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  • · Fachbeitrag · Top-Meldung des Monats

    BFH gibt den subjektiven Fehlerbegriff bei der Bilanzberichtigung auf

    | Die Richter des Großen Senats des BFH haben den subjektiven Fehlerbegriff, der bisher in bilanziellen Rechtsfragen galt, aufgegeben. Die Finanzämter sind nun nicht länger an rechtliche Beurteilungen von Steuerbilanzen gebunden, wenn diese zwar aus Sicht des Kaufmanns vertretbar, objektiv jedoch fehlerhaft sind. |

     

    Das FA ist demnach also verpflichtet, eine Berichtigung der Steuerbilanz als Grundlage für die Veranlagung nach der objektiv richtigen Rechtslage durchzuführen, auch wenn einzelne Ansätze aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der ursprünglichen Bilanzaufstellung noch vertretbar waren. Zudem gilt diese Änderungsoption auch für eine in diesem Zeitpunkt in der Vergangenheit von Verwaltung und Rechtsprechung praktizierte und später geänderte Rechtsauffassung.

     

    Hintergrund

    Bisher galt für die Beurteilung, ob eine eingereichte Steuerbilanz fehlerhaft ist, auch bei Rechtsfragen ein subjektiver Maßstab. War die einer Bilanz oder einem Ansatz zugrunde liegende rechtliche Beurteilung im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar, war die Behörde daran bei der Steuerfestsetzung gebunden. Das galt sogar, wenn diese Beurteilung objektiv fehlerhaft war. Neu ist nach Auffassung des Großen Senats, dass sich keine Bindung des FA an eine objektiv unzutreffende, aber im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbare rechtliche Beurteilung in der Handels- oder Steuerbilanz aus §§ 5 Abs. 1 und 4 Abs. 2 EStG ableiten lässt. Somit sind Finanzverwaltung und -gerichte insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, ihrer Entscheidung die objektiv richtige Rechtslage unabhängig davon zugrunde zu legen, ob sich die unzutreffende Ansicht beim Unternehmer zugunsten oder zu seinen Lasten ausgewirkt hatte.

     

    Zugrunde liegender Sachverhalt

    Im konkreten Fall ging es um das Angebot zum verbilligten Erwerb von Mobiltelefonen. Voraussetzung war, dass die Kunden einen 24-Monats-Vertrag abschlossen. Laut FA stellte die verbilligte Abgabe einen Aufwand dar, der über eine aktive Rechnungsabgrenzung periodengerecht über die Laufzeit zu verteilen war. Zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung entsprach die Entscheidung des Unternehmens, keinen RAP zu bilden, der kaufmännischen Sorgfalt. Die Entscheidung war somit subjektiv nicht fehlerhaft. Da die bisherige Rechtsprechung aufgegeben wurde, ist eine Bindung des FA an eine objektiv unzutreffende, bei Bilanzaufstellung vertretbare rechtliche Beurteilung nicht mehr gegeben, sodass der RAP in der Bilanz gewinnerhöhend angesetzt werden kann.

     

    Sechs Hinweise für die Praxis

    • 1.Die Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs eröffnet Steuerpflichtigen die Option, nach Bilanzaufstellung erfolgte günstige Rechtsprechung oder Verwaltungsansicht noch geltend zu machen. Dies bietet sich bei Betriebsprüfungen an, wenn Mehrergebnisse abgemildert werden sollen. Hier kann dann etwa eine Rückstellung gebildet werden, was bisher unzulässig war.

     

    • 2.Die Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs kann sich auch steuerbelastend auswirken. Der Unternehmer muss möglicherweise rückwirkend eine Gewinnerhöhung mit der Folge von Nachzahlungszinsen nach 
§ 233a AO hinnehmen.

     

    • 3.Die neuen Grundsätze sind sofort anzuwenden, da es nach der Vorgabe vom Großen Senat des BFH keine Übergangsregelung gibt. Da sowohl Finanzverwaltung als auch Rechtsprechung an die Gesetze gebunden sind, kann der Große Senat nur ausnahmsweise eine Übergangsregelung zugunsten des Steuerpflichtigen treffen.

     

    • 4Die Voraussetzungen für eine Übergangsregelung zum Vorteil von Bilanzierenden liegen nicht vor. Zur entschiedenen Frage gibt es keine langjährige BFH-Rechtsprechung zugunsten von Unternehmern. Es kommt deshalb nur eine allgemeine Billigkeitsregelung gemäß § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO in Betracht, beispielsweise im Fall einer bedeutsamen Verböserung der Rechtsprechung oder Verwaltung zu Bilanzierungsfragen.

     

    • 5.Die Frage zur Anwendung der neuen Rechtsprechung zum subjektiven Fehlerbegriff im Hinblick auf unzutreffende oder wenig konkrete Tatsachen wie beispielsweise Prognosen oder Schätzungen in der Bilanz hat der Große Senat ausdrücklich offen gelassen.

     

    • 6.Über die Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 wird in R 4.4 Satz 6 neu geregelt, dass sich sowohl die Bilanzberichtigung als auch die Bilanzänderung bei einer Personengesellschaft auf die komplette Mitunternehmerschaft beziehen. Danach berechtigt eine Berichtigung in einer Gesamthandsbilanz zur Änderung in den Ergänzungs- oder Sonderbilanzen der Mitunternehmer. Dem Verzicht auf eine gesellschafterbezogene Betrachtungsweise stehen hierdurch eintretende Gewinnverschiebungen zwischen den Gesellschaftern nicht entgegen.

     

    Fundstellen

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 383 | ID 39608050

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