Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 27.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141887

    Arbeitsgericht Berlin: Urteil vom 20.12.2013 – 28 Ca 12974/13

    I.

    Will der Arbeitgeber eine Kündigung auf häufige erkrankungsbedingte Fehlzeiten einer Arbeitsperson stützen, so gehört zum Unterrichtungsumfang bei der Anhörung des Betriebsrates (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) in aller Regel die Bekanntgabe der "konkreten Ausfallzeiten der einzelnen Jahre" (wie bereits BAG 18.9.1986 - 2 AZR 638/85 - RzK III 1 b Nr. 8 und "[...]"; 7.11.2002 - 2 AZR 493/11 - AP § 620 BGB Kündigungserklärung Nr. 18). Es genügt insoweit insbesondere nicht, die betreffenden Fehlzeiten lediglich "addiert gebündelt" anzugeben (BAG 18.9.1986 a.a.O.).
    II.

    Genügt die Unterrichtung des Betriebsrates diesen Anforderungen nicht, so ist die hiernach gleichwohl erklärte Kündigung - schon deshalb - unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG analog).


    Arbeitsgericht Berlin

    v. 20.12.2013

    Az.: 28 Ca 12974/13

    In Sachen
    pp
    hat das Arbeitsgericht Berlin, 28. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 20.12.2013
    durch
    den Richter am Arbeitsgericht Dr. R. als Vorsitzender
    sowie die ehrenamtliche Richterin Frau P. und die ehrenamtliche Richterin Frau L.
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    I.

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung im Schreiben vom 23. August 2013 nicht aufgelöst worden ist.
    II.

    Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
    III.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird für dieses Teilurteil auf 7.800,-- Euro festgesetzt.

    Tatbestand

    Es geht (zunächst) um auf häufige Kurzerkrankungen gestützte Kündigung. - Vorgefallen ist folgendes:

    I. Die (heute(1)) 54-jährige Klägerin trat im September 1984 als "Altenpflegerin"(2) in die Dienste der Beklagten, die mit (vermutlich(3)) mehr als zehn ständig Beschäftigten (mindestens) ein Seniorenheim betreibt. Sie bezog zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, bei Vollzeittätigkeit (40 Wochenarbeitsstunden) ein Monatsgehalt von durchschnittlich 2.600,-- Euro(4) (brutto).

    II. Mit besagten "Ereignissen" hat es folgende Bewandtnis:

    1. Aus Gründen, zu denen die Darstellungen der Parteien teilweise auseinander gehen, kam es erkrankungsbedingt wiederholt zu Fehlzeiten der Klägerin, die die Beklagte im Rechtsstreit für die Jahre 2006 bis 2012 mit insgesamt 616 "arbeitsunfähigen Arbeitstagen" beziffern lässt (Kopie(5): Urteilsanlage I.). Für Juli 2010 bis Juni 2013 sollen sich darunter die aus einer weiteren Übersicht ergebenden Fehltage (Kopie(6): Urteilsanlage II.) befinden.

    2. Fest steht, dass die Beklagte die Klägerin mit Briefen vom 12. Dezember 2011(7) (Kopie: Urteilsanlage III.), 26. Juni 2012(8) (Kopie: Urteilsanlage IV.) und nochmals 7. Januar 2013(9) (Kopie: Urteilsanlage V.), auf deren Inhalte im Einzelnen verwiesen wird, anschrieb, um Gesprächstermine wegen "Betrieblichen Eingliederungsmanagements" zu verabreden. Fest steht auch, dass es zu solchen Gesprächsrunden dann nicht kam.

    3. Fest steht schließlich, dass die Beklagte sich mit Schreiben vom 14. August 2013(10) (Kopie: Urteilsanlage VI.) wegen ihrer Absicht an den Betriebsrat ihres Hauses wandte, das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. März 2014 zu kündigen. Zur Begründung hieß es:

    "Frau W. [Nachname der Klägerin im Original ausgeschrieben; d.U.] ist 54 Jahre alt, nach unseren Informationen getrennt lebend und hat 2 Kinder im Alter von 37 und 22 Jahren, wobei wir keine Informationen über die mögliche Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern haben. Eine Schwerbehinderung ist uns nicht bekannt. Seit dem 03.09.1984 ist Frau W. bei der Volkssolidarität angestellt, seit Dezember 2001 arbeitet sie mit 40 Wochenstunden im Seniorenheim B. Ring.

    In den vergangenen Jahren war Frau W. durchschnittlich mehr als 60 Tage arbeitsunfähig. Im Jahr 2010 waren es 162 Arbeitstage, im Jahr 2011 waren es 54 Arbeitstage, im Jahr 2012 waren es 123 Arbeitstage und bis 22. Juli 2013 sind es bisher insgesamt 30 Arbeitstage. Diese Tage der Arbeitsunfähigkeit waren immer verteilt auf (fast) alle Monate des Jahres, es handelte sich also um wiederholte und nicht um zusammenhängende Arbeitsunfähigkeiten.

    Am 12. Dezember 2011 wurde Frau W. erstmalig zum Gespräch im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) eingeladen. Sie lehnte das BEM Gespräch ab. Wir unterbreiteten am 26.06.2012 erneut das Angebot zum BEM. Frau W. wurde kurz vor dem geplanten Gesprächstermin ins Krankenhaus eingewiesen und sagte in der Einrichtungsleitung den Termin ab. Am 7. Januar 2013 wurde sie zum dritten Mal eingeladen. Auf dieses Schreiben hat Frau W. bis heute nicht reagiert. An der wiederholten Arbeitsunfähigkeit hat sich nichts geändert.

    Da es sich bei den Arbeitsunfähigkeiten von Frau W. um keine planbaren bzw. langfristigen Abwesenheiten handelt, ist es uns nicht möglich, die Stelle von Frau W. befristet als Krankheitsvertretung zu besetzen. Die kurzfristigen Ausfallzeiten müssen innerhalb des Unternehmens durch andere MA bzw. den Einsatz von Fremdarbeitskräften kompensiert werden, was zu Mehrarbeit der Kolleginnen bzw. zu hohen Kosten für den Zeitarbeitseinsatz führt. Die Arbeitsunfähigkeiten der vergangenen beiden Jahre waren überwiegend mit Lohnfortzahlung und stellen daher eine zusätzliche finanzielle Belastung - neben Ausgleich für Mehrarbeit und Zeitarbeit - für den Arbeitgeber dar.

    Von den insgesamt 369 Tagen der Arbeitsunfähigkeit von Frau W. (2010 bis Juli 2013), waren 288 Arbeitstage mit Lohnfortzahlung. Die Kosten hierfür (inkl. AG-Anteil SV) betrugen insgesamt 42.117,42 €.

    Wir sehen keine positive Prognose hinsichtlich der lang andauernden Arbeitsfähigkeit von Frau W. Aus den genannten Gründen wollen wir das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2014 beenden.

    Anlagen:

    Wir bitten um Zustimmung".

    4. Nachdem sich das Gremium - soweit ersichtlich - zum Kündigungsplan der Beklagten nicht geäußert hatte, erklärte diese mit Schreiben vom 23. August 2013(11) (Kopie: Urteilsanlage VII.), das die Klägerin vier Tage später (27. August 2013) erreichte(12), ohne Angabe von Gründen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

    III. Hiergegen richtet sich die vorab per E-Mail am 4. September 2013 bei Gericht eingereichte und der Beklagten zehn Tage darauf (14. September 2013) zugestellte Kündigungsschutzklage. Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam(13). Diese sei namentlich sozial ungerechtfertigt(14). Außerdem lässt die Klägerin die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestreiten(15). - Im Kammertermin am 20. Dezember 2013 hat die Klägerin ihre Antragsbegehren auf das Verlangen nach Prozessbeschäftigung ausgedehnt(16).

    IV. Die Klägerin beantragt hiernach zuletzt(17),

    1.

    festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung im Schreiben vom 23. August 2013 nicht aufgelöst worden ist;
    2.

    die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu verurteilen, sie zu den im Arbeitsvertrag vom 22. November 2001 geregelten Bedingungen als Altenpflegerin/Pflegefachkraft im Seniorenheim B. Ring mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.500,-- Euro nebst einem monatlichen VL-Anteil von 8,-- Euro bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    V. Sie hat sich auf den Beschäftigungsantrag noch nicht eingelassen, hält die Klagebegehren der Sache nach aber für gegenstandslos. Die Kündigung sei nämlich, wie sie meint, rechtlich nicht zu beanstanden, so dass sie das Arbeitsverhältnis mit dem Beendigungstermin auflösen werde:

    1. Kündigungsgrund seien die vielfachen erkrankungsbedingten Fehlzeiten. Das Arbeitsverhältnis sei durch die sich häufig wiederholenden Kurzerkrankungen in erheblicher Weise beeinträchtigt(18). Die Störungsursache sei ihr - zumindest zum Kündigungszeitpunkt - nicht bekannt gewesen(19). Die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin lägen auch "ganz erheblich über dem Durchschnitt"(20). Soweit diese ihre Erkrankungen auf Arbeitsabläufe bei der Beklagten "in ihrer Gesamtheit" und ihren privaten Lebensbereich zurückführe, könne sie (Beklagte) an Letzterem nichts ändern(21). Ändern könne sie aber auch für die Klägerin nicht "die Arbeitsabläufe ,in ihrer Gesamtheit'"(22).

    2. Der Betriebsrat sei, wie die Beklagte meint, "ordnungsgemäß" angehört worden(23).

    VI. Hierzu erwidert die Klägerin, die von der Beklagten für die Jahre 2006 bis 2009 zur Sprache gebrachten Erkrankungszeiten (s. oben, S. 2 [II.1.]; Urteilsanlage I.) seien ihr - da ihre Krankenkasse einstweilen nur für die Zeiträume ab 2010 Auskünfte erteilt habe (Kopie(24): Urteilsanlage VIII.), "nicht mehr erinnerlich"(25). Außerdem werde die von der Beklagten dargestellte Zahl ihrer von Arbeitsunfähigkeit betroffenen Arbeitstage bestritten(26): Sie könne nämlich an allen sieben Tagen einer Woche in drei Schichten zum Dienst eingeteilt werden, doch lägen ihr die Dienstpläne für die von der Beklagten per Anlage B 1 angesprochenen Fehlzeiten(27) (Kopie: Urteilsanlage IX.) nicht vor. - Unabhängig davon sei "mit einer baldigen Genesung und Überwindung der bisherigen Krankheitsursachen zu rechnen"(28). Zwar fehle ihr selber das medizinische Fachwissen, doch entbinde sie hierfür ihre behandelnde Fachärztin von deren ärztlicher Schweigepflicht(29). Insofern sei die Besorgnis zukünftiger Erkrankungen auch unbegründet(30). - Des Weiteren legt die Klägerin Wert auf die Feststellung, dass sie der Beklagten im Anschluss an den Gütetermin in außergerichtlichen Gesprächen mehrere Vorschläge unterbreitet habe, um ihre Arbeitssituation zu entspannen und damit ihre gesundheitliche Beeinträchtigung zu reduzieren(31). Sämtliche Vorschläge habe die Beklagte aber abgelehnt, eigene Vorschläge nicht unterbreitet(32). Eine Änderung der Arbeitsbedingungen, eine Versetzung oder Umorganisation habe sie abgelehnt und lediglich erklärt, dass eine Weiterbeschäftigung nicht in Betracht komme(33). - Schließlich seien ihre Erkrankungen ohnehin "auf betriebliche Ursachen zurückzuführen"(34): Hauptursache ihrer Arbeitsunfähigkeiten sei "der berufliche Alltag"(35). Diesbezüglich seien insbesondere die personellen Vorgaben des Dienstplanes infolge des hohen Krankenstandes der Belegschaft nicht einzuhalten(36). Hierfür verweist die Klägerin auf handschriftliche Eigenaufzeichnungen für die Zeit von Mai 2009 bis Dezember 2012(37) (Kopie [Auszug]: Urteilsanlage X.), deren Mehrbelastung auch sie selber treffe(38). Die sich danach ergebenden Verhältnisse hätten mittlerweile auch gewerkschaftliche Resonanz erfahren, wofür die Klägerin auf ein Flugblatt (ohne Datum) von "Ver.di"(39) (Kopie: Urteilsanlage XI.) verweist. - Schließlich ständen ihr und den übrigen Pflegekräften aufgrund der Dienstpläne "kaum Erholungsphasen" zur Verfügung, was die Klägerin mit einer Auflistung ihrer Diensteinteilungen vom 8. bis 28. Februar 2014(40) (Urteilsanlage XII.) belegt sehen will.

    VII. Die Beklagte entgegnet unter anderem, die Klägerin sei "durchaus in der Lage", die von ihr (Beklagte) dargelegten Arbeitsunfähigkeitszeiten "anhand der Kalender der vergangenen Jahre nachzuvollziehen" und so ihre Angaben hinsichtlich der Jahre von 2006 bis 2009 zu überprüfen(41). Dass mit ihrer "baldigen Genesung" zu rechnen sei, sei nicht substantiiert genug(42). Im Übrigen spreche gerade die Darstellung der Klägerin, die Ursache ihrer Erkrankungen liege im beruflichen Alltag, dagegen(43). Denn gerade diesen "Alltag" könne sie (die Beklagte) nicht ändern(44). Allerdings seien nicht zuletzt die Vorwürfe von "Ver.di" (Urteilsanlage XI.) gerade für ihr Haus "völlig unangebracht"(45): Dies spiegele auch ein Schreiben eines Arbeitsmedizinischen Dienstes vom 15. Juni 2013(46) (Kopie: Urteilsanlage XIII.). Danach gingen die dort vorzufindenden Arbeitsbedingungen in ihren Belastungen nicht über das normale Maß in der Altenpflege hinaus(47). Wenn somit die Klägerin mit dem "beruflichen Alltag" in der Altenpflege nicht mehr zurecht komme, sei dies zwar zu bedauern, jedoch nicht ihr (Beklagte) vorzuwerfen(48). Umgekehrt sei verwunderlich, weshalb die Klägerin bei einer solchen Belastung durch den beruflichen Alltag nicht schon längst die sich aufdrängende Konsequenz einer Eigenkündigung gezogen habe(49). Diese möge sich ohnehin "einmal überlegen, wie viel Mehrbelastungen ihre Kollegen im Team dadurch haben, dass sie andauernd wieder kurzfristig arbeitsunfähig" erkranke(50).

    VIII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen. Hiervon nicht inbegriffen sind die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 11. Dezember 2013 und diejenigen der Beklagten im vorerwähnten Schriftsatz vom 17. Dezember 2013, zu denen die Parteien kein ausreichendes rechtliches Gehör erhalten und deshalb wechselseitig um Erklärungsfrist gebeten haben. Soweit hier aus diesen Schriftsätzen zitiert oder berichtet wird, geschieht dies daher ausschließlich zur Illustration.
    Entscheidungsgründe

    A. Da der Rechtsstreit wegen der Kündigungsschutzklage entscheidungsreif ist, hat das Gericht insoweit aufgrund der § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG(51), §§ 495 Abs. 1(52), 301 Abs. 1 Satz 1(53)ZPOTeilurteil erlassen.

    B. Diesbezüglich ist den Klagebegehren der erstrebte Erfolg nicht zu versagen. - Im Einzelnen:

    I. Der Kündigungsschutz (Klageantrag zu 1.)

    Die Kündigungsschutzklage erweist sich als begründet: Die Kündigung im Schreiben vom 23. August 2013 (Urteilsanlage VII.) wird das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit dem 31. März 2014 oder später auflösen. Sie ist unwirksam. - Der Reihe nach:

    1. Die Klägerin hat ihre Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (27. August 2013) bei Gericht einreichen lassen (4. September 2013). Die Zustellung ist am 14. September 2013 bewirkt worden. Damit hat die Klägerin selbst ohne die anderenfalls rechtlich gebotene(54) Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO(55) die ihr durch § 4 Satz 1 KSchG(56) zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigung "gilt" folglich nicht schon kraft Gesetzes nach § 7 (1. Halbsatz)(57)KSchG als "von Anfang an rechtswirksam". Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen (hier in erster Linie sogenannten "wichtigen") Grundes und darf - selbstverständlich - auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.

    2. Diesen Anforderungen genügt die hiesige Kündigung nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte sich mit Erfolg auf häufige erkrankungsbedingte Fehlzeiten der Klägerin berufen könnte. Als unwirksam erweist sich die Kündigung nämlich bereits nach den Grundsätzen, die die Gerichte für Arbeitssachen zur Konsultation des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 BetrVG(58) entwickelt haben. - Der Reihe nach:

    a. Was zunächst den normativen Rahmen anbelangt, so ist der Betriebsrat nach der erwähnten Vorschrift des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor jeder Kündigung zu hören. Um diese Prozedur mit Sinn zu erfüllen, sind dem Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG "die Gründe" der beabsichtigten Kündigung zu benennen. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit in relevanter Weise nicht nach, so hat dies nach der insoweit seit jeher zur Vermeidung von Gesetzesumgehungen entwickelten Rechtsprechung des Zweiten Senats des BAG dieselbe Konsequenz zur Folge, wie das Gesetz sie vordergründig nur für die komplette Missachtung des Konsultationsrechts der Belegschaftsvertretung anordnet: Danach ist § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bei lediglich unzureichender Unterrichtung des Gremiums analog anzuwenden(59), die Kündigung also unwirksam.

    b. So verhält es sich hier:

    ba. Für die normativen Anforderungen an den Unterrichtungsumfang bei Kündigungen, die auf häufige erkrankungsbedingte Fehlzeiten gestützt werden sollen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit Jahrzehnten anerkannt, dass der Arbeitgeber der Belegschaftsvertretung im Zuge der Anhörung die "konkreten Ausfallzeiten der einzelnen Jahre" mitzuteilen hat(60)

    erkrankungen die Fehlzeiten addiert gebündelt angegeben werden"; 7.11.2002 - 2 AZR 493/01 - AP § 620 BGB Kündigungserklärung Nr. 18 = EzA § 174 BGB 2002 Nr. 1 = PersR 2003, 451 [II.2 c. - "[...]"-Rn. 56]: "Bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen sind dem Personalrat regelmäßig die einzelnen Ausfallzeiten der letzten Jahre mitzuteilen, auf die der Arbeitgeber seine Prognose stützt, es sei auch in Zukunft mit Krankheitszeiten im selben Umfang zu rechnen".. Das ist auch kein Wunder: Nur dies entspricht dem seit jeher herausgestellten Grundsatz sachgerechter Konsultation, wonach das Gremium anhand der verlautbarten Gründe innerhalb der gesetzlich ohnehin reichlich knapp bemessenen Wochenfrist (s. § 102 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BetrVG(61)) in die Lage versetzt sein soll, zum Kündigungsansinnen "ohne zusätzliche eigene Nachforschungen" brauchbar Stellung zu nehmen(62). Das Mindeste, was hierzu gehört, ist dementsprechend die alles andere als überflüssige Prüfung(63), ob der Arbeitgeber nicht nur Kalender- und Arbeitstage gehörig auseinander gehalten, sondern auch bei seiner Summenbildung richtig gerechnet hat.

    bb. Diese Möglichkeit blieb dem hiesigen Betriebsrat verschlossen. Davon ist nach dem Inhalt des Prozessvortrags der Beklagten zur Konsultation des Gremiums jedenfalls auszugehen. So ist im Unterrichtungsschreiben vom 14. August 2013 (s. oben, S. 2-3 [II.3.]; Urteilsanlage VI.) als erkrankungsbedingten Fehlzeiten der Klägerin für das Jahr 2010 von "162 Arbeitstagen" die Rede, für 2011 von "54 Arbeitstagen", für 2012 von "123 Arbeitstagen" und für 2013 (bis 22. Juli) von nochmals "insgesamt 30 Arbeitstagen". Über die Frage, aus welchen Bezugszeiträumen sich diese Rechenergebnisse im Einzelnen ergeben haben sollte, schweigt sich der Text aus. Er enthält auch keine Hinweise auf Begleitschriftstücke, die näheren Aufschluss vermitteln könnten. Im Gegenteil: Die Rubrik "Anlagen" ist frei geblieben. Das Schreiben bezieht sich darüber hinaus nicht einmal auf etwa begleitenden Gesprächsaustausch, aus dem der Betriebsrat weitere Informationen zur Ermöglichung des vorerwähnten Mindestkontrollprogramms zu gewinnen gewesen seien. - Dasselbe gilt für die erwähnte schriftliche Darstellung der Beklagten zur Anhörung des Betriebsrates in ihrer Klageerwiderungsschrift.

    bc. Unter solchen Bedingungen ist den erwähnten Konsequenzen (s. oben, S. 8 [2 a.]) nicht auszuweichen. Soweit die Beklagte im Termin am 20. Dezember 2013 mit Erwägungen darüber, dass der Betriebsrat im Zuge von montägigen Begegnungen mit ihrer Geschäftsleitung genau die hier fehlenden Informationen in mündlicher Form unterbreitet erhalten haben könnte, um die Gelegenheit zu ergänzendem schriftsätzlichen Vortrag gebeten hat, konnte das Gericht dem mit Rücksicht auf den Beschleunigungsgrundsatz der §§ 9 Abs. 1(64), 61 a Abs. 1(65)ArbGG in Bestandsschutzsachen nicht entsprechen. Insbesondere angesichts der besagten urkundlichen Verhältnisse (s. soeben, bb.) erscheint das Risiko, dass mit der Entscheidung über die Kündigungsschutzklage nach derzeitigem Prozessstand letztlich nur "Schnelligkeit vor Richtigkeit" ginge, in Ansehung des erwähnten Verfahrensgebotes denkbar gering.

    III. Die Konsequenzen spiegelt der Tenor zu I. des Urteils.

    C. Für Kosten und Streitwerte lässt es sich kurz machen:

    I. Soweit das Gericht zu gegebener Zeit auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme wird entscheiden müssen, bedarf es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO(66)). Diese Entscheidung bleibt jedoch - sofern ein solches noch ergehen muss - dem Schlussurteil vorbehalten (Tenor zu II.).

    II. Den Wert des Streitgegenstandes hat es aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG(67) im Tenor festgesetzt und nach Maßgabe des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG(68) mit der dreifachen Monatsvergütung der Klägerin bemessen, also mit (3 x 2.600,-- Euro = ) 7.800,-- Euro und erklärt den Tenor zu III.

    RechtsgebieteBetrVG, BGB, KSchGVorschriften§ 102 Abs. 1 S. 1, 2, 3 BetrVG; § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG; § 102 Abs. 3 S. 1 BetrVG; § 620 BGB; § 4 S. 1 KSchG