer vor oder nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist für den Erlass des Haftungsbescheides gemäß § 191 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 festgesetzt worden ist.
3. Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Festsetzungsfrist für den Erlass eines Haftungsbescheides bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung gemäß § 191 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 nur im Falle der Haftung gemäß § 70 AO 1977 verlängert wird, in anderen Haftungsfällen jedoch nicht.
Gründe:
I.
Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (Antragsteller) war seit Gründung im Jahre 1980 bis zum 30. Januar 1997 1. Vorsitzender eines eingetragenen Vereins. Der Verein erzielte erhebliche Einnahmen aufgrund von Abmahnungen nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb.
Da für die Jahre 1987 bis 1992 keine Steuererklärungen abgegeben wurden, schätzte der Antragsgegner, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Besteuerungsgrundlagen und setzte gegen den Verein die Umsatzsteuer dieser Jahre fest, und zwar --bezogen auf die Streitjahre 1987 und 1990 bis 1992-- mit Bescheiden vom 18. Mai 1992, 19. Oktober 1993 und 16. Juni 1994 auf 10 280 DM (1987, 1990 und 1991) sowie 11 000 DM (1992). Der Verein legte dagegen Einsprüche ein und gab im September 1995 Umsatzsteuer-Erklärungen für 1987 bis 1992 ab. Aufgrund von Maßnahmen der Steuerfahndung und der Umsatzsteuer-Sonderprüfung ergingen am 8. März 1999 Änderungsbescheide, durch die die ursprünglich festgesetzten Umsatzsteuern für 1987 auf 13 427 DM, für 1990 auf 20 002 DM, für 1991 auf 22 775 DM und für 1992 auf 20 119 DM erhöht wurden. Außerdem wurden am 14. Mai 1997 erstmalig Gewerbesteuer-Messbeträge sowie Gewerbesteuern für 1992 und 1993 festgesetzt. Die Klagen gegen diese Bescheide wies das Finanzgericht (FG) durch Urteile vom 17. April 2000 zurück. Das gegen den Antragsteller eingeleitete Steuerstrafverfahren u.a. betreffend Gewerbesteuer 1992 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts am 18. August 1998 gemäß § 153a der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2001 nahm das FA den Antragsteller gemäß §§ 34, 69 i.V.m. § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) für Gewerbesteuer 1992 und 1993 sowie Umsatzsteuer 1987 und 1990 bis 1992 in Anspruch; die Umsatzsteuerhaftung beschränkte sich auf die jeweiligen Unterschiedsbeträge zwischen den ursprünglichen und den geänderten Festsetzungen gegenüber dem Verein. Über den hiergegen gerichteten Einspruch wurde noch nicht entschieden.
Das FA erließ am 2. April 2001 wegen der Haftungsschuld gegenüber der Bank des Antragstellers eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Der Antragsteller beantragte daraufhin beim FG, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen. Das FG wies diesen Antrag im Hinblick auf die Gewerbesteuer 1992 zurück, gab ihm im Übrigen aber wegen Eintritts der Haftungsverjährung gemäß § 191 Abs. 3 i.V.m. § 69 AO 1977 statt.
Dagegen wenden sich sowohl der Antragsteller als auch das FA mit ihren --vom FG zugelassenen-- Beschwerden.
II.
Die Beschwerde des FA ist nur hinsichtlich der in die Haftung einbezogenen Umsatzsteuern begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Aussetzungsantrages. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Die Beschwerde des Antragstellers ist hingegen unzulässig.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll --u.a. und soweit hier einschlägig-- erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist für die Aussetzung der Vollziehung (AdV) nicht erforderlich (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung).
2. Die Beschwerde des FA ist hiernach nur bezogen auf die Umsatzsteuern 1987 und 1990 bis 1992 begründet, bezogen auf die Gewerbesteuer 1993 jedoch nicht.
a) Das FA hat den Antragsteller gemäß § 34, § 69 i.V.m. § 191 AO 1977 durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen, weil er es pflichtwidrig unterlassen habe, als 1. Vorsitzender des Vereins f ür diesen und für die Haftungszeiträume Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen abzugeben und die Steuern an das FA abzuführen. Einwendungen dagegen sind im Aussetzungsverfahren nicht erhoben worden. Der Senat geht deswegen und auch nach Aktenlage in diesem Verfahren davon aus, dass die Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftender gemäß § 191 i.V.m. § 69 AO 1977 dem Grunde nach berechtigt war.
b) Seiner Inanspruchnahme stand jedoch im Hinblick auf die Gewerbesteuer 1993 der Ablauf der Festsetzungsverjährung entgegen. Für die in die Haftung einbezogene Umsatzsteuer gilt dies nicht.
aa) Die Festsetzungsfrist beträgt für Haftungsbescheide nach § 191 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 grundsätzlich vier Jahre, beginnend mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft (§ 191 Abs. 3 Satz 3 AO 1977). Insoweit ist auf die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftungsnorm sowie die Entstehung der Steuerschuld abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl II 2000, 486; BFH-Beschluss vom 21. November 2001 VII B 108/01, BFH/NV 2002, 315).
Gemäß § 69 Satz 1 AO 1977 wird die Haftung der in den §§ 34 und 35 AO 1977 bezeichneten Personen ausgelöst, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Hiervon ausgehend ist im Streitfall als haftungsbegründende Pflichtverletzung an die Nichtabgabe der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen sowie die Nichtabführung der sich insoweit ergebenden Zahlungen anzuknüpfen:
Die Umsatzsteuerjahresschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem sie nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) berechenbar ist. Das ist das Ende des Besteuerungszeitraums, mithin das Ende des Kalenderjahres (BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662). Die Umsatzsteuerjahreserklärung hätte der Antragsteller gemäß § 18 Abs. 3 UStG i.V.m. § 149 Abs. 2 AO 1977 spätestens zum 31. Mai des jeweiligen Folgejahres abgeben müssen und den sich ergebenden Unterschiedsbetrag zugunsten des FA, der gemäß § 18 Abs. 4 UStG einen Monat nach Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung fällig geworden wäre, bis zum 30. Juni dieses jeweiligen Jahres an das FA entrichten müssen. Für die Abgabe der Gewerbesteuererklärungen gilt Entsprechendes: Die Gewerbesteuererklärung ist gemäß § 14a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 und Abs. 2 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) sowie § 149 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 in Verbindung mit den jeweiligen Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder bis spätestens fünf Monate nach Ablauf des Kalenderjahres abzugeben, das dem Erhebungszeitraum entspricht oder in dem dieser endet. Die haftungsbegründenden Tatbestände, auf die das FA die Inanspruchnahme des Antragstellers gestützt hat, waren im Streitfall daher bezogen auf den zuletzt verwirklichten Tatbestand betreffend die Gewerbesteuer 1992 bereits zum 31. Mai 1993 und betreffend die Gewerbesteuer 1993 bereits zum 31. Mai 1994 verwirklicht worden. Dementsprechend errechnet sich der Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist; bei Ergehen des angefochtenen Haftungsbescheides war diese hiernach für sämtliche in die Haftung einbezogenen Steuern abgelaufen.
Demgegenüber kommt es für den Beginn der Festsetzungsfrist bei summarischer Prüfung weder auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Fälligkeit der betreffenden Steuerschuld noch auf den Zeitpunkt an, in dem endgültig feststand, dass das FA mit seinen Steuerforderungen gegenüber dem Steuerschuldner ausfallen würde. Anknüpfungspunkte für die dem Antragsteller zur Last gelegte Pflichtverletzung sind, wie ausgeführt, die Nichtabgabe der Steuererklärungen zu den gesetzlichen Zeitpunkten (§ 18 Abs. 3 UStG, § 25 Abs. 2 GewStDV i.V.m. § 149 Abs. 2 AO 1977) sowie die Nichtzahlung der Steuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten. Tatsächliche Fälligkeit und Schadenseintritt gehören nicht dazu. Beide Umstände mögen zur Inanspruchnahme der in §§ 34 und 35 AO 1977 bezeichneten Personen und zum Erlass des Haftungsbescheides führen. Ihnen mag auch Bedeutung für den konkreten Haftungsumfang im Rahmen des pflichtgemäß auszuübenden Haftungsermessens des FA zukommen. Sie sind nach den tatbestandlichen Voraussetzungen in § 69 AO 1977 indes nicht als zusätzliche Erfordernisse haftungsbegründend und bleiben auf den Beginn der Haftungsverjährung folglich ohne Einfluss (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 315; FG Berlin, Urteile vom 22. Oktober 2001 9 K 2460/00, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 510, und vom 26. März 2001 9 K 9579/00, EFG 2001, 722). Der entgegenstehenden Auffassung des FG Bremen, Urteil vom 26. November 1998 497257 K 1, EFG 1999, 518 (vgl. auch Valentin, EFG 2001, 724) ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zuzustimmen.
Es bleibt deswegen dabei, dass die Inanspruchnahme des Antragstellers mittels Haftungsbescheides vom 6. Februar 2001 erst nach Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist erfolgte.
bb) Soweit sich die Haftung auf die Umsatzsteuern 1987 und 1990 bis 1992 erstreckt, war der Ablauf der Festsetzungsfristen allerdings gemäß § 191 Abs. 3 Satz 4 AO 1977 gehemmt.
Danach verlängert sich der Ablauf der Festsetzungsfrist, und zwar nach der ersten Alternative der Vorschrift für den Fall, dass die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden ist; sie endet dann nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist. "Andernfalls" gilt nach der zweiten in § 191 Abs. 3 Satz 4 AO 1977 enthaltenen Alternative § 171 Abs. 10 AO 1977 sinngemäß; der Steuerbescheid wirkt dann für den Haftungsbescheid wie ein Grundlagenbescheid.
aaa) Die Voraussetzungen der ersten Alternative waren im Streitfall bei Erlass des Haftungsbescheides nicht erfüllt. Denn bereit vor Erlass des Haftungsbescheides sind die in die Haftung einbezogenen Umsatzsteuern gegenüber dem Verein festgesetzt worden, nämlich die Umsatzsteuer zunächst durch die ursprünglichen Schätzungsbescheide vom 18. Mai 1992, vom 19. Oktober 1993 und vom 16. Juni 1994 und sodann durch die geänderten Bescheide vom 8. März 1999 sowie die Gewerbesteuer 1993 durch Bescheid vom 14. Mai 1997. Die Gefahr, dass die Haftungsansprüche vor Ablauf der Steuerfestsetzungsfristen gegenüber dem Steuerschuldner verjährten, bestand folglich nicht mehr. Folglich kam eine weitere Ablaufhemmung nach der in § 191 Abs. 3 Satz 4 AO 1977 enthaltenen ersten Alternative nicht in Betracht.
bbb) Im Hinblick auf die zweite Alternative des § 191 Abs. 3 Satz 4 AO 1977 verhält es sich jedoch anders. Dem FA stand hiernach bei entsprechender Anwendung von § 171 Abs. 10 AO 1977 für den Erlass des Haftungsbescheides ein Zeitrahmen von zwei Jahren nach Bekanntgabe der erwähnten Steuerbescheide vom 14. Mai 1997 (Gewerbesteuer 1992 und 1993) und vom 8. März 1999 (Umsatzsteuern 1987, 1990 bis 1992) zur Verfügung. Dieser Zeitrahmen war in jenem Zeitpunkt, in dem der streitgegenständliche Haftungsbescheid erging --dem 6. Februar 2001--, zwar für die in die Haftung einbezogenen Gewerbesteuern und für jene in die Haftung einbezogenen Umsatzsteuern abgelaufen, die bereits durch die ursprünglichen Schätzungsbescheide vom 18. Mai 1992, vom 19. Oktober 1993 und vom 16. Juni 1994 erfasst worden waren, für die darüber hinausgehenden, aufgrund der geänderten Bescheide vom 8. März 1999 erstmalig erfassten Umsatzsteuern jedoch nicht. Der Haftungsbescheid konnte folglich insoweit --im Hinblick auf diese zusätzlich erfassten Umsatzsteuern-- noch ergehen, ohne dem Verjährungseinwand ausgesetzt zu sein; weitere Umsatzsteuerforderungen wurden nach Aktenlage in die Haftung auch nicht einbezogen.
Allerdings wird im Schrifttum die Meinung vertreten, § 191 Abs. 3 Satz 4 AO 1977 sei in seiner zweiten Alternative auf Steuerbescheide, die außerhalb des regulären Ablaufs der Haftungsverjährung ergehen, nicht anwendbar. Die Ablaufhemmungstatbestände der beiden Regelungsalternativen des § 191 Abs. 3 Satz 4 AO 1977 schlössen sich insoweit aus. Dies werde schon durch den Wortlaut des § 191 Abs. 3 Satz 4 zweite Alternative AO 1977 nahegelegt und entspreche auch der Grundentscheidung des § 191 Abs. 3 AO 1977 für im Grundsatz voneinander unabhängige Steuerfestsetzungs- und Haftungsverjährungsfristen (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 191 Tz. 70; Macher, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1984, 216). Der Senat folgt dem nach summarischer Prüfung nicht. Er ist vielmehr der Auffassung, dass der Gesetzeswortlaut im Gegenteil zu erkennen gibt, dass es für die Anwendung der zweiten Regelungsalternative nicht darauf ankommt, ob die Steuer vor oder nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist für den Erlass des Haftungsbescheides festgesetzt worden ist (ebenso Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 191 AO 1977 Rz. 157; Nacke, Die Haftung für Steuerschulden, 1999, S. 266). Denn diese zweite Regelungsalternative findet "andernfalls" Anwendung. Bei natürlicher Leseart bezieht sich diese "andernfalls" (nur) auf die in der ersten Regelungsalternative erwähnte tatbestandliche Ausgangslage, nämlich dass die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden ist. Das "andernfalls" bezieht sich danach aber nicht auf die für diese Ausgangslage in § 191 Abs. 3 Satz 4 AO 1977 in dessen 2. Halbsatz festgelegte Rechtsfolge, also die an den Ablauf der Festsetzungsverjährung für die Steuerbescheide anknüpfende Ablaufhemmung für den Haftungsbescheid. Außerdem entspricht es auch dem Sinn der Regelung in § 191 Abs. 3 Satz 4 AO 1977, der Finanzbehörde die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners unbeschadet der grundsätzlichen Trennung der Steuerfestsetzungs- und der Haftungsverjährung in jedem Fall nach Maßgabe der tatsächlich festgesetzten Steuer zu ermöglichen und insoweit tunlichst keine "Haftungslücken" zu belassen.
3. a) Das FG hat den Antrag auf AdV des Haftungsbescheides abgelehnt, soweit er die Gewerbesteuer 1992 einbezieht. Dem Antragsteller sei insoweit Steuerhinterziehung vorzuwerfen. Dies habe eine verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren zur Folge. Das FG nennt dafür keine Rechtsgrundlage, stützt seine Annahme aber offenbar auf § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977. Auch dieser Annahme kann bei summarischer Prüfung nicht gefolgt werden. Die Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide wird gemäß § 191 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 --abweichend von den allgemeinen Regelungen-- unter der Voraussetzung einer Steuerhinterziehung ausdrücklich nur bei Haftungstatbeständen nach § 70 und § 71 AO 1977 verlängert, in anderen Haftungsfällen --also auch im Streitfall bei der Haftung gemäß § 69 AO 1977-- jedoch nicht, auch dann nicht, wenn Steuern hinterzogen wurden (Boeker in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 191 AO 1977 Rz. 149; Kruse in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 191 AO Tz. 68; anders möglicherweise BFH-Beschluss vom 7. Februar 2002 V B 86/01, BFH/NV 2002, 755). Für den Streitfall, in dem die Haftung auf § 69 AO 1977 beruht, hätte dies zur Folge, dass es auch insoweit bei der grundsätzlich nur vierjährigen Festsetzungsfrist verbliebe.
b) Allerdings kommt dies dem Antragsteller nicht zugute, weil seine Beschwerde unzulässig ist.
§ 129 FGO schreibt für eine Beschwerde keine Begründungserfordernisse vor. Gleichwohl muss eine solche erkennen lassen, was mit dem Rechtsmittel begehrt wird. Das ist im Streitfall nicht möglich. Der Antragsteller hat bislang in keiner Weise zu erkennen gegeben, weswegen er sich gegen den Beschluss der Vorinstanz, soweit er hierdurch wegen der Haftung für Gewerbesteuer 1992 beschwert wird, wendet. Das aber wäre um so erforderlicher gewesen, als das FG seinen Beschluss insoweit letztlich auf tatsächliche Umstände gestützt hat, die letztlich nur vom Antragsteller selbst widerlegt werden könnten.
Damit genügt der Rechtsbehelf nicht den Mindestanforderungen, die auch an eine Beschwerde zu stellen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. August 1994 IX B 61/94, BFH/NV 1995, 238; vom 14. Januar 1999 IX B 137/98, BFH/NV 1999, 821).
c) Die gleichwohl im Hinblick auf die Gewerbesteuer 1992 bestehenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides können nicht von Gerichts wegen im Wege einer saldierenden Betrachtung mit denjenigen Bestandteilen des Bescheides berücksichtigt werden, bei denen derartige Zweifel fehlen. Mittels eines Haftungsbescheides macht die Finanzbehörde die Haftung "für eine Steuer" (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) und damit für einen Haftungsanspruch geltend. Werden in die Haftung --wie im Streitfall-- mehrere Steueransprüche einbezogen, handelt es sich um einzelne Haftungsbescheide, die nur äußerlich in einem Sammelhaftungsbescheid verbunden sind, der an der jeweiligen rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Haftungsansprüche nichts ändert (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 191 Tz. 81). Eine "Saldierung" im vorgenannten Sinn ist damit ausgeschlossen.
4. Da die Vorinstanz teilweise eine abweichende Auffassung als der Senat vertreten hat, war ihr Beschluss, soweit dieser die Haftung wegen Umsatzsteuern betrifft, aufzuheben. Der Antrag auf AdV des Haftungsbescheides war insoweit abzulehnen.