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  • · Fachbeitrag · Möglichkeiten der Kostenersparnis

    Ohne Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Immobiliardarlehensvertrag?

    von Prof. Dr. rer. pol. habil. Klaus Wehrt, Diplom-Volkswirt

    | Mit dem Einbau des § 502 in das Bürgerliche Gesetzbuch gab es eine gewisse Verwirrung unter den Baudarlehenskunden, ob man jetzt endlich gegen eine nur geringe Vorfälligkeitsentschädigung aus dem laufenden Vertrag herauskäme. § 502 BGB beschränkt die Zinsentschädigung auf 1 % des Darlehenskapitals insgesamt, maximal 0,5 %, sofern der Zeitraum bis zur ersten entschädigungsfreien Kündigungsmöglichkeit ein Jahr nicht übersteigt. Doch, wer diese Freude empfand, hatte nicht weiter gelesen. |

    1. Ausnahmen für Immobiliendarlehen

    § 503 BGB statuiert die Ausnahme für Immobiliardarlehen. Immobiliardarlehen sind solche Darlehen, die grundpfandrechtlich besichert sind und zu für grundpfandrechtliche Darlehen üblichen Bedingungen ausgeliehen werden. Die grundpfandrechtliche Besicherung lässt sich leicht überprüfen. Schwieriger wird es bei der Frage nach den für grundpfandrechtliche Darlehen üblichen Bedingungen.

     

    Bis ins Jahr 2003 führte die Deutsche Bundesbank eine Statistik für „Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke“ und wies neben dem Mittelwert eine obere und untere Streubreite bei den Hypothekenzinsen aus. Die Verzinsungen innerhalb der Streubreite galten als übliche Verzinsungen. Was außerhalb der Streubreite lag, war dagegen grundsätzlich für grundpfandrechtliche Darlehen unüblich.

     

    Heute ist es dagegen nicht mehr so einfach. Es kommt stärker auf die Individualität der Beleihung wie auch auf die persönliche Kapitaldienstfähigkeit des Darlehensnehmers an. Wenn die spezifische Kondition eines Darlehens sich zu sehr vom Mittelwert der für diese Gruppe von Darlehensnehmern typischen Konditionen unter einem gegebenen Beleihungsgrad entfernt, könnte ein Darlehen mit für grundpfandrechtliche Darlehen unüblichen Konditionen vorliegen. Dabei geht es aber stets um Abweichungen, welche das Darlehen stärker in Richtung auf einen ungesicherten Konsumentenkredit rücken, also eine Abweichung nach oben. Gerichte tendieren dazu, derartige Fragen durch Sachverständige klären zu lassen. Eine Abweichung von mehr als zwei Prozentpunkten vom oben dargelegten Mittelwert legt in der heutigen Zinssituation den Verdacht nahe, dass der Tatbestand unüblicher Bedingungen erfüllt sein könnte.

     

    Doch nicht nur der Zinssatz muss marktüblich sein, auch für die üblichen Bedingungen des Darlehens muss eine solche Marktüblichkeit bestehen. Unüblich wäre es bspw. ein Millionendarlehen mit einer kleinen Immobilie zu besichern, deren Beleihungswert nur wenige hunderttausend Euro beträgt. Unüblich könnte es aber ebenso sein, dass ein Darlehen schon im Voraus festgelegte Festzinsabschnitte mit jeweils unterschiedlichen Zinssätzen bereithält.

     

    2. Die Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliardarlehen

    Für Immobiliardarlehen gilt in Bezug auf die Vorfälligkeitsentschädigung 
§ 490 Abs. 2 BGB. Die Entschädigung dient dem Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile der Bank, hat somit Schadenersatzcharakter. Schnell findet man sich dann unter der allerorten bekannten Rechtsprechung zur Vorfälligkeitsentschädigung wieder. Anzuwenden sind insoweit die einschlägigen Urteile (BGH WM 1997, 1747; BGH WM 2001, 20 und BGH WM 2005, 322).

     

    Dabei ist zu betonen, dass es dem Schuldner eines festverzinslichen Immobiliardarlehens grundsätzlich noch nicht einmal gestattet ist, sein Darlehen gegen eine Zinsentschädigung vorzeitig zu beenden. Ein Recht darauf setzt voraus, dass der Darlehensnehmer über ein sogenanntes berechtigtes Interesse verfügt. Berechtigte Interessen ergeben sich aus dem Verkauf der Immobilie, aus dem Wunsch nach einem größeren Darlehensvolumen, das von der gegenwärtigen Darlehensgeberin verweigert, von einer anderen Bank aber gewährt wird. Schließlich ist ein berechtigtes Interesse auch unter einer zinsmotivierten Umfinanzierung gegeben, sofern die Umfinanzierung erforderlich ist, um einer drohenden Zahlungsunfähigkeit zu entgehen (OLG Naumburg 15.2.07, 2 U 138/06).

     

    Fehlt es dagegen an diesem berechtigten Interesse, so darf die Darlehensgeberin den Ablösewunsch ablehnen, sie darf ihn allerdings auch von der Zahlung eines sog. Vorfälligkeitsentgelts abhängig machen. Das Vorfälligkeitsentgelt stellt im Unterschied zur Vorfälligkeitsentschädigung keinen Schadenersatzanspruch dar, sondern einen frei verhandelbaren Preis: Die Bank lässt sich das Recht auf Darlehensablösung vom Kunden abkaufen. Dieses Entgelt findet seine Grenze nur in einer möglichen sittenwidrigen Höhe (BGH 6.5.03, XI ZR 226/02). Die Sittenwidrigkeit eines Vorfälligkeitsentgelts ist gegeben, wenn es die berechtigte Vorfälligkeitsentschädigung um mehr als 100 % übersteigt.

    3. Der Widerrufsjoker

    Zurzeit wird viel über den sogenannten Widerrufsjoker diskutiert. Im Kartenspiel bezeichnet der Joker eine Überraschungskarte, mit welcher der Inhaber sehr zum Leidwesen seiner Mitspieler einen überraschenden Zug tätigt. In der Beziehung zwischen Bank und Kunde liegt dieser Joker in den Händen des Kunden, nachdem die Bank ihm diesen versehentlich zugespielt hat. Mit dem Ziehen des Jokers hat die Darlehensgeberin auf eine etwaige Vorfälligkeitsentschädigung zu verzichten. Zudem kann der Kunde unter Umständen noch Zinserstattungsansprüche aufgrund zu viel gezahlter Zinsen in der Vergangenheit gegen die Bank richten.

     

    Jeder Verbraucherdarlehensnehmer hat nach den zwingenden Vorgaben des Verbraucherkreditrechts (§ 495 BGB) die Möglichkeit, seinen bereits von der Bank bewilligten Kredit innerhalb der nächsten 14 Tage zu widerrufen (§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB). Erst nach dem Ablauf dieser Frist entfaltet der Vertrag Rechtskraft. Die 14-tägige Widerrufsfrist nimmt ihren Lauf frühestens mit der rechtsfehlerfreien Belehrung über dieses Widerrufsrecht. Wurde nicht rechtsfehlerfrei belehrt, so kann noch jederzeit widerrufen werden. Für ein Darlehen, das bereits über viele Jahre hinweg lief, eröffnet sich für den Schuldner somit die Möglichkeit, sich zinsentschädigungsfrei aus der Darlehensbeziehung zu verabschieden. Interessant ist das insbesondere in der gegenwärtigen Situation, in der historisch niedrige Zinssätze dazu einladen, Darlehen zu günstigeren Konditionen neu zu finanzieren.

     

    3.1 Woran erkennt man eine rechtsfehlerhafte Belehrung?

    Leicht zu erkennen sind Mängel in der Gestaltung. Widerrufsbelehrungen müssen aus dem Vertragstext hervorstechen. Sie sind auffällig zu platzieren, sodass der Darlehensnehmer sie nicht übersehen kann. Nicht zulässig ist es, eine Widerrufsbelehrung im allgemeinen Fluss vertraglicher Klauseln untergehen zu lassen. Die Widerrufsbelehrung trägt eine deutlich hervortretende Überschrift.

     

    Zudem hat die Belehrung vollständig zu sein, indem sie über

     

    • die Widerrufsfrist,
    • die Art der Erklärung des Widerrufs,
    • den Fristbeginn,
    • die Adresse, an die der Widerruf zu richten ist,
    • wie auch die Folgen des Widerrufs

     

    unterrichtet. Beim Verbraucherdarlehen sind vom Darlehensgeber überdies die Pflichtangaben einzuhalten (§ 492 BGB).

     

    3.2 Widerufsbelehrung in der Praxis

    Insbesondere mit dem Fristbeginn hatten die Geldhäuser in den vergangenen Jahren große Probleme. Daran nicht unschuldig war der Gesetzgeber, dem es nicht gelungen war, aus den von ihm selbst verfassten Vorschriften zum Widerrufsrecht eine Musterwiderrufsbelehrung zu basteln, der sich die Unternehmen bedenkenlos bedienen konnten. Weithin unklar blieb stets der Zeitpunkt, zu dem die Frist ihren Anfang nimmt. Dieser Termin ist aber deshalb so erheblich, weil er ebenso das Ende der Frist vorherbestimmt.

     

    Formulierungen wie „die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“ ohne weitere ergänzende Hinweise wurden von den Gerichten als terminlich unpräzis und irreführend beurteilt, konnte die Frist doch ihren Lauf frühestens erst nach dem Abschluss des Darlehensvertrags nehmen (BGH 9.12.09, VIII ZR 219/08, BGH 10.3.09, XI ZR 33/08, aber zu beachten: BGH 13.1.09, XI ZR 118/08). Hatten die Kunden die Belehrung bei Antragstellung auf das Darlehen ausgehändigt bekommen und wurde der Antrag von der Bank erst nach drei Wochen angenommen, so betrug die Frist nach Aushändigung der Belehrung noch mindestens fünf Wochen und nicht nur zwei Wochen, wie die Belehrung suggerierte.

     

    Besonders knifflig wurde die Antwort auf die Frage nach einer rechtsfehlerfreien Widerrufsbelehrung, nachdem der BGH die Verwender der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung unter die Obhut des Vertrauens in die gesetzlichen Vorgaben stellte (BGH 1.12.10, VIII ZR 82/10).

     

    Jedes Unternehmen, das sich der Musterwiderrufsbelehrung bedient hatte, konnte wegen einer rechtsfehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht mehr belangt werden. Hatte es sich jedoch nur minimal von diesem Muster entfernt, so war die benutzte Widerrufsbelehrung rechtsfehlerhaft, es sei denn es war ihm - anders als dem Gesetzgeber zuvor - gelungen, aus den Rechtsvorschriften eine rechtsfehlerfreie Widerrufsbelehrung zu erzeugen.

     

    Somit glich die Szene einem schmalen Pfad durch einen Sumpf. War man dem vom Gesetzgeber vorgezeichneten Weg bedingungslos gefolgt, so konnte man den Sumpf gefahrlos überqueren. Hatte man einen großen Umweg genommen und eine eigene, den gesetzlichen Vorgaben genügende Widerrufsbelehrung entwickelt, so blieb man ebenfalls verschont. War man jedoch von dem vom Gesetzgeber vorgezeichneten Pfad durch den Sumpf nur ein wenig abgewichen, so holte einen der Sumpf im Gewand des Widerrufsjokers ein.

     

    Zurzeit besteht eine gewisse Rechtsunsicherheit dahingehend, ob man den Widerruf bei einem Darlehen mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung noch während des laufenden Vertrags zu erklären hat oder ob man auch noch nach der Beendigung des Vertrags mit entsprechenden Folgen für die Vergangenheit (keine Vorfälligkeitsentschädigung, Zinserstattungsansprüche) widerrufen kann. Einige Gerichte tendieren zur Auffassung, mit dem Erlöschen der Darlehensbeziehung ende ebenso das Recht zum Widerruf (OLG Düsseldorf 18.1.12, I-6 W 221/11), andere sind der Überzeugung, dass der Widerruf auch nach einer vorzeitigen Ablösung möglich bleibt (LG Potsdam 30.11.11, 8 O 260/11; AG Göttingen 20.12.10, 21 C 131/10).

     

    PRAXISHINWEIS | Es empfiehlt sich, den Widerruf am besten vor der geplanten Darlehensablösung zu erklären. Man könnte ihn sogar rechtlich ungeprüft hinein „ins Blaue“ aussprechen und sich nach der Ablösung, nachdem man zunächst unter Vorbehalt alle banklichen Forderungen erfüllte, um die Klärung der Frage der Rechtmäßigkeit bemühen.

     

    4. Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei bankseitig gekündigten Darlehen

    Viel Unsicherheit schuf der BGH in seiner mündlichen Verhandlung vom 15.1.13, die zum Anerkenntnisurteil vom 17.1.13 (XI ZR 512/11) führte. Zu verhandeln hatte der BGH die Revisionen von zwei voneinander abweichenden Urteilen zweier Senate des OLG Frankfurt (23.11.11, 9 U 76/10 und 13.4.11, 23 U 386/09). Es ging um die Frage, wie mit der Vorfälligkeitsentschädigung nach einer bankseitigen Kündigung beim Verbraucherdarlehen umzugehen sei. Während der 23. Senat des OLG Frankfurt unter Hinweis auf den Beitrag von Wehrt (WM Zeitschrift für Wirtschaft und Bankrecht 2004, 401) betonte, dass die Bank die Zinsentschädigung zum Termin der Rückzahlung zu berechnen habe, vertrat der 9. Senat die Auffassung, die Entschädigung könne berechtigterweise schon zum Kündigungstermin kalkuliert werden und dürfe für den Zeitraum zwischen Kündigung und eigentlicher Rückzahlung durch den Schuldner ebenso wie die Restdarlehensschuld mit einem Verzugszinssatz verzinst werden. Der Zinseffekt dieser zweiten Auffassung besteht darin, dass ein Kreditgeber für ein und denselben Zeitraum sowohl einen Zinsschadensausgleich durch die Vorfälligkeitsentschädigung als auch einen Verzugsschadensausgleich erhalten würde, somit doppelt kompensiert wäre.

     

    Der BGH vertrat eine dritte - sehr verbraucherfreundliche - Rechtsmeinung. § 497 Abs. 1 BGB sieht für Verbraucherdarlehen die folgende Verzugsschadensregelung vor:

     

    • Verzugsschadensregelung des BGH

    Der Darlehensgeber darf gegenüber dem Darlehensnehmer einen Verzugszins gemäß § 288 Abs. 1 BGB berechnen (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz). Er darf aber ebenso einen höheren Schaden nachweisen (§ 497 Abs. 1 S. 2 BGB). Allerdings, so der BGH, bestimme § 503 Abs. 2 BGB, dass in Bezug auf Immobiliardarlehen eine Ausnahme dahingehend gelte, dass der Verzugszinssatz 2,5 Prozentpunkte oberhalb des Basiszinssatzes notiere. Damit wird nach seiner Anschauung ebenso die Regelung zum Nachweis eines höheren Schadens durch die Regelung des § 503 Abs. 2 BGB dominiert.

     

    Diese Interpretation des abgesenkten Verzugszinses als abschließende Regelung lässt keinen Raum mehr für eine daneben erhobene Vorfälligkeitsentschädigung. Mithin darf eine Bank bei einem von ihr gekündigten Immobiliardarlehen nicht auch noch eine Zinsentschädigung verlangen. Als Folge dieser in der mündlichen Verhandlung dargetanen Rechtsauffassung hatte die in die streitige Auseinandersetzung eingebundene Bank nichts Eiligeres zu tun, als die Erstattungsforderungen der Verbraucherdarlehensnehmer anzuerkennen, um ein weitreichendes BGH-Urteil zu vermeiden.

     

    Mit dem Anerkenntnisurteil tut sich ein Spielraum für den Opportunismus von Verbraucherdarlehensnehmern auf. Ist es ihnen doch fortan möglich, Darlehen zinsentschädigungsfrei vorzeitig zu beenden, indem sie sich absichtlich in einen Zahlungsrückstand begeben, um die Kündigung durch die Darlehensgeberin schlichtweg zu provozieren. Kommt es dann zur Kündigung, so lösen sie ihr Darlehen zinsentschädigungsfrei ab und verfügen über die Möglichkeit, sich ein neues Darlehen zu den derzeit zinsgünstigen Konditionen zu verschaffen. Kommt es dagegen nicht zur Kündigung, so verzinsen die Darlehensnehmer die rückständigen Raten wie einen Zusatzkredit mit 
2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Da der Basiszinssatz zurzeit sogar negativ ist, erhalten sie damit einen besonders günstigen Zusatzkredit.

    5. Fazit

    Banken müssen daher mit Kündigungsandrohungen künftig vorsichtiger umgehen. Verbraucher, die entsprechend opportunistisch Kündigungen provozieren, sollten darauf gefasst sein, dass unter einer offensichtlich provozierten Kündigung das Recht auf eine zinsentschädigungsfreie Rückzahlung von den Gerichten wiederum kassiert werden wird.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 278 | ID 42314650

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