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  • 18.09.2014 · IWW-Abrufnummer 172070

    Landesarbeitsgericht Nürnberg: Beschluss vom 30.07.2014 – 4 Ta 83/14

    Die Beschwerdekammer gibt nach Verabschiedung des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit im Interesse an einer Vereinheitlichung der Spruchpraxis die bisherige ständige Rechtsprechung auf, dass die Beschwerdekammer keine eigene vom Erstgericht unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat.



    Werden in einem Verfahren insgesamt zwölf Abmahnungen angegriffen, die in getrennten Schreiben vom selben Tag erklärt worden sind, ist dieses Verfahren unter Berücksichtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Parteien nicht höher zu bewerten als ein Beendigungsrechtsstreit, so dass maximal 3 Bruttomonatsgehälter festzusetzen sind (Streitwertkatalog Ziffer I 2.2).


    Tenor: 1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden - Kammer Schwandorf - vom 05.06.2014, Az.: 3 Ca 452/14, abgeändert. 2. Der Streitwert für die Gebührenberechnung wird für das Verfahren auf EUR 4.065,63 und für den Vergleich auf EUR 8.673,34 (überschießender Vergleichswert: EUR 4.607,71) festgesetzt. Gründe: I. Die bei der Beklagten seit dem 12.08.2002 gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt EUR 1.355,21 beschäftigte Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen insgesamt 12 Abmahnungen, die mit getrennten Schreiben, allesamt datierend vom 13.01.2014, ausgesprochen worden sind. Sie betrafen in 3 Fällen den Umgang mit anderen Mitarbeitern und in 9 Fällen Schlechtleistungen/Verstößen gegen Hygienevorschriften. Der Rechtsstreit wurde außergerichtlich durch einen vom Gericht festgestellten Vergleich folgenden Inhalts beigelegt: 1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet einvernehmlich zum 30.06.2014. 2. Die Klägerin wird unter Fortzahlung der Vergütung bis 30.06.2014 freigestellt. Es besteht Einigkeit, dass in diesem Freistellungszeitraum Urlaub und eventuelle Überstunden in Natur eingebracht werden. 3. Die Beklagte zahlt an die Klägerin Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 5.000,-- EUR brutto. 4. Die Beklagte erstellt für die Klägerin ein Arbeitszeugnis mit der Beurteilung "gut" in Leistung und Verhalten. 5. Mit dieser Regelung hat sich der anliegende Rechtsstreit über die Abmahnungen erledigt. 6. Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Erfüllung dieses Vergleiches keine weiteren Ansprüche mehr zwischen den Parteien bestehen. 7. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 05.06.2014 den Streitwert für das Verfahren auf EUR 6.315,28 (4,66 Monatsgehälter) und für den Vergleich auf EUR 8.131,26 (6 Monatsgehälter) festgesetzt. Mit der beim Erstgericht am17.06.2014 eingereichten Beschwerde beantragt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Erhöhung des Verfahrensstreitwertes auf EUR 16.262,52 (12 Bruttomonatsgehälter) und einen überschießenden Vergleichswert von EUR 6.776,05 (5 Monatsgehälter). Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 23.06.2014 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen. II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren gem. § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,--, denn die einfache Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Gebührenstreitwert beträgt nach der Anlage 2 zum RVG EUR 291,--. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 des GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht ein eigenes Beschwerderecht zu, § 32 Abs. 2 RVG. 2. Die Beschwerde ist nur zum Teil sachlich begründet. Der vom Erstgericht festgesetzte überschießende Vergleichswert von EUR 1.815,98(1,34 Bruttomonatsgehälter) ist zu korrigieren. Die im Vergleich geregelte Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung ist mit 3 Bruttomonatsgehältern zusätzlich zu bewerten und die im Vergleich titulierte Freistellung für die Dauer von 1,5 Monaten und die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit dem Prädikat "gut" mit jeweils 20% eines Monatsgehalts. a) Die Beschwerdekammer gibt die von ihr bisher in Übereinstimmung mit den anderen Kammern des Landesarbeitsgerichts Nürnberg in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. Beschlüsse vom 05.05.1986 - 1 Ta 3/85 - LAGE Nr. 53 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert, vom 11.11.1992 - 6 Ta 153/92 - NZA 1993, 430, vom 27.11.2003 - 9 Ta 154/03 - AR-Blattei ES 160.13 Nr. 256, vom 21.07.2005 - 9 Ta 137/05 - LAGE Nr. 1 zu § 23 RVG, vom 22.11.2010 - 4 Ta 31/10 - JurBüro 2011, 138). Eine solche nur eingeschränkte Überprüfbarkeit des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses, die aktuell noch von den Landesarbeitsgerichten Nürnberg und Sachsen vertreten worden ist (vgl. TZA-Paschke, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, 1 B Rz. 290), hält die Beschwerdekammer nach Verabschiedung des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit als nicht mehr zielführend. Im Hinblick auf die höchst unterschiedliche Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte und den Umstand, dass wegen der nicht statthaften Rechtsbeschwerde eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das Bundesarbeitsgericht nicht erfolgen kann, haben die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesarbeitsgerichte eine Kommission eingerichtet (vgl. TZA-Ziemann, aaO., 1 A Rz. 19), die im Rahmen einer bundesweit geltenden Empfehlung eine Streitwerttabelle erarbeitet hat. Diese Tabelle ist in der Präsidentenkonferenz des Jahres 2014 zur Veröffentlichung freigegeben worden. Damit wurde die Basis dafür geschaffen, bundesweit zu einer möglichst einheitlichen Spruchpraxis zu finden. Nur durch eine umfassende eigene Prüfungskompetenz der Beschwerdekammer wird dieses Ziel gefördert, was wiederum der Rechtssicherheit und -klarheit dient. Das Beschwerdegericht ist auch in Streitwertsachen eine Tatsacheninstanz und gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG gesetzlich ermächtigt, eine vom Erstgericht getroffene Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen abzuändern. Eine inhaltliche Beschränkung enthält diese gesetzliche Änderungsbefugnis nicht(vgl. TZA-Paschke, aaO.). b) Die im Vergleich geregelten zusätzlichen Streitgegenstände sind wie folgt zu bewerten: Die vereinbarte Vertragsbeendigung gegen Zahlung einer Abfindung als Beilegung eines Beendigungsstreits bzw. Beseitigung einer Unsicherheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gem. § 42 Abs.2 GKG mit 3 Bruttomonatsgehältern (Streitwertkatalog Ziffern I 11 und I 22.1). Die titulierte Freistellung für die Dauer von 1,5 Monaten mit dem Titulierungsinteresse von 20% eines Monatsgehalts (Streitwertkatalog Ziffern I 22.1 und 22.2), denn eine Beilegung eines diesbezüglichen Streits der Parteien oder eine Beseitigung einer bestehenden Ungewissheit wird in der Beschwerdebegründung nicht behauptet. Gleiches gilt für die titulierte Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit einem bestimmten Prädikat (Streitwertkatalog Ziffern I 22.1, 22.2 und 25.2). Damit beläuft sich der überschießende Vergleichswert auf insgesamt EUR 4.539,71 (3,4 Bruttomonatsgehälter). 3. Der Ausgangsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 05.06.2014 ist gem.§ 63 Abs. 3 b) GKG vom Beschwerdegericht von Amts wegen abzuändern. Das Verfahren über die Entfernung von insgesamt 12 Abmahnungen vom selben Tag ist insgesamt nur mit 3 Bruttomonatsgehältern zu bewerten. Wenn in einem Verfahren mehrere Abmahnungen angegriffen werden, kann dieses Verfahren keinen höheren Streitwert haben, als ein Bestandsstreit der Parteien gem. § 42 Abs. 2 Satz 1GKG (Streitwertkatalog Ziffer I 2.2). Auch mehrere Abmahnungen stellen nur jeweils die Vorstufe einer Beendigungskündigung dar. Sie haben auch in der Gesamtschau keine negativeren Auswirkungen für den Arbeitnehmer als die durch sie vorbereitete Beendigung des Vertragsverhältnisses. Der diesbezügliche Streit der Parteien kann nach seinen rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen für deren Rechtsbeziehung nicht höher bewertet werden als ein Streit über eine Beendigungskündigung. Damit ist ein Verfahrensstreitwert festzusetzen von EUR 4.065,63 (3 Bruttomonatsgehälter) und nicht von EUR 6.315,28 (4,66 Bruttomonatsgehälter). III. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, vgl. § 78 Satz 3 ArbGG. Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und keine Kostenerstattung stattfindet, §§ 68 Abs. 3 GKG.

    RechtsgebieteGKG, RVGVorschriftenGKG § 42 GKG § 63 GKG § 68 RVG § 32