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  • 20.12.2023 · IWW-Abrufnummer 238823

    Landesarbeitsgericht München: Beschluss vom 18.09.2023 – 3 Ta 147/23

    Der Streitwert einer Klage nach § 8 TzBfG auf Abgabe einer Zustimmungserklärung zu der gewünschten Festlegung der Lage der Arbeitszeit ist mit einem Bruttomonatsgehalt angemessen bewertet. (Rn. 14 - 17)


    Tenor:

    Die Beschwerde der Klägervertreterin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 31.05.2023 - 9 Ca 9694/22 - wird gebührenpflichtig zurückgewiesen.

    Gründe

    I.

    1

    Die Prozessbevollmächtigte des Klägers begehrt im Beschwerdeverfahren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts für das Verfahren zur Berechnung der Anwaltsgebühren.

    2

    Die Parteien stritten über die Verteilung der von 120 auf 108 monatlichen Stunden reduzierten Arbeitszeit nach dem TzBfG, und zwar montags bis donnerstags beginnend ab 05:00 Uhr bis spätestens 15:30 Uhr, freitags beginnend ab 05:00 Uhr bis spätestens 13:45 Uhr und samstags, sonntags und feiertags beschäftigungsfrei. Der Kläger wurde bis zu seinem Antrag in Schicht- bzw. Wechselschichtarbeit eingesetzt. Das Verfahren wurde in einem Vergleich in einem anderen Verfahren vor dem Arbeitsgericht München miterledigt.

    3

    Auf Antrag der Klägervertreterin hat das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 31.05.2023 - 9 Ca 9694/22 - den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung von 2.600,00 € festgesetzt. Dies rechtfertige sich aus dem Umstand, dass im vorliegenden Fall lediglich um die Arbeitszeitverteilung, nicht auch über die Arbeitszeitreduzierung gestritten worden sei.

    4

    Gegen den ihr am 01.06.2023 zugestellten Beschluss hat die Klägervertreterin am selben Tage im eigenen Namen Beschwerde eingelegt und beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren auf drei Bruttomonatsvergütungen i. H. v. insgesamt 7.800,00 € festzusetzen. Es sei dem Kläger bei seinem Antrag in erster Linie um die Lage der Arbeitszeit gegangen, damit er sein Kind hätte betreuen können. Die Bedeutung der Sache für ihn rechtfertige keinen Abschlag gegenüber der Klage auf Reduzierung der Arbeitszeit.

    5

    Durch Beschluss vom 12.07.2023 hat das Arbeitsgericht München der Beschwerde der Klägervertreterin nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Ein "Abschlag" sei nicht erfolgt. Auch eine Klage auf Reduzierung der Arbeitszeit wäre im Anschluss an LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.03.2018 - 5 Ta 35/18 - bei einer Reduzierung um nur zwölf Stunden im Monat grundsätzlich mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten gewesen. Darüber hinaus werde für einen Beschäftigungsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich ein Bruttomonatsentgelt festgesetzt.

    6

    Die Klägervertreterin hat im Beschwerdeverfahren ihren Vortrag wiederholt und vertieft. Bei der Festsetzung des Gegenstandswert sei auch das ideelle Interesse des Klägers an der Entscheidung zu berücksichtigen. Die angestrebte Vertragsänderung wäre immens gewesen. Es habe ein atypischer Fall vorgelegen, der eine Festsetzung von drei Bruttomonatsgehältern rechtfertige.

    7

    Im Übrigen wird für das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

    II.

    8

    Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

    9

    1. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft. Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 RVG . Dies folgt aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG , dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des in § 33 RVG geregelten Verfahrens der "Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren" (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - Rn. 39 ff.).

    10

    2. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG . Der Beschwerdewert ist erreicht, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG .

    11

    3. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

    12

    a) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - Rn. 50 f.).

    13

    b) Die Beschwerdekammer folgt im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018 (im Folgenden: Streitwertkatalog 2018, abgedruckt in NZA 2018, 497 ff.; ebenso LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.07.2014 - 4 Ta 83/14 - Rn. 18 und Beschluss vom 29.07.2021 - 2 Ta 72/21 - Rn. 9; LAG Hessen, Beschluss vom 04.12.2015 - 1 Ta 280/15 - Rn. 7 m.w.Nachw.; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2016 - 5 Ta 264/15 - Rn. 4; LAG Hamburg, Beschluss vom 20.5.2016 - 5 Ta 7/16 - Rn. 10; LAG Sachsen, Beschluss vom 28.10.2013 - 4 Ta 172/13 (2) unter II. 1 der Gründe¸ LAG Hamm Beschluss vom 26.10.2022 - 8 Ta 198/22 - Rn. 11; LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - Rn. 52 f.). Dabei wird nicht verkannt, dass der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist.

    14

    c) Der Gegenstandswert für das Verfahren ist seitens des Arbeitsgerichts zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen auf eine Bruttomonatsvergütung festgesetzt worden.

    15

    aa) Nach Nr. I Nr. 8 Streitwertkatalog 2018 richtet sich die Bewertung eines Antrags auf Arbeitszeitveränderung nach Nr. I Nr. 4 Streitwertkatalog 2018, d. h. der Bewertung einer Änderungskündigung und dem sonstigen Streit über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Bei Änderungskündigungen ohne messbaren wirtschaftlichen Nachteilen ist eine Monatsvergütung bis zu einem Vierteljahresentgelt je nach dem Grad der Vertragsänderung festzusetzen, Nr. I Nr. 4.1 Streitwertkatalog 2018. Diesen Bewertungsgrundsätzen ist zu folgen. Das Teilzeitbegehren eines Arbeitnehmers ist mit einer Änderungsschutzklage vergleichbar. Denn ebenso wie es bei der Änderungsschutzklage um den Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses geht, will der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch auf Reduzierung und/oder Verteilung der Arbeitszeit in den Inhalt des Arbeitsverhältnisses eingreifen. Für die Streitwertfestsetzung ist die Klage des Arbeitnehmers auf Herabsetzung und/oder Neuverteilung der Arbeitszeit daher lediglich das Gegenteil einer Klage, mit der er sich gegen eine Herabsetzung und/oder Neuverteilung seiner Arbeitszeit durch eine Änderungskündigung des Arbeitgebers wehrt ( LAG Nürnberg, Beschluss vom 04.08.2020 - 2 Ta 84/20 - Rn. 18; GKArbGG/Schleusener, Stand Nov. 2020, § 12 ArbGG Rn. 337). Als vermögensrechtliche Streitigkeit und mangels besonderer Streitwertvorschriften ist für den Streitwert einer Klage auf Annahme eines Angebots auf Änderung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses nach § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse der klagenden Partei an dem (Fort-) Bestand der streitbefangenen Arbeitsbedingungen zu abzuschätzen (vgl. GKArbGG/Schleusener, a.a.O.; Tschöpe/Ziemann/Altenburg/Ziemann; Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, 2012, S. 29). bb) Die mit der Beschwerde angegriffene Festsetzung ist nicht zu beanstanden.

    16

    Die Festsetzung mit einem Bruttomonatsgehalt trägt dem Umstand Rechnung, dass im vorliegenden Fall allein die Zustimmung zur Verteilung der Arbeitszeit begehrt worden ist, während der Antrag auf Zustimmung des Arbeitgebers nach § 8 TzBfG zur Verringerung der Arbeitszeit und deren Neuverteilung zwei Prozessziele umfasst (vgl. BAG, Urteil vom 18.02.2003 - 9 AZR 164/02 -; hierauf abstellend für den umgekehrten Fall des Streits über eine Verringerung des vertraglichen Arbeitszeitvolumens um 25% und ergänzend auch um die Lage der täglichen Arbeitszeit: LAG Köln, Beschluss vom 22.10.2009 - 7 Ta 332/09 - unter II. der Gründe). Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass ein Beschäftigungsanspruch nach Ziff. I. 12 Streitwertkatalog 2018 lediglich mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet wird. Die Bewertung eines Aspekts der Beschäftigung kann ohne Wertungswidersprüche nicht höher als die Beschäftigung als solche sein.

    17

    Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass es eigentliches Ziel des Klägers gewesen sein soll, aus dem Schichtbetrieb herausgenommen zu werden und eine Beschäftigung nur tagsüber und nicht an Wochenenden sowie Feiertagen zu erreichen. Selbst wenn dies als wahr unterstellt würde, wäre nur ein Prozessziel des § 8 TzBfG , nämlich die Verteilung der Arbeitszeit, betroffen. Im Übrigen ist jede bestimmte Verteilung der Arbeitszeit für die klagende Partei von besonderer Bedeutung; sonst würde sie dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt und ggf. im Klagewege verfolgt werden.

    III.

    18

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 RVG . Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde hat die Klägervertreterin die angefallene Gebühr, Nr. 8614 KV GKG , zu tragen.

    IV.

    19

    Diese Entscheidung, die gem. § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG (vgl. zur Vorgängerbestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 2 BRAGO BAG, Beschluss vom 17.03.2003 - 2 AZB 21/02 - NZA 2003, 682).

    Vorschriften§ 33 Abs. 3 S. 1 RVG, § 33 RVG, § 33 Abs. 1 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, § 8 TzBfG, § 33 Abs. 9 RVG, Nr. 8614 KV GKG, § 78 S. 3 ArbGG, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG