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  • 17.07.2017 · IWW-Abrufnummer 195194

    Arbeitsgericht Bonn: Beschluss vom 14.03.2017 – 6 BV 100/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Arbeitsgericht Bonn

    6 BV 100/16

    Tenor:
    Die Zustimmung des Antragsgegners und Beteiligten zu 2) zur außerordent-lichen Kündigung des Beteiligten zu 3) nach § 103 BetrVG wird ersetzt.

    1

    I.

    2

    Die Beteiligten streiten über einen Antrag der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1.) auf gerichtliche Ersetzung der verweigerten Zustimmung des in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrates (Beteiligter zu 2.) zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitgliedes Herrn U. (Beteiligter zu 3.).

    3

    Der am 26.04.1985 geborene Beteiligte zu 3. ist seit dem 01.02.2005 bei der Arbeitgeberin als vollbeschäftigter Angestellter beschäftigt. Er ist ledig und hat keine Kinder. Derzeit ist er im Fachbereit IT tätig und wird vergütet nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 3 des Tarifvertrages Versorgungsbetrieb NRW (TV-V). Sein aktuelles Bruttomonatsgehalt beträgt insgesamt 4.639,21 €. Vor seiner Einstellung hat der Beteiligte zu 3. bei der Arbeitgeberin eine Ausbildung als Kommunikationselektroniker in der Fachrichtung Informationstechnik erfolgreich absolviert. Neben seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat ist der Beteiligte zu 3. auch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Arbeitgeberin und Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses.

    4

    Im Juli 2016 wurde bei der Arbeitgeberin das elektronische Unterweisungssystem „SAM“ implementiert. Hierbei handelt es sich um ein webbasiertes Dokumentationssystem das primär den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutzanweisungen und deren Dokumentation dient. Die Führungskräfte legen in Abstimmung mit der Arbeitssicherheit die zu unterweisenden Inhalte pro Mitarbeiter fest. Zudem erhalten alle Mitarbeiter eine Frist, innerhalb derer sie die Unterweisungen durchzuführen haben. Die Durchführung der Schulung erfolgt durch ein Einloggen der Mitarbeiter im Intranet auf der Benutzeroberfläche von SAM mit einem persönlichen Passwort. Die Mitarbeiter haben sodann die Schulungsunterlagen durchzuarbeiten und im Anschluss entsprechende Fragen zur Überprüfung ihres Wissens zu beantworten. Zudem haben sie zu bestätigen, dass sie die Schulung eigenständig und ohne weitere Hilfe durchgeführt haben. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Schulung erfolgt systemtechnisch eine entsprechende Dokumentation, die die Führungskräfte für ihre Mitarbeiter überprüfen können. Der Abschluss der Schulungen wird vom System mit einem grünen Haken gekennzeichnet. Darüber hinaus generiert das System für jede absolvierte Schulung ein Schulungszertifikat, welches sich die Mitarbeiter ausdrucken können.

    5

    Der Beteiligte zu 3. war bei der Einführung des SAM-Systems im Rahmen seiner Tätigkeit für die Arbeitgeberin involviert. Ihm oblag hierbei die IT-technische Umsetzung der Einführung. Er besitzt entsprechende Administratorenrechte, um sich auf der Datenbank von SAM einzuloggen. Neben der Einführung sind der Beteiligte zu 3. sowie sein Kollege T. auch für die dauerhafte Systembetreuung zuständig. Im Zusammenhang mit der Einführung von SAM hatte der Beteiligte zu 3. die Arbeitsanweisung, eine Userschnittstelle zu entwickeln, um die Userdaten aus der Personalabteilung mit den Userdaten der IT abzugleichen um dann diese gemeinsamen Datensätze in SAM zu importieren.

    6

    Von seinem Fachbereichsleiter und Vorgesetzten, dem Zeugen F., hatte der Beteiligte zu 3. die Anweisung, bis zum 30.11.2016 die folgenden acht Schulungen zu bearbeiten:

    7

    (1) Alkohol, Drogen & Co. – für Beschäftigte

    8

    (2) Büroarbeiten – aber sicher !

    9

    (3) Erste Hilfe im Betrieb – Teil I (Allgemeines)

    10

    (4) Fahrten im Herbst und Winter

    11

    (5) Gehen – aber sicher!

    12

    (6) Leitern und Tritte

    13

    (7) Mobbing und Fairness am Arbeitsplatz

    14

    (8) Psychische Belastungen – Wissenswertes für Beschäftigte.

    15

    Am 01.11.2016 erhielt Herr F. per Mail über das System SAM die Mitteilung, welche seiner Mitarbeiter die Schulungen noch nicht absolviert hatten. Die Email weist für den Beteiligten zu 3. noch acht offene Schulungen aus, für seinen Kollegen, Herrn S., ebenfalls noch acht offene Schulungen, für den Kollegen, Herrn I. noch fünf offene Schulungen und für den Kollegen, Herrn T. acht offene Schulungen. Am 07.11.2016 wurde Herr F. darauf aufmerksam, dass das System SAM auf der für ihn einsehbaren Benutzeroberfläche anzeigte, dass Herr S. drei Schulungen am 02. und 03. November absolviert hatte, die weiteren Felder jedoch grau unterlegt waren. Für Herrn I. wies das System die Durchführung von Schulungen am 01. und 06. September, insgesamt drei, aus, die offenen Schulungen waren mit einem weißen Feld versehen. Beim Beteiligten zu 3. waren zwei Schulungen durchgeführt am 02.11.2016 grün markiert, die weiteren sechs Schulungen grau hinterlegt. Bei Herrn T. waren in der Übersicht alle acht Schulungen als nicht mehr zugewiesen dargestellt. Die Graumarkierung bedeutet, dass keine Schulungen zugewiesen sind, die weiße Markierung bedeutet, dass die Schulungen noch nicht durchgeführt wurden. Über das System wurden für den Beteiligten zu 3. mit Datum 02. November 2016 sieben Bescheinigungen generiert, für Herrn T. am 03.11.2016 acht Bescheinigungen, für Herrn S. am 02. und 03.11.2016 insgesamt acht Bescheinigungen sowie für Herrn I. am 24.11.2016 fünf Bescheinigungen (vgl. die Anlagen Blatt 190 ff d.A.).

    16

    Herr F. wandte sich an Herrn Q., der für die fachliche Zuweisung des SAM-Systems verantwortlich ist. Herr Q. gab die Auffälligkeiten zur Prüfung an die Firma T. weiter. Die Überprüfung durch die Firma T. ergab, dass kein Systemfehler vorlag und auch keine Wartungsarbeiten durchgeführt wurden.

    17

    Am 23.11.2016 informierte Herr F. die Geschäftsführer.

    18

    Eine Auswertungsübersicht der Schulungen vom 25.11.2016 ergab, dass die am07.11.2016 für den Zeugen I. weiß hinterlegten Schulungen nun ebenfalls grau hinterlegt waren.

    19

    Am 30.11.2016 kam es zu einem Gespräch mit folgenden Gesprächsteilnehmern: Herr X., Herr F., Herr U., Frau K., Frau S., und Herr X. sowie der Beteiligte zu 3.. Ein Teil dieses Gespräches fand ausschließlich zwischen dem Beteiligten zu 3., Herrn X. und Herrn X. statt. Das Gespräch wurde von Frau S. protokolliert (vgl. das Protokoll Blatt 19 f. der Akte). Ausweislich des Gesprächsprotokolls erläuterte Herr F. dem Beteiligten zu 3., dass er im Zusammenhang mit der SAM-Schulung unter anderem beim Beteiligten zu 3. anlässlich einer automatischen, systemseitigen Erinnerungs-email an ihn als Vorgesetzten festgestellt habe, dass bei dem Beteiligten zu 3. in der Schulungsdokumentation zwei Haken grün gesetzt waren, bei den weiteren Schulungen ein graues Feld sichtbar war. Da dies ungewöhnlich sei, habe er sich an Herrn Q. gewandt. Herr Q. wiederum habe sich an die Firma T. gewandt. Diese habe nach Überprüfung sowohl einen Systemfehler ausgeschlossen, ebenso seien zum maßgeblichen Zeitpunkt keine Wartungsarbeiten durch die Firma T. vorgenommen worden. Auf diese Sachlage angesprochen habe der Beteiligte zu 3. verschiedene Verfahrensweisen erläutert, wie er in den letzten Monaten mit dem Tool SAM gearbeitet habe. Er selbst habe alle SAM-Schulungen durchgeklickt. Nach dem Gespräch im kleinen Kreis zwischen dem Beteiligten zu 3., Herrn X. und Herrn X. habe der Beteiligte zu 3. dann in der größeren Gesprächsrunde eröffnet, dass es mit dem von ihm geschriebenen Skript, von dem auch die Firma T. wisse, die Möglichkeit gebe, die eigene Schulung zu starten und zu beenden; mit dem „USER kopieren“ könne man auch den „USER beenden“ und damit die Schulung als erledigt darstellen, obwohl sie tatsächlich gar nicht durchgeführt worden sei. Auf Nachfrage habe der Beteiligte zu 3. erklärt, dass e dies auch bei seinen SAM-Schulungen so gemacht habe. Über diese Möglichkeit sei im Team gesprochen worden. Auf Nachfrage, wer mit „wir“ gemeint gewesen sei, habe der Beteiligte zu 3. die Kollegen T., I., S. benannt. Der Beteiligte zu 3. habe bestätigt, das Script für sich und drei Mitarbeiter der IT, nämlich die Herren S., T. und I., wie oben dargestellt „mißbräuchlich“ genutzt zu haben. Herr S. habe ihn angesprochen „Kannst Du mir wegen der SAM-Schulungen helfen“. Auf Nachfrage habe er nochmals bestätigt: „Ja, die Mitarbeiter sind auf mich zugekommen“. Auf Nachfrage habe der Beteiligte zu 3. geäußert: „Ich habe SAM nur als Lerntool gesehen, da ja ohnehin noch eine 1:1 Unterweisung durch den Vorgesetzten stattfinden sollte. Wir in der IT haben alle sehr viel zu tun und sind froh, wenn wir uns mal 2 Stunden Zeit freischaufeln können“. Auf Nachfrage habe der Beteiligte zu 3. nochmals bestätigt: „Ja, ich habe das Script genutzt und abgeändert; ja, ich habe Daten verändert“. Am Ende des Gespräches habe Herr X. dem Beteiligten zu 3.dargelegt, man werde sich Gedanken über die Konsequenzen machen, wobei man sich die Bandbreite aller Möglichkeiten offen halte.

    20

    Auf das Angebot des Beteiligten zu 3., seinen PC gemeinsam zu sichten, wurde arbeitgeberseitig nicht eingegangen. Es erfolgte nur eine USER-Sperrung. . Der Beteiligte zu 3. wurde von der Arbeitsleistung bis auf weiteres freigestellt.

    21

    Am 30.11.2016 gab es ein weiteres Gespräche mit Herrn Oliver S. und den Teilnehmern Herrn X., Herrn F., Herrn U., Frau K., Frau S. und Herrn X.. Ausweislich des Protokolls, angefertigt von Frau S., teilte Herr S. in dem Gespräch mit, dass er angeboten bekommen habe, die Schulung nicht selbst durcharbeiten zu müssen; es gäbe einen anderen technischen Weg, die Schulung als durchgeführt erscheinen zu lassen. Drei Schulungen habe er tatsächlich durchgeführt. Aufgrund von Zeitnot bei viel Arbeit in der IT habe er für sich eine Zeitersparnis gesehen. Er habe die Möglichkeit von der zweiten Person, die gerade noch im Raume war, angeboten bekommen. Er habe die Hilfe angenommen, er habe nichts konkret gefordert.

    22

    Mit Herrn T. wurde am 05.12.2016 ein Gespräch geführt, ebenfalls unter Beteiligung von Herrn X., Herrn F., Herrn U., Frau K., Frau S. und Herrn X.. Ausweislich des Gesprächsprotokolls, gefertigt von Frau S. (Blatt 269 der Akte), erläuterte Herr T. in dem Gespräch, dass er aufgrund der Arbeitssituation für sich keine Zeit für die Schulung gesehen habe. Daher habe er den Beteiligten zu 3. angesprochen, die Schulungen für ihn als erledigt zu kennzeichnen. Er habe keine einzige Schulung durchgeführt.

    23

    Mit dem gleichen Teilnehmerkreis fand am 05.12.2016 noch ein Gespräch mit Herrn I. statt. Ausweislich des Gesprächsprotokolls, gefertigt von Frau S. (Blatt 270 der Akte), erklärte Herr I. in dem fraglichen Gespräch, dass er am Freitag, den 25.11.2016 seine noch fünf offenen Schulungen habe durchführen wollen. Drei habe er bereits im Vorfeld durchgeführt. Zu Beginn habe er festgestellt, dass keine Schulungen mehr offen gewesen seien und die diesbezüglichen Zertifikate in seinem Postfach gelegen hätten. Auf Nachfrage habe Herr I. erklärt: „Es hat vermutlich Herr G. gemacht“. Er habe mal mit dem Beteiligten zu 3. über seinen generellen Zeitmangel gesprochen, aber nicht konkret von ihm gefordert, ihm bei der SAM-Schulung zu helfen.

    24

    Am 06.12.2016 leitete die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat das Mitbestimmungsverfahren gemäß § 103 BetrVG ein und beantragte, die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung des Beteiligten zu 3.. Bezüglich des Anhörungsschreibens wird auf Blatt 22 ff. der Akten Bezug genommen.

    25

    Unter dem 11.01.2017 erteilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 3. eine Abmahnung. Hintergrund der Abmahnung ist ein Streit zwischen den Beteiligten über die Herausgabe dienstlicher Gegenstände in Form des Laptops, des Diensthandys und des Tablets. Mit Email vom 02.12.2016 und weiterer Email vom 09.12.2016 wurde der Beteiligte zu 3. aufgefordert, diese Dienstgegenstände herauszugeben. Dem Beteiligten zu 3. wurde mit Email vom09.12.2016 weiterhin zugesichert, dass ihm die für die Ausübung seines Betriebsratsmandates erforderlichen sachlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden (vgl. Email Blatt 82 der Akten). Das Schreiben des Beteiligten zu 3. vom 12.12.2016 beantwortete die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 16.12.2016 und setzte eine erneute Frist für die Herausgabe bis zum 19.12.2016. Es folgte ein weiterer Schriftwechsel (Beteiligter zu 3. vom 16.12.2016 und Arbeitgeberin vom 20.12.2016) mit Fristsetzung seitens der Arbeitgeberin zum 23.12.2016. Der Schriftwechsel endet mit Schreiben des Beteiligten zu 3. vom 23.12.2016 und17.01.2017. Mit Datum vom 23.01.2017 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die aus ihrer Sicht weiteren verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigungsgründe im Hinblick auf die Nichtherausgabe der Dienstmittel (vgl. das Schreiben Blatt 100 ff. der Akten). Der Beteiligte zu 2. stimmte dem Kündigungsbegehren nicht zu.

    26

    Am 25.01.2017 gab der Beteiligte zu 3. das Diensthandy und das IPad der Arbeitgeberin zurück.

    27

    Bei der Arbeitgeberin existiert eine Rahmenbetriebsvereinbarung Informationstechnologie. Unter Ziffer 11.2 heißt es: „Die Erhebung, Verarbeitung oder sonstige Nutzung von Daten zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle ist nur in Abstimmung mit dem Betriebsrat möglich“.

    28

    Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, das Verhalten des Beteiligten zu 3. stelle einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung dar. Kündigungsrelevant sei vor allem die Tatsache, dass der Beteiligte zu 3. seine Administrationsrechte mehrfach massiv missbraucht habe. So habe er seine Administrationsrechte verwendet, um sich auf der SAM-Datenbank einzuloggen und das Unterweisungssystem zu seinen Gunsten zu manipulieren. Darüber hinaus habe er nicht nur für sich selbst, sondern auch für drei andere Mitarbeiter Manipulationen vorgenommen. Hierbei habe er die Absicht gehabt, die Arbeitgeberin darüber hinweg zu täuschen, dass er seine ihm zugewiesene Arbeitsleistung in Wirklichkeit nicht erbracht habe. Ein weiterer wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses liege in der beharrlichen Weigerung des Beteiligten zu 3. zur Rückgabe der in ihrem Eigentum stehenden dienstlichen Gegenstände (Laptop, Diensthandy, Tablett). Trotz mehrfacher Fristsetzung habe sich der Beteiligte zu 3. bislang geweigert, diese Gegenstände vollständig zurückzugeben.

    29

    Die Rahmenbetriebsvereinbarung Informationstechnologie hindere sie nicht, Datenmanipulationen bei ihren Mitarbeitern festzustellen und diese der Datenmanipulation zu überführen. Die Auswertung des Unterweisungssystems SAM zur Überführung des Beteiligten zu 3. sei nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle erfolgt, sondern zur Überführung der von ihm durchgeführten Datenmanipulation.

    30

    Bezüglich der überlassenen Gegenstände habe es keine private Nutzungsvereinbarung gegeben. Die genannten betrieblichen Gegenstände seien zur Ausübung des Betriebsratsmandates auch nicht erforderlich.

    31

    Die Arbeitgeberin beantragt,

    32

    die Zustimmung des Antragsgegners zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. nach § 103 BetrVG zu ersetzen.

    33

    Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. beantragen

    34

    Antragsabweisung.

    35

    Der Betriebsrat behauptet, es habe bei der von der Firma T. GmbH & Co. KG (SAM-Anbieter) bereit gestellten Importschnittstelle Probleme gegeben. Konkret habe es sich so verhalten, dass im Falle einer Namensänderung und auch vereinzelt bei sonstigen Übertragungsfehlern das einem konkreten Mitarbeiter zugeordnete Mitarbeiterobjekt gelöscht wurde, so dass alle von diesem Mitarbeiter bereits durchgeführten oder begonnenen Schulungen ebenfalls entfallen seien. Nachdem dieser Systemfehler aufgefallen sei, habe in der IT-Abteilung am 19.10.2016 ein Gespräch zwischen dem Beteiligten zu 3., dem Kollegen T. sowie Herrn Q. stattgefunden. Herr Q. als Fach- und Applikationsverantwortlicher, zuständig für Unterweisungen auch über das System SAM, habe dem Beteiligten zu 3. sowie Herrn T. ausdrücklich angewiesen, für dieses Problem eine Abhilfe zu suchen und eine Lösung zu schaffen. Zugleich habe er gemeint, er wolle sich zeitgleich an die Firma T. wenden um auch diesen Anbieter auf dieses Problem mit der Bitte um Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten hinzuweisen. Der Beteiligte zu 3. habe sich am 02.11.2016 des Problems angenommen und nach einer umfangreichen Analyse Lösungsmöglichkeiten ausprobiert und auch einen Lösungsvorschlag per Skript entwickelt. Um aber diese Lösungsoption nutzen zu können sei es systemseitig zwingend erforderlich, die Schulungen jedes betroffenen Benutzers vorher einmal zu öffnen und zu beginnen. Der Beteiligte zu 3. habe sich im Rahmen der Lösung des vorstehend geschilderten Problems in einem noch laufenden Projekt, quasi in einer offenen Baustelle/einem unvollendeten Arbeitsvorgang befunden. Die Testphase sei aus zeitlichen Gründen noch nicht abgeschlossen gewesen, als die Arbeitgeberin geglaubt habe, ein Fehlverhalten zu erkennen. Der Beteiligte zu 3. habe inhaltlich seine Tests mit seinem eigenen User Account unter SAM durchgeführt, weil seine Arbeitsaufgabe seines Erachtens auch in Bezug auf noch offene Schulungen zu erledigen gewesen sei. Mit dem vom Beteiligten zu 3. entwickelten Script würden lediglich Daten in die Datenbank hinzugefügt, es erfolge keine Änderung von Datensätzen. Es sei jederzeit für die Arbeitgeberin vollkommen transparent gewesen, was der Beteiligte zu 3. tue, woran er gerade arbeite und auch, dass er der Scriptersteller sei. Anhand des grauen Feldes sei auch klar erkennbar gewesen, dass hier ein noch nicht abgeschlossenes Projekt vorliege. Es sei nicht richtig, dass der Beteiligte zu 3. nicht die Benutzeroberfläche des Zeugen F. (graue Felder) habe einsehen können. Der Beteiligte zu 3., der im Bereich der IT mit Administratorenrechten, also mit seinem Administratoren-Login das System verwalte, habe nicht in seiner „Mitarbeiteransicht“ gearbeitet und die grünen Haken daher auch nicht wahrgenommen. Im Administratoren-Login seien alle Einstellungen zu sehen. Der Beteiligte zu 3. habe dasselbe gesehen wie der Vorgesetzte F.. Die Bescheinigungen bezüglich absolvierter Schulungen habe der Beteiligte zu 3. nicht generiert; sie seien ihm auch nicht bekannt.

    36

    Bei SAM handele es sich um ein Übungssystem, das lediglich ein Hilfsmittel darstelle und nicht die persönliche Unterweisung ersetze Das System SAM habe sich nur im Testeinsatz befunden und sei noch laufend wegen Fehlern bearbeitet und korrigiert worden.

    37

    Die von der Arbeitgeberseite vorgelegten Protokolle über Personalgespräche, erstellt von Frau S., seien nachträglich erstellt worden und entsprächen nicht dem tatsächlichen Gesprächsinhalt. Die Äußerungen, die in den Protokollen den Mitarbeitern S. und T. in den Mund gelegt worden seien, hätten diese so nicht getätigt. Insbesondere sei von diesen Zeugen nicht gesagt worden, dass der Beteiligte zu 3. ihnen angeboten habe, die Schulungen für diese als durchgeführt erscheinen zu lassen.

    38

    Der Beteiligte zu 2. ist der Ansicht, für eine Verdachtskündigung fehle es schon an der ordnungsgemäßen Anhörung des Beteiligten zu 3.. Insoweit verweist der Beteiligte zu 2. auf die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 30.03.2012 (10 Sa 2272/11), die die Anforderungen an die Einladung zur Anhörung im Rahmen einer Verdachtskündigung sorgfältig herausgearbeitet habe. Die Anhörung müsse sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer müsse die Möglichkeit haben, bestimmte zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen umso zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Vor diesem Hintergrund habe der Beteiligte zu 3. ausdrücklich angeboten, das tatsächliche Geschehen unmittelbar im System zu zeigen. Weiterhin habe der Beteiligte zu 3. überhaupt keine Gelegenheit zur Vorbereitung auf das Gespräch gehabt. Vielmehr habe die Arbeitgeberin ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einem Gespräch geladen. Der Beteiligte zu 3. sei zu einer Projektbesprechung geladen worden und habe sich dann überraschend dem Arbeitsdirektor X., dem Fachbereichsleiter IT F., dem stellvertreten Fachbereichsleiter IT U., der Fachbereichsleiterin KR K. und der Bereichsleiterin Personalmanagement S. gegenüber stehend gesehen. Das Gesprächsthema sei ihm nicht vorab mitgeteilt worden. Ein Anhörungsgespräch im Rahmen einer Verdachtskündigung dürfe nicht so ausgestaltet werden, dass der Arbeitnehmer sich alleine einer größeren Gruppe von Vorgesetzten gegenüber sehe, ohne zuvor auf das Thema hingewiesen worden zu sein. Die Arbeitgeberin habe zudem gegen die Rahmenbetriebsvereinbarung Informationstechnologie verstoßen. Insoweit sei die Theorie der kollektiven Wirksamkeitsvoraussetzung zu beachten. Die Arbeitgeberin habe offenkundig eine Systemprüfung vorgenommen, um den Vorwurf eines Fehlverhaltens gegenüber dem Beteiligten zu 3. zu konstruieren.

    39

    Bezüglich des Herausgabeverlangens der Arbeitgeberin im Hinblick auf Mobiltelefon, Tablet und IPad sei zu beachten, dass die betriebsratsinterne Kommunikation zwischen dem Betriebsrat und dem Beteiligten zu 3. in digitaler Form stattfinde, weshalb der Beteiligte zu 3. das ihm überlassene Notebook selbstverständlich weiter als erforderliches Mittel der Informations- und Kommunikationstechnik benötige.

    40

    Der Beteiligte zu 3. behauptet, er habe auf Anweisung an einer Lösung für die Problematik des Verlustes von Daten bei Namensänderungen gearbeitet. Insoweit habe er eine Schnittstelle, einen SQL erstellt, welche ihm als betreuende Fachkraft die Möglichkeit eröffnet habe, die Historie auch unter geändertem Namen wieder zu aktivieren und insofern den tatsächlichen Datenstamm, welcher existent sei, wieder auf die neue Namensnennung zu beziehen. Konkret habe er einen SQL geschrieben, mit welchem tatsächlich die Schulung bzw. die Absolvierung von Schulungen händig eingetragen werden konnte. Insofern handele es sich um eine Datenübertragungslücke, welche er geschlossen habe. Der Beteiligte zu 3. bestreitet, dass er sich am 02.11.2016 mit den entsprechenden Administrationsrechten auf der Datenbank einloggte um insofern Manipulationen vorzunehmen. Die behauptete Manipulation sei schon aus technischen Gründen nicht möglich. Eine insofern zum Vorwurf gemachte Eintragung, die Schulungen als absolviert ausweise, könne nach Maßgabe der Ausgestaltung des Systems nicht unter alleiniger und ausschließlicher Nutzung der sogenannten Adminrechte vorgenommen werden. Eine insofern als absolviert eingetragene Schulung bedürfe immer und grundsätzlich eines Aufrufs der Schulungsmaßnahme selbst durch den entsprechenden Arbeitnehmer unter Nutzung seiner Zugangsdaten, was jedenfalls mit Beginn der Schulung gleichzusetzen sei.

    41

    Die von der Arbeitgeberseite vorgelegten Protokolle seien inhaltlich verkürzt bzw. erweckten einen falschen Eindruck. Zentral bleibe darauf hinzuweisen, dass im Laufe des Gespräches des Öfteren der Versuch unternommen worden sei, das Wort Manipulation durch ihn bestätigen zu lassen. Nachdem der er innerhalb des Gespräches die Darlegung seiner Tätigkeit vorgenommen habe und insbesondere die Angabe gemacht habe, dass die Zugriffe zu einer Entwicklung des beauftragten Scripts dienten, sei dies durch die Arbeitgeberseite bzw. die dortigen Repräsentanten bestätigt und ausdrücklich der Hinweis getätigt worden, dass es sich somit gerade nicht um eine System- bzw. Datenmanipulation handeln könne.

    42

    Eine Verdachtskündigung scheitere schon an der fehlerhaften Anhörung. Er sei zum Personalgespräch am 30.11.2016 unter der Begründung geladen worden, dass die Arbeitgeberin ein sogenanntes „Projektgespräch“ führen wolle. Die Ankündigung eines Projektgespräches könne in keiner Form als Ankündigung eines ordnungsgemäßen Personalgespräches geschweige denn als Mitteilung hinsichtlich der Durchführung einer arbeitsrechtlich sowie kündigungsschutzrechtlich relevanten Anhörung eingeordnet werden.

    43

    Die Kündigung verstoße auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; seine Kollegen hätten nur eine Abmahnung bzw. eine Ermahnung erhalten. Zudem liege ein Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung Informationstechnologie vor.

    44

    Zum Vorwurf der hartnäckigen Verweigerung der Herausgabe von dienstlichen Gegenständen ist der Beteiligte zu 3. der Ansicht, diese Gegenstände seien teils zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt worden; jedenfalls brauche er diese für die Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit.

    45

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

    46

    II.

    47

    Der Antrag ist zulässig und begründet.

    48

    Die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3. war zu ersetzten, da die beabsichtigte außerordentliche fristlose Kündigung als Verdachtskündigung wirksam wäre.

    49

    Der Beteiligte zu 2. ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet.

    50

    Der Arbeitgeber hat die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unter Angabe der Kündigungsgründe entsprechend § 102 BetrVG beim Betriebsrat zu beantragen. Hinsichtlich der Art und des Umfangs der Informationen gelten hierbei dieselben Grundsätze wie zur Anhörung nach § 102 BetrVG. Dementsprechend muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für seinen Kündigungsentschluss im Einzelnen mitteilen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat seine Kündigungsabsicht mitzuteilen, die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers genau zu bezeichnen und die Kündigungsgründe anzugeben. Er muss den Betriebsrat über alle Aspekte unterrichten, die ihn zur Kündigung veranlasst haben (vgl. BAG, Beschluss vom 23. April 2008, 2 ABR 71/07).

    51

    Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrates der Zustimmung des Betriebsrates. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 15 Abs. 1 KSchG hat die Arbeitgeberin einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB voraus. Danach müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der Verdacht, der Arbeitnehmer könne eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen habe, kann nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist die strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Bei der Verdachtskündigung muss der Verdacht objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, d.h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat (BAG, Urteil vom 10.02.2005, 2 AZR 189/04). Die Verdachtsmomente und die Verfehlungen, deren der Arbeitnehmer verdächtigt wird, müssen so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

    52

    Die Prüfung des wichtigen Grundes erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. beispielhaft BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 ARZ 541/09) in zwei Schritten. Zunächst ist zu prüfen, ob der von dem Arbeitgeber vorgetragene Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es einer weiteren Prüfung, ob bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile das Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst schnellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Einzelfall höher zu bewerten ist als das Interesse des Arbeitnehmers am Bestand des Arbeitsverhältnisses zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

    53

    Eine vorsätzliche Täuschungshandlung über die Durchführung vertraglich geschuldeter Aufgaben unter Missbrauch von Administrationsrechten auch für Dritte ist nach Auffassung der Kammer grundsätzliche geeignet, das Vertrauensverhältnis so zu zerstören, dass das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos gekündigt werden kann. Nach Auffassung der Kammer liegt ein hinreichend dringenden Tatverdacht der vorsätzlichen Einflussnahme auf die Auswertung der Schulungsprogramme unter Ausnutzung der Administratorenrechte seitens des Beteiligten zu 3. Vor. Die Arbeitgeberin hat entsprechende starke Verdachtsmomente die auf objektiven Tatsachen gründen hinreichend dargetan, die den Verdacht begründen, der Beteiligte zu 3. habe unter Ausnutzung des von ihm entwickelten Scripts für seine Schulungen im System SAM und für die Schulungen von drei Kollegen den Eindruck erweckt hat, diese Schulungen seien absolviert bzw. nicht zugewiesen.

    54

    Entgegen der Auffassungen der Beteiligten zu 2. und 3. steht diesem Ergebnis nicht die Nichtbeachtung eines Mitbestimmungsrechtes des Beteiligten zu 2. gemäß Betriebsvereinbarung Informationstechnologie entgegen. Zwar sieht die Rahmenbetriebsvereinbarung Informationstechnologie unter Ziffer 11.2 ausdrücklich vor, dass die Erhebung, Verarbeitung oder sonstige Nutzung von Daten zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle nur in Abstimmung mit dem Betriebsrat erfolgen kann. Die Einführung des webbasierten Systems SAM unterfällt der Rahmendienstvereinbarung Informationstechnologie. Die Ergebnisse, die das System „SAM“ über das Leistungsverhalten der Arbeitnehmer generiert, unterliegen der Mitbestimmung. Die von der Arbeitgeberin vorgenommene Computerauswertung des Arbeitsplatzes des Beteiligten zu 3. unterfällt aber nicht dem Regelungsbereich dieser Dienstvereinbarung. Nachdem Auffälligkeiten in der Programmnutzung aufgefallen waren (graue Felder ), wurde der Arbeitsplatz des Beteiligten zu 3. zur Klärung der „Auffälligkeiten“ untersucht. Es geht insoweit um die Problematik, inwieweit der Computer als Arbeitsmittel vor Zugriffen durch den Arbeitgeber im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht und das Recht zur informellen Selbstbestimmung des Arbeitnehmers geschützt ist. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und das Recht auf informelle Selbstbestimmung können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes mit dem Interesse des Arbeitgebers ist eine Güteabwägung im Einzelfall vorzunehmen um zu ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang verdient (BVerfG vom 09.10.2002, 1 BVR 1611/96). In der Regel wird das Interesse des Arbeitgebers nur dann überwiegen, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers im Raume steht und keine Möglichkeit zur Aufklärung durch wenige einschneidende Maßnahmen gegeben ist (BAG, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 153/11). Die Frage eines Beweisverwertungsverbotes stellt sich aber dann nicht mehr, wenn der Beweis auch durch andere Tatsachen geführt werden kann. Insoweit beruft sich die Arbeitgeberin auf die Protokolle der Anhörung des Beteiligten zu 3. vom 07.12.2016 sowie auf die Protokolle der Anhörung der Zeugen S., T. und I.. Auch im Verfahren hat der Beteiligte zu 3. nicht bestritten, dass er ein Programm geschrieben hat, mit welchem Schulungen im Sinne von SAM als durchgeführt dargestellt werden können, ohne dass diese tatsächlich vollständig durchgeführt wurden. Streitig ist, in welcher Art und Weise dieses Programm eingesetzt wurde. Ihrer Entscheidung legt die Kammer ebenfalls die protokollierten Aussagen zugrunde. Eine Computerauswertung wurde nicht zu den Akten gereicht.

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    Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung der von der Arbeitgeberin vorgelegten Unterlagen geht die Kammer davon aus, dass der Beteiligte zu 3. hinreichend verdächtig ist, das von ihm entwickelte Script bewusst genutzt zu haben, um von ihm nicht erledigte Schulungen sowie nicht erledigte Schulungen seiner Kollegen für die Arbeitgeberin als durchgeführt erscheinen zu lassen. Diese Überzeugung ergibt sich für die Kammer aus folgenden Umständen: Aus dem Protokoll der Anhörung des Beteiligten zu 3. vom 30.11.2016 ergibt sich, dass der Beteiligte zu 3. erklärt hat, dass er sein Script, mit dem er Schulungen als erledigt darstellen könne, obwohl sie tatsächlich gar nicht durchgeführt wurden, bei seinen SAM-Schulungen eingesetzt habe. Diese Möglichkeit sei auch im Team besprochen worden. Weiterhin hat der Beteiligte zu 3. in der Anhörung gemäß Protokoll bestätigt, dass er für die drei Mitarbeiter der IT, Herrn S., Herrn T. und Herrn I., das Script genutzt habe. Der Beteiligte zu 3. hat sich im Prozess nur darauf berufen, das Protokoll sei insoweit unrichtig, als der Begriff „missbräuchlich“ ihm in den Mund gelegt worden sei und der Begriff Datenmissbrauch durch Datenveränderung ersetzt worden sei. Die insoweit unstreitige Nutzung des Scripts durch den Beteiligten zu 3. erfolgte auch nicht nur testweise, sondern diente der Vortäuschung eines Schulungsergebnisses.

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    Weder in seiner Anhörung vom 30.11.2016 noch in den Anhörungen der IT-Kollegen wurde angegeben, dass das Script an ihren Schulungen getestet wurde, um es bei erfolgreicher Testung für das Problem der Namensänderung in den Echtbetrieb zu nehmen. Vielmehr ergibt sich aus der Anhörung des Zeugen S., dass ihm bewusst war, dass über diesen technischen Weg die Schulung als durchgeführt erscheinen würden. Herr T. spricht zwar von einer Testung, hat aber in seiner Anhörung am 05.12.2016 ausweislich des Protokolls auch ausgesagt, dass er den Beteiligten zu 3. angesprochen habe, Schulungen für ihn als erledigt zu kennzeichnen. Aus der Aussage von Herrn I. lässt sich ebenfalls kein Rückschluss auf eine Testphase ziehen. Die Protokolle der Aussagen der Kollegen I., T. und S. wurden seitens des Beteiligten zu 2. nur insoweit infrage gestellt, als bestritten wurde, dass der Beteiligte zu 3. Schulungen als durchgeführt erscheinen zu lassen, angeboten habe. Das weitere Bestreiten der Aussagen ist völlig unkonkret. Der Beteiligte zu 3. hat auch keine Erklärung abgegeben, warum die Testphase an den Programmen von Kollegen durchgeführt wurde, ohne dies mit den Kollegen abzusprechen. Die Aussage des Beteiligten zu 3., „das Problem sei gelöst“, lässt auch darauf schließen, dass der Beteiligte zu 3. jeweils auf den Mitarbeiteransichten einen grünen Haken wahrgenommen hat und die Einsicht des Vorgesetzten mit den grau hinterlegten Kästchen nicht eingesehen hat. Die vom Beteiligten zu 2. im Prozess vorgetragene Erläuterung, als IT-Administrator könne der Beteiligte zu 3. mit seinem Administratoren-Login alle Einstellungen sehen, die auch der Vorgesetzte F. sehen könne, steht dem nicht entgegen. Nach Anhaben der Firma T. wurde in ihrem Datensatz gearbeitet. Der Beteiligte zu 3. hat sich zu seiner Vorgehensweise nicht konkret geäußert. Gegen einen Testlauf spricht auch, dass im System des Kollegen und Zeugen I. noch am 25.11.2016 eine Änderung vorgenommen wurde. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit dies testseits bedingt gewesen ist.

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    Die Verdachtskündigung scheitert nicht an einem Formfehler, nämlich der fehlenden ordnungsgemäßen Anhörung des Beteiligten zu 3.. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassung bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigten zu können. Versäumt er dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 20.03.2014, 2 AZR 1037/12). Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden, andererseits reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen gegebenenfalls zu bestreiten und den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um diese Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt (BAG, a.a.O.; BAG, Urteil vom 24.05.2012, 2 AZR 206/11).

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    Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Beteiligten zu 3. gerecht. Die Arbeitgeberin hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Dem Beteiligten zu 3. ist ausweislich des Gesprächsprotokolls die konkrete Situation geschildert worden, nämlich dass beim Beteiligten zu 3. in der Schulungsdokumentation zwei Haken grün gesetzt gewesen seien, bei den weiteren Schulungen jedoch ein graues Feld vorhanden gewesen sei. Dass man durch Nachfrage bei Herrn Q. bzw. bei der Firma T. festgestellt habe, dass dies weder auf einen Systemfehler noch auf Wartungsarbeiten der Firma T. zurückzuführen sei. Zu dem konkret geschilderten Sachverhalt hat der Beteiligte zu 3. sich sodann eingelassen.

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    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Beteiligten zu 3. im Rahmen des Gesprächs oder vorher (siehe Überschrift des Gesprächsprotokolls) der konkrete Vorwurf der Systemmanipulation des Unterweisungsprogrammes SAM mitgeteilt wurde. Insoweit beruft sich der Beteiligte zu 3. darauf, er sei nur zu einem Projektgespräch eingeladen worden. Nach Ansicht der Kammer scheitert die ordnungsgemäße Anhörung nicht daran, dass der Beteiligte zu 3. im Vorfeld nicht auf das Thema des Gespräches hingewiesen worden ist und ihm insoweit nicht die Gelegenheit gegeben wurde, ein solches Gespräch vorzubereiten, gegebenenfalls eine Vertrauensperson hinzuzuziehen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.03.2012, 10 Sa 2272/11). Die Kammer folgt der Rechtsprechung des LAG Berlin-Brandenburg insoweit nicht. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhaltes. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinander zu setzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt. Insoweit ist eine Einladung unter Benennung eines konkreten Anhörungsthemas nicht zwingend erforderlich. Der Beteiligte zu 3. sah sich auch nicht einer unfairen Situation gegenüber, wie vom LAG in seiner zitierten Entscheidung angesprochen. Zwar nahm zu Beginn am Personalgespräch eine Vielzahl von Personen teil; auf seinen Wunsch wurde dem Beteiligten zu 3. jedoch das Recht eingeräumt, das Gespräch teilweise nur mit dem Betriebsratsvorsitzenden, Herrn X., und dem Arbeitsdirektor, Herrn X., zu führen. Eine besondere Drucksituation für den Beteiligten zu 3. Ist nicht erkennbar (vgl zu einer solchen Situation LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25.06.2009, 5 TaBV 87/09).

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    Vor dem Hintergrund eines dringenden Tatverdachtes bezüglich des Vortäuschens für sich und drei Kollegen von erledigten Schulungen unter Ausnutzung der Administratorenrechte war eine Abmahnung auch entbehrlich. Grundsätzlich gilt für eine verhaltensbedingte Kündigung das Prognoseprinzip. Der Effekt der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine vergangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die begangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken.

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    Die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage ist angesichts des bewussten Täuschungsverhaltens unter Ausnutzung der besonderen Berechtigung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellbar. Eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die Arbeitgeberin ist zwar für den Beteiligten zu 3. erkennbar, aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung und unabhängig von einer Wiederholungsgefahr ausgeschlossen. Dieser Wertung steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin im Fall der Kollegen keine Kündigung ausgesprochen hat, sondern zum Mittel der Abmahnung und der Ermahnung gegriffen hat. Die Pflichtverletzungen sind nicht vergleichbar. Für den Zeugen I. gilt, dass er eine „Begünstigung“ nicht zurückgewiesen hat, von welcher er eher zufällig Kenntnis genommen hat. Für den Zeugen S. gilt, dass er sich aktiv auf eine solche „Begünstigung“ eingelassen hat. Beide Zeugen haben keine Administratorenrechte. Der Zeuge T. hat Administratorenrechte und sich laut eigener Einlassung selbst aktiv um die „Begünstigung“ bemüht. Dass die Arbeitgeberin das Ausnutzen einer Situation anders bewertet als das aktive Handeln des Beteiligten zu 3. beruht nicht auf einem willkürlichen Verhalten.

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    Auch im Übrigen fällt die Interessenabwägung nicht zugunsten des Beteiligten zu 3. aus. Bei einer Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen ist aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragsverletzung etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihrer wirtschaftlichen Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG, Urteil vom 27.01.2011, 2 AZR 825/09).

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    Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass die Interessen der Arbeitgeberin an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als gewichtiger zu beurteilen sind als die Interessen des Beteiligten zu 3. an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Zugunsten des Beteiligten zu 3. ist die Dauer seiner Dienstzugehörigkeit zu berücksichtigen. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch nicht geeignet, das Interesse der Arbeitgeberin an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Hintergrund treten zu lassen. Der Beteiligte zu 3. hat die für die Beteiligte zu 1. wichtige Kontrolle der Arbeit (Durchführung von SAM-Schulungen) unter Ausnutzung seiner Administratorenrechte in mehrfacher Hinsicht erheblich verletzt. Zum einen hat er seine persönlichen SAM-Schulungen bearbeitet, zum anderen dies jedoch auch für drei Kollegen getan.

    65

    Der Beteiligte zu 2. wurde auch innerhalb der Kündigungserklärungsfrist nach§ 626 Abs. 2 BGB angehört. Von den Kündigungsgründen hat die Arbeitgeberin am 23.11.2016 Kenntnis erlangt. Das Zustimmungsverfahren wurde am 06.12.2016 eingeleitet.

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    Mit der Bejahung eines Kündigungsgrundes wegen mehrerer Täuschungshandlungen bezüglich der Durchführung von SAM-Schulungen kommt es für die Ersetzung der Zustimmung zur fristlosen außerordentlichen Kündigung nicht mehr darauf an, ob auch der weitere Vorwurf der Arbeitgeberin, die Nichtherausgabe von dienstlichen Gegenständen trotz Abmahnung, eine außerordentliche fristlose Kündigung des Beteiligten zu 3. rechtfertigen könnte.

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    Dem Antrag der Arbeitgeberin war folglich stattzugeben.